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Als die Rote Heidi noch eine Rote Heidi war.

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HAMCHA: Guten Morgen Herr Ramelow. – Warum sind Sie links?

Bodo Ramelow: Warum bin ich links? – Ich komme aus einer alten, protestantischen, konservativen Familie, da hat das Thema soziale Verantwortung immer eine zentrale Rolle gespielt. Das war die Frage nach der Verantwortung, auch und gerade für andere Menschen oder für gesellschaftliche Entwicklungen. Es gab in unserer Familie immer eine große Affinität, nicht nur um den eigenen Bauchnabel zu kreisen, sondern sich tatsächlich darum zu kümmern, dass es einem nicht nur individuell gut geht, sondern dass es einem nur gut gehen kann, wenn es anderen drum herum auch gut geht. – Wenn eine Perspektive da ist. Das ist so eine Grundhaltung, die mir von der Wiege an in meinem Leben mitgegeben worden ist. Die Frage der parteipolitischen Zuordnung ist mir viele, viele Jahrzehnte später erst gekommen.


Foto by courtesy of Bodo Ramelow

Ich bin Gewerkschafter gewesen, ich bin Betriebsrat, Jugendvertreter-Betriebsrat, gewesen, ich war in den 70er Jahren in der Friedensbewegung engagiert. Erst 1999, hier in Thüringen, bin ich Mitglied einer Partei geworden, nämlich damals der PDS. Und der Anlass war, heute ist der 1. September, der Antikriegstag, das Bombardement auf Serbien, die deutsche Beteiligung an einem Militäreinsatz, an einem Kriegseinsatz, was mir schwer unter die Haut gefahren ist. Damals bin ich dann Mitglied der PDS geworden, allerdings mit der Botschaft: ‚Ich werde Mitglied dieser Partei, um meinen Beitrag zu leisten, sie zu einer gesamtdeutschen Partei zu machen, einer sozialistischen Partei.‘ Sozialistisch ist in Deutschland, also in Westdeutschland, immer bedingt durch antikommunistische Grundströmungen und den Kalten Krieg, übersetzt worden, mit SED, Mauerbau, STASI, Gulag und anderen Sachen. Meine Vision von einer anderen Gesellschaft ist eben deutlich mehr, als eine Reduktion auf Staatskapitalismus á la osteuropäischer Länder.

HAMCHA: Ihre Familie ist, so sagten Sie, protestantisch konservativ. War ihr Weg in das politisch linke Lager vor diesem Hintergrund mit Konflikten verbunden oder wurde er von Ihrer Familie akzeptiert?

Bodo Ramelow: Der sozialpolitische Teil, mein Weg, den ich über die Gewerkschaft gegangen bin, war immer unproblematisch, weil dieser Aspekt in der Familie immer akzeptiert worden ist. Konfliktreich wurde es erst 1999, als ich beabsichtigte, für die PDS, damals noch als parteiloser Spitzenkandidat, in die Landtagswahl zu gehen. Da gab es dann ein Familientreffen West mit meinen Geschwistern. Mein Bruder lebt in London, der ging dann mit mir zum Friedhof, zum Grab von Karl Marx, wo wir vor der Büste von Karl Marx standen und darüber debattierten, ob es Sinn macht, dass ich für die PDS kandidiere. Das war noch so ein bisschen Schulterklopfen und Augenzwinkern von meinem Bruder. Aber meine Tante in Rheinhessen, die ganze Familie in Rheinhessen, ist sehr CDU-konzentriert und viele sind Parteimitglieder der CDU. Da hat meine Tante dann gesagt: ‚Junge, warum tust du mir das an?!‘ Auf meine Nachfrage: ‚Was tu ich dir denn an?‘, sagte sie: ‚Dass du für d’Kommunischte kandidierst!‘ Und ich sagte: ‚Liebe Tante, das ist keine kommunistische Partei, also nicht das, was wir unter staatskommunistischer Partei verstehen!‘ – Für mich ist die PDS in Thüringen so, wie die frühere SPD in Hessen Süd war, als diese noch eine sozialistische Grundhaltung hatte und die Rote Heidi noch ’ne Rote Heidi war. Das ist meine Jugenderinnerung daran und das Kuriose ist, dass meine Tante entsetzt war, so als würde die russische Armee mit Panjewagen in ihrem rheinhessischen Dorf kurz vor dem Einmarsch stehen und ich sozusagen die Familie verraten. – Interessant war allerdings, ein paar Jahre später, ich war ja dann ab und zu mal im Fernsehen, gab es den Fusionsprozess mit der WASG, die Bildung zur Partei DIE LINKE., als meine Tante sagte: ‚Die Verwandtschaft hat g‘sacht, das hat der Jung gut g‘macht!‘ Als ich abends in der Tagesschau und in den Tagesthemen immer mit dem Projekt DIE LINKE. war, sagte selbst meine Verwandtschaft, ich hätte den Job ordentlich gemacht, auch wenn es nicht ihre Partei sei. – Mir ging es immer darum, eine gesamtdeutsche Perspektive zu entwickeln, dass es eine Alternative jenseits des Antikommunismus geben muss, die darin besteht, Vorurteile auszuräumen, die damit immer verbunden waren, nämlich die Reduktion auf das, was Staatskapitalismus im ehemaligen Ostblock ausgemacht hat.


Foto by courtesy of Bodo Ramelow

Ich habe ja gesagt, dass ich evangelisch bin und aus einer protestantischen Familie komme. Meine Wurzeln sind eher bei Adolf Grimme und Dietrich Bonhoeffer, einer Kombination aus dem ‚Bund religiöser Sozialisten‘ und der ‚Bekennenden Kirche‘. Das sind die Wurzeln, die mich emotional ansprechen. Politisch orientiere ich mich eher an Wilhelm Weitling oder Moses Hess, also den frühen Sozialisten, bevor die zugespitzte Auseinandersetzung zwischen Ost und West nach 1945 zum Kalten Krieg in der massiven Form geführt hat. Lange Zeit vorher gab es Entwicklungsprozesse, die leider im Nachkriegsdeutschland unter die Räder gekommen sind. Rudimentär findet man sie noch in der katholischen Arbeiterbewegung. – Aber dieser Teil ist auch durch den Hitlerfaschismus, die KZs, in den Tod gebracht worden und es ist im Alltagsbewusstsein fast nicht mehr vorhanden.

Bodo Ramelow: Jetzt habe ich das Gefühl, dass über allem etwas Bleiernes liegt.

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