Читать книгу Feuerzauber in den Rockies: Western - Heinz Squarra - Страница 6

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Peitschenknallen und Rinderbrüllen drang durch die Staubschwaden, die dicht wie brauner Nebel über dem Weideland der Bullhead-Ranch lagerten.

Rizzos, der auf dem Zaun des Sammelcorrals saß, rieb sich die brennenden Augen.

»Achtung, Großer!«, rief Dwarf.

Rizzos beugte sich hinunter. Ein Longhorn tauchte auf, dicht dahinter der drahtige Reiter mit knallender Peitsche. Das Tier wollte kurz vor dem Tor, das Rizzos mit dem Fuß aufstieß, noch einmal ausbrechen, aber gegen die Flanke getroffen, schwenkte es zurück und raste durch das Tor.

»Gut gemacht, du bist heute der beste Mann!« Rizzos schob das Gatter mit dem Texasstiefel zu und notierte den Zugang durch einen Strich in seinem Notizbuch.

Plötzlich hallte das Krachen eines Schusses in die undurchsichtigen Schwaden. Scharf wieherte ein Pferd. Gleich darauf knatterten weitere Schüsse.

»Zum Teufel, was ist da los?« Rizzos steckte das Büchlein ein und sprang vom Zaun.

Chet McCoy tauchte von der Westseite auf und galoppierte vorbei.

»Hier, der Boss ist getroffen!«, brüllte jemand.

Chet dirigierte seinen Hengst dahin, wo er meinte, dass der Rufer stehen musste. Rinder kreuzten seinen Weg. Die Bullhead-Leute waren dabei, die am besten im Futter stehenden Tiere für einen Trail auszusondern.

»Hierher!« Es musste Jimmy sein.

Wieder fielen Schüsse. Ein gellender Schrei. Pferdeschnauben.

Chet sah einen Cowboy vom Pferd stürzen und durch das Gras rollen. In der nächsten Sekunde sah er den Rancher. Er lag ebenfalls auf dem Boden. Jimmy kniete bei ihm. Chet sprang bei dem jungen Cowboy aus dem Sattel. Der Weidereiter krümmte sich, hatte ein Bein angezogen und schrie, als Chet ihn anfasste. Die Kugel musste den Oberschenkel getroffen haben.

Aus dem Buschwerk an der Weidegrenze wurde wieder geschossen. Eine Kugel bohrte sich in Chets Nähe in den Boden.

Er zog den Colt und feuerte zu den Scrubbüschen hinüber.

»Rizzos, Dwarf, vorwärts, hinterher!«

Reiter sprengten vorbei.

McCoy schob den rauchenden Revolver in das Halfter, zog das Messer und schnitt dem Verletzten die Hose auf. Der ganze Oberschenkel sah blutig aus.

Die Reiter feuerte auf das Buschwerk. Aber es klang für den Vormann, als würden auch die Banditen Pferde antreiben und die Flucht ergreifen.

»Vormann, der Boss hat eine mächtige Wunde an der Hüfte!«, rief Jimmy, der junge Reiter der Bullhead-Ranch.

»Sofort. – Dan, mein Junge, die Kugel ist glatt durch, und das Blut spült die Pulverreste mit weg. Beiß die Zähne zusammen. Ich verbinde dich gleich.»

Der Mann versuchte, das Gesicht zu einem Grinsen zu verziehen, was ihm kläglich misslang.

Chet lief schon zu seinem Boss und Schwiegervater hinüber und kniete bei ihm.

»Ich glaube, die Halunken wollten mir den Garaus machen!«, stieß der Rancher Hervor.

Jimmy hatte John Corcoran das Hemd bis unter die Achsel geschoben. Der Boss blutete so stark wie Dan.

Ein Wagen rumpelte durch die Staubschwaden. »He, ihr Nashörner, wo versteckt ihr euch denn? fragte Doc Cook, der Ranchkoch.

»Hierher!« Jimmy winkte, weil er die beiden Gespannpferde und dann auch den Koch mit dem alten Lederhut auf dem Kopf auftauchen sah.

»Zum Teufel, was war denn das?«

»Komm her und bring das Verbandszeug!«, rief Chet zurück. Er wandte sich um und lauschte hinter dem Hufschlag und dem Knattern der Schüsse her.

»Auf den abgehetzten Gäulen kriegen sie die Banditen nicht ein«, sagte Jimmy, der wohl ahnte, dass McCoy erwog, den Cowboys zu folgen, um ihnen zu helfen.

»Wir hätten eben Wechselpferde von der Ranch mitnehmen müssen!«, schimpfte der alte Koch. »Hab ich doch immer gesagt, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Und besser, man hat, als man hätte.« Er kramte im Kasten des Bockes herum, brachte eine Arzttasche zum Vorschein und stieg endlich ab. »Wie geht es uns denn, Boss?«

»Lass die blöden Fragen!«, entfuhr es dem Rancher.

»Na-na, das ist doch nur ein Kratzer, Boss. In drei Wochen denkt an den kein Mensch mehr.«

Chet nahm Binden aus der Tasche, kehrte zu Dan zurück und verband ihm den Oberschenkel. »Wir legen dich und den Boss auf den Wagen, Dan. In einer Stunde bist du in deiner Koje auf der Ranch.«

»Ich wollte mit auf den Trail nach Kit Carson, zum Teufel!«

»Man will im Leben vieles, was dann nicht klappt. Ein anderes Mal, mein Junge.«

Jimmy kam herüber. Sie stützten den Verletzten, führten ihn zum Wagen und bugsierten ihn über die Planke. Er lag auf den Decken, die der Koch immer dabei hatte. Jimmy kletterte hinauf und schob ihm einen zusammengerollten Schlafsack unter das verletzte Bein.

Dann holten sie den Rancher. Obwohl John Corcoran ein harter Mann war und die Zähne zusammenpresste, stöhnte er mehrere Male.

»Morgen schneide ich Ihnen eine schöne Krücke zurecht, Boss!«, versprach Doc Cook. Sein Faltengesicht verzog sich zu einem Schmunzeln. »Und noch was: Wenn man an den Schmerz nicht denkt, ist er nur halb so schlimm!«

»Chet, kannst du ihm mal einen Tritt versetzen?«, ächzte der Rancher.

»Gern.« Chet kam dem Wunsch seines Schwiegervaters nach, aber er war nicht schnell genug. Nur sein Absatz streifte noch die Naht von Doc Cooks alter, ausgebeulter Levishose.

Corcoran lehnte am Wagen und hielt sich an der flachen Planke fest. Solange sein Körpergewicht auf den Armen ruhte, war der Schmerz auszuhalten. Doch als Chet ihn auf die Ladefläche schieben wollte, brüllte er wie aufgespießt.

»Wenn ihr euch wie gesittete Menschen benehmt, helfe ich«, versprach der Ranchkoch auf der anderen Seite. »Und zwar mit einem Brett, auf das wir ihn legen sollten, Chet. Dann heben wir ihn über die Planke wie der Bäcker das Brot in den Ofen.«

»Hol das Brett und halte keine Volksreden.« Chet ließ seinen Schwiegervater los.

Doc Cook entfernte sich Richtung Sammelcorral. Auf der anderen Wagenseite streiften ein paar Longhorns vorbei.

»So ein verdammter Mist!«, schimpfte Dan. »Ich wollte so gern beim Rodeo in Kit Carson dabei sein.«

»Bildest du dir etwa ein, du wärst dort ganz groß herausgekommen?«, gab der Rancher knurrig zurück.

»Kann man doch nicht wissen.«

John Corcoran brummte noch etwas Unverständliches, dann schwieg er, ärgerlich darüber, dass es ihm auch nicht besser ging als dem jungen Cowboy. Denn auch er hatte mit in die kleine Stadt in Kansas reiten wollen, wo die Sammelherde zusammengestellt wurde und vor deren Weitertrieb dieses größte im mittleren Westen bekannte Volksfest ablief.

Doc Cook schleppte ein zwei Yards langes Brett vom Corral herüber und rief: »Der junge Dackel steht dabei und sieht zu, wie ich alter Mann mich schinde!«

Jimmy hatte gar nicht daran gedacht, dass der dem Koch helfen könnte und rannte nun zu ihm.

»Jetzt brauche ich dich auch nicht mehr!«, maulte Doc Cook prompt. »Hau ab, sonst hast du es noch vorm Kopf!«

Jimmy blieb vorsichtshalber bei den Geschirrpferden.

Cook legte das Brett auf den Boden. »So, da drauf, Boss, dann hieven wir dich hinein!«

Chet fasste dem Rancher unter die Achseln und ließ ihn auf das Brett sinken. Dann hob er den Verletzten mit dem Koch in den Wagen.

»Na also, war doch ganz einfach.« Doc Cook rieb die Hände aneinander. »Und nun?«

»Fahr los. Ich komme nach, sobald unserer Leute zurück sind.«

»Und wenn die Banditen unterwegs lauern?«

»Rede kein Trompetenblech, Cook. Die Banditen sind nach Osten, und du fährst nach Westen.«

»Na und? Die können längst einen Bogen geritten haben.«

»Jimmy, fahr du den Wagen, unser Doc scheint Angst zu haben.«

Der Cowboy wollte sofort auf den Bock klettern. Aber Doc Cook wirbelte herum und riss ihn zurück. »Das könnte euch so gefallen, einem alten Mann nachzusagen, er wäre ein Feigling!« Schimpfend stieg der Koch auf und ließ die Peitsche knallen.

»Nicht so schnell!«, befahl der Rancher.

Das Gefährt umfuhr ein paar stehengebliebene Rinder und entfernte sich in den Staubschwaden. Rasch wurde der Wagen unsichtbar.

»Wie spät wird es sein?«, fragte Jimmy.

Chet schaute über sich, aber von der Sonne ließ sich nichts erkennen. »Sicher Nachmittag.«

Sie lauschten, bis sie nach einiger Zeit Hufschlag hörten. Jimmy repetierte das Gewehr.

»Wir sind es!«, meldete sich Rizzos lautes Organ. Der herkulische Cowboy, auch Schmied auf der Bullhead-Ranch, tauchte auf. Die anderen kamen mit mehr oder weniger hängenden Köpfen hinter ihm.

»Nichts«, murmelte Jimmy. »Ein Schuss ins Dunkle.«

Die Cowboys zügelten die Pferde.

»Es waren vier, fünf oder sogar sechs«, erklärte Dwarf. Er spuckte ins Gras und wischte mit dem Halstuch über sein Gesicht.

»Habt ihr sie gesehen?«, wollte McCoy wissen. Er schnallte die ledernen Chaps über der Levishose ab und warf sie zu den mitgebrachten Werkzeugen und Schlafdecken.

»Gesehen wäre ein bisschen viel behauptet«, gab Dwarf zurück. »Ich würde sagen, schemenhaft. Die sind ja wie die Teufel geritten.«

»Komisch«, stellte Jimmy fest. »Erst greifen sie uns an, dann geben sie gleich Fersengeld.«

»Vielleicht dachten sie, wir wären weniger Leute«, mutmaßte Rizzos.

»So ein Quatsch, die müssen uns doch beobachtet haben!«, trumpfte Jimmy auf.

Ihr bleibt alle hier, macht langsam weiter und haltet die Augen offen, klar?« Chet ging zu seinem in der Nähe verweilenden Hengst und saß auf. »Wie viele haben wir schon im Sammelcorral, Rizzos?«

Der hünenhafte Schmied musste sein Notizbuch zu Rate ziehen und zählte die Strichblöcke zusammen. »Knapp sechshundert.«

»Also, noch gut zweihundert. Das schafft ihr heute. Bleibt danach alle da und bewacht die Herde scharf.«

»Was ist mit dem Boss und Dan?«

»Das kann euch Jimmy erzählen.« Chet McCoy lenkte sein Pferd nach Westen und trieb es an.

Der gebräunte, sehnige Vormann holte den langsam fahrenden Ranchwagen noch vor dem langen Zaun ein, der die Bullhead-Ranch umgab.

Doc Cook fuhr auf dem Karrenweg, der schnurgerade zum Tor und unter dem Brett mit dem Stierschädel daran in den Hof führte. Da er sich längst außerhalb der Staubwolke über dem Weideland befand, konnte er von den Ranchgebäuden aus gesehen werden.

Sonnenlicht lag auf den Gebäuden, die den geräumigen Hof hinter dem Pferdecorral umgaben. Allerdings war die Stunde inzwischen soweit fortgeschritten, dass auch lange Schatten in den Sand ragten; teilweise verschmolzen sie ineinander.

Ein Cowboy kam aus der Remise, gleich darauf war Mary-Lou, Chets Frau und zugleich Tochter des Ranchers, vor dem Haupthaus zu erkennen. Die junge, schlanke Frau schob sich die braunen Locken nach hinten und trat auf die Treppe herunter.

»Reite voraus und bereite sie auf das vor, was sie gleich zu sehen kriegen«, sagte der Koch. »Ich muss die Gäule langsam gehen lassen, sonst werden der Boss und Dan zu sehr durchgerüttelt.«

Chet blickte zu seinem Schwiegervater hinüber. Corcorans Gesicht wirkte grau und die Wangen waren eingefallen. Dan sah nicht besser aus und verkniff sich das Stöhnen offenbar nur mit äußerster Willensaufbietung. Die Fahrt musste für die beiden die Hölle sein, aber sie war unvermeidlich.

»Nun mach schon!«, knurrte Doc Cook.

Chet ritt schneller. Ihm, aber auch dem langsam fahrenden Koch, entging ein zweiter Wagen, der südlich im Buschland stand. Sie sahen auch den Mann davor im Dickicht nicht, der sie mit einem ausgezogenen Fernrohr am rechten Auge beobachtete.

Chet erreichte den Hof. Mary-Lou kam ganz herunter und fiel dem Hengst in den Zügel. Der Cowboy näherte sich von der Remise.

»Ihr seid schon fertig?«, staunte Mary-Lou. »Das ging aber schnell!«

»Wir wurden angegriffen.« McCoy stieg ab und legte den Arm um die Schultern der jungen Frau. »Von ein paar Banditen, die wie wild geworden los ballerten, bevor wir sie sahen. Und die auch gleich wieder das Weite suchten.«

Mary-Lou blickte auf den Wagen und begriff erst da, dass Doc Cook ganz entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten verdächtig langsam kutschierte. »Was ist geschehen?«

»Nichts Schlimmes.«

»Wer?«

»Dein Vater und Dan. Aber es ist wirklich …« Chet brach ab.

Mary-Lou lief bereits dem Ranchwagen entgegen.

»Mist.« Er führte das Pferd zur Tränke und ließ es saufen.

Der Wagen rollte durch das Tor und näherte sich. Mary-Lou lief nebenher.

»Was ist denn los?«, fragte der Cowboy.

»Ein sinnloser Überfall. Banditen, denen die Hitze offenbar schadete. Die konnten nichts gewinnen.«

Der Cowboy lief ebenfalls zum Wagen, der nun am Pferdecorral entlang rollte und schließlich beim Brunnen hielt.

»Es ist nicht weiter schlimm, Mary-Lou!«, beruhigte der Rancher seine Tochter.

Chet sattelte den Hengst ab. Er wollte hier bleiben. Auf der Weide waren sie nun, wo die Arbeit des Aussortierens vielleicht schon beendet war, genug Leute für die Wache, auch, wenn die Banditen noch einmal versuchen sollten, sie zu überrumpeln. Die Frage, was die Halunken getrieben haben könnte, drängte sich immer wieder in seinen Kopf, aber er fand auf sie keine Antwort.

»Hilf mir, Chet!«, rief der Koch.

Er ging hinüber. Doc Cook hatte die Seitenplanke ausgehängt und beiseite gestellt. Auf dem Brett trugen sie den Rancher ins Haus. Mary-Lou lief mit ihnen.

»Langsamer!«, befahl die junge Frau. »Chet, du musst höher halten, ihm hängt der Kopf nach unten.«

Sie waren froh, als sie John Corcoran in seinem Bett hatten. Mit Dan war es leichter, da er auf die Männer gestützt humpeln konnte.

Als sie das Bunkhouse verließen, rollte ein Wagen auf den Karrenweg, schwenkte ein und fuhr unter dem Stierschädel hindurch.

Doc Cook kniff die Augen zusammen, um den Mann auf dem Bock besser sehen zu können. »Chet, sieh mal da!«

Der Vormann hatte den fremden Wagen schon bemerkt und schaute ihm ebenfalls entgegen. »Kennst du den Mann?«

»Bestimmt nie gesehen«, erwiderte der Koch schnell und überzeugt. »Ich verspeise zum Abendessen meinen alten Hut, wenn es anders ist.«

»Dann guten Appetit.« McCoy ging um den Brunnen herum.

»Danke.« Der Koch führte die Gespannpferde mit dem Ranchwagen zur Remise.

Indessen erreichte der andere Wagen die Ecke des Corrals. Der Mann auf dem Bock mochte fünfunddreißig sein. Er war von großer, kraftstrotzender Gestalt, breitschultrig, besaß einen kantigen Kopf mit dunkel blickenden Augen, buschigen, etwas drohend wirkenden Brauen und halblangen schwarzen Haaren, die unter seinem Cowboyhut heraushingen. Er trug verstaubte Lederkleidung, Schaftstiefel und um die Hüften einen breiten, hellbraunen Patronengurt mit funkelnden Messinggeschossen in den Schlaufen und einem schweren 45er in der Halfter.

Doc Cook kehrte von der Remise zurück, blieb jedoch an der Ecke des Haupthauses stehen.

Der Fremde zügelte die beiden Pferde. Sein Wagen ähnelte dem der Ranch beinahe wie ein Haar dem anderen, allerdings besaß er drei Spriegel über der Ladefläche. Die Plane war jedoch nicht darüber gespannt, sondern deckte die Ladung über den Planken direkt ab. Es lag verschiedenes darunter, was sie ausbeulte, aber es ließ sich nicht ausmachen, was es sein könnte.

»Guten Tag allerseits.« Der Fremde blickte in der Runde herum. »Ich bin Legh Kerrigan.«

Auch der Name sagte Chet nichts. Er blickte zu Doc Cook hinüber. Der Koch schüttelte den Kopf.

»Kann ich Proviant und Wasser haben, Mister? Gegen Bezahlung, versteht sich.«

»Selbstverständlich. Steigen Sie doch ab und kommen Sie mit in die Küche.« Chet hielt das eine Pferd am Kopfgeschirr fest.

Kerrigan stieg vom Bock.

»Hier Mister!« Doc Cook winkte zur Küche.

Der Fremde löste die Plane seines Wagens an einer Ecke, griff darunter und brachte einen großen Lederbeutel zum Vorschein. »Ich bezahle natürlich.«

»Das sagten Sie schon«, erwiderte Chet.

»So?« Kerrigan zog eine Braue in die Höhe.

»Ja.«

»Na ja, ich bin schon ziemlich lange unterwegs. Da kommt man wohl ein bisschen durcheinander.«

»Die Pferde sind kalt.«

»Was?«

»Es wundert mich, dass die Pferde kalt sind, wo Sie schon lange unterwegs sein wollen«, sagte Chet.

»Ach so.« Der Mann lachte. »Nein, ich habe da drüben eine Weile gehalten und die Ranch beobachtet. Alte Angewohnheiten von mir. Immer erst peilen, auf was man sich einlässt. Sie brachten zwei Verletzte nicht wahr?«

»Gut beobachtet«, lobte der sich nähernde Koch, der nun recht misstrauisch aussah.

»Was ist denn passiert?«

»Wir hatten Ärger mit ein paar Banditen«, erwiderte Chet. »Nichts Besonderes.«

»Ach so. Passiert häufig, was?«

»Häufig ist übertrieben, aber hin und wieder geschieht es eben.« Der Vormann führte die Gespannpferde zur Tränke.

»Soll ich in der nächsten Stadt den Marshal verständigen?«, fragte der Fremde. »Ich bin nach Osten unterwegs. Hab was von einem Rodeo in Kansas gehört. Ich schätze, dass Golden City an meinem Wege liegt.«

»Nein, wir brauchen den Marshal nicht«, wehrte McCoy sofort ab. »Wäre ein bisschen viel verlangt, wenn Rockwell wegen jedes Kratzers, den hier einer abkriegt, zwei Tage reiten sollte.«

»Außerdem sind die Halunken über alle Berge, bis er auf unserer Weide eintrifft«, setzte Doc Cook hinzu. Er nahm dem Fremden den Lederbeutel ab und wandte sich der Küche zu.

»Würden Sie mein Wasserfass füllen, Mister? Es steht hinten auf dem Wagen unter der Plane.«

»In Ordnung.«

Kerrigan wandte sich ab und folgte dem Koch. Chet schaute ihm nach.

Mary-Lou war inzwischen wieder aus dem Haus getreten. Als Legh Kerrigan in der Küche verschwand, kam sie über den Hof.

Chet ging am Wagen nach hinten, schlug die Plane weiter zur Seite und sah ein paar Schlafsäcke, Zaumzeug, einen Sattel und Lassos und direkt an der Bordwand ein Vier-Gallonen-Fass.

»Der muss ja guten Durst haben«, sagte Mary-Lou. »So ein großes Fass für einen Mann.«

»Vielleicht führt er es auch für die Pferde mit.« Chet ging zum Brunnen weiter, löste die Arretierung der Seiltrommel und drehte die Kurbel. Das Seil spulte sich auf die Trommel. Im finsteren Schacht schrammte der Zinkeimer gegen die Mauer, was ein dumpfes Dröhnen hörbar machte.

»Er gefällt mir nicht, Chet.«

Der Vormann griff nach dem aus der Schwärze tauchenden Eimer und stellte ihn auf den Brunnenrand. »Mir auch nicht.« Er hängte den Karabinerhaken aus, trug den vollen Eimer zum Wagen und goss das kalte Nass ins Fass.

Als er zurückkehrte, den Eimer anhängte und in die Finsternis hinunter ließ, sagte Mary-Lou: »Er sieht wie ein Spieler aus. Aber wie einer von der bösen Sorte.«

»Vielleicht ist er das auch. Aber die Leute, die hier vorbeikommen und unsere Hilfe brauchen, können wir uns nicht aussuchen. Er bezahlt für Proviant und Wasser, Mary-Lou.« Chet drehte die Trommel umgekehrt und zog den Eimer abermals herauf.

Als das Fässchen voll und die Plane darüber gezogen war, kehrte der fremde Mann aus der Küche zurück, hielt Mary-Lou die Hand hin und sagte: »Gute Besserung für Ihren Vater, Madam.«

»Woher wissen Sie denn, dass mein Vater …« Mary-Lou brach ab und schaute staunend auf Chet.

»Woher schon?« Der Vormann grinste den Koch an, der auf der Türschwelle zur Küche stand und von einem Bein aufs andere trat.

»Waschweib«, murmelte Mary-Lou begreifend und gab dem Fremden widerstrebend die Hand.

»Aber er wird ja in ein oder zwei Wochen wieder auf den Beinen stehen.« Kerrigan ließ Mary-Lous Hand los, schob den großen Lederbeutel unter die Plane und zog sie über die Ecke. »Ich habe dem Koch die Bucks gegeben.«

Chet gab keine Antwort, obwohl Kerrigan ihn meinte.

Der Fremde ging nach vorn. »So, genug gesoffen.« Er drängte die Pferde zurück und neben die Tränke, sah die Sielen nach und stieg auf den Bock.

»Der Koch sagt, Sie kämen auch nach Kit Carson, Vormann?«

»So ist es.«

»Nehmen Sie am Rodeo teil?«

»Gut möglich.« Chet ging am Wagen entlang.

»Falls es mich wirklich in das Nest verschlägt, sehen wir uns sicher noch. Ist es in Kit Carson eine größere Sache?«

»Wir haben eine Herde von circa achthundert Stück, die dann in Kit Carson mit anderen zu einer Sammelherde zusammengestellt wird.«

Kerrigan pfiff durch die Zähne. »Beachtlich. Da kommen schon ein paar Jungens zusammen. Na, mal sehen!« Kerrigan knallte mit der Peitsche. Seine Pferde zogen an.

Mary-Lou kam an Chets Seite. »Der hat fast einen Sack voll Lebensmittel mitgenommen. Das kann doch einer allein nicht verzehren, bevor der letzte Schinken längst verdorben ist. Verstehst du das?«

»Nein.«

»Cook, was hat er denn alles haben wollen?«

»Proviant für mindestens drei Mann«, sagte der Koch. »Aber er hat gut bezahlt.«

»Auch für den neuesten Ranchklatsch?«, fragte Chet scheinheilig. »Oder hast du den gratis mitgeliefert?«

»Zum Teufel, ich hab kaum drei Sätze zu ihm gesagt!«

»Die müssen aber ziemlich lang gewesen sein«, sagte Mary-Lou, die dem Wagen nachblickte. Er verließ das Ranchgelände und rollte nach Nordosten.

Kaum war das Gefährt bei den ersten Büschen jenseits des Zaunes, scheuten die Pferde und rissen das Gefährt zur Seite. Dann krachte ein Schuss. Die Pferde wieherten.

»Was ist jetzt passiert?«, rief Mary-Lou.

Chet öffnete den Corral, fing sich das erstbeste Pferd ein und sattelte es.

Doc Cook und der anwesende Cowboy hasteten zum Zaun. Chet war auf dem Pferd schneller und überholte die beiden.

Neben dem Wagen lag eine Klapperschlange auf dem Weg. Der dreieckige Kopf des Reptils war von Kerrigans Kugel bis zur Unkenntlichkeit zertrümmert worden.

Die Pferde beruhigten sich. Kerrigan blies den Rauch von der Coltmündung und schob die Waffe ins Halfter. Er grinste freundlich. »Ist noch was, Mister McCoy?«

Chet blickte noch auf die Schlange. Der schillernde Leib zuckte immer noch. »Sie sind ein sehr guter Schütze, Mister Kerrigan.«

Der Fremde winkte lässig ab. »Auf die kurze Distanz muss man doch nicht mal zielen.« Es klang reichlich überheblich und war wohl auch so gemeint.

Doc Cook und der Cowboy erreichten keuchend das Gefährt.

»Donnerwetter!«, entfuhr es dem Koch. »Das war ja ein Meisterschuss, Mister Kerrigan!«

»Danke für die Blumen. Also, vielleicht sehen wir uns in Kit Carson, Mister McCoy.« Kerrigan trieb seine Pferde an und setzte den Weg nach Nordosten fort.

»Schlangenfleisch ist eine Delikatesse. Vor allem das von Klapperschlangen.« Der Koch bückte sich.

»Wage es nicht, sie aufzuheben und mitzunehmen!«, drohte Chet.

»Willst du deinen Gaumen denn nie mit was Besonderem verwöhnen?«

»Nein.« Chet lenkte das Pferd in die Gegenrichtung.

»Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht!«, schimpfte der Koch. »Bei euch kann meine Kochkunst nie voll zur Entfaltung kommen.«

»Los, zurück. Ich will sehen, dass sie für die Wölfe liegenbleibt. Die haben auch Hunger und heulen nachts nicht so laut, wenn sie Futter finden.«

Doc Cook ging zurück. Chet ritt hinterher. Der Cowboy lief neben ihm.

Mary-Lou wartete noch im Hof. Doc Cook beschwerte sich über die Kostverächter und ahnungslosen Narren und lobte den Fremden als einen Kunstschützen. Und weil er damit gar nicht mehr aufhören mochte, unterbrach Mary-Lou ihn mit den Worten: »Ich muss mich jetzt um meinen Vater kümmern.« Sie wandte sich auch sofort ab und rannte zum Haupthaus.

Feuerzauber in den Rockies: Western

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