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Kapitel 4

Blondie

Das frühe Aufstehen am Samstag ist, wie auch wochentags, eher nicht meine Stärke, aber heute muss es wohl sein. Das Geschäft mit den Computern läuft einigermaßen, ist aber nicht immer so unbandig spannend. Deshalb bin ich quasi im Nebenjob privater Ermittler.

Den Laden betreib ich schon einige Jahre und man hat so sein Auskommen. Auf circa hundert Quadratmetern biete ich PCs, Monitore, Laptops, Drucker und Software an, was halt so dazugehört. Lena und der Liachtl helfen mir dabei. Wir sind ein super Team. Ein unschlagbares Trio.

Die Lena arbeitet auf 450-Euro-Basis und ist mir beim Verkauf im Laden eine gute Unterstützung. Sie ist voll motiviert, bekommt sie doch neben den paar Euro auch einige »Freistunden« von ihren Kids. Der Liachtl ist Freiberufler und macht IT-Projekte bei verschiedenen Firmen. Was der schon alles für Programme geschrieben hat, das glaubst du nicht. Vor dem ist kein Computer oder Netzwerk sicher. Ein Hacker erster Güte! Gemeinsam sind wir schon des Öfteren auf Internetspurensuche gegangen und auf tiefste Abgründe gestoßen.

Dass ich als Privatdetektiv arbeite, hat sich vor Jahren ergeben, so richtig Werbung mach ich dafür nicht. Obwohl, Visitenkarten hab ich mir schon drucken lassen und da steht in Fett drauf:

Vinzenz Graflinger

IT-Experte und Privatdetektiv

www.vinzenz-graflinger.de

Der ganze Pipapo mit Anschrift, Handynummer und E-Mail-Adresse steht natürlich auch noch drauf, eh klar.

Wurstegal, irgendwie muss ja Geld reinkommen und dabei helfen mir vor allem Mundpropaganda und die Franzi eben. Wobei wir nun wieder beim Thema wären, bei meinem Auftrag fürs Wochenende.

Frau Kerner fliegt heut Morgen um zehn Uhr von München nach Hamburg. Wohnen tut sie in Moosburg, also braucht sie kaum dreißig Minuten zum Flughafen. Ich schätze mal, dass sie als Businessfrau bereits online eingecheckt hat, also reicht es, wenn sie dreißig Minuten vor Abflug am Gate ist. Wahrscheinlich wird sie einen kleinen Zeitpuffer einkalkulieren für den Fall eines Staus und damit sie sich am Flughafen noch die VOGUE oder ein ähnliches Blattl zum Lesen kaufen kann. Summa summarum: Gut eineinhalb Stunden vor dem Start wird sie in Moosburg wegfahren. Wenn ich also um acht Uhr vor ihrem Haus stehe, werde ich die Abfahrt keinesfalls versäumen, los geht’s.

»Fasanenstraße, nächste links«, verkündet mir die »Maria«. Maria ist meine Stimme aus dem Navi und sie spricht natürlich astreines Bayerisch. Sie bringt mich meist ohne Umschweife an mein Ziel, wobei wir ab und an durchaus ziemlich kontrovers über die Wegführung diskutieren. Frauen und Orientierung halt.

Fasanenstraße 18, da vorne ist es ja. Ein nettes Häuschen haben die Kerners, kannst nicht meckern. Da soll der Kerl doch froh sein, dass er in so einem gemachten Nest Platz gefunden hat. Aber vielleicht sind ja die Verdächtigungen der Frau völlig haltlos und er ist ein ganz normaler Ehemann mit Stärken und Schwächen.

Ich fahr an der Einfahrt vorbei und kehr um, damit ich gleich richtig steh, wenn’s Richtung Flughafen geht.

Zwanzig nach acht, meine Kalkulation war ziemlich exakt. Eine Frau und ein Mann, sie circa Ende fünfzig, er eher Anfang vierzig, verlassen das Haus. Sie trägt ein grünes halblanges Kleid, passend zum Botanik-Kongress, das dürfte Frau Kerner sein. Er trägt einen hellen Freizeitanzug und ein blassblaues

Hemd, es ist »Blondie«. Ich habe den Kerner Blondie getauft, nachdem ich das Foto gesehen habe. Braun gebranntes, lächelndes Gesicht, blonde, nach hinten geschwungene schulterlange Haare, ein Möchtegern-Casanova. Er war wohl früher mal Katalogmodel für ein drittklassiges Label. Frau Kerner hat sich gewiss gerne ein paar Jahre mit diesem Schönling geschmückt und ist seiner jetzt überdrüssig.

Samstagmorgen und kein Ferienverkehr, es macht richtig Spaß, ohne Stau zum Flughafen zu fahren. Dort angekommen, stellt der Kerner seinen Wagen in der Kurzparkzone ab, lässt sein Frauchen aussteigen und holt ihr sogar noch den Koffer aus dem Kofferraum. Ein Küsschen, ein kurzes Winken, dann verschwindet sie im Terminal und Blondie fährt wieder los.

Jetzt wär’s halt schön, wenn Blondie nach Hause fahren würde, dort möglichst noch heute Vormittag einen Besuch von einem jungen Mädel bekäme und ich ein paar coole Fotos schießen könnte, leicht verdientes Geld also.

Meine Hoffnungen werden aber gleich im Ansatz erstickt. Blondie fährt nicht zurück nach Moosburg, sondern genau entgegengesetzt auf die Autobahn Richtung München.

Früher bin ich öfter mit Freunden in zwei Autos auf der Autobahn gefahren und hab versucht, mit ihnen zusammenzubleiben. Ist das schon nicht einfach. Wenn allerdings der vorne keine Rücksicht nimmt, weil er eben gar nicht weiß, dass man ihm folgt, wird’s weit komplizierter.

Ich schaff es dennoch, einigermaßen dranzubleiben, und manchmal fahr ich sogar fast neben ihm, der kennt mich ja Gott sei Dank nicht. An seinen Mundbewegungen und Gesten merke ich, dass er zwischendurch angeregt telefoniert, scheint ein nettes Gespräch zu sein.

Wir sind schon weit hinter München, als er bei Holzkirchen von der Autobahn abfährt.

Ein Traumwetter, da gönnt man sich doch gerne ein Wochenende in den Bergen. Ich müsste jetzt allerdings dringend bieseln und hätt auch ein wenig Durst. Blondie ist das egal, er fährt ungeniert weiter.

In Bad Wiessee biegt er nahe der Ortsmitte links ab Richtung Tegernsee und fährt schnurstracks zum Hotel Kranzbichler am See. Da drin würd ich auch gerne mal ein Wochenende oder mehr verbringen, ist allerdings nichts für mein Budget. Bei Blondie scheint das anders zu sein, der fährt direkt vor den überdachten Eingang und steigt aus. Einer der uniformierten Hoteldiener macht sich sogleich auf und fährt sein Auto in die Tiefgarage. Blondie entschwindet im Hotel. Ich such mir zunächst einen Parkplatz und teste meine Digicam. Ein schönes Foto! Das Hotel im Vordergrund, links der See und dahinter die Berge, könnte man direkt als Ansichtskarte verwenden. Weil ich sowieso ermitteln muss und Blondie mich nicht kennt, geh ich da jetzt einfach rein und schau mich ein wenig um, das kann ja nie schaden. Ein wirklich toller Schuppen, alles vom Feinsten, prächtige Teppiche, wuchtige bayerische Landhausmöbel. Die Rezeption strotzt nur so von bemalten Massivholzteilen, rechts davon mehrere urige Polstersitzgruppen mit schweren Tischen und in der Ecke echtes Kaminfeuer, trotz der Sommerhitze. Da fehlt es an nichts. Das Personal ist topp gekleidet, richtig fesche Dirndln und saubere Trachtenanzüge tragen die Hotelangestellten, da passt wirklich alles.

»Grüß Gott, mein Name ist Maria, kann ich etwas für Sie tun?«, fragt eine nette Stimme hinter der Rezeption.

Lustig, sie heißt wie mein Navi. Den Namen kann ich mir gut merken und obendrein ist sie auch noch hübsch.

»Sicher«, antworte ich. »Ich plane, das Wochenende in Bad Wiessee zu verbringen, und bin auf der Suche nach einem netten Zimmer für eine Nacht.«

»Nun, wir sind fast ausgebucht, aber ich sehe gerade, dass ich Ihnen noch die Herzog-Heinrich-Suite anbieten könnte. Eine sehr schöne Suite mit Balkon zur Seeseite. Unser Weekend- Special liegt bei äußerst günstigen vierhundertsechzig Euro pro Nacht, inklusive Frühstück, versteht sich.«

Jetzt hätt’s mir doch bald meine Frühstückssemmel wieder hochgedrückt. Ich will doch kein Zimmer kaufen, sondern nur für eine Nacht drin schlafen. Onassis bin ich auch nicht, oder Rockefeller oder der Kaiser Franz.

Maria hinter der Rezeption scheint meine Gedanken lesen zu können und sagt: »Falls Sie alleine reisen, könnte ich Ihnen noch ein kleineres Einzelzimmer mit Bergblick anbieten, Frühstück ist da natürlich auch dabei und Ihr Auto steht kostenfrei am Parkplatz. Für hundertsechzig Euro die Nacht, geht das in Ordnung?«, fragt sie mit einem Lächeln.

Hundertsechzig Euro, dafür könnte ich beim Stoandl viermal übernachten oder zweimal und jeweils einen üppigen Bierkonsum dazu bezahlen. Aber mir bleibt fast nichts anderes übrig, wenn ich an Blondie dranbleiben will. Es macht ja wirklich den Eindruck, als könnten mir hier in Wiessee ein paar Schnappschüsse gelingen. Franzi, dieser Geizhals, wird mir meine Extras bestimmt nicht erstatten.

»Ich nehme das Einzelzimmer«, sag ich zu Maria und lächle zurück.

Während ich das Anmeldeformular ausfülle, kommt plötzlich der Kerner auf die Rezeption zu. Ich bleib ganz cool, der weiß ja nicht, wer ich bin.

»Herr Kerner, wir haben Platz 3 für Sie von sechzehn bis siebzehn Uhr reserviert und einen Tisch im Restaurant des Spielcasinos für einundzwanzig Uhr, ist Ihnen das angenehm?«, fragt Marias Kollegin den Blondie.

»Sehr angenehm, Dorothea, bitte die Platzmiete auf die 318 buchen, danke.«

Platz 3, das hört sich nach Tennisplatz an und Casino ist mir auch klar. Tennis spielt man für gewöhnlich nicht allein und ein Tisch im Casino ... Jetzt werd ich erst mal mein Zimmer beziehen und dann hab ich ein paar Stunden frei.

Das kleine Einzelzimmer ist nun doch nicht so klein. Da würden die Doppelzimmer vom Stoandl zweimal Platz drin finden und Sky hat’s auch, jede Menge Sender. Das Bad ist ebenfalls super exklusiv, weiße Marmorwaschbecken, vergoldete Wasserhähne, runde Glasdusche und sogar ein extra Telefon im Bad. Das WC ist natürlich separat und die Lüftung funktioniert einwandfrei.

Der Ausblick ist genial, zwar eben nicht zum See, aber dafür direkt auf die Berge und die Tennisplätze. Als Ermittlungsprofi hab ich natürlich immer das Nötigste für eine Nacht im Auto. Ich hol also mein Zeug und ruh mich zunächst aus, in meinem Hundertsechzigeurozimmer.

Aufschlag Kerner um sechzehn Uhr und ich bin eine Viertelstunde zu spät, hatte noch was zu erledigen.

Statt der erhofften Dame ist sein Gegenüber allerdings ein Mann. Von der Spielstärke her scheinen sie in etwa ebenbürtig zu sein, mit leichten Vorteilen für Kerner. Der spielt mit einem Mann, eventuell einem Geschäftspartner, so ein Mist.

Ich mach trotzdem ein paar Fotos.

Irgendetwas scheinen die beiden während der Spielpausen miteinander zu besprechen. Obwohl die anderen Spieler bestimmt keine Ohren für deren Konversation haben, tuscheln Kerner und sein Gegner hinter vorgehaltener Hand miteinander. Selbst wenn ich von den Lippen ablesen könnte, würde mir das in der Situation nichts bringen. Sauber, die Tennisstunde ist vorbei und nichts war mit Mädels.

Maria (die von der Rezeption, nicht mein Navi) und ich sind inzwischen schon gut bekannt. Sie empfiehlt mir ein feines und günstiges Lokal nahe der Uferpromenade, wo ich köstliche Schwammerl mit Semmelknödel bekomme. Mein nächster Beobachtungstermin findet um einundzwanzig Uhr im Casinorestaurant statt. Ohne Sakko und Krawatte kommst du da nicht rein. Maria ist die Helferin in der Not. Für Hotelgäste gibt’s beides zum Ausleihen (zwanzig Euro). Später im Casino sehe ich noch drei weitere solche Standardsakkos und Einheitskrawatten rumrennen, bestimmt alle ausgeliehen.

Der Kerner ist auch da und ebenso wieder sein Tennispartner. Das ödet mich vielleicht an.

Beide sind edel gekleidet und ich mach ein paar gestochen scharfe Fotos von ihnen. In mir steigt da so ein Verdacht hoch und der würde auch das Tuscheln am Tennisplatz erklären. Sind die beiden etwa … Da hab ich die ganze Zeit gewartet, dass sich in Blondies Umgebung eine wirkliche Blondine einfindet oder eine rassige Rothaarige oder Schwarze, und am Ende ist der noch nicht mal an Mädels interessiert! Am Ende macht der sich hier mit seinem Penisspezl, sorry, Tennisspezl, ein Lover-Weekend, während seine Frau die neuesten Tomatenzüchtungen in Hamburg bestaunt.

Ja, da legst di nieder.

Was du in meinem Job alles erlebst, du glaubst es nicht. Jeder Fall birgt so seine Geheimnisse. Egal, das ist das Leben vom Kerner. Hauptsache, ich hab die Fotobeweise.

Noch während ich mich diesem Gedanken hingebe, wird allerdings mein kleines niederbayerisches Weltbild umgehend wieder zurechtgerückt. Fast pünktlich um viertel nach neun tauchen zwei waschechte Blondinen im Abendkleid am Empfang des Casinorestaurants auf und steuern geradewegs auf den Tisch von Kerner und seinem Begleiter zu.

Alle vier umarmen sich liebevoll, essen zusammen und haben sichtlich viel Spaß. Von der Bar aus knipse ich schöne Fotos und bin fast erleichtert.

Mein Pärchen, »Blondie und Blondinchen«, macht sich gegen zwölf auf, um zu bezahlen. Ich ruf rasch den Kellner, damit ich den Anschluss nicht verpasse.

Manchmal hasse ich diesen Privatdetektivjob, aber meine Fotos, die ich auf dem Casinoparkplatz und anschließend vor dem Hotel gemacht hab, sind super gelungen, beste Qualität. Feierabend ist jetzt noch nicht. Ich geh gleich mal auf mein Zimmer und schau, was da sonst noch an Fotos kommt.

Ach, das hatte ich ganz vergessen zu erwähnen: Wie der Kerner zu seinem Tennismatch aufgebrochen ist, war ich kurz in seinem

Zimmer 318. So eine Hotelzimmertür ist ja so was von sträflich einfach zu »öffnen«. Ich hab eine nette kleine Kamera, kaum größer als eine Streichholzschachtel, neben seinem Fernseher in einem Korb mit lauter nützlichen Sachen stationiert. Diese Kameras haben inzwischen Funk und WLAN und können aus fast jeder beliebigen Entfernung gesteuert werden, cool, oder? Die Aufnahmen sind auch bei schummrigem Licht noch klasse.

Ich setz mich an meinen Laptop und stell die Verbindung zur Kamera in Kerners Zimmer her, einwandfreies Signal. Bei Blondies Schäferstündchen bin ich live dabei und mach ein paar Schnappschüsse.

Nach zehn bis fünfzehn eindeutigen Aufnahmen mach ich Schluss mit der Fotosession, ist ja schließlich seine Sache, was er die ganze Nacht treibt.

Als Abschluss des Abends genieße ich ein kleines Bier in der Hotelbar, ehe ich mich in meinem Zimmer zur Ruhe begebe.

Ein Sonntagsfrühstück auf der Terrasse vom Kranzbichler, das hat schon was. Gute Hotelwahl, da hätt ich fast was versäumt, wenn ich woanders genächtigt hätt. Dieses Frühstücksbuffet ist der Hammer, sagen wir’s einfach so.

Gegen elf beende ich mein Frühstück und schlendere in Richtung Zimmer 318, ich muss noch was abholen. Die Türe steht offen. Blondie und Blondinchen sind wohl grad unterwegs und das fleißige Putzlieschen ist am Aufräumen. Glänzende Gelegenheit, meine »Streichholzschachtel« einzusammeln, die kann man ja wieder verwenden.

Für den Rest des Tages hab ich frei und da ich schon mal hier am Tegernsee bin, könnt ich mir doch glatt ein Radl ausleihen und auf den Wallberg radln.

Gesagt, getan - oder auch nur fast. Nachdem ich ausgecheckt und mich noch von Maria verabschiedet hab, fahr ich auf den Wallberg. Der Einfachheit halber nehme ich allerdings doch das Auto bis zur Talstation und dann eine der schönen neuen Gondeln. Bei dem Wetter heut ist die Aussicht unbeschreiblich und ich genieße den Panoramablick vom Gipfel bei einer kleinen feinen Portion Kaiserschmarrn mit Apfelmus. Sauguad!

Damit ich noch vor der Rückreisewelle der Münchner Wochenend- und Sonntagsausflügler auf die Autobahn komm und vielleicht noch eine Biergartenmaß beim Stoandl erwisch, brech ich aber bereits um halb vier wieder auf und mach mich auf den Heimweg.

Das mit der zügigen Heimfahrt klappt nur teilweise. Wenn die Straße frei wäre, würde ich nur etwa zwei Stunden für die Strecke brauchen. Ich bin aber erst nach sieben Uhr beim Stoandl im Biergarten, hat also fast doppelt so lange gedauert.

Grünes Gold

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