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Richard Wagner und die Münchner Schweinehunde

Chaotische Uraufführung von »Tristan und Isolde«

»Ein und All, Inbegriff meiner Seligkeit!«, »Wonne des Lebens!«, »Heißgeliebter, Angebeteter, Herr meines Lebens!«, »Heiland, der mich beseligt!« So begannen von jetzt an die Briefe König Ludwigs II. an Richard Wagner. Und dem von Gläubigern gejagten Komponisten erteilte sein »Ein und All« den königlichen Befehl, den Ring des Nibelungen zu vollenden, Kosten spielen keine Rolle! Stararchitekt Gottfried Semper bekam den Auftrag, auf dem Isarhochufer neben dem Maximilianeum ein kolossales Wagner-Festspielhaus zu bauen. Die Münchner schüttelten den Kopf: Für diesen arroganten Sachsen mit seinen unverständlichen Opern mit unseren Steuergeldern ein eigenes Theater bauen?

Frau des Tristan-Dirigenten bekam Tochter »Isolde« von Richard Wagner!

Aber es kam noch schlimmer: Die Uraufführung von »Tristan und Isolde« stand bevor. Am gleichen Tag, an dem der Dirigent Hans von Bülow die erste Probe leitete, gebar dessen Frau Cosima ein Mädchen, das auf den Namen »Isolde« getauft wurde: Der Vater war aber nicht ihr Ehemann von Bülow sondern Richard Wagner!


Wagner als Schlittschuhläufer auf dünnem Münchner Eis: 1865 brach er ein und fiel in Ungnade.


Während ihr Mann die Tristan Uraufführung dirigierte, bekam Cosima von Bülow eine Tochter von Richard Wagner, die natürlich »Isolde« getauft wurde.


Ludwig und Malvina Schnorr von Carolsfeld als »Tristan« und »Isolde« in der Uraufführung.


Plakat der Uraufführung von »Tristan und Isolde« 1865 im Münchner Nationaltheater

Der Dirigent warf daraufhin die vordersten Stuhlreihen aus dem Zuschauerraum, weil angeblich die Bühne mehr Platz brauchte: »Was macht’s, ob ein paar Schweinhunde mehr oder weniger im Parkett sitzen!«, zitierte ihn eine Münchner Zeitung und die Premieren-Promis waren entsetzt. Nach der Generalprobe war die »Isolde« Malvina Schnorr-Carolsfeld so heiser, dass die Uraufführung abgesagt werden musste. München brodelte: »Tristan und Isolde unaufführbar?«, oder: »Wagner in Ungnade beim König?« Doch am 10. Juni 1865 ging die »unaufführbare Oper« mit Riesenerfolg zum ersten Mal über die Bühne. Das Publikum war ergriffen, Wagner trat Hand in Hand mit den Sängern beim Schlussapplaus auf die Bühne und Ludwig verneigte sich in der Königsloge huldvoll vor den Künstlern. »Dies war der Höhepunkt, von nun an nur noch Leiden«, notierte Wagner danach in sein Tagebuch.

Wagners gescheiterter Sturz der Minister »Pfi und Pfo«

Dem künstlerischen folgte ein menschlicher Höhepunkt: Im November 1865 wohnten beide eine Woche in Hohenschwangau, fuhren vierspännig durchs Herbstlaub und Wagner weckte den König mit Lohengrin-Posaunen vom Schlossturm. Aber die Idylle trügt: Wagner hatte in München inzwischen mehr Feinde und Neider als Bewunderer. Das viel zu teure Festspielhaus, der aufwendige Lebensstil, die kostenlose Villa, das g’schlamperte Verhältnis mit Cosima und seine hochnäsige Art – die Münchner konnten mit ihm einfach nix anfangen!




Ludwig II. und Richard Wagner waren ein gefundenes Fressen für die Karikaturisten: Die jaulenden »Münchner Schweinehunde«, denen man die Promi-Stuhlreihen genommen hatte, Wagners unglaubliche Honorarforderungen und ein wütender König vor leerem Geldschrank.

Doch Richard Wagner begann nun den Bogen zu überspannen. Die Schwierigkeiten, die sich bezüglich seiner Festspielhauspläne, seines aufwendigen Lebensstils und seiner Bezahlung durch den König ergeben hatten, glaubte er jetzt politisch mit einem Sturz seiner Hauptgegner, der Minister »Pfi und Pfo« überwinden zu können, gemeint waren dabei Franz von Pfistermeister und Ludwig von der Pfordten. Die Umsturzgerüchte waren ein gefundenes Fressen für die Münchner Presse: »Eure Majestät stehen auf einem verhängnisvollen Scheideweg« – was nichts anderes hieß als: Richard Wagner oder der König. Eine Art Bürgerinitiative forderte mit 4000 Unterschriften die Entfernung des arroganten und unverschämt teuren Komponisten aus der Stadt. Wie aufgewühlt der König war, sieht man schon daran, dass er erstmals seine Mutter um Rat fragte, dann seinen Vetter Carl, den Erzbischof, die Professoren der Universität und auch sein gesamtes Kabinett. Alle waren gegen Wagner, und Ludwig hatte keine andere Wahl: Wagner wurde der königliche Befehl überbracht, München zu verlassen: Am 10. Dezember 1865 um 5 Uhr früh stieg Richard Wagner mit seinem Hund »Peps« in den Zug in Richtung Schweiz.

Eklat bei Meistersinger-Premiere

»Ich juble vor himmlischem Entzücken, ich rase vor Wonne«, ließ der König zwei Jahre später Richard Wagner wissen, als im März 1867 die Luft in München wieder rein war für ein Wiedersehen anlässlich der Meistersinger-Uraufführung. »O bleiben Sie nun da, Angebeteter, für den einzig ich lebe, mit dem ich sterbe. O Tag des Heiles! Wonnezeit!« Doch die »Wonnezeit« trat nicht ein, beide stritten sich um Sängerbesetzungen und Aufführungsdetails und die Festspielhauspläne waren am Widerstand der Münchner endgültig gescheitert. Bei der Uraufführung der »Meistersinger« am 21. Juni 1868 kam es dann zum Eklat, aber nicht zwischen dem König und Wagner, sondern zwischen dem Publikum und dem König: Ludwig ging schon länger allen Promis und Blaublütigen aus dem Weg, so auch bei der Uraufführung der Meistersinger im Nationaltheater: In der Königsloge saß er alleine an der Seite von Richard Wagner und verschwand nach jedem Akt hinter einem Vorhang. Dafür schickte er Wagner vor an die Brüstung der Loge und befahl ihm, sich an seiner Stelle dem Publikum zu zeigen.


Wie in dieser Karikatur versteckte sich Ludwig II. bei der Meistersinger-Premiere hinter Richard Wagner.

Die Premieren-Promis waren wie gelähmt, dieser unverschämte Richard Wagner nimmt jetzt auch schon die Stelle des Königs ein! Obwohl Ludwigs überschäumende Verherrlichung Richard Wagners im Laufe der Jahre abgeklungen war, ließ der König sein »Ein und All« in dessen Finanzproblemen nicht im Stich. Auch in das Festspielhaus, das jetzt in Bayreuth gebaut wurde, steckte er gewaltige Geldsummen und war auch bei der Eröffnung dabei. Das Verhältnis Ludwig II. und Richard Wagner war eine einzigartige Beziehung zwischen Macht und Geld, von Musik-Genie und menschlicher Größe, und beide lebten ihrer Zeit weit voraus: Wäre das Festspielhaus wie geplant in München gebaut worden: Millionengewinne hätte die Stadt mit ihrer Gastronomie alljährlich eingefahren. Und Gerd Käfer wäre nicht der einzige geblieben, der in den 70er Jahren jedes Jahr an Richard Wagners Geburtstag an seinem Denkmal neben dem Prinzregentheater einen Kranz niederlegte, weil in Wagners Opern in den Pausen am meisten gegessen und getrunken wurde!


Gerd Käfer 1972 am Richard-Wagner-Denkmal.


Gottfried von Semper zeigt Ludwig II. und Richard Wagner das Modell des Münchner Festspielhauses.

König Ludwig II. hatte einen Vogel ...

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