Читать книгу Eine kurze Geschichte des Atheismus - Heinz Boemer - Страница 5

Frühgeschichte

Оглавление

Wie und wann und wo fingen Religion und ihr Gegenpol Atheismus überhaupt an? Diese Anfänge liegen im Dunkel der Geschichte, in prähistorischer Zeit. Zwar versuchen Archäologen immer wieder, urgeschichtliche Monumente wie Stonehenge in England oder Göbeklitepe in der Türkei, um nur zwei Beispiele zu nennen, als religiös motiviert zu deuten, aber eindeutige Überlieferungen religiöser Art sind erst durch Kulturen möglich, die über eine Schrift verfügten und diese so fixieren konnten, dass sie bis in unsere Tage erhalten blieb. Soziologen und Ethnologen wie auch natürlich Philosophen versuchten und versuchen immer noch, in das Dunkel der Vorgeschichte vorzudringen, indem sie beispielsweise noch existierende sog. Naturvölker und ihre Verhaltensweisen studieren. Doch ist dieser Schluss von heute lebenden Naturvölkern auf die Völker der Vorgeschichte eine grundsätzlich fragwürdige Methode. Es wundert daher nicht, dass verschiedene Forscher zu ganz widersprüchlichen Aussagen kommen. Meint der eine, wie z. B. John Lubbock vor über 100 Jahren, der sich mit primitiven Volksstämmen in Australien und Feuerland und auch anderswo beschäftigte und herausfand, wie er meinte, dass es völlig atheistische Völker gebe oder gegeben habe. Er war der Meinung, die frühe Menschheit sei atheistisch gewesen, das heißt, sie habe keine Idee irgendeiner göttlichen Welt gehabt. Andere Forscher des ausgehenden 19. Jahrhunderts widersprachen dem jedoch und glaubten, bei sogenannten primitiven Völkern religiöse Gefühle und gar einen Urmonotheismus gefunden zu haben. Wieder andere fanden bei einigen afrikanischen Völkern, z. B. den Pygmäen und den Bantus, eine Art Deismus, sie glauben an ein höchstes, allmächtiges Wesen, dem häufig kein Kult gewidmet ist, denn dieser Gott sei unerreichbar und kümmere sich nicht um die Menschen. 1

Aus dem alten Indien gibt es erstmals Dokumente, aus denen hervorgeht, dass es in Indien etwa 2000 Jahre früher als in Griechenland Atheisten gegeben hat. Selbst der Dictionaire théologie catholique räumt dies ein.2 Wir halten fest: Schon in uralten Zeiten gab es nicht nur Religion, sondern auch deren Gegenpol, den Atheismus. Vermutlich entstanden beide gleichzeitig.

China bietet dann ein erstes Beispiel für die Vielfalt atheistischer Haltungen. Zu nennen sind da der späte Taoismus ebenso wie der Mystizismus von Laotse und der Buddhismus sowie insbesondere die zentrale Religion des traditionellen Konfuzianismus, der ein wahres Kaleidoskop atheistisch-religiöser Facetten darstellt, wie der Buddhismus eine Art Religion ohne Gott. Auch im antiken Persien ist unter dem Namen Zervanismus eine atheistische Strömung zu finden, mit Zervan als höchstem unpersönlichem Prinzip, einer Spekulation über die unendliche Zeit. Diese Strömung wurde vom Parsismus verurteilt und als gottlos verfolgt. Im alten Ägypten und Babylonien finden sich keine Spuren von Atheismus, was aber nicht heißen muss, dass es keine Atheisten gab, Menschen eben, die keinen Kult, keine Riten, keine Tempel und keine liturgischen oder dogmatischen Texte besaßen.3 Auffallend ist aber der Versuch des Pharaos Echnaton gegen Ende des 2. Jahrtausends v. u. Z., mit der alleinigen Verehrung der Sonne als Gott einen Monotheismus einzuführen. Hermann Ley deutet diesen gegen die herrschende Priesterschaft gerichteten religiösen Umsturz als großen Schritt quasi in Richtung Atheismus, zumindest als aufklärerischen Versuch. Aber schon Echnatons Nachfolger Tutanchamon kehrte zu den früheren Verhältnissen zurück, vermutlich unter dem Druck der mächtigen Priesterschaft. 4

Auch unter den alten Hebräern gab es Zweifler und Gottesleugner. Aus verschiedenen Passagen des Alten Testaments lässt sich indirekt auf die Existenz von Ungläubigen schließen. Gleich mehrfach wird da mit den Gottlosen gehadert, die die Existenz Gottes leugnen: Zum Beispiel in Psalm 10,4 heißt es ganz klar:

Überheblich sagt der Frevler: Gott straft nicht. Es gibt keinen Gott. So ist sein ganzes Denken.

Oder Psalm 14,1: Die Toren sagen in ihrem Herzen: Es gibt keinen Gott.

Und Jeremia erklärt: Sie haben den Herrn verleugnet und gesagt: Er ist ein Nichts.

Auch in den Büchern Sirach, Hiob und Kohelet finden sich äußerst skeptische Passagen. Gläubige Exegeten freilich neigen dazu, solch klare Aussagen abzuschwächen oder gar zu entstellen.



Eine kurze Geschichte des Atheismus

Подняться наверх