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Der Beginn der Fliegerei

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Die Alternative zu den Ballonen waren Fluggeräte, die trotz ihres Eigengewichts durch den Auftrieb an ihren Tragflächen in der Luft gehalten werden konnten. Richtungsweisende Erkenntnisse hierfür schuf der englische Ingenieur Sir George Cayley, der nach ausgiebigen Studien zunächst herausfand, dass es für den Menschen nicht möglich sei, mit Federflügel ausgestattet aus eigener Muskelkraft fliegen zu können. 1799 formulierte er in einer Abhandlung zwei wichtige Grundelemente der Aerodynamik: den Auftrieb und den Widerstand an einer Fläche. Nach weiteren zehn Jahren veröffentlichte Cayley eine wissenschaftliche Arbeit, in der er erstmals beschrieb, dass die Querstabilität eines Flugkörpers durch eine leichte positive V-Stellung der Tragflächen zu erreichen sei, die Längsstabilität durch die Installation eines ‚Höhenleitwerks‘ und die Richtungsstabilität durch die Verwendung eines ‚Seitenleitwerks‘. Außerdem fand er heraus, dass gewölbte Flügelprofile bedeutend mehr Auftrieb erzeugen als ebene Flächen.


Sir George Cayley‘s Lenkbarer Fallschirm (105)

Cayley hatte schon viele Versuche mit selbst konstruierten Gleitflugzeugen unternommen, bis er 1853 im Alter von 80 Jahren seinen letzten Drachengleiter baute. Der Überlieferung nach musste als Pilot sein nicht gerade begeisterter Kutscher herhalten, der damit 130 m weit geflogen sein soll. Er überstand den Flug zwar ohne Blessuren, reichte aber anschließend sofort seine Kündigung ein.

Oft als ‚Vater der Aerodynamik‘ bezeichnet, machte Sir George Cayley mit der Veröffentlichung seiner Theorien seine Erfahrungen für jedermann zugänglich, sodass nachfolgende Luftfahrt-Pioniere darauf aufbauen konnten.

Einer dieser Pioniere war der 1848 in der Nähe von Greifswald im Königreich Preußen geborene Otto Lilienthal. Nach heutigem Wissensstand war er der erste Mensch, der nachweislich erfolgreiche Gleitflüge durchführte.

Schon in jungen Jahren widmete sich Otto dem Studium des Vogelflugs und experimentierte zusammen mit seinem Bruder Gustav mit diversen Fluggeräten. Nach seinem Studium arbeitete Lilienthal als Maschinenbauingenieur und gründete in Berlin eine eigene Firma zur Herstellung von Dampfmaschinen und Dampfkessel. Mit diesen Produkten verdiente er sich das Geld für den Bau seiner späteren Gleitflugzeuge. Im Alter von 26 Jahren führte Lilienthal unterstützt von seinem Bruder systematische Messungen zum Auftrieb an ebenen und gewölbten Flächen durch und bestätigte so die Aussagen Cayleys, dass die geschwungene Flügelform der Vögel die günstigsten Widerstandswerte bei größtmöglichem Auftrieb liefert. Die aus zahlreichen Versuchen gewonnenen Erkenntnisse publizierte er 1889 in seinem Buch ‚Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst‘. Dieses bahnbrechende Werk beinhaltete bereits die physikalischen Grundlagen des Fliegens und wird heute als die wichtigste Veröffentlichung aus der Frühzeit der Luftfahrt angesehen.

Mehr als 20 Jahre hatte sich Otto Lilienthal mit der Theorie des Fliegens beschäftigt, bevor er mit einem selbst gebauten Fluggerät einen ersten Flugversuch wagte. Gemäß seinem Leitsatz „Vom Schritt zum Sprung, vom Sprung zum Flug“ begann er zunächst mit Stehübungen gegen den Wind, denen anschließend Sprünge von einer Rampe im Garten seines Hauses folgten. 1891 gilt als das Jahr, in dem zum ersten Mal ein Mensch sicher nachgewiesen mit einem flugtauglichen Objekt flog. Mit dem ‚Derwitzer Apparat‘, wie er sein Fluggerät nannte, legte Lilienthal am Mühlenberg bis zu 25 m weite Flüge zurück, wobei er jeden Versuch akribisch auswertete und danach seinen Flugapparat kontinuierlich verbesserte. Von Hügeln und Hängen in seiner Umgebung startete er nun zu wiederholten Gleitflügen, steigerte diese bis etwa 250 m Weite und ließ sich in der Nähe seines Wohnorts sogar einen 15 m hohen Hügel, den ‚Fliegeberg‘, aufschütten, an dem er tausende von Flügen absolvierte.


Lilienthal mit seinem Normalsegelapparat, 1895 (3)

Neben möglichst guten aerodynamischen Eigenschaften legte Lilienthal auch auf die leichte Handhabung und Transportierbarkeit seiner Fluggeräte großen Wert. 1893 entwickelte er seinen Normalsegelapparat, einen aus einem Geflecht von Weidenzweigen und mit Baumwollstoff bespannten, zusammenklappbaren Hängegleiter mit 14 m² Tragfläche, den er anschließend patentieren ließ. Ein Jahr danach ging Lilienthals Normalsegelapparat in seiner Berliner Firma in Serienproduktion, die damit zur ersten Flugzeugfabrik der Geschichte wurde. Laut einer Verkaufsanzeige aus dem Jahr 1895 wurde das Segelfluggerät „zur Uebung des Kunstfluges“ für den Preis von 500,- Mark angeboten und fand (mindestens) neun namentlich bekannte Käufer. Außerdem war seinen Flugzeugen stets ein Zettel beigefügt, der vor den Gefahren des Fliegens warnen sollte: „Also bedenken Sie, dass Sie nur ein Genick zum Zerbrechen haben!“


Lilienthals Flug vom Fliegeberg, 1895 (4)

In seinen letzten beiden Lebensjahren nutzte Otto Lilienthal auch den Gollenberg im Nordosten Berlins regelmäßig für seine Erprobungsflüge. Hier stürzte er, von einer heftigen Windböe erfasst, 1896 bei einem Flugversuch aus etwa 15 m Höhe senkrecht ab und brach sich dabei die Halswirbelsäule. Er wurde in eine Berliner Klinik gebracht, wo er am Folgetag mit 48 Jahren starb.

Insgesamt baute Otto Lilienthal in seinem Leben etwa 20 Fluggeräte, darunter auch Flügelschlagapparate und zwei verschiedene Doppeldecker mit bis zu 7 m Spannweite.

Indem er die grundlegenden Prinzipien des Fliegens erforschte und darauf aufbauend etwa 2.000 kontrollierte Versuchsflüge durchführte, verhalf Lilienthal der Fliegerei zu ihrem Durchbruch und führte nur wenige Jahre später zur Verwirklichung des Motorflugs durch die Gebrüder Wright.

Doch zuvor konnte sich noch für wenige Jahrzehnte ein anderer Luftfahrzeugtyp durchsetzen:

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