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Zeitgeist – ein oft unbequemer Gast

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[Sprechstück für zwei Stimmen: Gelehrter, vor einem vollen Bücherregal stehend; Zeitgeist unsichtbar]

Gelehrter.

Habe gedacht und gelernt und wieder gedacht, das Lachen ist mir dabei längst vergangen beim Streben nach Wissen und dem Verlangen, vom Gelernten hab ich nur wenig verstanden.

So stand ich Tage, Wochen, Jahre im Raum, im Zimmer der Bücher und zum Studieren, griff eins nach dem andern zum Philosophieren und brachte es nur bis nächsten Apfelbaum, von dem einst Eva die Weisheit pflückte und mit dem Pflückgut den Adam betörte.

Ich hob mein Ohr weit hinaus und hörte, wie aus dem Apfel brach ein winzig Stück; ich sah das Stück auf dem Boden liegen und sah die schwarzen Wissensfliegen, die über dem Stück flogen, sich darauf setzten und sich im Sitzen an ihm ergötzten.

Sie stahlen mir die Weisheit vor den Augen weg, das störte sie nicht mehr als einen Punkt Dreck; so griff ich auf die Bücher zurück und las und studierte sie Stück für Stück.

Da standen die Regale, sie reichten bis unters Dach, waren gestopft mit Wissen aller Art; sicher hatte manches einen alten Bart, so saß ich mir die linke, dann die rechte Backe flach.

Was rauskam beim emsigen Bücherlesen, ich las mir meine Augen wund, oft wurde es mir schwindelig, ja kunterbunt, da kam dann zwischendurch der Besen, um die Schnipsel vom Boden wegzufegen, um meine Bücher aufgeschlagen draufzulegen.

Ich studierte mir den Steiß noch krümmer und wurde, wie ich war, noch dümmer, dass ich ans offne Fenster ging, wo mich die Morgenluft umfing, aus der ich frischen Atem nahm, bis der Wagen mit dem Milchmann kam.

So ist Bücherlesen gut und schön, bei mir brachte es wenig oder nichts, es führte zur Abnahme des Gewichts, o Weisheit, könnt ich dich nur sehn!

Ich sah sie nicht und sah sie niemals, betete sie herbei so vielmals; doch kam sie nicht und nicht zu mir, es kam die Frage Mensch ob Tier.

So stecke ich jahrein, jahraus in dem Zimmer, diesem schmalen Loch und wünschte mir, ich wär ein Koch, kochte herbei einen leckeren Schmaus.

Zeitgeist.

Was willst du, du gelehrtes Haus, studierst dir das Gesäß noch wund, dabei ist die Welt doch groß und rund, und du versteckst dich wie ’ne Maus zwischen Büchern und Regalen, schlürfst auf und ab in den Sandalen.

hat dich das Wissensfieber so ergriffen, dass es die Spatzen vom Fenster pfiffen? Versteif dich nicht so sehr aufs Wissen, das nicht frei ist von groben Rissen; lies dir die Dinge anders in den Sinn, dass sie dir bringen den Gewinn.


Gelehrter.

Was sprichst du von den Rissen, ich studiere mit Andacht und Gewissen, wie’s kommt, was ist und werden soll, du siehst, meine Regale sind büchervoll.

Doch, das will ich nicht verneinen, was mir fehlt, ist die Dinge zu vereinen, dass sie nicht tot am Buchstaben kleben und sich aus den gelesenen Seiten erheben, damit Leben kommt und Leben wird, das in der vollen Einheit sichtbar wirkt.


Zeitgeist.

Wie stellst du’s an, das zu erreichen, wenn dir nicht vorher die Denkzellen erweichen mit denen du das Ziel erreichen willst und den Wissensdurst dir selber stillst?

Ich denke anders von den Dingen, Hirnwindungen solltest du nicht wringen; Wissen sollte dir mehr Freude bringen, mit Gewalt lässt sich nichts erzwingen.

Nimm’s Studieren doch mehr locker, nicht den ganzen Tag sitz auf dem Hocker; lass dir den Wind frisch um die Nase wehn, dann wirst du, wonach du suchst, schon sehn.


Gelehrter.

Zeig’s mir genauer mit deinem Zeichen, Wissen mit mehr Freude zu erreichen, dass ich dir den Glauben geben kann und nicht in der Luft rumschwebe dann, wenn ich mich kurz vor dem Ziele seh und doch wieder vor dem Elend steh, dass das Gewusste aus der Hand zerrinnt und alles, wie so oft, von vorn beginnt.

Denn so leicht ist das Lernen nicht, oft geht’s aus beim Lesen das Licht, dann bricht Dunkelheit über die Seiten und streckt sich über ungeahnte Weiten.


Zeitgeist.

Das ist, was ich meine, dass Dunkelheit dein Denkgewebe verknüllt und dein Innerstes verdreht, verhüllt, dass du ein andrer bist und nicht der deine.

Löse dich vom Tisch mit den alten Büchern, wirf um den Hals helle Farben in neuen Tüchern, beweg dich leicht und frei und ohne Leine, wirf über Bord die angeschlagenen Wissenssteine.

Geh aus dem Zimmer, aus dir raus, sieh von draußen nach dem Haus, in dem du jahrelang gegrübelt und gesessen, nun ist’s Zeit, um andere Weiten durchzumessen.


Gelehrter.

Was sprichst du von anderen Weiten, zu andren Weiten gehören andre Zeiten!


Zeitgeist.

Das sagst du gerade recht wie der Baumhacker, jener bunte Specht, wenn er hämmernd an die Stämme klopft und sich die Würmer in den Schnabel stopft.

Was ich sagen will mit diesem Specht, auch du hast am Leben dein Recht, es aus vollen Zügen zu genießen, dich zu freun, wenn die Blumen sprießen, denn ein Leben geht nicht ewig, drum bleib nicht einsam und nicht ledig.

Wenn’s dir recht ist und dir’s passt, werd ich dir ein Mädchen schicken, dass du lernst, dich zu entzücken, dich im größeren Kreis die Schöpfung fasst.


Gelehrter.

Nun bringst du mich doch in Verlegenheit, denn mir fehlte die Gelegenheit, und was ich hörte aus der Damenwelt, waren Status, Wohlstand und das liebe Geld.

Dafür hab ich weder Sinn, noch das Talent, lauf eher zu Fuß bis nach Tarent, als mich auf ein Frauenzimmer einzulassen und mich dieser Wollust anzupassen.


Zeitgeist.

Du bist in deinem Kopf verbrettert, die Wahnidee, die sich windet, in dir klettert, führt zu nichts als einem öden Trauerspiel, davon gibt es in der Welt schon allzuviel, als dass auch du den Weg in die Wüste gehen solltest, anstatt das Leben zu genießen, wie du es wolltest. Merk dir eins: ohne Wollen keine Lust, deshalb nimm dir das Mädchen an die Brust.


Gelehrter.

Hast du mir andres nicht zu sagen als das mit dem Wollen nach der Lust, wo schon das Denken drüber führt zum Frust; es war ein Fehler, dich zu fragen, weil du Hergereister in den Tagen nichts andres im Sinn zu haben scheinst.

Was du dir da zusammenreimst, sind Dinge, die nicht in den Alltag passen, in dem die Bettler und die leeren Kassen sich wie Zwillinge gegenüberstehn; die einen gaffen, die andren öden, ein Anblick triste zum Verblöden. Da willst du mit dem Wollen kommen, wenn es um Lust und Mädchen geht?

Ich sag dir, hier weht noch der alte Geist, unreif ist die Zeit mit ihren Menschen, die sich rackern und sich mühen , da ist nichts mit Blumenblühen.

Dir rat ich deshalb zu Geduld, gib nicht mir allein die Schuld für das, was ich nicht verhindern kann; warte nur, denn irgendwann sollt der Mensch sich ändern, wenn sich nicht mehr rot die Augen rändern.

Zeitgeist.

Das mit den Augenrändern wird so bleiben, solange Menschen sind und sich beneiden; tiefer wird der Sand der Trauer reiben, solange Menschen in die Haut des andern schneiden.

Darum bin ich dieser Zeit vorausgeeilt, um den zu retten, der sich retten lässt, bevor der Schwerthieb die Kugel zerschlägt, was weder Mensch noch Tier erträgt.

So überdenk nochmal das Angebot aus dem vielen Wissen um die Seelennot, dich ins Sein der Freude zu begleiten, was sich mit Schwertern nicht erstreiten lässt.

Gelehrter.

Sieh mich an, wie erbärmlich ich vor dir steh mit schlotternden Knien und eingefallenen Wangen, sieh, wie die Finger das Tremolo zittern, es reißen die Gurte, es brechen die Stangen, unaufhaltsam klopft das Bangen, dass ich vorgealtert der Zeit nicht widersteh.

Denn dahin sind Jugend und Kraft, die mit neuen Ideen die Lösung schafft, die unverbraucht im festem Stand zurückgewinnt, was verloren ging.

Nein, Großes traue ich mir nicht mehr zu, ich fühle das Ende mit der langen Ruh; mögen große Kräfte auf und nieder steigen, die Zeit der goldenen Eimer ist vorbei.


Zeitgeist.

Dann will ich hier nicht länger bleiben, denn auch meine Zeit ist nicht von ewig; wenn du dich besinnst, du kannst mich rufen, dann siehst du mich auf deinen Stufen.

So grüss ich dich aus meiner Zeit…


Gelehrter.

Die meiner weit vorausgegangen ist.


Zeitgeist.

Denk nach, was dir das Wissen bringt, versuche und versuch es wieder, ob’s gelingt mit dem Wissen die Welt zu bewegen; wenn ja, dann bring ich dir den Applaus aus meiner Zeit dazu.

Gelehrter.

Manchen Geist hab ich herbeigezogen, es waren Geister dieser Erde; in Gedanken hab ich sie verwoben im Hinblick auf das ständig Werde.

Ob ich für die Menschen was bewirke, es ist die Hoffnung, ohne es zu wissen; denn weiter gehen Gedanken ihre eigenen Wege mitunter weit über das Meer hinaus.

Einige kehren von dort nicht mehr zurück, doch andere überleben. Sicher hätte es mehr sein können, nur dafür ist das Leben meist zu kurz und dann noch dicht und eng gerafft.



Im Gang der Menschheit

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