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Kapitel 1

Mir geht’s ned guad

Vinzenz«, haucht eine Stimme.

Ich strecke mich ... oh Mann, geht’s mir guad!

Oder etwa doch nicht? Wenn ich versuch, meinen Kopf ein wenig zu heben, wird mir gleich ganz anders. Irgendwas hat mir letzte Nacht wohl nicht so gut getan. Irgendwie fühl ich mich aber auch ganz entspannt, eben so wie nach einer guten Nacht.

Vielleicht sollte ich doch mal die Augen öffnen. Könnte ja sein, dass ich noch träum und jetzt diese wenigen Sekunden vor dem Aufwachen erlebe, an die man sich später erinnern kann und von denen man glaubt, sie hätten eine halbe Ewigkeit gedauert. Mir ist das jetzt total wurstegal, ich riskiere es und mach die Augen vorsichtig auf.

Ein schönes Zimmer hab ich. Während ich mir meine Umgebung blicktechnisch erschließe, kommen mir allerdings leichte Zweifel, ob das überhaupt mein Schlafzimmer ist. Eigentlich nicht, es sei denn, ich hätte es die letzten Tage total umgebaut und wüsste das nicht mehr. In dem Doppelbett liegt sich’s bequem, aber so einen Bettüberzug mit vom Dunkelgrünen bis ins Blassgrüne übergehenden Querstreifen hab ich nun wirklich nicht. Überhaupt ist alles in einem leichten Grünton gehalten, die Vorhänge, die Stehlampe, selbst die Zimmerwände sind bis zur halben Höhe in einem beruhigenden Grün gestrichen. Der Teppich ist nicht grün, der ist blau, passt aber irgendwie ganz gut zum dunklen Holz der Möbel.

Ja Herrschaftszeiten, wo bin ich da bloß gelandet?

Mein Kopf macht sich immer unangenehmer bemerkbar und lässt die Vermutung zu, dass der gestrige Abend einen feuchtfröhlichen Verlauf genommen hat. Ist ja auch kein Wunder, wenn die Hotelbar partout nicht schließen will. Na klar, ich bin nicht zu Hause, ich bin in einem Hotel, und das ist logischerweise nicht mein eigenes Zimmer, sondern ein Hotelzimmer. Eine gewisse Erleichterung macht sich in mir breit.

Mein Oberstübchen nimmt widerwillig seine Arbeit auf und startet einen Sortiervorgang, um Licht ins vernebelte Bewusstsein zu bringen.

Langsam dämmert’s, ich bin doch gestern auf eine zweitägige Produktvorstellung zu Monstersoft gefahren und befinde mich wohl in meinem Hotelzimmer in München. Ein Blick auf die Uhr, es ist gerade mal acht Uhr morgens. Im selben Moment meldet sich mein Magen mit einem untrüglichen Hungergefühl, was die Vermutung zulässt, dass die Uhrzeit korrekt ist und mein Körper gerne ein Frühstück zu sich nehmen würde. Beim zweiten Blick auf die Uhr macht sich in mir etwas Verwunderung breit, weil die Uhr auf dem Nachttisch gar nicht meine Uhr ist. Klar, ich würde niemals so eine rote Uhr tragen.

Die Jeans am Boden und das daneben liegende Hemd kann ich eindeutig als Teil meiner Garderobe identifizieren. Auch das Sakko entspricht meiner Moderichtung, und die braunen Lederschuhe unterm Tisch sind, soweit ich das von hier aus beurteilen kann, meine. Der Grund für diese etwas unordentliche Aufbewahrung erschließt sich mir derzeit noch nicht, was mich allerdings nicht besonders erstaunt.

Hab ich vielleicht gestern gar einen Granatenrausch mit aufs Zimmer gebracht? Wenn sich mein Gehirn doch nur etwas mehr anstrengen und dafür der ganze Kopf weniger wehtun würde. Der Versuch aufzustehen gelingt mir - fast. Ein Fuß hängt schon aus dem Bett, der zweite folgt bedächtig.

Endlich an der Bettkante sitzend merke ich, dass ich grad gar nichts anhab. Ein kurzer prüfender Blick und ich stelle fest: Bist noch immer gut beieinander, Vinzenz, das muss ich schon sagen. Fast kein Gramm zu viel auf den Rippen und der Rest kann sich auch sehen lassen. Wieso hab ich eigentlich keinen Schlafanzug an, hab mir doch den blau gestreiften eingepackt.

Neben dem Bett, auf einem Koffer, seh ich was liegen und erkenn sofort - nicht meine Unterhosn. Was da vor mir liegt, ist weiß, mit rosa Blümchen bedruckt und hat feine Spitzen. Könnt mich nicht erinnern, so ein Teil je getragen zu haben. Bei näherer Betrachtung des kleinen Nichts wird zudem klar: nicht meine Größe! Ein heißes Stoffteil, ohne Zweifel. Diese Erkenntnisse lassen die Vermutung zu, dass der dazugehörige Inhalt wohl am ehesten zu einem weiblichen Wesen passen würde.

»Vinzenz, bist du schon wach? Ich bin gleich fertig im Bad!«

Da war sie wieder, die Stimme, die meinen Namen haucht! Es war also kein Traum. Während meine Gedanken um die Stimme kreisen, geht die Badezimmertür auf, und ich kann mir grad noch die Bettdecke über meinen Nabel ziehen.

Sie steht vor mir und strahlt mich an.

Mit einem Schlag bin ich putzmunter. Mein Gehirn beginnt mit Hochdruck zu arbeiten, um Fakten und Bilder zu sammeln, damit ich annähernd herausbekomme, was da letzte Nacht gelaufen ist.

Logisch! Gestern nach der Schulung und dem anschließenden Abendessen sind alle Teilnehmer und die Dozentin noch auf einen Drink in die Hotelbar gegangen. Nach und nach waren die anderen Gäste verschwunden, bis nur noch wir beide am Tresen saßen. Katrin, die Dozentin, und ich. Wir haben uns glänzend unterhalten, getrunken, gelacht und sogar getanzt, wenn ich mich recht erinnere. Es muss schon ziemlich spät gewesen sein, als wir aufs Zimmer sind. Und dann, dann, … Jetzt lässt sowohl die Geschwindigkeit meines Erinnerungsvermögens als auch dessen Exaktheit nach. Was war dann?

Sie steht vor mir, fertig gestylt, schwarze Lackschuhe mit halb hohen Absätzen, enger bordeauxfarbener Rock, der über den Knien beginnt, weiße Spitzenbluse leicht geöffnet, blonde schulterlange Haare und ein Lächeln wie aus Tausendundeiner Nacht. Bitte nicht aufwachen, denk ich mir, aber ich bin ja schon wach.

»Hallo Vinzenz, ich seh schon, du hast was gefunden, das ich noch brauchen kann, darf ich mal?«

Sie kommt an mein Bett, beugt sich zu mir herunter, küsst mich und nimmt das heiße Teil. Sie setzt sich neben mich und streift ihre Schuhe von den Füßen. Sie schlüpft in das heiße Teil, steht auf, und sodann verschwinden die rosa Blümchen und die feinen Spitzen unter ihrem Rock. Bisher hab ich so was nur im Fernsehen gesehen, live ist das hundertmal besser.

»Magst mir noch meine Uhr geben? Ich muss jetzt nach unten in den Besprechungsraum, noch etwas vorbereiten für die Präsentation heute. Wenn du Lust hast, können wir uns nachher noch sehen«, sagt sie mit einem Lächeln und verschwindet.

Ja spinn ich denn? Ein paar Details zur letzten Nacht fehlen mir zwar noch, aber das Gesamtbild wird immer klarer. Nicht schlecht! Während des Duschens schließen sich dann noch die restlichen Erinnerungslücken, was mich zugegebenermaßen in eine exzellente Stimmung für den weiteren Tag versetzt.

Nach dieser äußerst interessanten Aufwachphase brauch ich erst mal einen extra starken Kaffee und ein eiweißreiches Frühstück. Das saublöde Kopfweh lässt auch langsam nach.

Der Produktschulung lausche ich mit so tiefer Aufmerksamkeit, wie ich es wohl selten vorher bei einem Vortrag getan habe. Sehr informativ und äußerst anregend, vor allem die Dozentin.

Am Ende der Veranstaltung applaudieren alle Teilnehmer schön brav und es beginnt das allgemeine Verabschieden. Als alle anderen gegangen sind, bleibt uns noch etwas Zeit.

»Weißt, Vinzenz, ich bin in den nächsten Wochen zwar viel unterwegs, aber es gibt auch immer wieder Tage, an denen ich ganz normal im Münchner Büro arbeite. Würde mich freuen, wenn wir uns mal verabreden könnten.«

»Das lässt sich bestimmt einrichten, Katrin. Du meldest dich einfach, wenn du da bist.«

Dann gibt’s noch einen Abschiedskuss, filmreif sag ich dir, so richtig was für Genießer.

Auf der Heimfahrt stört mich nicht mal dieser vermaledeite Stau auf der Autobahn zwischen Allershausen und Pfaffenhofen. Wie ich beim Dreieck Holledau nach Regensburg abbieg, merk ich, dass ich von den letzten sechzig Minuten Stop-and-go eigentlich gar nichts mitbekommen habe.

Zwei Kilometer vor der Ausfahrt Mainburg werd ich unsanft aus meinen Gedanken gerissen, weil’s da bei schönstem Sonnenschein plötzlich noch heller wird. Jetzt haben die Kerle mich schon wieder geblitzt. Haben die nichts anderes zu tun, als anständigen Bürgern das Geld aus der Tasche zu ziehen? Da darf man doch einhundertzwanzig fahren und ich war bestimmt nicht viel schneller dran, also keinesfalls um so viel schneller, als dass es der Rede wert wäre.

Grünes Gold

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