Читать книгу Carringo und der Todesmönch: Western-Roman - Heinz Squarra - Страница 7

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Hank Hensoms Angst und Unsicherheit nahmen zu, je mehr er sich jenem Teil der Santa Cruz Mountains näherte, in dem die verfallene spanische Mission lag. Eigentlich befand sie sich schon in den Ausläufern der Berge, und der Blick reichte bei Tage vom Hang aus hinaus in die Ebene mit ihren Hügeln.

Aber das vermochte den Banditen wenig zu trösten.

Immer wieder blieb er stehen. Wenn unter seinen Stiefeln ein Ast mit einem scharfen Knacken barst, zuckte er zusammen und stand sekundenlang reglos, das Gewehr an der Hüfte angeschlagen. Er hörte sein Blut in den Ohren rauschen und meinte, der Boden unter ihm schwanke wie ein Sumpf, der sich unter einem Grasteppich verbirgt. Schweiß rann über sein Gesicht und brannte höllisch in den Augen. Das schmutzstarrende Hemd klebte zwischen den Schulterblättern auf der Haut.

Aber jedes mal gab sich Hank Hensom einen Ruck und ging weiter. Er wollte seine Feigheit selbst nicht wahrhaben. Obwohl er genau wusste, dass der Bandenführer selbst gekniffen hatte, spürte er die alte Angst vor ihm. Ashley blieb trotz allem eine Nummer größer als sie es waren.

Vor dem Banditen lichtete sich der Wald. Schon vermochte er undeutlich das Mondlicht draußen zu sehen. Silbrig und unheimlich glitzerte ein Felsen vor den Bäumen.

Hank Hensom blieb wieder stehen. Das Herz pochte ihm wild gegen die Rippen. Er erwog, umzukehren und einfach zu behaupten, alles am Rand der Berge abgesucht zu haben. Aber dann dachte er an das Silber, das es in den Bergen gab und auf das sie so scharf waren. Daher kämpfte er seine Angst nieder und ging weiter, wenn auch mit weichen Knien.

Er erreichte das Ende des Waldes und den Hang, der hinunter in das wild zerklüftete Tal mit der alten Ruine zwischen schroffen Felsen führte.

Im Schatten der Bäume verharrte Hensom.

Im Silberlicht sah die Ruine noch unheimlicher aus als sonst. Die schwarzen Fensterlöcher über den Rundbogen der Zugänge wirkten wie die Augenhöhlen eines Totenschädels. Das Gewehr rutschte ihm in den nassen Händen, und ein Kloß schien auf einmal in seiner Kehle zu sitzen.

Unter ihm zog sich ein Geröllfeld ohne jede Deckung bis zu dem alten, quadratischen Gemäuer hinunter. Es war übersät mit kleinerem Gestein und Alkalistaub.

Doch Hensom sah nicht das, sondern nur das verfallene Gemäuer der Mission Santa Maria. Aber seine Gedanken waren bei Ashley und den beiden anderen Halunken, von denen er sich scheinbar unendlich weit entfernt hatte.

Der Schweiß tropfte von seinem spitzen Kinn und der ebenso spitzen Nase. Minutenlang stand er wie selbst zu Stein erstarrt und beobachtete das Umfeld der Ruine. Und er meinte, aus jeder Falte, jeder Höhle und jedem Schattenriss grinse ihn die Fratze eines Gespenstes an. Schließlich wagte er sich weiter und schalt sich einen Narren.

Das Gestein klirrte unter seinen Stiefelsohlen. Dann stieß er gegen einen größeren runden Stein. Er rollte, wurde schneller, riss anderes Geröll mit und polterte der Ruine entgegen. Dort sprang er über eine niedrige Wand weg, die sich von oben mit Erdreich dem Hang angeglichen hatte, knallte gegen das alte Gemäuer wie eine Kanonenkugel und barst auseinander. Eine Wolke, fast wie Pulverdampf, stand über der Stelle. Die Rundbögen wurden von weiß grauem Gesteinsstaub eingehüllt. Als Hank Hensom sie wieder richtig erkennen konnte, meinte er, eine Gestalt dahinter zu sehen. Er kniff die Augen zusammen, öffnete sie und reckte den Kopf vor.

Nein, da war nichts. Er wusste nicht, ob er seinen Augen trauen sollte. Eine Minute verstrich, dann noch eine. Hensom stand wie auf das Geröllfeld genagelt und wagte sich nicht weiter. Sein Atem ging heftig. Neue Schweißströme rannen über sein heißes Gesicht.

Dann setzte er einen Fuß vor den anderen und wagte sich weiter. Vielleicht war es der Spezialagent der Wells Fargo, der dort lauerte. Und vielleicht gelang es ihm, den Kerl jetzt zu erschießen. Er hatte vor dieser Begegnung Angst. Aber da war auch noch seine Habgier, die ihn anstachelte und die Feigheit in seinem Inneren überspielte.

Wieder löste sich Geröll auf der zum Ende hin steiler werdenden Halde und polterte vor ihm her. Staub zog träge über das Feld.

Noch hundert Yards trennten Hank Hensom von der Mission. Er repetierte das Gewehr an seiner Hüfte in der Aufregung, und weil es bereits durchgeladen war, sprang eine Patrone aus dem Hebelverschluss und fiel zwischen das Geröll.

Noch sechzig Yards. Hank Hensom blieb wieder stehen, in den glitschigen Händen rutschte die Waffe. Und der Schweiß brannte ihm schlimmer als zuvor in den Augen.

„Tritt hervor, Schnüffler, ich habe dich gesehen!“, brüllte er. Er wollte sich selbst Mut machen. Aber seine Stimme klang schrill.

Das Echo tönte aus dem Tal zwischen den bizarren Felsen wie Gelächter zurück. Es schien ihm, als höre er es auch in dem Wald hinter sich.

Er schaute sich um. Der schwarze Saum der Kiefern schien endlos weit entfernt. Sein bisschen Mut schrumpfte zusammen. Doch er drehte sich zurück und blickte zu dem Gemäuer aus einer untergegangenen Zeit. Und er presste die Zähne zusammen, dass ihm die Kiefer schmerzten. Es musste sein. Der Mann, den sie jagten, musste erschossen werden.

Hank Hensom schritt weiter über die Halde zu Tal. Weil sie noch steiler wurde, kollerte immer mehr Geröll vor ihm her.

Er rutschte ein Stück, stürzte und blieb liegen. Rechts und links von ihm polterten noch Steine in die Rinne vor dem Gemäuer, durch die im Frühjahr Schmelzwasser hinaus in die Hügellandschaft floss.

Staub zog über die Ruine. Der obere Teil schien darin zu schweben und wurde undeutlicher, fast schemenhaft. Doch dann zeigte sich das Gemäuer wieder und war deutlich im gleißenden Mondlicht zu sehen.

Unter einem der Rundbögen stand eine große Gestalt reglos in der Nacht, angestrahlt vom bleichen Silberlicht. Ein Windstoß bewegte die dunkle Soutane und den langen Silberbart der Gestalt. Die Soutane öffnete sich, und ein dunkel schimmernder Brustharnisch war darunter zu erkennen. Das Gesicht des Mönchs lag verborgen unter einer tief über die Stirn gezogenen Kapuze.

Das Flattern der Soutane ließ die Gestalt mystisch erscheinen.

Hank Hensom drohte der Herzschlag auszusetzen, so sehr schockierte ihn der Anblick des sagenumwobenen Todesmönchs, von dem er zahllose Geschichten in den Städten rund um die Berge gehört hatte. Jetzt sah er ihn vor sich. Er war überzeugt, einen richtigen Geist vor sich zu haben.

Ein neuer Windstoß fegte die letzten Gesteinsstaubschwaden auseinander und ließ die Gestalt noch deutlicher erkennen. Wieder flatterte die Soutane und wurde der lange Silberbart des großen Mannes bewegt.

Die reglose Gestalt hob plötzlich den rechten Arm. Ein Colt schimmerte in der Nacht.

Hensom schrie gellend auf. Bewegung kam in seinen Körper. Er sprang auf, wirbelte herum und kletterte das Geröllfeld hinauf.

Der Revolver entlud sich. Von überall tönte das Donnern des Schusses zurück, als wären es Dutzende von Schützen, die Hensom ins Jenseits befördern wollten.

Das Gestein rutschte unter seinen Füßen, rollte ins Tal und nahm ihn manchmal ein Stück mit zurück. Dann stürzte er, rutschte auf dem Geröll, schaute über die Schulter und sah die Gestalt im flatternden Umhang, die eben wieder schoss. Gespenstisch erhellte die Mündungsflamme die nächste Umgebung um den Todesmönch. Die Kugel traf klatschend das Gestein unterhalb des Banditen, sprang ab und heulte als Querschläger in den Himmel.

Hensom lief um sein Leben. Dass ihn der Todesmönch mit den Kugeln aus dem Colt wegen der zu großen Entfernung nicht treffen konnte, fiel ihm dabei nicht auf.

Endlich flachte sich die Halde über ihm ab. Der Bandit gelangte schneller voran.

Vor der Ruine schoss die seltsame Gestalt in dem flatternden Umhang.

Hensom hastete in den Wald. Dunkelheit umfing ihn schon nach wenigen Yards. Aber er wurde deswegen nicht vorsichtiger. Nur weg. Nichts wie weg. So hämmerte es durch seinen Kopf. Warum er sich so weit hatte vorwagen können, begriff er schon selbst nicht mehr.

Er lief gegen peitschende Äste und voll gegen einen Baum, an den er mit dem Gesicht und der Brust schlug. Der Anprall war so heftig, dass er vor Schmerzen gepeinigt zurücktaumelte und ins Unterholz stürzte.

Nebel wallte vor seinen Augen, Sterne schienen auf ihn zu stürzen. Im Geist sah er den Mann in der flatternden Soutane, dessen Silberbart sich bewegte. Und er hörte irres Gelächter, das es nur in seiner überreizten Phantasie gab.

Die Panik brachte ihn wieder auf die Beine. Blindlings rannte er weiter durch den Wald.

Carringo und der Todesmönch: Western-Roman

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