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ОглавлениеKapitel 1: 1940 – 1946 Kindheit Teil 1
1.1 Erste Eindrücke aus der Erinnerung eines Kindes
1940 war der 2. Weltkrieg im vollen Gange. Über England tobte zu dieser Zeit der Luftkrieg mit riesigen Verlusten auf beiden Seiten. Der in Hitler-Deutschland zuständige Luftwaffengeneral Hermann Göring verstieg sich im Radio zu der Behauptung: „Wenn je ein feindliches Flugzeug die deutsche Grenze überfliegt, will ich Meier heißen“. Deshalb wurde er später manchmal im Volksmund auch Meier genannt.
In diese Zeitläufte hinein wurde ich am 17. Oktober 1940 in Dresden geboren. Mein Bruder war da schon dreieinhalb Jahre alt und Vater seit Frühjahr 1940 als Soldat an den Kriegsfronten.
Wir wohnten nahe dem Dresdener Hauptbahnhof auf der Ammonstrasse im 4. Stock eines Mehrfamilienhauses.
Eines Tages im Herbst 1943 erinnere ich mich als im Radio (wurde im Volksmund als Goebbels-Schnauze bezeichnet) ein Lied ertönte zu dem meine Mutter sang „Mamatschi schenk mir ein Pferdchen….“ und mich dabei auf den Arm nahm.
Da ich ein Foto besitze, auf dem mein Vater in Uniform mit meiner Mutter, meinem Bruder und mir zu sehen ist, muss mein Vater Mitte 1943 Front – Urlaub gehabt haben.
Heiligabend 1943 bleibt mir unvergessen. Zwei uniformierte Männer hatten geklingelt, meine Mutter öffnete die Tür und dann hörte ich einen markerschütternden Schrei, den ich nie vergessen werde!
Ihr wurde mitgeteilt, dass ihr Ehemann (und somit mein Vater) für Führer, Volk und Vaterland an der Ostfront den Heldentod erlitten hat. Ich kann mich noch erinnern, dass meine Mutter in ihrer großen Trauer und Verzweiflung einige Worte negativer Art über den Führer, zum Krieg und zu den sinnlosen Opfern sagte und dass die Männer schroff antworteten: “Das wollen wir nicht gehört haben und ist nur ihrer Trauer geschuldet, denn sonst müssten wir sie sofort mitnehmen, doch sie haben zwei Söhne, die sie großziehen sollen“.
Das Original der Wehrmachts-Todesmitteilung ist im Anhang zu lesen.
Seitdem war meine Mutter nur noch niedergedrückt und traurig, doch Kinder sind sich in dem Alter der Tragweite des Geschehens im Alltag keineswegs voll bewusst.
Gern sind wir Buben zur nahegelegenen Falkenbrücke gelaufen und haben dort dem Eisenbahn- und Rangierbetrieb zugeschaut. Damals gab es jede Menge Dampfloks und die dampfenden Schnellzugloks hüllten uns auf der Brücke mit ihrem Nebel ein, was uns immer viel Freude bereitete, vor allem wenn im Tandembetrieb Güterzüge durchfuhren. Eine Rangierlok mit hohem Schornstein hatte es mir besonders angetan, weshalb ich sie Posemuckel nannte.
Da die Schule in der mein Bruder lernte bei einem Bombenangriff zerstört wurde, hatte sich Mutter entschieden, meinen Bruder zu den Großeltern in das Industriegelände Dresdens zu geben. So war ich als Kind darauf angewiesen mich mit den Nachbarskindern anzufreunden, wenngleich auch meine Mutter sich immer wieder liebevoll mir zuwandte.
Auch kann ich mich erinnern an der Hand meiner Mutter an einer Veranstaltung der Hitlerjugend vorbei gelaufen zu sein, was für mich sehr interessant aussah. Ich wollte unbedingt sehen was da geschah, aber meine Mutter ließ dies nicht zu, mit dem Nazipack wollte sie nichts zu tun haben meinte sie und dass ich das später wohl verstehen werde, was ich heute unbedingt bestätigen kann. Dass meine Mutter schon vor meiner Geburt nichts mit den Nazis zu tun haben wollte resultiert daraus, dass ihr älterer Stiefbruder mit Beginn der Pubertät recht renitent zu ihrem Vater wurde und oft den Familienfrieden störte. Dieser Stiefbruder schloss sich bald der NSDAP an und versuchte deren menschenfeindliche Ideologie der Familie schmackhaft zu machen, was nicht akzeptiert wurde und zum Zerwürfnis führte. Anschließend machte er Karriere als Wehrmachtsoffizier. Ihr Vater (was mein Großvater ist) erkannte beizeiten, welch menschenverachtende Philosophie dem sogenannten Nationalsozialismus zu eigen ist.
Ab 1944 mussten wir immer häufiger nach dem Sirenengeheul, das vor nahenden Bombergeschwadern warnte, eiligst in den Luftschutzraum (LSR) in den Kellerbereich flüchten.