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Omnibus audendis paratissimus – der richtige Mann auf Caesars Seite

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In dieser aufgewühlten Situation trat Antonius am 10. Dezember des Jahres 50 sein Volkstribunat an, unterstützt von Quintus Cassius Longinus, aus vornehmer konsularer Familie und verwandt mit dem späteren Caesarmörder. Leider hatte Antonius keine Gelegenheit mehr, anders als Curio im Jahr zuvor, dem in ihn gesetzten Vertrauen als Diplomat und Redner gerecht zu werden. Die Ereignisse gingen über die beiden Volkstribunen Caesars hinweg. Noch im Dezember ritt Antonius eine erste Attacke gegen Pompeius vor einer Volksversammlung, die ohne Wirkung blieb. Caesar vertraute in dieser hoch explosiven Lage ohnehin dem in der stadtrömischen Politik erfahrenen Curio mehr als seinen beiden Neulingen. Für die Senatssitzung am 1. Januar 49 hatte er Curio mit einem Schreiben nach Rom geschickt, in welchem er seinen Standpunkt noch einmal auf den Punkt brachte: Entweder beließ ihn der Senat in Gallien und erkannte sein Privileg an, sich von dort aus in Abwesenheit um den Konsulat für das Jahr 48 zu bewerben, oder alle militärischen Befehlshaber sollten ihr Kommando gleichzeitig niederlegen. Der neue Konsul Lucius Cornelius Lentulus Crus weigerte sich, dieses Schreiben auch nur verlesen zu lassen. Zwar konnten die Tribunen die Verlesung durchsetzen, doch verhinderte der Konsul eine inhaltliche Debatte und lenkte die Aussprache in eine caesarfeindliche Richtung, die in einen Senatsbeschluss mündete, Caesar habe zu einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt bedingungslos und als einziger von seiner Befehlsgewalt zurückzutreten. Das tribunizische Veto des Antonius und Cassius bewirkte allerdings nur eine Eskalation. Am 7. Januar fasste der Senat den ‚äußersten Beschluss‘ (senatus consultum ultimum), der alle Beamten aufforderte, die zum Schutze des Staates notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Im Klartext heißt das: den renitenten Prokonsul von Gallien notfalls mit Waffengewalt zur Aufgabe seines Kommandos zu zwingen. Mit diesem Beschluss sahen die für Caesar agierenden Volkstribunen ihre Tätigkeit erst einmal als beendet an; sie begaben sich zusammen mit Curio zu ihrem Herrn. Während Caesar in seiner eigenen Schilderung des Bürgerkrieges die Abreise aus Rom als Flucht darstellte, nachdem die tribunizischen Rechte mit Füßen getreten worden seien, betonte dagegen Cicero, den Tribunen sei keinerlei Gewalt angetan worden und sie seien aus freien Stücken zu Caesar abgereist. Letzteres trifft sicher die Wahrheit. Es wird Curio gewesen sein, der den Entschluss zur Abreise zu verantworten hatte – vielleicht auf eine Weisung Caesars hin für den Fall der Fälle. Caesar konnte die von ihm als ‚Flucht‘ bezeichnete Handlungsweise der Volkstribunen in hervorragender Weise als Argument für das in seinen Augen rechtlose Vorgehen seiner persönlichen Feinde in Rom verwenden und sich als Schirmherr der tribunizischen Rechte stilisieren. Cicero griff diese Sichtweise in seiner zweiten Philippischen Rede auf. Er instrumentalisierte sie zu einer Anklage gegen Antonius selbst, der Caesar geradezu den Grund geliefert habe, das Vaterland mit Krieg zu überziehen.

Die Tribunen trafen Caesar in Ariminum (Rimini). Den zwischen seiner Provinz und Italien nördlich gelegenen Grenzfluss Rubico hatte er am Abend vorher überschritten und damit der Republik den Krieg erklärt. Die Tribunen wurden in Caesars militärischen Stab unter Verleihung einer Befehlsgewalt im Range eines Prätors eingereiht und führten den Titel tribuni plebis pro praetore.1 Antonius nahm, ohne auf Widerstand zu treffen, mit fünf Kohorten Arretium (Arezzo) ein. Im Februar nahm er, von Corfinium aufbrechend, binnen eines Tages die Übergabe der Stadt Sulmo entgegen. Vermutlich erlebte Antonius auch die Übergabe von Corfinium (Corfinio) am 21. Februar, wo sich Caesars vom Senat ernannter Nachfolger in Gallien, Lucius Domitius Ahenobarbus, verschanzt hatte. Er begab sich zusammen mit Cassius dann nach Rom, das die Konsuln und Pompeius mit einem Großteil des Senats bereits in Richtung Griechenland verlassen hatten. Für den 1. April beriefen sie ordnungsgemäß eine Senatssitzung ein. Der widerspenstige und vor Angst bebende Rumpfsenat ließ sich jedoch nicht dazu missbrauchen, Caesar nachträglich die Absolution für sein Vorgehen zu erteilen und schwieg größtenteils zu Caesars Rechtfertigungsargumenten. In seinem Zorn ließ dieser sogar einen leibhaftig interzedierenden Volkstribunen beiseite drängen, der ihm den Weg zum Reservestaatsschatz im Tempel des Saturn versperren wollte.

Mitte April begab sich Caesar über Massilia (Marseille) nach Spanien, um dort die pompeianischen Generale auszuschalten, bevor er sich der entscheidenden Auseinandersetzung mit Pompeius in Griechenland zuwenden wollte. In Italien sowie in den umliegenden Provinzen und Seegebieten ließ er von ihm neu ernannte Kommandanten und Statthalter zurück, darunter den jüngeren Bruder des Marcus, Gaius Antonius. Dieser wurde als Legat an die dalmatinische Küste geschickt, machte aber keine glänzende Figur gegen die Flotte des Pompeius’.2 Die Hauptstadt selbst vertraute Caesar dem Prätor Marcus Aemilius Lepidus an. Lepidus stammte aus patrizischem Hause; seine Vorfahren standen seit zweihundert Jahren in den Konsullisten. Obwohl er als Protégé Caesars noch zu solcher Macht aufsteigen sollte, dass er neben Antonius und Octavian später im Triumvirat berücksichtigt wurde, hat er von den Zeitgenossen das denkbar schlechteste charakterliche Zeugnis erhalten. Er besaß jedenfalls nichts von dem Wagemut und Draufgängertum seines Vaters, der als Konsul nach Sullas Tod dessen Gesetzgebung annullieren lassen wollte und dafür – schon eine Generation vor Caesar – den Kampf mit der Senatsmehrheit aufgenommen hatte.3

Den de facto bedeutenderen Posten erhielt aber der eigentlich rangniedrigere Antonius. Er sollte während Caesars Abwesenheit mit einer umfassenden militärischen und zivilen Gewalt Italien bis zum Apennin in Schach halten – für einen Mann im Range eines Volkstribunen eine ungeheure Verantwortung und Machtfülle. Caesar hatte ihm strikt befohlen, niemanden von adligem Stand aus Italien ausreisen zu lassen. Bald nach Caesars Abreise begab sich Antonius nach Kampanien, um einige hochrangige Senatoren, die Pompeius nicht oder noch nicht gefolgt waren und von ihren Landsitzen aus missmutig die Entwicklung der Dinge abwarteten, aus der Nähe im Auge zu behalten. Dazu zählten die ehemaligen Konsuln Gaius Claudius Marcellus, Servius Sulpicius Rufus und Cicero, der auf seinem Landgut bei Cumae weilte. Antonius ging die hohen Herren mit Schmeicheleien an, versicherte ihnen die Wertschätzung Caesars, an den er sie verwies, falls sie sich zu Pompeius nach Griechenland zu begeben wünschten. Cicero hoffte Anfang Mai, Antonius werde ihn besuchen, wurde aber enttäuscht. Antonius hielt sich eine Zeit lang in seiner eigenen Villa auf, die sein Großvater schon besessen hatte. Cicero mokierte sich in einem Brief an seinen Freund Atticus vom 9. Mai über Antonius’ ‚Regierungsstil‘: Atticus solle sich vor den Löwen des Antonius in Acht nehmen. Von den Stadtoberhäuptern der benachbarten kampanischen Gemeinden erfuhr Cicero aus erster Hand, dass Antonius bis neun Uhr zu schlafen pflegte und die eigens einbestellten und früh angereisten Vertreter aus Neapel und Cumae brüskierte, indem er ihnen einfach befahl, am nächsten Tage wiederzukommen; er wolle sich waschen und ein Abführmittel nehmen. Am Tage darauf segelte er aber zur Insel Aenaria (Ischia), um den dort in der Verbannung Lebenden die Rückkehr zu versprechen.

Wir besitzen in diesem Fall ein Dokument höherer Authentizität als die später verfassten hasserfüllten Invektiven der Philippischen Reden. In Ciceros Worten spiegelt sich eine Mischung aus Belustigung und Verachtung des Konsulars gegenüber dem kleinen Volkstribunen wieder, der sich dank einer Fügung des Schicksals einmal als Herr Italiens gebärden konnte. Antonius hat diese Rolle seinerseits sicher in vollen Zügen genossen, einmal ohne die Aufsicht seines Herrn und Meisters Caesar denselben vertreten zu können. Er konnte hier schon ansatzweise seinem Hang zu einem üppigen Lebensstil frönen, der ihm sicherlich schon im Elternhaus dank der intensiven Kontakte seiner Vorfahren zum hellenistischen Osten vermittelt worden war; später kam dem auch Caesars ‚Hofhaltung‘, die dieser mit seinen Freunden pflegte, entgegen. Mit seiner extravaganten Attitüde, Löwen abzurichten und mitzuführen, wollte er an die mythische Herkunft seiner Familie von Herakles erinnern. Nach der Schlacht bei Pharsalos hat er als erster Römer Löwen vor seinen Wagen spannen lassen.4 Das Motiv veranlasste übrigens den österreichischen Bildhauer Arthur Strasser zu seiner Skulptur (Abb. 1), für die er auf der Pariser Weltausstellung im Jahre 1900 eine Goldmedaille erhielt. Cicero äußert sich indigniert über Antonius’ Gefolge, in welchem seine Mätresse Cytheris, inmitten seiner Amtsliktoren in einer Sänfte getragen, den Mittelpunkt bildete. Cytheris war ein ‚Künstlername‘ und bedeutet ‚der Aphrodite gehörig‘. So nannte sich die Freigelassene Volumnia, als Schauspielerin und ihrer Schönheit wegen berühmt – begehrt und besungen von vielen anderen Zeitgenossen. Das in Ciceros Augen Anstößige bestand darin, dass Antonius’ Gattin Antonia unmittelbar neben Cytheris getragen wurde, gefolgt von weiteren sieben Sänften mit Freunden und Freundinnen.5

Cicero, des Wartens und der Erniedrigungen in Italien überdrüssig, gelang es, am 7. Juni in der kleinen Hafenstadt Caieta (Gaeta) bei Formiae (Formia) ein Schiff zu besteigen, das ihn zu Pompeius nach Thessalonike brachte. Ob ihm dabei Quintus Hortensius, Caesars Flottenbefehlshaber im Tyrrhenischen Meer, behilflich gewesen ist, wissen wir nicht. Hortensius hatte Mitte Mai Ciceros Landgut besucht und sich gegenüber seiner Gattin Terentia ehrerbietig über ihn geäußert, was Cicero zum Anlass nahm, Hortensius’ noble Geste deutlich von Antonius’ Art der Selbstinszenierung abzusetzen. Da weder Antonius noch Hortensius von Caesar einen Tadel wegen Ciceros Abreise erhielten, scheint dieselbe mit dessen vorheriger oder nachträglicher stillschweigender Einwilligung erfolgt zu sein.6

Was Antonius während Caesars Abwesenheit den Rest des Jahres über geleistet hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Selbst Cicero fiel nachträglich in seiner zweiten Philippischen Rede nichts anderes ein, als in deftigeren Worten das zu schildern, was er bereits in seinen auf dem Formianum geschriebenen Briefen mitgeteilt hatte. Es galt, Ruhe und Ordnung in Italien zu gewährleisten – die wichtigen Aktionen behielt sich Caesar selbst für die Zeit nach seiner Rückkehr aus Spanien vor. Im Dezember erschien er wieder in der Hauptstadt, nachdem er die Statthalter des Pompeius ausgeschaltet hatte. Schon zuvor hatte der Prätor Lepidus auf einen Volksbeschluss hin Caesar zum Diktator ernannt, damit dieser ohne umständliche Prozeduren die dringendsten Angelegenheiten in Rom regeln konnte. Darunter fielen auch die Verteilung der Provinzen und die Wahl der Magistrate für das kommende Jahr. Vermutlich nach einer von Antonius recherchierten Liste wurden die in den 50er Jahren aus den verschiedensten Gründen verbannten Politiker in großem Stil per Gesetz rehabilitiert. Dies betraf auch Antonius’ ehemaligen Vorgesetzten Aulus Gabinius, nicht aber seinen Onkel Gaius, was Cicero nicht vergisst, ihm anzukreiden.7

Caesar legte die Diktatur nach elf Tagen rastloser Aktivität nieder und begab sich noch vor Jahresende zu seinen in Brundisium (Brindisi) bereitgestellten zwölf Legionen, um den Krieg gegen Pompeius nach Griechenland zu tragen. Er benötigte gerade in diesem Feldzug den Wagemut und die spontane Entschlussfreudigkeit seines Quästors aus Gallien. Antonius erhielt sehr wahrscheinlich die Stellung eines Legaten und begleitete Caesar nach Brundisium. Der Gegner lag mitten in der Winterruhe: Pompeius befand sich in Thessalonike und die gegenüberliegende griechisch-epirotische Küste wurde vom Oberbefehlshaber der feindlichen Flotte, Marcus Calpurnius Bibulus, nur nachlässig bewacht. In kühnem Entschluss gelang es Caesar am 4. Januar, sieben der zwölf Legionen mit etwa 20.000 Mann über das Meer zu setzen und an der epirotischen Küste bei Orikos (am südlichen Ende des heutigen Golfes von Vlores, Albanien) an Land zu gehen, um sofort nordwärts bis Apollonia (Poian/Albanien) vorzudringen. Pompeius wurde seine Unachtsamkeit, die es dem Gegner erlaubte, auf der griechischen Seite Fuß zu fassen, letztlich ebenso zum Verhängnis wie Jahre später dem Antonius im Endkampf mit Octavian. Antonius sollte die restlichen Truppen so schnell wie möglich übersetzen, aber das winterliche Wetter und die nunmehr lückenlose Bewachung der gegenüberliegenden Küsten zögerten das Unternehmen zum Leidwesen Caesars immer wieder hinaus. Der Gegner wagte sich sogar mit einem Geschwader aus 50 Schiffen bis vor Brundisium, wurde dort aber mit einer von Antonius geführten Gegenattacke zum Abdrehen gezwungen. In der ersten Märzhälfte gelang es dann Antonius und seinem Kollegen Fufius Calenus – die beiden kannten sich aus Gallien – endlich, Caesar die heiß ersehnten Verstärkungen zuzuführen. In dem folgenden Stellungskrieg bei Dyrrhachium (Durazzo, Durrës) zeichnete sich Antonius wiederholt durch beherztes Eingreifen auch in schwierigen Situationen mehrfach aus, so dass Caesar ihm anschließend am 9. August in der entscheidenden Schlacht bei Pharsalos in der thessalischen Ebene den Befehl über den linken Flügel seiner Armee anvertraute. Da allerdings die Entscheidung auf dem rechten Flügel fiel, wo Caesar persönlich den Angriff der starken pompeianischen Reiterei mit einer eigens gebildeten vierten Schlachtreihe erfolgreich und die Schlacht entscheidend parierte, ist Antonius’ Flügel vermutlich überhaupt nicht richtig zum Schlagen gekommen.8

Caesar selbst übernahm es, Pompeius nach Ägypten zu verfolgen. Mit der Sicherung Italiens hatte er für Antonius eine nicht minder wichtige Aufgabe vorgesehen, denn mit der gewonnenen Schlacht und auch nach dem Tode des Pompeius in Ägypten waren die Gegner noch keineswegs gänzlich ausgeschaltet. Die intakte Flotte beherrschte die Adria und die Gewässer Siziliens, und die pompeianischen Führer und ihre Truppen sammelten sich im Gebiet der Provinz Africa, dem heutigen Tunesien. Selbst in Italien herrschte während des Feldzugs in Griechenland Aufruhr. Der Prätor Marcus Caelius Rufus entfachte gegen die von Caesar kurz zuvor erlassenen Gesetze über die Schuldentilgung eine populare Agitation, die auf die vollständige Aufkündigung aller Schuldverhältnisse hinauslief. Diese Bewegung erhielt dadurch eine solche Brisanz, dass Annius Milo aus seinem Verbannungsort Massilia (Marseille) eigenmächtig zurückkehrte und bewaffnete Banden aufstellte. Dem entschlossenen Vorgehen von Caesars Mitkonsul Publius Servilius Isauricus war es zu verdanken, dass sich daraus keine zweite catilinarische Verschwörung entwickelte. Milo und Caelius fanden den Tod.9

Die an allen Enden aufgewühlte Lage des Reiches veranlasste Caesar, sich nach der Schlacht von Pharsalos zum zweiten Mal das Amt des Diktators antragen zu lassen, und zwar nunmehr für ein ganzes Jahr, wohl in der Hoffnung, bis dahin den Widerstand der Pompeianer gebrochen zu haben. Die notwendigen gesetzlichen Prozeduren erledigte der Konsul Servilius in Rom. Der römische Diktator hatte traditionsgemäß einen ‚Reiteroberst‘ (magister equitum) als Stellvertreter zur Seite, dessen Posten Antonius vorbehalten war. Es spricht für die uneingeschränkte Wertschätzung und das Vertrauen Caesars Antonius gegenüber und bedeutet eine Belohnung für bisher geleistete Dienste, wenn er ihn jetzt zum zweiten Mann im Staate machte. Schon rein formal bedeutete diese Diktatur eine Ungeheuerlichkeit, da die Amtsdauer der Diktatur nach der Sitte der Vorfahren auf maximal sechs Monate begrenzt war. Darüber hinaus besaß Antonius lediglich den niedrigen Rang eines ehemaligen Volkstribunen, zumal er noch nicht einmal die Prätur, bekleidet hatte, die eine eigene Befehlsgewalt einschloss, wie der Historiker Cassius Dio richtig bemerkte. Dass Antonius als etwa 35-Jähriger über eine solche Machtfülle verfügte, verdankte er natürlich der Ausnahmesituation des Bürgerkrieges und einem einzigen Manne: Caesar. In dieser Phase seines Lebens wuchs seine grenzenlose Bewunderung für Caesar. Der Diktator wurde in all seinem Denken, seinem Handeln und seiner Selbstdarstellung zu Maßstab und Vorbild.

Bei seiner Rückkehr nach Italien traf Antonius in Brundisium auf einen zerknirschten Cicero. Caesar hatte diesem über Publius Cornelius Dolabella, Ciceros Schwiegersohn, mitteilen lassen, er solle nach Italien zurückkehren, wofür sich der 60-jährige Konsular auch entschied, nachdem ihm im Lager der geschlagenen Pompeianer nichts als Kritik und Verachtung entgegen geschlagen war. Auch die mit Antonius heimkehrenden Truppen wollten schon Hand an den Unglücklichen legen, doch hat sich Antonius schützend vor ihn gestellt. Im Dezember erreichte Cicero ein Befehl des Antonius, Italien zu verlassen: Er handle auf Geheiß Caesars, der nur in persönlich von ihm entschiedenen Ausnahmefällen ein Bleiben in Italien gestatte. Als Cicero aber das Schreiben seines Schwiegersohnes vorlegen konnte, verkündete Antonius per Edikt die Namen Ciceros und des pompeianischen Flottenbefehlshabers Decimus Laelius, denen als Ausnahme der Aufenthalt in Italien gestattet werde. Cicero war es mehr als peinlich, dass sein Name für die Großzügigkeit Caesars herhalten musste, während andere Gefolgsleute des Pompeius von seinem Rang entweder das Exil oder aber den Widerstand gewählt hatten. Aus Antonius’ Sicht war das Edikt keineswegs als Demütigung des ehrwürdigen Konsulars gedacht; er wollte mit der Verkündigung als Ausnahmeregelung Caesars Anordnung den notwendigen Nachdruck verleihen.10

Das Jahr 47 begann, abgesehen von den Volkstribunen, ohne reguläre Beamte – ein Umstand, durch den Antonius’ herrschaftliche Stellung in Rom und Italien besonders manifestiert wurde. Dieses Vakuum ordentlicher magistratischer Autorität nutzte der eben erwähnte Volkstribun Dolabella mit allen Künsten der Agitation, die im Vorjahr von seinem Kollegen Caelius Rufus betriebene allgemeine Schuldentilgung zum politischen Dauerbrenner des Jahres zu erheben. Dolabella war wie seinerzeit Clodius vom Patrizier- in den Plebejerstand gewechselt, um gestützt auf dieses Amt Politik treiben zu können. Er fand seinen Gegner in dem Tribunenkollegen Lucius Trebellius. Beide Parteien lieferten sich wie seinerzeit Clodius und Milo heftige Straßenschlachten, so dass der Senat zum ‚äußersten Beschluss‘ griff und Antonius alle Vollmachten zur Rettung des Staates erteilte. Dolabella wollte die Abstimmung über einen Gesetzesantrag mit Gewalt erzwingen. Andererseits galt für Antonius als auch den Senat der nachvollziehbare Grundsatz, bis zur Rückkehr Caesars an bestehenden Gesetzen überhaupt nichts zu verändern. Also schritt Antonius mit Soldaten auf dem Forum ein und ließ die Anführer des Aufruhrs vom Tarpeischen Felsen stürzen. Damit goss er allerdings nur Öl ins Feuer und provozierte damit weitere Krawalle. Bei Antonius sprachen freilich auch private Gründe für seine Abneigung gegen Dolabella, denn es existierten offenbar Beweise für ein ehebrecherisches Verhältnis Dolabellas zu seiner Gattin Antonia, weshalb ihr Antonius den Scheidebrief schickte. Dolabella war seit gut drei Jahren mit Ciceros Tochter Tullia verheiratet, und die Affäre mit Antonia lieferte Cicero, der schon die politischen Umtriebe des Schwiegersohnes von Brundisium aus mit Unwillen verfolgt hatte, den letzten Anlass, die unglückliche Ehe seiner Tochter scheiden zu lassen.11 War das alles noch nicht genug, so wurde Antonius gleich zu Jahresbeginn noch mit Unruhen unter den von Caesar aus Griechenland nach Hause geschickten Legionären konfrontiert, die ihre versprochenen Belohnungen und ihren Oberfeldherrn sehen wollten. Er musste sich persönlich zu den Truppen nach Kampanien begeben. Um die unruhige Hauptstadt in Schach zu halten, ernannte er seinen betagten Onkel, den Konsular Lucius Iulius Caesar, zum Stadtpräfekten. Die Soldaten konnte er bis zur Rückkehr des Diktators zumindest von einer offenen Meuterei zurückhalten.12

Schon die antiken Schriftsteller, aber auch moderne Interpreten haben Antonius’ Rolle, die er als Vertreter Caesars in Italien spielte, durchweg negativ beurteilt. Sein Unvermögen, die Unruheherde zu beseitigen, sei gepaart gewesen mit einem brutalen Auftreten einerseits und einem verschwenderischen, amoralischen Lebenswandel andererseits. Der letztere Vorwurf speist sich einzig und allein aus Ciceros zweiter Philippischer Rede, welche die Grundlage für Plutarchs Bericht bildet, jedoch bietet Cicero bei näherem Hinsehen nichts anderes als eine Wiederholung dessen, was er schon zu Antonius’ Aufenthalt in Kampanien im Jahre 49 zu sagen gehabt hatte. Es mag durchaus zutreffen, dass Antonius noch zu unerfahren war und zu wenig Autorität bei einer so respektlosen und umtriebigen Person wie Dolabella besaß, um der Unruhen Herr zu werden. Die Schuld daran trug aber eigentlich Caesar selbst, der sich einen längeren Aufenthalt bei Kleopatra gönnte und anschließend noch im nordöstlichen Kleinasien Krieg führte. Somit trafen seine Anordnungen mit wochenlanger Verzögerung in Rom ein, anstatt mit der Autorität seiner Person – und nur sie vermochte es – in Italien für Ruhe und Ordnung zu sorgen. In vergleichbarer Situation gegenüber unzufriedenen Soldaten musste Agrippa später Octavian zu Hilfe rufen, welcher daraufhin mitten im Winter aus Kleinasien nach Italien zurückkehrte. Allein die Grundregel, vor Caesars Rückkehr keines der bestehenden Gesetze zu ändern, legte Antonius Zurückhaltung auf; darüber hinaus geboten die Kontakte und die Rückendeckung, die die beiden Volkstribunen möglicherweise bei Caesar besaßen, Vorsicht. Wie richtig er damit lag, zu keines Gunsten oder Ungunsten härter durchzugreifen, zeigte Caesars Reaktion nach seiner Rückkehr nach Rom. Weder dem einen noch dem anderen Tribunen zürnte er – sie konnten unter ihm ihre Karriere fortsetzen – und setzte einen Teil der Gesetzesvorlage Dolabellas um, einen anderen nicht. Für ihn, der im Kampf gegen innere und äußere Feinde von Kontinent zu Kontinent eilte, mussten die stadtrömischen Unruhen wie Geplänkel unreifer Jungen wirken, die sich auf dem politischen Parkett zum ersten Mal austobten. Schon gar nicht war es seine Art, seine Anhänger kleinlich zu bestrafen, sondern vielmehr, sie fürstlich zu belohnen. Wenn er schon die Volkstribunen ungeschoren davon kommen ließ, so erst recht Antonius. Die unzufriedene Soldateska in Kampanien zu beruhigen, konnte einzig und alleine nur seine Aufgabe sein.13

Von Anfang Oktober bis Anfang Dezember des Jahres 47 weilte Caesar in Rom, um nur die drängendsten Probleme und Aufgaben anzugehen – es wartete er Feldzug gegen die Pompeianer in Afrika. Eine der vielen Amtshandlungen Caesars in diesen zwei Monaten in Rom war die Abhaltung der Magistratswahlen für den Rest des Jahres. Er belohnte seine Feldherren Quintus Fufius Calenus und Publius Vatinius mit dem Konsulat. Für das darauf folgende Jahr bestimmte er sich selbst und den Marcus Aemilius Lepidus zu Konsuln.14 Dass Antonius nicht als Mitkonsul Caesars zum Zuge kam, deutete Plutarch als Zeichen der Zurücksetzung. Lepidus besaß aber den höheren Anspruch, er war im Jahre 49 Prätor und anschließend Statthalter im diesseitigen (nordöstlichen) Spanien gewesen, beides, sowohl Prätur als auch Statthalterschaft, hatte Antonius nicht vorzuweisen. Aus den Jahren 46 und 45 wissen wir nur wenig, was Antonius angeht. Möglicherweise hat ihn Caesar im Jahr 46 die Prätur bekleiden lassen. Freilich besitzen wir darüber (noch) kein antikes Zeugnis, aber es ist aus zwei Gründen plausibel: Erstens würde eine stadtrömische Magistratur erklären, warum Antonius Caesar nicht auf die Feldzüge nach Afrika und Spanien begleiten konnte; zweitens bildet die Prätur normalerweise die Voraussetzung für den Konsulat. Die Abweichung von dieser Regel hat Cassius Dio im Falle des Cornelius Dolabella eigens erwähnt, der im Jahre 44 Konsul wurde, ohne zuvor Prätor gewesen zu sein. Das Schweigen Ciceros und der anderen Quellen lässt also im positiven Sinne vermuten, dass Antonius regulär die Prätur verwaltet hat, da sie andernfalls diese Anomalie in die Liste ihrer Kritikpunkte aufgenommen hätten.15

Die größte Herausforderung aber boten die unzufriedenen Legionen, die sich sogar von Kampanien auf Rom zu bewegten. Nur unter Einsatz all seiner Autorität und mit konkreten Ansiedlungsplänen konnte Caesar sie beruhigen und noch einmal zum Kampf in Afrika motivieren. Die Mittel für die Landkäufe und für ein sofortiges Handgeld von 1000 Denaren pro Mann kamen zu großen Teilen aus der Versteigerung des gewaltigen mobilen und immobilen Vermögens des Pompeius und der übrigen gefallenen oder geächteten Gegner; allein der Wert von Pompeius’ Besitzungen, die freilich die größten waren, spülte 200 Millionen Sesterzen (50 Millionen Denare) in die Staatskasse. Das politisch, moralisch und ökonomisch heikle Geschäft, den Besitz der Caesargegner zu versilbern, übertrug Caesar dem Antonius: Zum damaligen Zeitpunkt war die militärische Niederlage der Pompeiussöhne immer noch nicht definitiv besiegelt; die Achtung vor dem toten Pompeius verbot vielen potentiellen Käufern, ein Angebot abzugeben, und schließlich musste der Verkauf zeitlich gestreut werden, um einem Preisverfall infolge Überangebots vorzubeugen. Antonius selbst ersteigerte aus Pompeius’ Besitz neben Parkanlagen am Rande des Marsfeldes das große innerstädtische Anwesen samt Sklaven und Inventar, was Cicero in seiner zweiten Philippika genüsslich als Frevel an dem toten Pompeius und Zeichen von Antonius’ unersättlicher Habgier maßregelt. Antonius hatte damit sicher eines der Filetstücke aus der Versteigerungsmasse ergattert und tat sich schwer, wenn wir Cicero glauben möchten, die Kaufsumme aufzubringen. Antonius hatte aber Pompeius’ Anwesen gar nicht alleine ersteigert, sondern zusammen mit einem weiteren Unterfeldherrn Caesars, Quintus Cornificius, einem bekannten Redner und Dichter. Wie dem auch sei: Er hat damals in großem Stil zugeschlagen und sich die Besitztümer weiterer Caesargegner verschafft, was seine eigenen finanziellen Möglichkeiten weit überschritt. Die an die Staatskasse geschuldeten Beträge beliefen sich auf 40 Millionen Sesterzen: Eine Stadtvilla der Calpurnii Pisones, eine Villa des Terentius Varro in Casinum, die er dem gelehrten Antiquar allzu voreilig entwendet hatte und ihm später auf Caesars Befehl zurückgeben musste, und schließlich das großes Anwesen der Caecilii Metelli in Tibur (Tivoli).16 Der letzte prominente Vetreter der Familie, Quintus Caecilius Metellus Pius Scipio, hatte in Afrika nach der Niederlage bei Thapsus Selbstmord begangen. Es lag, durch den Fluss Anio (Aniene) getrennt, dem Zentrum von Tivoli gegenüber auf einem auslaufenden Hügel, der ein grandioses Landschaftspanorama bot und den Blick bis nach Rom freigab. Nach Antonius’ Tod ging der Besitz an Publius Quinctilius Varus über, jenen Feldherrn des Augustus, der im Jahre 9 n. Chr. sein Leben gegen die Germanen im Teutoburger Wald ließ. Hier äußert sich ein typischer Charakterzug des Antonius: das Bedürfnis nach extrovertierter Selbstdarstellung in Form einer luxuriösen Lebensweise und eines prunkvollen Auftretens, um seinen Rang als Politiker und Machthaber in geradezu theatralischer Gestik auch visuell zu propagieren. Andererseits hat kaum ein anderes Haus aus senatorischem Adel damals anders gehandelt. Erzählt wurde auch von den Käufen des Publius Cornelius Sulla, eines Verwandten des Diktators, von Caesars Chefdiplomaten Lucius Cornelius Balbus aus dem spanischen Gades, und von Caesars Geliebter Servilia, der Mutter seines Gefolgsmanns und späteren Mörders Brutus – ihr als einziger soll er angeblich Preisnachlässe gewährt haben. Selbst Cicero warf zumindest ein Auge auf die Villa des Faustus Cornelius Sulla in Neapel, der nach der Schlacht von Thapsus auf der Flucht umgekommen war. Nichtsdestoweniger bot Antonius’ Verhalten Munition für denjenigen Politiker, der in der Vergangenheit seines Gegners nach Fehlverhalten suchte: das Odium des infolge eines Bürgerkrieges konfiszierten Vermögens und die dem Begehr des Antonius keineswegs entsprechenden finanziellen Mittel boten Cicero natürlich eine Breitseite für Angriffe in der späteren Situation des Jahres 43.

Für Caesar war freilich Antonius’ Tätigkeit geradezu überlebenswichtig, musste er doch aus dem Verkaufserlös die Ansprüche seiner Soldaten befriedigen, die nur noch mit ihm ins Feld zu ziehen bereit waren, wenn ihnen der Diktator die Extrazahlungen mit Zins und Zinseszins auszuzahlen versprach. Entgegen einer verbreiteten Ansicht, die auf recht verschwommenen Andeutungen Ciceros beruht, die wieder Plutarch als Quelle dienten, lässt sich also für eine Abkühlung des Verhältnisses zwischen Caesar und Antonius in den Jahren 46 und 45 kein stichhaltiges Kriterium anführen. Allein die Abwicklung der Besitzüberschreibungen und finanziellen Transaktionen erforderten Caesars absolutes Vertrauen als Bedingung für diese Aufgabe und zugleich die Anwesenheit des Antonius in Rom, unabhängig davon, ob er im gleichen Jahre als Prätor amtierte oder nicht.

In jener Zeit heiratete Antonius zum dritten Male. Alle drei Ehen besaßen, aus jeweils verschiedenen Gründen, außergewöhnlichen Charakter. Den Namen seiner ersten Gattin, Fadia, erfahren wir nur aus Ciceros Philippischen Reden. Sie war die Tochter eines Freigelassenen namens Quintus Fadius und hatte dem Antonius auch Kinder geboren, die aber früh verstorben sind. Da dies alles ist, was wir wissen, besteht bis heute keine einhellige Meinung über die Art dieser Verbindung – ob es sich überhaupt um eine Ehe, ob um eine Ehe nach römischem Recht handelte. Letzteres ist zu bejahen, da eine Ehe zwischen einem Spross der Senatsaristokratie und einer Dame aus dem Freigelassenenmilieu zwar als anrüchig, da nicht standesgemäß, galt – deshalb erwähnt sie Cicero überhaupt nur –, aber gesetzlich nicht verboten war. Die zweite Ehe mit seiner Cousine Antonia, der Tochter seines Onkels Gaius Antonius, galt zwar als standesgemäß, aber wegen des engen verwandtschaftlichen Verhältnisses als seltenes Phänomen. Im frühen Rom bis zum Ende des dritten Jahrhunderts v. Chr., als die Vorschriften gelockert wurden, wäre sie auch verboten gewesen. Römischer Gepflogenheit gemäß, nach der Mutter und weibliche Anverwandte wie Tanten die Ehepartner ihrer Kinder maßgeblich bestimmten, müssten Antonius’ Mutter Iulia und die unbekannte Gattin ihres Onkels Gaius diese Ehe eingefädelt haben – aber dies bleibt ebenso Spekulation wie auch alle denkbaren psychologischen Erklärungsmuster. Aus dieser Ehe ging eine Tochter Antonia hervor, die mit dem Sohn des späteren Triumviratskollegen Aemilius Lepidus verlobt wurde.17

Wie erwähnt, ließ sich Antonius im Jahre 47 von seiner Cousine scheiden, als ihm ein Verhältnis zwischen ihr und Dolabella zugetragen wurde. Antonius hat diese Affäre später, in einer Senatssitzung am 1. Januar des Jahres 44, im Beisein des Vaters Gaius Antonius anlässlich einer gegen Dolabella gehaltenen Rede öffentlich erwähnt, weshalb er wohl über handfeste Beweise verfügt haben muss.18 Die Frau, die er schließlich im Jahre 46 heiratete, war in der stadtrömischen Gesellschaft umso bekannter: Fulvia, Tochter des Marcus Fulvius mit dem Beinamen ‚Bambalio‘, der Stotterer – der Beiname erklärt zur Genüge, warum er, selbst wenn er gewollt hätte, keine Karriere als Politiker machen konnte –, aus einem vornehmen plebejischen Geschlecht aus Tusculum, dessen letzter bedeutender Vertreter, ein Konsul des Jahres 135, dem ausgehenden zweiten Jahrhundert angehörte. Mütterlicherseits war sie mit den Sempronii Tuditani verwandt, die zuletzt im Jahre 129 mit einem Konsul aufwarten konnten. Fulvias Herkunft war also nicht so glanzlos, wie uns Cicero glauben machen möchte. In erster Ehe war sie mit dem ursprünglich zu den patrizischen Claudiern gehörenden Publius Clodius verheiratet gewesen, dem Volkstribun des Jahres 58, der Rom bis zu seinem gewaltsamen Tod im Jahre 52 in Atem gehalten hatte. Danach heiratete sie Caesars Volkstribun Gaius Scribonius Curio, der im Jahre 49 in Afrika im Kampf gegen den Feldherrn des Pompeius gefallen war. Sowohl dem Clodius als auch dem Curio hatte sie Kinder geboren, dem ersten Sohn und Tochter, dem zweiten einen Sohn. Antonius kannte Fulvia seit gut 15 Jahren, da er sowohl mit Clodius als auch mit Curio eng befreundet gewesen war. Darüber hinaus hieß seine Großmutter mütterlicherseits, die Gemahlin des Großvaters Lucius Iulius Caesar, ebenfalls Fulvia – mit anderen Worten: die Familie seiner Mutter Iulia dürfte hinter der Ehe mit Fulvia gestanden haben.

Fulvia hatte also bereits ein physisch wie psychisch aufgewühltes Leben hinter sich als Gattin von zwei Vollblutpolitikern, die beide keines natürlichen Todes gestorben waren. An der Seite des Clodius galt sie als vorbildliche Ehefrau. Sie begleitete Clodius stets auf Reisen, was für die Gattin eines römischen Politikers nicht selbstverständlich war; ihre aufrichtige Trauer bei Clodius’ Begräbnis beeindruckte ganz Rom. Dass sie die Möglichkeiten politischen Handelns, die ihr als Frau der Oberschicht offen standen, voll ausnutzte, mag teilweise in ihrem Naturell gelegen haben, aber noch größeren Anteil daran besaßen die Aktivitäten ihrer Gatten. Die im Kern traditionelle Rolle der Frau, zum Ansehen und Wohlergehen der Familie beizutragen, konnte je nach Position und Engagement des Mannes auch einer Frau eine enorme öffentliche Aufmerksamkeit bescheren. So ist denn auch das rabenschwarze Bild, das Cicero von Fulvia für die Zeit nach Caesars Ermordung in seinen Philippischen Reden zeichnete, eigentlich gar nicht gegen sie persönlich als vielmehr gegen ihren Gatten Antonius gerichtet. Es handelte sich im Grundsatz um dieselbe Strategie, deren Opfer später Kleopatra werden sollte. Ein früheres Objekt von Ciceros moralischen Invektiven treffen wir in Clodius’ Schwester Clodia, weil Cicero Clodias Liebhaber Marcus Laelius gegen den Vorwurf verteidigte, einen Giftanschlag auf Clodia verübt zu haben. Fulvia brachte nicht nur ihren Namen und möglicherweise ihren Reichtum in die Ehe mit Antonius ein, sondern auch das ‚Erbe‘ des Clodius: die populare Gefolgschaft unter der stadtrömischen Bevölkerung. Mancher moderne Betrachter entdeckt in der Hochzeit deshalb auch eine politische Komponente, nämlich ein Gegengewicht gegen Dolabella zu schaffen, der Antonius das letzte Jahr so vergällt hatte. Alles deutet darauf hin, dass sich Antonius nach drei Jahren ununterbrochener Aktivität als Politiker und Soldat für ein Jahr intensiver seinem Privatleben gewidmet hat, wozu ihm eine stadtrömische Magistratur wie die Prätur genügend Muße gewährt haben müsste.19

Nachdem Ende April des Jahres 46 die Nachricht von Caesars Sieg über die pompeianischen Generale bei Thapsus in Afrika Rom erreicht hatte, ließ Caesar sich, wie nach der Schlacht bei Pharsalos, zum dritten Mal zum Diktator ernennen, damit er die Hinterlassenschaften des Krieges regeln konnte, ohne lästige Senats- und Volksbeschlüsse einholen zu müssen. Zu seinem Reiteroberst ließ er Lepidus wählen – beide waren zugleich die amtierenden Konsuln des Jahres. Im Unterschied zum letzten Jahr wurde ihm die Diktatur nunmehr für die Dauer von zehn Jahren verliehen, wobei sie jedes Jahr erneut gezählt und damit ein Jahresamt vorgetäuscht wurde.20 All dies sprach natürlich der Tradition und dem Sinn und Zweck des Diktatorenamtes Hohn, das ja nur in Notlagen des Staates und dann nur für sechs Monate bekleidet worden war. Damit einher ging die völlige Missachtung und Entwertung der regulären Magistraturen. Für das folgende Jahr 45 waren noch im November dieses Jahres außer den plebejischen keine anderen Beamten gewählt worden. Lepidus als Reiteroberst ernannte sechs (oder acht) Präfekten, die die Aufgaben der städtischen Quästoren und Prätoren wahrnahmen. Schließlich ließ Lepidus Caesar in Abwesenheit zum alleinigen Konsul für das Jahr 45 wählen. Das murrende Volk von Rom wurde mit prächtigen Triumphfeiern, Spielen, Beköstigungen sowie Geldspenden ruhig gestellt, doch ließ sich die wachsende senatorische Opposition gegen diesen autoritären Regierungsstil davon freilich nicht beeindrucken. Wie Antonius darüber dachte, ist nicht überliefert, aber das äußere Gepränge, die unerhörte Freigiebigkeit, die darin sichtbar werdende Machtfülle müssen ihn zweifelsohne beeindruckt haben, nicht minder die fürstlichen Gelage im privaten Kreis.

Diese Selbstdarstellung Caesars war als solche in den senatorischen Adelshäusern keineswegs unbekannt, aber in der Art, Dimension, Massierung und Exklusivität doch von neuem Zuschnitt. Und wie jeder Diktator der Geschichte ließ auch er seine getreuen Paladine aktiv und passiv daran teilhaben. Man darf sich bei einer Bewertung aus heutiger Sicht keinesfalls den Blick durch die Schriften Ciceros verstellen lassen, obwohl sie in den meisten Fällen die einzige Quelle darstellen. Der Gerichtsredner oder Politiker, der im Senat mit einem Gegner abrechnete, musste – und dies lernte jeder Römer in seiner Ausbildung zum Redner – das Privatleben, die Sitte und Moral als Waffe zu dessen Vernichtung einsetzen. Andererseits darf man derlei Invektiven nicht als pure Heuchelei und Lügengespinste abtun; sie mussten ja auch, damit sie zum Erfolg führten, ein gewisses Quantum an Glaubwürdigkeit und an für die Allgemeinheit nachvollziehbaren Maßstäben beanspruchen können. Entsprechend glich auch die Realität des Politikerlebens einer Gratwanderung zwischen der Höhe allseits bewunderter opulenter Selbstdarstellung und dem Abgrund moralischer Verworfenheit. In seinen Schriften zog Cicero die Grenze sehr tief in der Nähe des Abgrundes, sein tatsächliches Leben entsprach dagegen weit eher dem Standard vieler von ihm diffamierter Zeitgenossen. Selbstverständlich war Cicero aufgrund seines inneren Wertekodex als erfolgreicher ‚neuer Mann‘ (homo novus) und seiner Reputation gegen Caesars Verlockungen und den ausstrahlenden Glamour immuner als diejenigen, die in Caesars Schatten zu Ämtern, Provinzen und Geld gekommen waren. Caesar verkörperte für diese Männer, zu denen auch Antonius gehörte, ein Leitbild und Ideal, das in dieser Konzentration nur die hellenistischen Könige gelebt hatten: Wo neben Tapferkeit und militärischem Erfolg die Prunkliebe vom Gastmahl bis zur Baupolitik, die Großzügigkeit gegenüber Freunden und den Göttern, und auch die sexuellen ‚Fähigkeiten‘ nicht als Dekadenz und Verweichlichung verteufelt, sondern als Leistungsmerkmal und Herrschaftslegitimation zugleich anerkannt wurden. Caesar machte nicht nur vor, wie man zum Erfolg gelangt, sondern auch, wie der Erfolg gelebt wird.21

Antonius gehörte zum engen Kreis der ‚caesarischen Gesellschaft‘ und sah, was möglich war. Caesars Gefolgsleute Aulus Hirtius und Gaius Matius waren für ihre üppigen Bankette und als Kenner exquisiter Rezepte bekannt – zudem verfassten sie sogar Kochbücher.22 Caesar selbst spendierte anlässlich seines afrikanischen Triumphes mehrere Sorten des teuren griechischen Weins. Sein Legat Munatius Plancus tanzte nackt, blau angemalt, mit Schilf umkränzt und hinter sich einen Fischschwanz herziehend vor den Gästen – der Mann wurde im Jahre 42 Konsul und stand bei Antonius und später bei Octavian hoch in Ehren. Caesar tauchte im Dezember des Jahres 45 auf Ciceros Landgut bei Puteoli am Golf von Neapel auf – mit 2000 Mann Gefolge. Mit einem gewissen Stolz berichtet Cicero, wie gut sich Caesar das Essen und den Wein hat munden lassen und dass alle, vom Sklaven bis zum vornehmen Herrn, angemessen bewirtet worden seien.23

Berühmt und berüchtigt war Caesar für seine zahlreichen Amouren, auch darin unter seinen Zeitgenossen keineswegs allein stehend, aber bei einem Politiker seiner Bedeutung erweckten sie besonderes Interesse. Sein Biograph Sueton widmet diesem Thema ganze drei Kapitel. In seiner Jugend Lustknabe des Königs Nikomedes von Bithynien, Verführer zahlreicher Damen von vornehmer Geburt und von Ehefrauen ebenso vornehmer Männer wie Crassus, Pompeius und anderer; besonders verehrte und liebte er Servilia, die Mutter des Marcus Iunius Brutus. Auch Königinnen fanden sich in der Riege seiner Geliebten, schreibt Sueton, und nennt Eunoë, die Gattin des Maurenkönigs Bogud, der später Antonius bis in den Krieg vor Actium folgen sollte, und die Ptolemäerin Kleopatra, die ihm sogar einen Sohn geboren hatte, den er als den Seinen anerkannte. Außereheliche Beziehungen galten in der römischen Aristokratie weder bei Männern noch bei Frauen per se als verwerflich, solange das Ansehen, die gesellschaftliche Stellung des nach römischem Recht legitimen Partners nicht in Gefahr geriet – und dies tat es in der Regel nicht, wenn die Beziehung einem nicht standesgemäßen Partner oder einer Person galt, die im juristischen Sinne unterlegen war, also nicht über das römische Bürgerrecht verfügte. Aufsehen erregte gewiss die königliche Stellung der Nichtrömerinnen, weil bislang ohne Präzedenzfall; aber die Position Calpurnias, Caesars rechtmäßiger römischer Gattin, ist durch diese wie die anderen Liaisons nie in Gefahr gewesen. Kinder aus der Verbindung mit Kleopatra, und dies gilt auch für die Kinder, die Kleopatra dem Antonius gebären sollte, gehörten zur Familie der Ptolemäer und nicht zur römischen Aristokratie. Der Name ‚Kaisar‘, den Kleopatras ältester Sohn führte, leitet sich zwar von ‚Caesar‘ ab und knüpfte gewiss an seine Vaterschaft an, er fungiert aber als Bestandteil des ptolemäischen Herrschernamens.24

Kleopatra weilte keineswegs während des gesamten Zeitraumes von Caesars Alleinherrschaft in Rom, wie meistens angenommen wird, sondern zweimal zu jeweils kurzen Aufenthalten, im Sommer des Jahres 46 und im Frühjahr des Jahres 44. Dies entsprach trotz der besonderen persönlichen Beziehung des Diktators zur Königin den Gepflogenheiten eines jeden Vertreters der von Rom abhängigen Fürstentümer und Königreiche. In der stadtrömischen Öffentlichkeit fand ihre Anwesenheit kaum Widerhall – Cicero entrüstete sich erst nach Caesars Tod über ihre Unzuverlässigkeit und ihre Arroganz, weil sie ihm versprochene Schriftstücke nicht hatte zukommen lassen. Antonius ist Kleopatra mit Sicherheit in Rom begegnet und hat vermutlich, wie viele andere auch, Caesar um seine Liebesbeziehung zu ihr beneidet.25 Dies tat er sicherlich nicht nur – wenn überhaupt – des sexuellen Reizes, sondern auch der ihr innewohnenden Symbolik der Macht wegen. Antonius schaute auf Caesar wie zu einem Helden, einem Heros, empor, er verinnerlichte dessen taktische Finessen und Methoden, wie man siegreiche Kriege führt, die Vorherrschaft in Rom erringt, und wie man die so gewonnene Macht nach außen darstellt – auch mit Königinnen als Geliebten.

Dreieinhalb Monate konnte Caesar im Jahre 46 in Rom feiern und regieren. Anfang November brach er zu seinem letzten Feldzug gegen die Söhne des Pompeius nach Südspanien auf. Im März des Folgejahres wurde der Sieg bei Munda (Montilla bei Cordoba) errungen. Caesar weilte noch mehrere Monate auf der Iberischen Halbinsel und in der Gallia Narbonensis, um seine ausgedienten Soldaten in den neu gegründeten Kolonien anzusiedeln und die vom Missregiment seiner eigenen Statthalter und durch die Kriege zerrütteten Provinzen zu ordnen. Erst im September kehrte er nach Italien zurück. Antonius wollte sich zu Beginn des Jahres gleichfalls nach Spanien begeben, gelangte aber nur bis zur Provinzhauptstadt Narbo (Narbonne); laut Cicero, dessen Bericht wir als einzigen besitzen, musste Antonius umkehren, da einer der von Lepidus eingesetzten Präfekten von Rom, Munatius Plancus, sich an Antonius’ Bürgen für nicht bezahlte Rechnungen schadlos halten wollte. Antonius muss die Sache schnell oder unauffällig geregelt haben, weil sich Cicero nicht weiter mit dem Thema aufhielt. Im Sommer reiste er dann im Kreise ranghoher Gefolgsleute Caesars diesem nach Narbo entgegen, um ihm auf der Reise nach Italien zurück das Geleit zu geben. Der Diktator erwies ihm die besondere Ehre, neben ihm im Reisewagen sitzen zu dürfen, während sein Großneffe Octavius und Decimus Brutus auf dem Rücksitz Platz nehmen mussten.26

Nach seiner Ankunft in Rom ernannte Caesar noch für die drei restlichen Monate des Jahres Konsuln, Prätoren und Ädile, nachdem er bis zu diesem Zeitpunkt als alleiniger Konsul der einzige höhere reguläre Magistrat des Jahres gewesen war. Für das folgende Jahr 44 designierte er sich selbst und Antonius als Amtskollegen zu Konsuln. Antonius nahm nunmehr mit dem höchsten Amt der Republik einen vorderen Platz innerhalb der Gruppe der nobiles im Senat ein. Auch wenn er die Ehre der Gunst Caesars zu verdanken und nicht im adligen Konkurrenzkampf der Geschlechter errungen hatte, mag Antonius sie als eine umso höhere Auszeichnung empfunden haben, als der Konsulat mit seiner Person das Amt zum 1. Januar wieder ‚ordentlich‘ besetzt wurde: Am 1. Januar 47 hatte es gar keine Konsuln gegeben, am 1. Januar 46 Caesar und Lepidus, die aber in Personalunion als Diktator und Reiteroberst fungierten, am 1. Januar 45 hatte Caesar den Konsulat alleine und in Abwesenheit von Rom angetreten.

Marcus Antonius

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