Читать книгу Perfekte Verbrechen ohne Verfolgung - Helmut H. Schulz - Страница 6
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An einem der Folgetage, als sie zur Sitzung das Sprechzimmer betrat, fand sie ihren Mann maulend und zerstreut, krank und ablehnend vor. Er wolle kein Gespräch mehr, behauptete, er gehe seelisch zugrunde in diesem Nazi-KZ; diese Anstalt bringe Menschen um und sie, seine Betreuerin, täte mit, er werde sie einfach ablehnen und auch diesen sogenannten Maßregelvollzug. Als sie ihm gesagt hatte, daß er an einem mit der Leitung noch abzusprechenden Tag einige Stunden Freigang bekomme, als er mißtrauisch erfragt hatte, ob er wirklich allein draußen herumlaufen dürfe, und eine Antwort bekommen hatte, die ihn zufriedenstellte, baute er sich vor ihr auf, sah sie forschend und mißtrauisch an, als glaube er nicht, was sie ihm versprach. Sie beschrieb ihm den Weg zu ihrer Wohnung, sagte, daß sie volles Vertrauen zu ihm habe und ihn für so weit seiner sicher halte, daß er den Weg allein hin und wieder zurückgehen könne. Es sei eine erste Bewährung, einige Stunden, die Vorbereitung auf Arbeit seiner Wahl im Freigang vielleicht, ein Vorgeschmack von Freiheit. Von da sei es dann kein allzu langer Weg mehr in die Normalität. »Ich habe Vertrauen zu Ihnen, Martin«, sagte sie, als spreche sie zu einem Kind und gerührt von ihrer eigenen Güte. Er trat plötzlich dicht heran, umarmte sie, preßte seine an ihre Wange, ließ sie aber sofort frei, als er ihre Abwehr spürte und sagte leise: Verzeihung! Er ging an das vergitterte Fenster, drehte ihr den Rücken zu und sie wollte, befriedigt über die Wirkung ihres Versprechens ein Aufschluchzen gehört, ein Zucken seiner Schultern gesehen haben, als halte er die Tränen zurück. Sie dachte den erhabenen Gedanken, daß jeder Mensch einen anderen Menschen brauche, der an ihn glaube, daß jeder Mensch ja eigentlich gut sein wollte und nicht böse. Auf dem Nachhauseweg hatte sie doch das beklemmende Gefühl, selbst vor einer Prüfung zu stehen, etwas falsch gemacht, einen anderen Mann vor sich gehabt zu haben, als den sie kannte. Wenn es denn ein Fehler war, diesen ungewöhnlichen Freigang auf ihre Kappe zu nehmen, die Begleitung Martins durch einen Beamten abzulehnen, so war dieses Experiment nicht mehr rückgängig zu machen, ohne ihr Projekt zu gefährden; er würde sie sicherlich nie mehr so dicht an sich heranlassen.