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2 Fragwürdige Werte der Betriebswirtschaftslehre

Welche Werte prägen die Betriebswirtschaftslehre? Die bis auf Max Weber15 zurückgehende Meinung, die Wirtschaft und ihre Wissenschaften seien wertneutral, bewirkt offenbar, dass derart grundlegende Fragen nur selten gestellt werden. Immerhin weist Günter Wöhe in seinem weit verbreiteten Grundlagenwerk „Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre“ darauf hin, dass es „besonders in der Betriebswirtschaftslehre, wo Wert- und Bewertungsprobleme eine bedeutende Rolle spielen, (…) einer besonders kritischen Betrachtung“16 bedarf. Er belässt es aber bei einer kurzen Gegenüberstellung ‚wertfreier‘ Fachvertreter und solcher mit einem ‚wertenden Gewissen‘, ohne auf die der Betriebswirtschaftslehre zu Grunde liegenden Werte und Leitlinien inhaltlich näher einzugehen.

Spätestens seitdem die Betriebswirtschaftslehre aus einer deskriptiven Betrachtung der Realität herausgetreten ist und sich mit der Zuwendung zur Systemtheorie und der Entwicklung der Entscheidungstheorie auf normatives Terrain begeben hat, kann von einer Wertfreiheit dieser wissenschaftlichen Disziplin keine Rede mehr sein. Umso wichtiger erscheint es heute, die impliziten Werte der Betriebswirtschaftslehre aufzudecken und deren Wirkung zu diskutieren. Dazu werden nachfolgend solche Wertvorstellungen untersucht, die die betriebswirtschaftliche Lehre und den unternehmerischen Alltag wie selbstverständlich begleiten oder gar bestimmen und kaum reflektiert oder gar hinterfragt werden.

Die betriebliche Praxis

So erscheinen die betriebswirtschaftlichen ‚Selbstverständlichkeiten‘ Sparsamkeit, Gewinnmaximierung, Wachstum und Wettbewerb bei näherem Hinsehen als Konstrukte, die die Praxis nachhaltig prägen, obwohl sie einen fragwürdig-destruktiven Einfluss auf Manager und ihre Mitarbeiter ausüben.

2.1 Sparsamkeit

„Sparsamkeit ist die Lieblingsregel

aller halblebendigen Menschen.“

Henry Ford17 (1863–1947), amerikanischer Unternehmer

Wie ihre Schwesterdisziplin, die Volkswirtschaftslehre, geht auch die Betriebswirtschaftslehre davon aus, dass Güter grundsätzlich knapp sind und deshalb einen ‚ökonomischen‘, also sparsamen Umgang erfordern. Diese Grundannahme erscheint auf den ersten Blick sinnvoll: Gegen den anklingenden ethischen Anspruch, Verschwendung vermeiden zu wollen, ist zunächst einmal nichts einzuwenden. Denn Sparsamkeit lässt Spielraum für alternative Verwendungen. Aber nur, wenn diese Verwendungen tatsächlich auch realisiert oder mindestens beabsichtigt werden, ist der ethische Anspruch tatsächlich gegeben. Sparsamkeit um der Sparsamkeit willen kann mit Knauserigkeit oder Geiz übersetzt werden und ist alles andere als tugendhaft. Im Mittelalter zählte Geiz zu Recht zu den Todsünden.

Während die klassische Betriebswirtschaftslehre nach wie vor auf Sparsamkeit setzt, etwa in Form immer ausgefeilterer Methoden der Kostenkontrolle oder des japanischen Konzeptes ,muda‘18, das sich gegen Verschwendung richtet, gelingt Wolf Lotter mit seinem Buch „Verschwendung – Wirtschaft braucht Überfluss“ ein Gegenentwurf, der gleichermaßen plausibel erscheint und nachdenklich macht: „Verschwendung ist gut – sie ist produktiv, sie ist erfinderisch und sie ist natürlich. Seit Milliarden von Jahren handelt die Evolution verschwenderisch. Wir sind das Produkt dieser natürlichen Vielfalt. Märkte funktionieren von jeher auf der Basis eines verschwenderischen Angebots und einer vielfältigen Nachfrage.“19

Übertriebene Sparsamkeit steht schließlich einer äußerst erfolgreichen Tugend im Wege: der Großzügigkeit. Großzügigkeit besteht darin, ohne Verpflichtung und Zwang Dritten etwas zukommen zu lassen, also ebenso Spielraum für alternative Verwendungen zu erschaffen. Selbstverständlich sei auch der Großzügige gewarnt, es zu übertreiben und über seine Verhältnisse zu leben.

Sparsamkeit richtig angewendet

Sparsamkeit als Grundwert der Betriebswirtschaftslehre benötigt also mindestens zwei Ergänzungen: Sie darf zum einen keine extreme Ausprägung erfahren, der Sparsamste ist keinesfalls der Beste. Zum anderen bedarf sie, um ethischen Ansprüchen zu genügen, einer Entsprechung bzw. eines Bezugs. Großzügigkeit erscheint trotz des vermeintlichen Widerspruchs als Entsprechung der Sparsamkeit durchaus geeignet, wenn beispielsweise mit dem Engagement gegenüber Bedürftigen oder der Umwelt dieser Bezug hergestellt wird. Auch auf den betrieblichen Alltag lässt sich dieser Gedanke leicht übertragen: Ein sparsamer Umgang mit Ressourcen eröffnet alternative Verwendungen, etwa eine großzügigere Beschäftigung mit der eigenen Zukunft durch Ausweitung der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten oder eine großzügigere Gewährung von Freizeit für die Mitarbeiter oder eine großzügigere Bezahlung von Lieferanten, Mitarbeitern und/oder Eigentümern. Kurz: Wenn Sparsamkeit angestrebt wird, muss es auf die Frage „Wozu?“ eine für alle Beteiligten nachvollziehbare und angemessene Antwort geben.

Neben der Sparsamkeit fallen drei weitere Konstrukte auf, die die Betriebswirtschaftslehre in fragwürdig-destruktiver Weise massiv bestimmen: Gewinnmaximierung, Wettbewerbsorientierung und Wachstum sind Kategorien, die zur kaum hinterfragten Selbstverständlichkeit in Wissenschaft und Praxis geworden sind.


Abb. 1: Die impliziten Werte der Betriebswirtschaftslehre

Auch diese Konstrukte erscheinen auf den ersten Blick durchaus vernünftig. Unternehmen müssen Gewinne machen, um zu überleben. Die Beachtung dieses Ziels ist notwendig, um Produkte und/oder Dienstleistungen anzubieten. Dabei den realen und sogar den potenziellen Wettbewerber im Auge zu behalten, fordert dazu auf, sich nicht zu überschätzen, innovativ zu bleiben und sich ständig weiterzuentwickeln. Wachstum kann vor diesem Hintergrund schon fast als eine Folge von Gewinn und Wettbewerbsorientierung interpretiert werden.

Und dennoch steckt in diesen drei Konstrukten eine erhebliche Gefahr! Sie werden, von vielen Menschen unbemerkt – zum Beispiel durch Erziehung und Ausbildung – Teil der eigenen Identität. Bereits bei Kleinkindern werden diese Werte in Form von Spardosen und Weltspartagen unterschwellig verankert; die Schule erscheint zunehmend als ein Ort, an dem im Wettbewerb mit den Mitschülern Gewinne in Form guter Zensuren einzufahren sind, während das Ziel ,Lerne fürs Leben!‘ nur noch müde belächelt wird; und spätestens nach der Einführungswoche ist dem Studierenden der Betriebswirtschaftslehre klar: Gewinnmaximierung ist das höchste Ziel auf Erden.

Auswirkungen dieser Konstrukte

Die Konstrukte Gewinnmaximierung, Wettbewerbsorientierung und Wachstum haben eben auch erhebliche Schattenseiten, indem sie ein Miteinander behindern und gleichzeitig ein Gegeneinander fördern. Gerade weil diese Werte unreflektiert übernommen werden, tragen sie subtil zu einem inhumanen Umgang bei. Darüber hinaus ist zu vermuten, dass diese Konstrukte insofern sogar eine Rechtfertigungsgrundlage für unanständiges Managerverhalten bilden.

2.2 Gewinnmaximierung

„Gewinne zu machen ist so wichtig wie die Luft zum Atmen.

Es wäre traurig, wenn wir nur auf der Welt wären,

um Luft zu atmen, genauso wie es schlimm wäre,

würden wir nur Unternehmen führen, um Gewinne

zu machen.“20

Hermann Josef Abs (1901–1994),

Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank

Bereits in den 1970er Jahren haben Hochschullehrer in St. Gallen darauf aufmerksam gemacht, dass die Forderung nach Gewinnmaximierung zu konkretisieren ist. Man hatte beobachtet, dass einige Manager zu Lasten der Zukunft kurzfristig hohe Gewinne einfuhren. Wer nämlich kurzfristig und zu Lasten der Zukunft Gewinne maximiert, riskiert die Existenz des Unternehmens. Typische Maßnahmen sind: Verlängerung der Instandhaltungszyklen, Reduktion des Budgets für Forschung und Entwicklung, Aussetzen von Weiterbildungsmaßnahmen. Um diesem Treiben entgegenzuwirken, empfahlen die Hochschullehrer, das Gewinnziel mit einer langfristigen und damit nachhaltigen Perspektive auszustatten. Auch wenn dieser Sichtweise sicher zuzustimmen ist, bedarf es einer grundsätzlicheren Betrachtung.

Was Studenten beigebracht wird

Auf die Frage, welches Hauptziel Unternehmen verfolgen, gibt es für Studierende der Betriebswirtschaftslehre (BWL) nur eine Antwort: Gewinnmaximierung. Vom Studienanfänger bis zum Examenskandidaten, von der wissenschaftlichen Hilfskraft bis zum Doktoranden, die angehenden Manager und Wirtschaftswissenschaftler kennen frühmorgens, nachmittags und auch nachts, selbst wenn sie angetrunken aus dem tiefsten Schlaf gerissen werden, nur diese eine Antwort: Gewinnmaximierung. Das Ziel bzw. die Aufgabe ‚Gewinnmaximierung‘ brennt sich von Anfang an derart ins Hirn eines BWL-Studenten ein, dass es Teil seines Selbst wird und nicht hinterfragt wird. So wird Gewinnmaximierung zu einer impliziten Leitlinie, die beinahe die gesamte Managerwelt prägt.

Dieses Hauptziel Gewinnmaximierung, das für immer im Kopf bleibt und die Psyche nachhaltig formt, wird bereits im ersten Semester anschaulich an einem Modell erläutert: Gewinn ist die Differenz zwischen Umsatz und Kosten und es gilt, den Punkt zu finden, an dem Umsatz und Kosten möglichst weit auseinander liegen. Dieser gewinnmaximale Punkt lässt sich als Mengenangabe in einem Koordinatensystem ausmachen.

Beim Umsatz unterstellt man, dass er mit Steigerung der Ausbringungsmenge zunächst steil ansteigt, sich dann abschwächt, um ein sogenanntes Umsatzmaximum zu erreichen. Von da aus fällt der Umsatz mit steigender Ausbringungsmenge. Die Kurve ähnelt einer Glocke, wenn man auf der y-Achse den Umsatz und auf der x-Achse die Menge abträgt. Eigentlicher Hintergrund dieser Glocke ist die fallende Preis-Absatz-Funktion, mit der unterstellt wird, dass mehr Produkte abgesetzt werden, wenn der Preis gesenkt wird. Die Multiplikation der dort ausgewiesenen Preise mit den zugehörigen Mengenangaben führt unausweichlich zur angesprochen Umsatzglocke.

Bei den Kosten unterstellt man einen Kostenblock, der auch dann anfällt, wenn überhaupt nicht produziert wird. Diese sogenannten Fixkosten beginnen also auf der y-Achse und steigen dann mit der Ausbringungsmenge, in manchen Modellen linear, in komplizierteren Modellen in aller Regel degressiv, um sogenannte Skalen- oder Lerneffekte darstellen zu können.

Nun sucht man eben jene Ausbringungsmenge, bei der die beiden Kurven weitestmöglich auseinanderliegen; oder man zeichnet eine neue Kurve, die die Differenz der beiden Kurven darstellt, und sucht dort das Maximum. Das lässt sich geometrisch bewerkstelligen, oder mit Hilfe von Rechenalgorithmen aus der Kurvendiskussion.


Abb. 2: Grafische Ermittlung des Gewinnmaximums

Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang der absolut fehlende Praxisbezug: Es gibt keinen Manager, der sich am Schreitisch diese beiden Kurven zurechtlegt, um daraus Handlungen abzuleiten. Es kommt noch erstaunlicher: Gewinnmaximierung ist nicht einmal messbar, obwohl Messbarkeit eine Hauptanforderung an operationale Ziele darstellt! Denn im Nachhinein lässt sich keineswegs sagen, ob die ergriffenen Handlungen tatsächlich zu einem maximalen Gewinn geführt haben, vielleicht hätte es doch noch ein bisschen mehr sein können.

Die mathematische Untermauerung der Grundthese, Gewinnmaximierung sei das Hauptziel eines Unternehmens, trägt in entscheidendem Maße dazu bei, dass sie sich praktisch unauslöschbar im Kopf festsetzt und zum Teil der eigenen Identität wird. Was in mathematischen Modellen ausgedrückt werden kann und sich (angeblich!) berechnen lässt, wird wohl auch richtig sein! Das wäre nicht weiter schlimm, wenn Gewinnmaximierung auch aus ethischer Sicht ein erstrebenswertes Ziel wäre.

Um die Gefährlichkeit der Gewinnmaximierung zu verdeutlichen, ist dieses Prinzip zunächst einmal analytisch aufzuspalten: Gewinnmaximierung ist nichts anderes als Umsatzmaximierung bei gleichzeitiger Kostenminimierung.

Umsatzmaximierung ist Abzocke

Umsatzmaximierung fordert dazu auf, so viel Umsatz wie eben möglich zu machen. Dahinter steckt die folgende Aufforderung: ,Nimm so viel Geld von deinen Kunden wie du eben bekommen kannst!‘ ,Setze den Preis so hoch wie es eben geht!‘ Um es ganz klar und deutlich zu sagen: Im Prinzip Gewinnmaximierung steckt eine mehr als deutliche Aufforderung zur Abzocke, einem ethisch unzweifelhaft fragwürdigen Verhalten.

Abzocke ist es, einen ungerechtfertigt hohen Preis zu verlangen. Auch wenn im strafrechtlichen Sinne nicht immer ein Vermögensdelikt in Form einer rechtswidrigen Bereicherungsabsicht unter Vorspiegelung falscher Tatsachen oder sogar Wucher vorliegt, erscheinen die Angebote vieler Unternehmen vor diesem Hintergrund zweifelhaft. Geplanter Verschleiß21 – also die gezielte Herabsetzung der Lebensdauer von Produkten – und Abo-Fallen sind nur die Spitze der hässlichen Seite der wirtschaftlichen Realität. Und selbst seriöse Anbieter scheuen sich nicht, ihre Kunden mit überteuren Service-Hotlines oder kaum bezahlbaren Serviceangeboten (z.B. Gepäckaufschlag bei Überschreitung der Freigrenze im Flugverkehr) abzuzocken.

Kostenminimierung ist häufig Ausbeutung

Und auch die Aufforderung zur Kostenminimierung hat es in sich: Kostenminimierung fordert dazu auf, möglichst wenig eigene Ressourcen abzugeben, den denkbar niedrigsten Preis zu zahlen, Lieferanten (zumindest für einige Zeit) unter die eigenen Kosten zu drücken, ökonomische über soziale Standards zu setzen. Auch hier ein deutliches Wort: Im Prinzip Gewinnmaximierung steckt eine unmissverständliche Aufforderung zur Ausbeutung, nicht minder ethisch fragwürdig.

Die wertfreie Definition für Ausbeutung bezeichnet zunächst einmal Ausnutzung oder Aufbrauchung jeglicher Art. Der Begriff wird jedoch spätestens seit Karl Marx insbesondere auf den unterdrückenden Einsatz von Menschen in Produktionsprozessen bezogen. Heute wird unter Ausbeutung ein besonders abscheulicher Arbeitseinsatz wie Versklavung und Kinderarbeit verstanden. Bezeichnenderweise wird dieser deutlich negativ besetzte Begriff in einigen Standardwerken der Betriebswirtschaftslehre im Zusammenhang mit der Nutzung von Produktionsfaktoren völlig bedenkenlos verwendet. Zugutehalten muss man den Autoren allerdings, dass sie sich nicht auf den Produktionsfaktor Arbeit, sondern eher auf Materialien oder Investitionsgüter beziehen.

Abzocke und Ausbeutung und mithin Gewinnmaximierung fordern also dazu auf, sich die Notlage Dritter zu Nutze zu machen.

Wie bereits erwähnt, ist es gleichwohl die Aufgabe von Unternehmen, Gewinne zu erwirtschaften. Deshalb sei vorgeschlagen, diese wichtige unternehmerische Zielsetzung eben nicht mit der wenig operationalen, radikalen Ergänzung ,Maximierung‘ zu belegen. Als Ersatz für die Zielsetzung ,Gewinnmaximierung‘ könnten die Begriffe ,Gewinnerzielungsabsicht‘ oder ,Erzielung eines angemessenen Gewinns‘ verwendet werden.

2.3 Wettbewerbsorientierung

„Um zu gewinnen, muss man aber nicht andere besiegen.

Nur einfache Gemüter definieren sich einzig

über den direkten Kampf, den Wunsch, zu besiegen.“22

,Albatros‘ Michael Groß, Schwimmweltmeister

und Olympiasieger

Die Volkswirtschaftslehre geht von der Grundannahme aus, dass Wettbewerb das beste Leistungsangebot hervorbringt. Fehlender Wettbewerb führt zu höheren Preisen, schlechteren Angeboten und schlimmstenfalls zu einer Unterversorgung der Bevölkerung.

Grundannahme der VWL

Aus dieser Grundannahme leitet sich für die Betriebswirtschaftslehre die Forderung ab, dass Unternehmen wettbewerbsfähig sein müssen, um zu überleben. Um im ökonomischen ‚Survival of the fittest‘ bestehen zu können, muss das Unternehmen langfristig besser sein als die Konkurrenz, ansonsten muss es vom Markt verschwinden.

Im Wettbewerb bestehen bedeutet, zu Ende gedacht, den Wettbewerber zu besiegen. ‚The winner takes it all!‘

Auch dieser Gedanke ist neben der Gewinnmaximierung zu einem wesentlichen Leitmotiv des Managements herangereift: „Die Wettbewerbsfähigkeit ist zu einem Glaubensbekenntnis geworden, zum neuen Evangelium jener Bevölkerungsgruppen, die heute über die Welt herrschen.“23 In Sonntagsreden, Geschäftsberichten und angesichts notwendig gewordener Reorganisationsmaßnahmen beten viele Führungskräfte und Politiker das immer gleiche Mantra der Wettbewerbsorientierung. Dazu bemerkt der italienische Soziologe Riccardo Petrella, der sich als Gegner der Privatisierung von Trinkwasser einen Namen gemacht hat, dass der Wettbewerbskult längst aus dem Unternehmenskontext herausgelöst wurde und bereits weite Teile der Gesellschaft erreicht hat: „Das Gebot des Wettbewerbs zwischen den Unternehmen und den Nationen hat das Denken, die Strategien und die Entscheidungen der Bildungsminister, der Universitätsleiter, der Gewerkschaftsführer, Parlamentarier und Bürgermeister, der TV-Produzenten und Journalisten stark geprägt und bestimmt sie auch weiterhin.“24

Dem Leitmotiv Wettbewerbsorientierung ist es wohl auch zuzuschreiben, dass die Wortwahl von Managern und sogar Wirtschaftswissenschaftlern sehr oft an eine Sprache erinnert, die ursprünglich für die Beschreibung besonders brutaler Ereignisse wie Kriege und Verbrechen geprägt wurde. Der Kampf um Marktanteile klingt in der deutschen Sprache noch vergleichsweise harmlos, während im Englischen der Spruch ,Business is War‘ als geflügeltes Wort zur Zustandsbeschreibung der Wirtschaft gilt.25 Und bei der Suche nach begabten Berufsanfängern befinden sich die Unternehmen in einem ,War for Talents‘. Auch in das deutsche Wirtschafts-Vokabular haben sich völlig unverdächtig klingende Begriffe wie ,Strategie‘, ,Taktik‘ und ,Logistik‘ eingeschlichen, die Carl von Clausewitz (1780–1831), ein preußischer General, ursprünglich zur Beschreibung kriegerischer Auseinandersetzungen benutzt hatte. Bruno Wagner zeigt sogar an vielen Beispielen, dass nicht nur die Wortwahl, sondern auch die Handlungen von Managern an Kriegsführung erinnern.26 Schließlich trägt das Buch von Matthias Weik und Marc Friedrich, in dem das Verhalten von Politik und Finanzwelt angeprangert wird, den bezeichnenden Titel: „Der größte Raubzug der Geschichte“.27

Wettbewerb ist Kampf

Jedenfalls ist Wettbewerb Kampf, Wettbewerb ist ein Gegeneinander. Die Aufgabe von Unternehmen ist es jedoch, miteinander und mit Konsumenten Geschäfte zu machen. Unternehmen haben Kunden, sie arbeiten also primär nicht gegen, sondern für jemanden oder für etwas. Nur sekundär arbeitet man gegen den Wettbewerber. Insofern erstaunt es, dass die Wettbewerbsorientierung einen derart hohen Stellenwert genießt, während die Kundenorientierung selbst von seriösen Unternehmen sehr häufig stiefmütterlich behandelt wird. Die ,Servicewüste Deutschland‘ wird in regelmäßigen Abständen beklagt und ihre Existenz mit Hilfe diverser Studien belegt, ohne dass nachhaltige Verbesserungen erkennbar wären.

Manager bezeichnen sich mit Blick auf den Sport gern als Mannschaft oder als Team. Zwischen einem Sportteam und einem Unternehmen besteht jedoch ein gewaltiger Unterschied: Die meisten Sportteams sind im Gegensatz zu Unternehmen tatsächlich fundamental wettbewerbsorientiert ausgerichtet: Fußball-, Handball- und Hockeyteams wollen ihre Gegner bezwingen. Sie brauchen einen Gegner, sonst macht dieser Sport keinen Sinn.

Nur wenige Sportarten kommen völlig ohne Gegner aus, wenn auch gelegentlicher Wettbewerb einen gewissen Kick auslöst. Gemeint sind zum Beispiel Segeln und Bergsteigen. Hier steht, wie übrigens auch bei Individualsportarten wie Laufen und Schwimmen, ein Ziel im Vordergrund, für das man sich anstrengt. An allererster Stelle steht, dass man auf dieses Ziel hinarbeitet. Als Teil einer Segel-Crew oder als Läufer ständig den Gegner im Auge zu behalten, bindet zu viele Kräfte, die anders zweckmäßiger eingesetzt werden. Das Ziel und nur das Ziel steht im Mittelpunkt; dem Gegner widmet man sich bestenfalls, wenn das Ziel erreicht ist.

Das Kernziel eines Unternehmens besteht eben nicht darin, jemanden zu besiegen oder aus dem Rennen zu schlagen. Würde der Läufer jemanden im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Rennen schlagen, würde er wegen grober Unsportlichkeit disqualifiziert. Vor diesem Hintergrund drängt sich der Gedanke geradezu auf, das heute in vielen Unternehmen noch weit verbreitete und als notwendig empfundene Bekämpfen und Attackieren von Wettbewerbern als fragwürdig zu betrachten. Die Erwägung aggressiven Wettbewerbsverhaltens als taktische oder strategische Alternative gehört nach meiner Ansicht in die Mottenkiste der Managementliteratur.

Unternehmerisches Handeln sollte vor allen Dingen von dem Kernziel geprägt sein, einen Kunden zufriedenzustellen.

Eine übertriebene Wettbewerbsorientierung bindet Ressourcen, die zweckmäßiger eingesetzt werden könnten. Außerdem verstellt eine übertriebene Wettbewerbsorientierung den Blick für die Bedürfnisse des Kunden.

Die Entlarvung des Wettbewerbs als unzweckmäßiges Leitmotiv wird schließlich auch durch Erkenntnisse aus der Psychologie gestützt. Der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahnemann verweist auf ein interessantes Experiment, „bei dem zwei Gruppen von Probanden ein Spiel spielen. Bei der einen heißt es ,Gemeinschaftsspiel‘, bei der anderen ,Wettbewerbsspiel‘. Im ersten Fall werden die Leute hilfsbereit, im anderen egoistisch – und das, obwohl es beide Male dasselbe Spiel ist.“28

2.4 Wachstum

„Rein monetäres Wachstum ist fragwürdig,

dieses Wachstum wird bezahlt mit einem Riss

in der Gesellschaft.“

Friedhelm Hengsbach29, deutscher Jesuit und Sozialethiker

Grenzen des Wachstums

„Die Grenzen des Wachstums“ (engl. Originaltitel: The Limits to Growth) ist eine viel beachtete, im Jahre 1972 veröffentlichte Studie zur Zukunft der Weltwirtschaft. Die Studie wurde im Auftrag des Club of Rome erstellt. Donella und Dennis L. Meadows und deren Mitarbeiter am Jay W. Forrester‘s Institut für Systemdynamik führten dazu Untersuchungen und Computersimulationen mit verschiedenen Szenarien durch.

Die zentrale Schlussfolgerung der Studie ist: Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.

Die Studie ist vor fast 50 Jahren erschienen. Ihre zentrale Schlussfolgerung ist bis heute weitgehend unumstritten. Das Buch der Meadows ist in über 30 Millionen Exemplaren in 30 Sprachen erschienen. 1973 wurde der Club of Rome für seine Studie mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.

Da verwundert es schon, dass Wirtschaft und auch Politik heute immer noch auf grenzenloses, sogar auf exponentielles Wachstum setzen. Die Wachstumsambitionen sind so selbstverständlich, dass man oftmals vergeblich nach Gründen fürs Wachstum sucht. Ein Grund für die ,Sucht nach Wachstum‘ könnte wiederum in der inhaltlichen Ausgestaltung der Betriebswirtschaftslehre verborgen sein. Die Betriebswirtschaftslehre stellt eine Reihe ,strategischer Instrumente‘ zur Verfügung, mit der die Richtung des Unternehmens bestimmt und kontrolliert werden kann. Kaum eines dieser Instrumente verzichtet auf den Aspekt Wachstum. Ob SWOT-Analyse oder Portfolio-Matrix, Balanced Scorecard oder Lebenszyklusanalyse, der künftige Erfolg eines Unternehmens wird recht einseitig anhand von quantitativen Wachstumspotenzialen abgelesen. Im Ergebnis wird das Unternehmen zusammen mit den vermeintlichen Experten, die die ,strategischen Instrumente‘ mit bunten Schaubildern gekonnt visualisieren, auf Mengenwachstum getrimmt.

Alternativen zum Wachstum

Hingegen erhalten die Alternativen, zu konsolidieren oder sogar bewusst zu schrumpfen, in der betriebswirtschaftlichen Fachliteratur allenfalls eine Randnotiz; in der Beratungspraxis kommen die Alternativen oft gar nicht erst vor. Diese Themen sind offensichtlich nicht ,sexy‘ genug, um aufgegriffen zu werden. Dabei sind es gerade diese Themen, mit denen sich künftige Manager zunehmend auseinandersetzen müssen. Grenzen des Wachstums zu erkennen bedeutet insbesondere, Unternehmen steuerbar zu machen und wendig zu halten. Dabei kommt es besonders darauf an, die eigenen Möglichkeiten zusammen mit den Mitarbeitern selbst zu erkennen, statt den immer gleichlautenden, angeblichen Expertenmeinungen zu folgen.

Und noch ein Gedanke zum Wachstum: Nicht jeder Absolvent der Betriebswirtschaftslehre wird in wachsenden Unternehmen arbeiten können. Selbst wenn die Volkswirtschaft wächst bzw. wachsen muss, wie uns viele Politiker glauben machen, wird es überdurchschnittlich wachsende, unterdurchschnittlich wachsende und auch schrumpfende Unternehmen geben, die gleichwohl durchaus gute Leistungen für ihre Kunden zu erbringen wünschen. Wenn die Betriebswirtschaftslehre mit ihren Inhalten und Fallbeispielen einseitig auf wachsende Unternehmen setzt, bildet sie allenfalls Schönwetterkapitäne aus. Angesichts der immer wieder zu beobachtenden schwierigen Phasen, die die Unternehmen durchlaufen und bisweilen die gesamte Volkswirtschaft erfassen, erscheint die Ausbildung von Managern zur Krisenbewältigung geradezu unabdingbar. Es ist kein Zufall, dass dieses Feld in der Praxis eher den Juristen als den Betriebswirten überlassen wird. Zum Beispiel sind die meisten Insolvenzverwalter von Haus aus Juristen.

Sich Wachstum zu wünschen, ist durchaus verständlich, wenn dadurch ein höherer Gewinn erzielt wird, vielleicht sogar ein höheres Einkommen für die Mitarbeiter entsteht. Nicht zuletzt profitiert auch der Staat von zusätzlichen Steuereinnahmen, mit denen er die ständig wachsenden Ausgaben begleichen kann.

Unbegrenztes Wachstum ist meistens tödlich

Entsprechend wird die Forderung nach Wachstum von Politikern, Ökonomen, Managern und Unternehmern unreflektiert und grundsätzlich mit einer positiven Entwicklung gleichgesetzt. Grenzen des Wachstums werden bewusst ausgeblendet, Gefahren des Wachstums werden nicht einmal wahrgenommen. Dabei ist aus der Medizin durchaus bekannt, dass ein beschleunigtes Wachstum meistens tödlich endet: Diagnose Krebs.

Das Seerosen-Prinzip

Auch die Natur eignet sich nicht, grenzenloses Wachstum zu begründen. Pflanzen und Lebewesen wachsen, bis sie er-wachsen sind. Übermäßiges Wachstum Einzelner oder einzelner Populationen führt letzten Endes ins Chaos, weil es das ökologische Gleichgewicht zerstört. Daniel Goeudevert liefert mit seiner Beschreibung der Seerose ein wunderbares Beispiel: „Von der Antike bis zur Neuzeit galt die Seerose als Symbol für Unschuld, Reinheit und Keuschheit. (…) Ihre wohlriechenden Blüten mit den spiralförmig angeordneten Kronblättern decken zwar einen wunderschönen Mantel über alles Darunterliegende (…); Botaniker weisen aber zu Recht darauf hin, dass die Seerose ein Starkzehrer ist und ihrem Untergrund so viel Nährstoffe entzieht, dass sie ihren eigenen Lebensraum zu zerstören droht.“30

Die allzu weit verbreitete Wachstumsgläubigkeit ist also keine Lösung für anstehende Probleme, sondern sie verdrängt sie in der naiven Hoffnung, ein ,Weiter so‘ sei der richtige Weg.

Die Forderung nach Wachstum verstellt den Blick für notwendige gravierende Veränderungen.

2.5 Auswirkung fragwürdiger Werte auf die Einstellung von Führungskräften

Die fragwürdigen Werte der Betriebswirtschaft bleiben nicht ohne Auswirkung auf Führungskräfte sämtlicher Branchen. Es ist sogar davon auszugehen, dass sie die persönliche Einstellung vieler Manager und Unternehmer dauerhaft prägen.

,Dunkles Management‘

Insofern produzieren die fragwürdigen impliziten Werte der Betriebswirtschaftslehre einen bedenklichen Orientierungsrahmen für Manager, der von einem äußerst negativen Menschenbild geprägt ist.

Die Ergebnisse dieses dunklen Managements sind weithin sichtbar. So meldet die Zeitschrift Focus: „Die Zahlen sind erschreckend. Fast 87 Prozent der Deutschen sind unzufrieden mit ihrem Job. Hassfigur Nummer eins: der eigene Chef.“31 Auch die Zeitschrift Der Spiegel gibt insbesondere den Folgen dieser Ergebnisse mit den Themen Mobbing und Burnout viel Raum und widmet ihnen Titelseiten und -stories.32

Nieten und Despoten als Manager

Mit seinem Titel „Nieten in Nadelstreifen“ machte Günter Ogger bereits vor fast 30 Jahren als einer der Ersten darauf aufmerksam, wie weit dunkles Management in Deutschland verbreitet ist und welche negativen Auswirkungen damit verbunden sind.33 Mit dem ehemaligen Automobil-Manager Daniel Goeudevert und dem Fernsehjournalisten Ulrich Wickert folgten bekannte Autoren, die Oggers Befund bestätigen.34 Dass dieses Phänomen nicht nur auf Deutschland beschränkt ist, zeigen Paul Babiak und Robert D. Hare in ihrem Buch „Snakes in Suits, When Psychopaths go to Work“ für den amerikanischen Markt.35 Da verwundert es nicht, dass mittlerweile literarische Ratgeber mit heftig klingenden Titeln erschienen sind, die den „geschickten Umgang mit Aufschneidern, Intriganten und Despoten im Unternehmen“36 thematisieren.

Obwohl auch ich im Verlaufe meines Berufslebens37 zahlreiche ähnliche Erfahrungen wie die vorstehenden Autoren gemacht habe und bestätigen kann, dass es deutlich mehr schlechte als gute Manager gibt, soll nachfolgend weder eine ,Abrechnung‘ erfolgen noch sollen weitere Ratschläge für Mitarbeiter, die sich miesen Führungskräften ausgesetzt sehen, entwickelt werden.

Bewusstsein schärfen

Der Überzeugung folgend, dass vielen Managern überhaupt nicht bewusst ist, wie schlecht sie mit ihren Mitarbeitern umgehen, wurde mit der Diskussion der fragwürdigen Werte der Betriebswirtschaft und den darauf basierenden negativen Einstellungen der Hintergrund eines dunklen Managements beleuchtet. Nachdem auf diese Weise die Augen geöffnet wurden, bleibt es selbstverständlich dem Leser überlassen, ob er daraus Konsequenzen ableiten möchte. Wer nun nicht unbewusst, sondern bewusst den Weg des dunklen Managements mit all den negativen Einstellungen und Konsequenzen weitergehen möchte, bitte sehr! Ihnen kann dieses Buch nicht weiterhelfen.

Allen anderen Lesern möchte ich den Vorschlag unterbreiten, die beschriebenen negativen Einstellungen über Bord zu werfen und durch positive Einstellungen zu ersetzen.

Der auch bei vielen Managern für seinen Rat geschätzte Benediktinermönch Anselm Grün unterstreicht: „Nicht Unruhe und Hektik soll die Führung verbreiten, sondern Frieden, Klarheit, Ruhe und Lust am Arbeiten.“38 Wenn Sie jetzt sagen: ,Klar, ich bin überzeugt. Genau das mache ich!‘ haben Sie die Botschaft dieses Buches verstanden und bräuchten eigentlich auch nicht weiterzulesen.

Eine große und ständige Herausforderung

Doch es ist keine leichte Aufgabe, die Sie sich da vornehmen! Das Streben nach einer positiven Einstellung erscheint mir persönlich als eine wirklich große und ständige Herausforderung. Wie schon eingangs gesagt, ist die Welt voll von Menschen, die anderen nicht gut tun, die unterdrücken, quälen, Angst schüren und Schrecken verbreiten. Und auch in unserem persönlichen Umfeld gibt es Menschen, die schlechte Stimmung verbreiten und uns enttäuschen. Das zieht runter! Und manchmal stehen wir uns auch selbst im Wege. Es sind nicht immer die Anderen schuld! Insofern erscheint es sinnvoll, nach Hilfestellungen auf dem Weg zu einer positiven Einstellung und mithin zur Stabilisierung eines positiven Menschenbildes Ausschau zu halten.

Die wichtigste Übung besteht aus meiner Sicht darin, die positive Einstellung inhaltlich konkreter zu beschreiben. Selbstverständlich muss jeder Leser diese Übung selbst durchführen, denn die Einstellung ist individuell mit der eigenen Persönlichkeit verknüpft.

Hilfreich erscheint in diesem Zusammenhang ein Wechsel der Ebene: Dem Begriff ,Einstellung‘, der sich auf die persönliche, individuelle oder auch psychologische Ebene bezieht, entspricht auf der soziologischen Ebene der Begriff ,Wert‘. Werte sind auf der einen Seite mehr oder weniger mit Anderen ,geteilte‘ Einstellungen, auf der anderen Seite prägen Werte unsere Einstellungen.

Mit der nachfolgenden Liste versuche ich, diejenigen Werte zu zeigen, die aus meiner Sicht im Einklang mit einem positiven Menschbild stehen. Dem Leser wird auffallen, dass die ,ganz großen‘ Werte wie Liebe, Frieden und Glück(lich sein) nicht aufgeführt sind, doch schwingen sie sicherlich im Hintergrund stets mit.39 Als Ökonom fühle ich mich nicht berufen, hierzu in epischer Breite Stellung zu beziehen. Mit Blick auf das gewählte Thema ,Führung‘ und mit Bezug auf den Fokus ,Unternehmen‘ erscheint es mir gerechtfertigt und angemessen, den Rahmen enger zu ziehen.

Positive Werte

FairnessEhrlichkeitWertschätzungVertrauen
ZuverlässigkeitZufriedenheitVerbundenheitErfüllung
GerechtigkeitZukunftsorientierungNachhaltigkeit
LeidenschaftSinn(haftigkeit)Beständigkeit

Dieser Wertekatalog ließe sich einerseits noch erweitern, andererseits sind die genannten Werte nicht überschneidungsfrei. Insofern mag die kleine Liste den Leser anregen und ermuntern, weitere Werte hinzuzufügen. In einem nächsten Schritt sollte eine Auswahl mit dem Ziel der subjektiven Überschneidungsfreiheit erfolgen, so dass wenige Werte übrig bleiben, die eine stabile und nunmehr bewusste Grundlage der eigenen Einstellung bilden. Denn die Konzentration auf wenige, bewusst ausgewählte Werte macht das Streben nach einer positiven Einstellung handhabbarer.

Fokussierung

Nach gründlicher Überlegung habe ich mich persönlich entschieden, die Werte Nachhaltigkeit, Wertschätzung, Erfüllung und Vertrauen zur Grundlage meiner eigenen Einstellung zu machen. Der Begriff Fairness, der den Untertitel dieses Buches bestimmt, durchdringt diese vier Werte gleichermaßen. Es geht schließlich um Fairness gegenüber der Zukunft, gegenüber den Ressourcen, gegenüber sich selbst und gegenüber den Beziehungen, die wir eingehen. Meine persönliche Begründung für die Auswahl meiner vier Werte möchte ich Ihnen nicht vorenthalten:

• Gerechtigkeit und Ehrlichkeit sind in der aus meiner Sicht weiter reichenden Wertschätzung im Wesentlichen enthalten. Um auch den Bezug zu den ,ganz großen‘ Werten, die im Zusammenhang mit einem positiven Menschenbild genannt werden, herzustellen: Liebe kann als Wert interpretiert werden, der Wertschätzung beinhaltet.

• Beständigkeit und Zukunftsorientierung im Sinne eines qualitativen Wachstums kommen für mich in dem Wert Nachhaltigkeit deutlich zum Ausdruck.

• Im Wert Vertrauen, der in meinen Augen sehr stark das Miteinander betont, erkenne ich die Werte Verbundenheit und Zuverlässigkeit wieder. Auch hier ist ein Bezug zu ,größeren‘ Werten erkennbar: Vertrauen lässt sich als Voraussetzung für Frieden interpretieren.

• Und der auf den ersten Blick recht angestaubt wirkende Begriff Erfüllung umfasst meiner Meinung nach die Werte Sinn(haftigkeit), Leidenschaft und Zufriedenheit. Erfüllung im Beruf bzw. in der Arbeit erscheint mir als kleine Ausgabe des Begriffs Glück, soweit dieser sich auf ein glückliches Leben bezieht.

Ethischer Kern

Auch wenn Sie, lieber Leser, eine andere Auswahl für sich treffen, werden Sie im nachfolgenden Kapitel nachvollziehen können, dass meine Beschränkung auf Wertschätzung, Nachhaltigkeit, Erfüllung und Vertrauen einen starken Kern für ein humanes Management darstellt, der Ihnen ein tragfähiges Muster für die Entwicklung Ihres eigenen ethischen Kerns bietet. Genau genommen ist es keine Beschränkung, sondern eine Fokussierung: Die nicht ausgewählten und einige weitere Werte werden im Folgekapitel keineswegs ausgeblendet, sondern an geeigneter Stelle erneut aufgegriffen.

Die wichtigste Übung besteht darin, dass Sie einen ethischen Kern zur Stabilisierung Ihres positiven Menschenbildes entwickeln und diesen zur Grundlage des Managements erheben. Die Verbesserung Ihres Führungshandelns ist eine zwangsläufige Folge, die Sie nicht verhindern können.

Allein dieser ethische Kern erfüllt Ihr Führungshandeln schon mit Leben.

Führen Sie schon oder herrschen Sie noch?

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