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Die Belohnung: Der Konsulat
ОглавлениеAls Konsul wartete auf Antonius noch eine besondere Aufgabe. Nachdem Caesar den Westen befriedet hatte, muss er sich bereits bald nach seiner Rückkehr nach Italien mit Plänen für einen Feldzug in die östlichen Provinzen getragen haben. Als erstes Ziel hatte er nicht, wie vielfach angenommen wird, eine Revanche für die Niederlage des Crassus gegen die Parther im Auge, sondern einen Feldzug auf dem mittleren und östlichen Balkan, der mit Blick auf die römischen Sicherheitsinteressen von höherer Priorität war. Die Statthalter der Provinz Macedonia hatten sich in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder verheerender Einfälle illyrischer und thrakischer Nachbarstämme zu erwehren. Der Druck vergrößerte sich, seit sich an der unteren Donau ein getisch-dakisches Großreich unter seinem König Burebista gebildet und dieser thrakische Stämme teils unterworfen, teils mit ihnen Bündnisse geschlossen hatte. Noch vor dem Winter 45/44 ließ Caesar insgesamt sechs Legionen von Süditalien zur gegenüberliegenden Küste von Epirus übersetzen. Unter ihnen befand sich sein 18-jähriger Großneffe Octavius, der sich in Apollonia einquartierte und neben schöngeistigen Studien auch das Kriegshandwerk von Caesars Soldaten erlernte. Caesar beabsichtigte erst nach einem Feldzug gegen Burebista, sich den Parthern zu widmen. Ein Aufmarschplan über Armenien befand sich im Reisegepäck.27
Für Antonius ergab sich damit nach dreijährigem Aufenthalt in Italien wieder eine neue Perspektive, in prominenter Position militärischen Ruhm in großem Stil zu erwerben. Caesar hatte ihn als Statthalter der Provinz Macedonia ausersehen, der Schlüsselprovinz in dem bevorstehenden Krieg. Es war wohl geplant, dass Antonius nach Erledigung der wichtigsten Amtsgeschäfte als Konsul die Provinz noch im laufenden Jahr übernehmen sollte. Zu Antonius’ Verdruss hatte Caesar Dolabella zu seinem Nachfolger im Konsulat vorgeschlagen, sobald er selbst in der zweiten Märzhälfte in Richtung Osten abgereist wäre. Antonius konnte Dolabella die von ihm verursachten Tumulte in Roms Straßen zwei Jahre zuvor nicht verzeihen. Caesar hatte die Streithähne vorsichtshalber getrennt, indem er Dolabella sowohl auf den Afrika- als auch auf den Spanienfeldzug mitnahm. Am 1. Januar hielt Antonius im Senat eine gegen Dolabella gerichtete Rede, in welcher er unter anderem die Affäre mit seiner damaligen Gattin zur Sprache brachte. Er drohte damit, die Wahl Dolabellas zum Konsul in seiner Eigenschaft als Augur zu verhindern, indem er ungünstige Auspizien verkünden werde. Die Angelegenheit wurde vertagt und sollte am 15. März erneut verhandelt werden.
Antonius sonnte sich in Caesars Gunst. Er durfte mit Caesars Einwilligung auf den Sockeln der Standbilder des Sulla und Pompeius seinen Namen nennen, weil er sie an der Rednertribüne wieder habe aufstellen lassen; er wurde zum Priester eines noch einzurichtenden Kultes für die Göttin der Milde (Clementia) und den göttlichen Iulius (divus Iulius) bestellt. Der Senat überhäufte den Diktator noch zu Beginn des Jahres 44 mit Auszeichnungen und Sonderrechten, was sein Auftreten in Rom betraf: seine Kleidung, sein Sitzplatz im Theater, Festspiele zu seinen Ehren, und die Umbenennung seines Geburtsmonats Quinctilis in Iulius (unser Juli).28 Antonius muss als Konsul diese und andere Beschlüsse, die Caesars Person einem Gott und König anglichen, maßgeblich mitgetragen, wenn nicht initiiert haben. Nahezu alle Senatoren stimmten zu – als Ausnahme wird lediglich der Name des Cassius Longinus genannt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren – wie bereits die antiken Quellen belegen –, dass man mit diesen überschwänglichen Beschlüssen Caesar umso verhasster machen wollte. Zwei Vorfälle in Rom sowie sein Plan, in Kürze zu einem großen Feldzug aufzubrechen, ließen seine Gegner zur konkreten Tat schreiten. Ein Eklat, der sich um zwei Volkstribunen drehte, bewies erneut Caesars skrupellosen Umgang mit der Unverletzlichkeit dieser Beamten.29 Schließlich ließ sich Caesar kurz vor dem Luperkalienfest zum Diktator auf Lebenszeit ernennen, was alle vielleicht noch vorhandenen Hoffnungen zerstörte, er könne nach Abschluss seiner Gesetzgebungsmaschinerie und noch vor seiner Abreise die Diktatur niederlegen, zumal er ja noch als Konsul amtierte und alle Beamten auf drei Jahre im Voraus nominieren durfte.30
Die einzige weitere Episode aus Antonius’ Konsulatsjahr vor Caesars Ermordung gilt seinem Auftreten auf dem Fest der Luperkalien am 15. Februar. Dieses erinnerte an den Mythos von der Gründung Roms durch Romulus und Remus.Das Luperkal am Fuße des Palatinhügels, der Ort, an dem die Wölfin die Zwillinge gesäugt hatte, bildete den Ausgangspunkt einer Prozession, die auf dem Forum vor der Rednertribüne endete. Das Ritual versinnbildlichte die Grundelemente staatlichen Wohlergehens: die jährliche kultische Reinigung des römischen Volkes, die Beschwörung der Fruchtbarkeit der Menschen als Garantie für den Fortbestand des Gemeinwesens – aus diesem Grund auch das Datum zu Beginn des römischen Frühlings – und die Sicherheit der Bürger. Der Kult, unter dem Schutz der Gottheiten Iuno (Geburt) und Inuus (Begattung), galt den Stadtgründern Romulus und Remus. Folglich existierten zwei Priesterschaften (sodalitates), die Quinctilii für Romulus und die Fabii für Remus, benannt nach zwei alten römischen Geschlechtern. Für Caesar war eine dritte Sodalität, die Luperci Iuliani, gegründet worden, die im Jahre 44 der Konsul Antonius anführte. Bei den Mitgliedern der Priesterschaften handelte es sich um junge Männer aus vornehmem Hause. Am Luperkal opferten sie eine Ziege und einen Hund; die neuen Luperci bestrichen die Stirn mit Blut und Milch. Aus der Ziegenhaut wurden ein Lendenschurz und lange Streifen geschnitten, aus denen eine Peitsche geknotet wurde. Fast nackt begannen die Jünglinge ihren Umzug, schlugen jeden, dem sie begegneten, mit der Peitsche, scherzten, lachten schon alkoholisiert vom Wein, boten auch obszöne Gesten und verübten allerlei Streiche – eine Art karnevaleskes Treiben. Frauen, die von der Ziegenhautpeitsche berührt wurden, sollten schwanger werden. Die Ehrung Caesars mit einer eigenen Luperci-Priesterschaft stellte ihn auf eine Stufe mit den Stadtgründern Roms; er figurierte als neuer Gründer, als Garant und Mehrer der von Romulus und Remus begründeten Größe Roms.
Der Aufsehen erregende Eklat ereignete sich am Ende der Prozession: Antonius als Anführer der neuen Luperci Iuliani ließ sich von seinen Mitläufern zu Caesar auf die Höhe der Rednerbühne heben und setzte ihm ein Diadem auf den Kopf mit den Worten: „Dieses überreicht Dir das Volk durch mich“. Darauf Caesar: „Iupiter alleine möge König der Römer sein“, und er ließ das Diadem im Iupitertempel auf dem Kapitol hinterlegen. Diese viel diskutierte Szene – im Zusammenhang mit der Frage: Strebte Caesar ein Königtum an? Wollte er nur die Stimmung des Volkes testen? – lässt sich nur im Sinne einer zuvor mit Antonius abgesprochenen Inszenierung deuten: Caesar nutzte die manipulierte Gelegenheit, dem Volk klar zu machen, dass er die Königswürde definitiv ablehne. Er kreierte die Szene als Anlass, seine Weigerung auch für die Nachwelt aktenkundig zu machen. Er befahl, im Staatskalender unter dem Datum des Festes einzutragen, das Volk habe ihm durch den Konsul Antonius die Königswürde angeboten, er habe sie aber nicht annehmen wollen.31
Über Antonius’ Einstellung gegenüber dem immer stärker zu Tage tretenden monarchischen Gebaren des Diktators können wir nur spekulieren, es liegt uns kein Zeugnis darüber vor. Fest steht, dass er schon im Sommer des Vorjahres, als er nach Narbo reiste, von Gaius Trebonius über Attentatspläne unter Caesars Offizieren unterrichtet worden ist und diese Information für sich behielt. Die Verschwörergruppe hatte überlegt, ihn einzuweihen, doch obwohl Antonius Caesar nicht informierte, war dem Trebonius dessen Reaktion in Narbo zu verhalten und zweideutig. Auch danach hat es offenbar keinerlei Geste oder Äußerung gegeben, die auf eine Unzufriedenheit mit Caesars Regime hindeutete, sonst hätte es nicht die Stimmen gegeben, die dafür plädierten, mit Caesar auch Antonius zu beseitigen. Brutus’ Gewissen war ausschlaggebend dafür, nur den Tyrannen zu töten und Antonius zu verschonen.32 Andererseits besteht kein Grund zu der Annahme, Antonius habe anders gefühlt und gedacht als diejenigen, die sich schließlich als führende Köpfe des Komplotts zusammenschlossen: Caesar zerstörte das Ethos, für welches der römische Senatsadel lebte. Seine lebenslange Diktatur hebelte ein für allemal die Spielregeln aristokratischen Wettbewerbs um Macht in Gestalt von Ehrenämtern, Provinzen und ruhmreichen Kriegen aus. Die Aussicht, auf ewig von der Gunst Caesars abhängig zu sein, mit einem Wink ins politische Abseits befördert zu werden, war unerträglich und widersprach eklatant allen Erfahrungen aus der Geschichte: Roms Größe beruhte nicht auf der monarchischen Stellung eines Einzelnen, sondern setzte sich zusammen aus der Summe großer Taten einer Vielzahl von Geschlechtern. Der Spagat zwischen Buckeln, Dienen einerseits und – zur Belohnung – rasanter politischer Karriere andererseits, führte zu einer Zerreißprobe, die auf Dauer in Resignation oder den Widerstand führte. Ob, wann und wie sich jeder Einzelne für eine Option entscheidet, liegt im Innern einer jeden Persönlichkeit verborgen. Bei Antonius mögen in der Summe die Hoffnung auf den Glanz des Konsulates und seine Verwirklichung, sowie die Aussicht auf den Lorbeer des Triumphators im neuen Krieg des Diktators stärker gewirkt haben als die negativen Gefühle, die Gewissensbisse. Eines kam noch hinzu und wurde der aktuellen Situation geschuldet: Unabhängig davon, wie man über Caesar dachte, war es mit der Würde des amtierenden Konsuls nur schwer zu vereinbaren, persönlich den Dolch gegen den Tyrannen zu führen,. Unter den Verschwörern fand sich nur ein ehemaliger und dazu ein ganz ‚frischer‘ Konsul, Trebonius. Die Skrupel der Spitzen der Gesellschaft zeigen sich auch in den vergleichbaren Situationen der folgenden Epoche, als es galt, einen Caligula, Nero oder Domitian zu beseitigen, und finden sich wieder bis in die Zeitgeschichte: Kein General oder Feldmarschall war, ungeachtet seiner persönlichen Meinung über Hitler, bereit, die Pistole auf ihn zu richten.
60 Senatoren und Ritter fanden sich, den Diktator gewaltsam zu beseitigen, an erster Stelle diejenigen, die ihm alles oder sehr viel verdankten: der philosophisch gebildete Marcus Iunius Brutus, Sohn von Caesars Geliebter Servilia, einer Halbschwester des jüngeren Cato, der auf Seiten des Pompeius gekämpft hatte, obwohl Pompeius seinen Vater hatte töten lassen. Caesar hat ihn nach Pharsalos begnadigt; im Jahre 44 war er städtischer Prätor. Decimus Iunius Brutus Albinus, Sohn des Konsuls vom Jahre 77, Cousin des Marcus Brutus, war Caesars Legat in Gallien gewesen, Prätor im Jahre 45, zum Statthalter der Provinz Gallia cisalpina (Oberitalien) und für das Jahr 42 zum Konsul bestimmt. Gaius Cassius Longinus, ein Schwager des Marcus Brutus, gleichfalls Sohn eines Konsuls (73), als Quästor des Crassus entkam er der Katastrophe bei Carrhae und verteidigte anschließend die Provinz Syria gegen parthische Einfälle; er kämpfte im Bürgerkrieg für Pompeius. Von Caesar begnadigt, war er im Jahre 44 Prätor und sollte anschließend die Provinz Syria verwalten. Gaius Trebonius, ein ‚neuer Mann‘ ohne senatorische Vorfahren, war einer von Caesars Legaten in Gallien, Prätor, Statthalter im jenseitigen (südwestlichen) Spanien und im Vorjahr von Oktober bis zum Jahresende Konsul gewesen, nachdem Caesar als alleiniger Konsul zurückgetreten war. Caesar hatte ihn zum Prokonsul der Provinz Asia bestimmt.
Die Übernahme der Diktatur auf Lebenszeit führte zu dem definitiven Entschluss, Caesar zu beseitigen, seine Abreise nach Griechenland, die er auf den 18. März festgelegt hatte, bestimmte den Zeitpunkt des Attentats. Es kam nur die Senatssitzung am 15. März in Frage, in der unter anderem über Antonius’ Einwände gegen Dolabellas Konsulat debattiert werden sollte. Als sich Caesars Ankunft in der Senatskurie verzögerte, wurde Decimus Brutus geschickt, ihn abzuholen. Der Konsul Antonius erwartete Caesar beim seinem Eintreffen vor dem Sitzungssaal, um ihn hinein zu geleiten. Trebonius hatte den Auftrag, Antonius in ein Gespräch zu verwickeln und von Caesar zu trennen; man befürchtete, er könne sich mit seiner Körperkraft und der Autorität seines Amtes schützend vor den Diktator stellen. Im Innern der Kurie verwickelte Lucius Tillius Cimber, ein ehemaliger Prätor, Caesar in eine Diskussion um die Begnadigung seines Bruders, als er plötzlich dem Diktator die Toga von der Schulter riss – das verabredete Zeichen. Ein ganz junger Senator, Publius Servilius Casca, führte den ersten Stoß aus, zielte mit dem Dolch auf Caesars Kehle, rutschte ab und verwundete ihn nur an der Brust. Daraufhin stachen alle zu. Caesar versuchte, sich gegen jeden einzeln zu wehren, brach aber schließlich, 23 Mal getroffen, unter der Statue des Pompeius tot zusammen.33