Читать книгу Carringo und der Todesmönch: Western-Roman - Heinz Squarra - Страница 6

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Nur wenige hatten ihn je gesehen, aber alle fürchteten ihn, denn ihn umgab ein tödliches Geheimnis.

Das Krachen der Schüsse hallte durch die Berge und brach sich immer wieder an den schroffen Felsen. Es dröhnte dumpf aus den zahlreichen Höhlen heraus und entfloh über den Gipfeln und Graten in die Nacht.

Gat Ashley ließ sein rauchendes Gewehr sinken. Er fluchte leise und richtete sich neben der Felsnadel auf, die ihm Deckung geboten hatte. Der fünfunddreißigjährige Bandit war ein mittelgroßer, stiernackiger, muskulöser Bursche, braunhaarig und mit einem krausen Bart, der sich über Kinn und Wangen zog.

Seine drei Kumpane feuerten noch. Gespenstisch erkannte der Bandenführer die durch das Dunkel zuckenden Flammenblitze. Aber er sah längst nichts mehr von Carringo, dem Spezialagenten der Wells Fargo, den sie jagten.

„Zum Teufel“, murmelte Ashley, zog Patronen aus der Hosentasche und lud das Repetiergewehr nach.

Aus dem Gehölz links am Hang rollte ein Stein. Mit lautem Gepolter sprang der Felsbrocken über Hindernisse weg. Geröll rutschte hinterher. Undeutlich erschien eine Gestalt vor den verkrüppelten Kiefern.

„Hank, bist du das?“, fragte Gat Ashley.

„Ja. Verdammt, kannst du mich nicht erkennen?“

„Nein.“

„Wieso weißt du dann, dass ich es bin?“ Der dreißigjährige Mann näherte sich. Er war sechs Fuß groß und hager, hatte ein schmales Gesicht mit spitzem Kinn und hervorstechender Nase.

„Keiner verursacht solchen Lärm wie du“, sagte der Bandenführer. „Und, wo ist der Kerl geblieben?“

„Zur Hölle, er muss sich in Luft aufgelöst haben“, erwiderte der Bandit.

Ashley schaute in die Dunkelheit zwischen den Hängen. Die beiden anderen Banditen schossen immer noch aus sicherer Deckung heraus ins Tal und in die Schlucht hinunter, in der nichts mehr zu erkennen war.

„Die tun, als hätten wir zu viel Munition“, maulte, Ashley. „Auf was schießen die eigentlich, he?“

„Woher soll ich das wissen? Ich schieße doch nicht. Ich stehe hier bei dir.“

„Das sehe ich selbst, Idiot!“ Hank Hensom lud sein Gewehr.

„Jedenfalls ist uns der Wells Fargo Mann entwischt.“

„Du merkst aber auch alles.“ Ashley grinste mit nach unten gebogenen Mundwinkeln.Da verstummte das Gewehrfeuer. Das Krachen tönte hin und her, wurde leiser und verhallte. Irgendwo klirrten Steine auf einer Halde.

Hensom schlug das Gewehr an der Hüfte an. Er stand vorgebeugt und strengte seine Augen an.

Ein leiser Pfiff erklang.

„Wir sind hier!“, rief Ashley.

Aus der Dunkelheit lösten sich zwei Gestalten und traten näher. Es handelte sich um Pat Deffner, einen mittelgroßen, unglaublich bulligen Mann, der fast so breit wie groß war, neunundzwanzig Jahre alt, mit rundem Gesicht und niedriger Stirn. Pat Deffner blieb stehen und hielt den anderen am Arm fest. Er reckte den Kopf vor und schob seinen Hut in den Nacken. Ashley sah deutlich das an einen Affen erinnernde, stoppelbärtige Gesicht des Kerls. Deffner war ein Schlägertyp und hatte sich sowohl als Prospektor wie als Straßenräuber erfolglos versucht. Zwei Jahre Zuchthaus in Yuma waren bisher der Gipfel seiner Negativbilanz.

Ken Steven, der vierte im Bunde und mit fünfundzwanzig Jahren der jüngste, war ein sechs Fuß großer, schlanker und drahtiger Mann. Er hatte ein rundes Mondgesicht mit wulstigen Lippen und einem braunen Schnurrbart. Schulterlanges Haar quoll unter seinem Hut hervor.

Ashley schaute den jungen Kerl länger als den anderen an. Ken Steven war ein labiler, haltloser Kerl, aber ihm treuer ergeben als die beiden anderen. Ihm konnte er jede Schweinerei befehlen. Steven würde sie ausführen.

„Weg.“ Deffner zuckte mit den Schultern. „Er war auf einmal nicht mehr da.“

„Und wieso habt ihr noch geschossen?“

„Es schien uns, als hätte er sich da drüben hinter den Steinen verschanzt, Boss.“ Ken Steven drehte sich etwas um und zeigte nach Norden. „Dort hatten wir ihn zuletzt gesehen.“

„Er ist entwischt!“. schnaubte Ashley. „Er konnte sich in der Dunkelheit davonschleichen. Und ihr verdammten Narren habt ihn da drüben durchgelassen!“

Ken Steven zog den Kopf etwas ein. Hensom und Deffner traten jeder einen Schritt zurück.

„Ihr seid schuld!“, brüllte der Bandenführer, der sich in seiner blinden Wut auf einmal zu steigern schien. „Hast du gehört, Pat? He, Hank, hast du mich verstanden?“

„Ja, wir haben verstanden.“ Hensom wich noch weiter zurück, als wolle er aus der Reichweite des Anführers gelangen.

Sie kannten diese plötzlichen Wutausbrüche Gat Ashleys. Sie kehrten beinahe regelmäßig wieder und natürlich immer als Resultat einer Erfolglosigkeit. Sie hatten sich daran gewöhnt, das mit Gelassenheit über sich ergehen zu lassen. So verrauchte der Zorn am besten, ohne dass einer von ihnen Schaden nahm.

Ashley fluchte lästerlich und bedachte sie reihum mit durchbohrenden flammenden Blicken.

Sie reagierten nicht. Sie standen stumm wie Puppen. Nur Ken Steven nickte mehrmals unterwürfig.

„Habt ihr ihn wenigstens in der Schlucht noch mal gesehen?“, grollte Ashley.

„Als er weglief?“, fragte Steven, der sich wieder näher an den Boss heranwagte.

„Wann sonst, du Rindvieh?“

Steven trat schnell zurück und blickte auf die anderen.

,,Also mir war es, als wäre er in die Schlucht abgehauen“, erklärte Deffner. „Wir konnten den Canyon nicht schnell genug abriegeln. Damit hat doch keiner gerechnet.“

Ashley fluchte und stampfte mit dem Fuß auf. „Dieser Spezialagent muss von der Bildfläche verschwinden. Der bringt hier alles durcheinander.“

„Er muss noch in der Nähe sein“, sagte Ken Steven.

„Ja, vielleicht finden wir ihn noch“, stimmte Deffner zu.

„Habt vergessen, den Canyon abzuriegeln!“ Ashley schüttelte den Kopf und tippte sich an die Stirn. „Mit wie viel Blödheit seid ihr eigentlich geschlagen, zum Teufel?“

Sie schoben sich noch weiter zurück. Wenn Ashley so persönlich wurde, erschien er ihnen besonders gefährlich.

„Ohne euch wäre ich längst ein reicher Mann“, redete der Bandenführer erbost weiter. „Dieser Carringo war allein! Ohne fremde Hilfe. Nur auf sich selbst angewiesen! Wisst ihr überhaupt, was für eine Chance uns durch die Lappen ging?“

„Vielleicht finden wir ihn noch“, sagte Deffner lahm.

„Ja“, stimmte Ken Steven sofort zu.

„Weiter unten in der Schlucht, Boss!“ Sie wollten alle drei stehenden Fußes losrennen.

„He, langsam!“, fauchte Ashley sie an.

Sie drehten sich wieder um.

„Ihr seid vielleicht Hornochsen! Würdet jetzt einer neben dem anderen in die Schlucht rennen, was?“

„Ich denke...“ Pat Deffner brach ab. Mit offenem Munde starrte der einfältigste der Kerle den Bandenführer an. „Aber du sagtest doch eben ..“

„Hör auf, Pat!“, unterbrach Ashley den Kumpan barsch. „Und strenge deinen Kopf nicht unnötig an. Dabei kommt sowieso nichts Vernünftiges heraus.“

„Ja, Boss.“ Deffner zog den Kopf zwischen die Schultern.

„Jeder allein!“, befahl der Anführer der Horde. „Und jeder in einer anderen Richtung.“

„Aber wieso?“, fragte Ken Steven. „Ich denke ...“

„Du sollst auch nicht denken, Ken. Spare dir solche Mühe. Ich denke für dich mit. Für euch alle!“

„In Ordnung, Boss.“ Steven grinste unterwürfig.

„Hast du ihn in der Schlucht gesehen?“

„Gesehen?“ Unsicher schaute Ken Steven auf Deffner. „Nein, richtig gesehen eigentlich nicht. Oder, Pat?“

„Ich bin mir nicht ganz sicher“, wich Deffner aus.

„Ihr habt ihn also nicht gesehen“, stellte Ashley fest. „Folglich kann er sowohl in den Canyon als auch in den Hangwald entwischt sein. Also müssen wir nicht nur in der Schlucht nach ihm suchen, sondern möglichst überall. Kapiert ihr jetzt?“

Steven grinste von einem Ohr zum anderen. „Ich fange an, zu verstehen, Boss.“

„Wie schön“, erwiderte der Bandenführer höhnisch.

„Jeder allein? Mitten in der Nacht?“ Hensom zog die Schultern zusammen, als friere er.

,,Angst Hank?“

„Du weißt, welche Geschichten über die Santa Cruz Mountains erzählt werden.“

„Geister und so“, setzte Deffner hinzu. „Ist vielleicht wirklich was dran!“

„Wir müssen den Wells Fargo Mann finden und erledigen. Pat, du nimmst die Schlucht. Hank, du gehst durch den Hangwald.“

„Was denn, zur Mission?“ Hensom riss die Augen weit auf. „Gerade dort soll es nachts spuken!“

„Rede kein dummes Zeug. Du gehst durch den Wald und suchst diesen Kerl. Und Ken, du nimmst den Hohlweg im Osten. Ich selbst suche im Süden.“

„Aber wie sollte er denn nach Süden gelangt sein?“, fragte Deffner. „Hier hast du doch gestanden?“

„Er kann überallhin verschwunden sein“, entgegnete der Bandenführer schroff. „Wenn er hundert Yards an mir links vorbeigeschlichen ist, konnte ich ihn nicht bemerken. Und Hank auch nicht, weil der links von mir nicht stand, sondern weiter rechts.“

„Ich glaube aber nicht, dass er nach Süden abgehauen ist“, beharrte Deffner. „Er hätte durch das ganze Tal laufen müssen, um dahin zu gelangen. Und dann hätten wir ihn doch bemerkt.“

„Genug debattiert jetzt!“, fuhr Ashley den Komplizen an. „Wir müssen ihn überall suchen. Also los!“

Ken Steven drehte sich sofort um und lief wie befohlen davon. Die Dunkelheit nahm ihn auf.

Hensom und Deffner schauten sich an. Hensom zuckte mit den Schultern. Deffner trottete ebenfalls los.

„Auf was wartest du noch, Hank?“, fragte der Bandenführer schleppend. „Ist deine Angst vor dem Wald und der Missionsruine so groß, dass du hier Wurzeln schlagen willst?“

Der Hohn brannte dem Banditen wie Feuer in der Seele und kämpfte seine Angst nieder.

„Du wirst doch mit deinem inneren Schweinehund fertig werden, was. Hank?“ Ashley lachte ironisch auf. „Du musst dir immer sagen, dass wir diesen Schnüffler und den sagenhaften Silbermann töten müssen, wenn uns der Reichtum dieser Berge gehören soll. Nur zwei stehen uns im Wege! Sage es immer vor dich hin, dann wird es leichter.“

„Ja, Boss.“ Hensom versuchte, den Spott in den Augen des Bandenführers zu übersehen.

„Na los, Hank!“

Da wandte der Bandit sich ab und schritt zum Hangwald zurück.

Ashley schaute ins Tal hinunter. Er dachte gar nicht daran, nach Süden zu gehen oder sich der Gefahr auszusetzen, in einen Hinterhalt des Wells Fargo Spezialagenten zu geraten.

Hier würde er stehenbleiben. Hier bei der Felsnadel, wo er ganz sicher sein durfte, allein zu sein. Wenn sich ihm jemand näherte, musste er es hören und konnte darauf reagieren. Schneller reagieren als jeder Angreifer.

Er grinste vor sich hin.

Drüben, am Saum des schwarzen, drohend anmutenden Waldes, rollte ein Stein leise klirrend zur Schlucht und blieb in einem Graben liegen. Es war das letzte Zeichen von Hank Hensom, dem sicher schon jetzt kalte Schauer über den Rücken rannen.

Carringo und der Todesmönch: Western-Roman

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