Читать книгу ÜB IMMER TREU UND REDLICHKEIT - Helmut H. Schulz - Страница 6
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ОглавлениеIn Tempelhof. Brösickes Bauernwirtschaft. Im Garten einige Tische, eine Hecke. An einem kleinen abseits stehenden Tisch sitzt Walter und liest. Louis erscheint. Walter springt auf, beide Freunde gehen aufeinander zu und umarmen sich.
Wa1ter: Endlich, ich dachte, du kämst nicht mehr, Louis.
Louis: Ich bin aufgehalten worden.
Walter: Geschäfte? Dein Vater?
Louis: Nicht die Spur. Du kennst doch ma petit Juliette. Sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, die Nacht mit mir… Aber lassen wir das. Nicht wichtig.
Walter: Immerhin, irgendwann musst du dich von ihr trennen.
Louis: Ah; das hat Zeit, du als Nordländer gehst sans emotiones an diese Sache.
Walter: Was gibt es Neues?
Louis: Dass ich leibhaftig vor dir stehe, durch Schicksalsfügung aus der Vogtei entlassen, ist das nichts Neues?
Walter: Hatte dein Vater die Hand im Spiel?
Louis: Nein, Legationsrat Wandel. Sagt dir der Name etwas?
Walter: Allerdings, dieser Mensch ist der Intimus zahlreicher Persönlichkeiten, die unterschiedlichen Parteien angehören…, ehe ich es vergesse, heute Abend hat die Fürstin ihren jour fix. Sie will dich sehen.
Louis: Die Gargazin? Sicher ist mein Vater anwesend, und Haugwitz, vielleicht Lombard, Prinz Louis Ferdinand... Ich weiß nicht.
Walter: Lieber Freund, du wirst kommen, wenn ich dir einen Namen nenne, der für mich gleichbedeutend ist mit Genie, Tatkraft, dem neuen Preußen.
Louis: Stein?
Walter: Der Reichsfreiherr vom Stein und man erzählt, dass er dieses Mal durchaus Chancen hat, vom König nicht abgewiesen zu werden.
Louis: Ach, glaubst du wirklich, hier bei uns geschieht etwas Ungewöhnliches?
Walter: Uns beiden winkt der Staatsdienst. Stein will Fachleute, er will Männer um sich haben, keine Puppen.
Louis: Was Staatsdienst bedeutet, das kann ich bei meinem Vater lernen.
Walter: Die Freiheit, Louis…
Louis unterbricht ihn.
Louis: Die Freiheit? Habe ich nicht alle Freiheit? Und lässt mein Vater nicht jedem die Freiheit, so niederträchtig zu sein, wie er Lust hat, nur damit er selber nicht schamrot zu werden braucht? Dein Vater predigt dir ja wohl auch täglich, lass dich anstellen, tu was Vernünftiges.
Walter: Soll ich mich hinter den Ladentisch stellen und Oliven abwiegen? Ich will mehr.
Louis: Mehr? Weißt du was Staatsdienst heißt? Mit uralten Domänenräten Rittergüter taxieren, Hypotheken geben Humanitätsdekrete entwerfen, die beweisen, dass der König und seine Räte der Gipfel aller irdischen Weisheit darstellen. Zeig mir, wofür ich mich begeistern kann, Walter! Schaff mir erst einmal ein Vaterland, ehe du von Staatsdienst sprichst.
Walter: Dieses Vaterland fällt uns nicht in den Schoss, Louis.
Sie werden durch die Ankunft der Familie Alltag unterbrochen. Der Kriegsrat Alltag ist ein beleibter älterer Herr in Zivil mit Militärperücke, seine Frau ist ebenfalls dick und gemütlich-schwatzhaft. Die Tochter Adelheid ist ein junges, auffallend hübsches Mädchen. Bei der Familie ist ein Obristwachtmeister Rittgarten in Uniform ohne Rangabzeichen, mit einem Holzbein.
Die Familie platziert sich an einen anderen Tisch etwas in der Mitte. Sie bemerken die beiden jungen Männer nicht, nur Adelheid blickt einmal kurz auf und Louis verbeugt sich. Sie wendet sich ab.
Louis: Parbleu, wie kommt diese Schönheit in unsere märkische Steppe?
Walter: Mach bitte kein Aufsehen, ich kenne die Leute.
Louis: Glückspilz. Erzähle! Wer ist der Alte?
Walter: Ein Kriegsrat Alltag, gerade eben Kanzleidirektor geworden. Übrigens soll er den alten Lupinus ablösen, der dank eures Saufgelages gehen muss.
Louis: So? Da müsste mir der Mann eigentlich dankbar sein. Und der andere?
Walter: Kenne ich nicht.
Louis: Nun?
Walter: Was heißt nun?
Louis: Spann mich nicht auf die Folter. Die Tochter.
Walter: Adelheid Alltag ist gewissermaßen meine Schülerin. Ich unterrichte sie in Sprachen und Literatur. Sie lebt als Haustochter bei der Geheimrätin Lupinus. Die Alltags wollen mit dem Mädchen hoch hinaus
Louis: Und sie hat Anlagen, es zur Gräfin Lichtenau zu bringen.
Walter: Ganz sauber ist die Geschichte allerdings nicht.
Louis: Wenn die Geheimrätin Lupinus ihre Hände im Spiel hat, sicher nicht.
Walter: Du kennst doch Berlin, den Krieg von Salon zu Salon. Die Lupinus hat den Ehrgeiz, einen aufsehenerregenden Salon zu führen.
Louis: Ich verstehe, ein Salon ohne schöne Frauen lockt keinen Hund hinter dem Ofen hervor.
Walter: Adelheids wegen lässt sich auch der Prinz Louis Ferdinand des Öfteren bei der Lupinus sehen.
Louis: Und die Kleine?
Walter: Ist völlig unschuldig, dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Aber ernsthaft könnte sie eine Einladung des Prinzen nach Monbijou natürlich nicht abschlagen, ohne schlimme Folgen für die Familie.
Louis: Und du? Wie steht es mit dir?
Walter: Hm, ich versuche nüchtern zu bleiben. Louis.
Louis: Eh bien, der Staatsdienst.
Durch die Hecke kommen ein paar Gardereiter, darunter Wolfskehl und Dohleneck, sie beginnen den Tisch der Alltags zu umreiten, bis alles in Staub gehüllt ist. Louis greift dem Pferd des Rittmeisters in den Zügel.
Louis: Herr Rittmeister von Dohleneck!
Dohleneck stutzt, wendet sich an seine Kameraden.
Dohleneck: Allons, Messieurs! Hatez vous!
Die Reiter sprengen durch die Hecke ab.
Die Familie Alltag ist stark echauffiert.
Frau Alltag: Nein, hat man sowas gesehen, unsere Kleider sind ganz beschmutzt.
Kriegsrat: Ja, ja! – Frau Brösicke!
Rittgarten: Das hätte es unter dem großen König nicht gegeben.
Kriegsrat: Frau Brösicke, zum Donnerwetter, wo bleibt sie denn!
Adelheid: Lass doch Vater, wir können in die Küche gehen, um die Kleider zu reinigen.
Er sieht sie freundlich an.
Kriegsrat: Ja, gewiss, mein Kind. Zuvor müssen wir uns einer angenehmen Pflicht entledigen.
Er wendet sich den beiden jungen Männern zu, die herangetreten waren.
Kriegsrat: Ich danke ihnen, meine Herren, durch das Eingreifen dieses Herren ist vielleicht Schlimmeres verhindert worden. Guten Tag, Herr van Asten.
Walter: Darf ich ihnen Monsieur Bovillard vorstellen, Herr Kriegsrat? Madame Alltag und Tochter Adelheid.
Betretenes Schweigen.
Kriegsrat: Sind sie der Sohn des…?
Louis amüsiert: Ja, der bin ich. Guten Tag, mein Fräulein.
Kriegsrat: Wir sind nicht von Adel, Herr, meiner Tochter steht der Titel Fräulein nicht zu. Aber setzen wir uns doch.
Alle setzen sich.
Kriegsrat: Wir sind eigentlich aus der Stadt, um jeden Zusammenstoß mit den Offizieren zu vermeiden.
Rittgarten: Na, na, ich habe welche gekannt, die anders waren.
Louis: Es ist seltsam, einen alten Offizier so reden zu hören, Herr…?
Rittgarten: Kein Offizier, junger Mann, bloß Obristwachtmeister und Invalide, ein Andenken an Torgau.
Louis: Sie haben am Siebenjährigen Krieg teilgenommen?
Rittgarten: Gewiss, mein Bein habe ich bei Torgau gelassen. Da kam der alte Ziethen und fragte mich, na, Rittgarten, dieses Mal komme ich wohl nicht zu früh, um zum Major zu gratulieren. Er kam doch zu früh, einer der adligen Pagen des Königs wurde mir altem Haudegen vorgezogen.
Kriegsrat: Rittgarten, der große König wusste wohl, was er tat.
Rittgarten: Der große König ließ anfragen, ob ich ein Freibatallion übernehmen würde. Ich bedankte mich für die gnädige Attention, ich bin mein Leben lang regulär gewesen und so will ich es auch zu Ende bringen, ließ ich ihm antworten.
Louis: Eh bien, das sind Standpunkte.
Rittgarten: Aber früher waren die Soldaten nicht so arg.
Kriegsrat: Nun, lassen wir uns den schönen Tag nicht verderben. Sie würden uns ein Vergnügen machen, wenn Sie mit unserem bescheidenen Tisch vorlieb nehmen, meine Herren.
Walter: Ich muss mich suspendieren, Herr Kriegsrat, ich muss beizeiten in die Stadt zurück.
Louis: Ach, was! Wir haben gute Pferde. Sie sind ausgeruht. In einer Stunde können wir am Gendarmenmarkt sein.
Walter: Da kann ich mich wohl nicht ausschließen.
Kriegsrat: Ausgezeichnet. - Brösicken, sie kann mit dem servieren beginnen.