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Die falsche Nonne

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Nonne.

Entschuldigen Sie die frühe Störung, ich komme vom Orden der guten Frau, im Himmel ist es golden blau, so spricht das Nachtgebet der Erhörung.

Rein sind da oben die Seelen geläutert von Sünd und Schwere, wenn auf Erden die Querelen vom Vollen laufen hin zum Leeren.

Wie gesagt, es ist die frühe Morgenführung, der ich betend folge, ich hab den Klang im Ohr aus dem tausendfachen Engelschor, die nenn ich göttlich, diese Fühlung.

So führt mich mein früher Weg hierher, der mich an diese Türe klopfen last, erleuchtet vom heiligen Geist und mehr steh ich halb frierend, ganz durchnässt.

Alter Mann.

Fürwahr, eine Nonne hab ich nicht erwartet zu dieser späten Schlafenszeit, noch ist’s dunkel ohne alle Herrlichkeit, aus dem Schlaf gerissen bin ich, fehl gestartet.

Ich seh das Besondere dieser Tür nicht ein, an die sie laut und lange klopfen; kann es nicht eher ein Irrtum sein, ein Ding mit X, ein Sack zum Stopfen?

Dann mit weißer Haube ohne Überzug, was wollen Sie bei mir mit all den Sachen, durchnässt heisst vielmehr Feuer machen; ist das Ganze nicht ein heiliger Betrug?

Ich meine, wie sie klappern, weil sie frieren, kann es nicht eine verlassene Straßenecke sein, dass sie so, wie sie frieren, der Weg soll führen in ein trocknes Haus mit einem Wärmestein?


Nonne.

Ich sagte es, es war das Nachtgebet in der Kapelle zum Orden der guten Frau, kniete nieder auf der Bank und da genau sprach der Geist mir zu: So geht.

Geht im Glauben, führt Gutes im Schilde, seht nach den Brüchigen und den Alten; verbreitet Güte, Freude und Milde, wirkt, wo ihr seid, das Gute zu gestalten.


Alter Mann.

Der Gedanke kommt von der Straßenecke nicht los, sollte ich’s der weißen Haube wegen bloß? Dann kommt das irdisch Nasse noch dazu und mit ihm der Zweifel, doch nicht die Ruh.

Dennoch, kommen sie rein zu später Stunde, damit sich trocknet und wärmt die nasse Haut; sie nicht weiter frieren bis zur Wunde, wärmen sie sich, bis der Morgen graut.


Nonne.

Gelobt seist du, der Herr, o Jesus Christ!, dass du im Hause dieses Alten bist; gelobt sei deine Magd, die gute Frau, dass sie mich sandte in den alten Bau.

Hier steht der alte Mann erschrocken, zweifelt an der Absicht, sieht Verlocken, als käm ich aus ‘ner dunklen Straßenecke und suchte nun nach einer warmen Decke.

Der alte Mann führte die “Nonne” in den geheizten Wohnraum, bot ihr die Couch zum Liegen an, zeigte ihr das Badezimmer, wo sie sich erfrischen könne, und brachte aus dem Schlafzimmer ein frisches Handtuch, ein frisch überzogenes Kopfkissen und eine Decke und legte die Sachen auf die Couch.

Alter Mann.

Du weiß behaubte Frau der späten Nacht, noch hat Dunkelheit über den Tag die Macht; wasch dir das Gesicht und deine Hände, ruhe dann im Raum der warmen Wände.

Ich werde noch ein paar Stunden ruhn, bis der Tag vor dem Fenster sich erhebt, sich mit ihm die Hoffnung neu belebt, dann will ich meine neue Arbeit tun.


Nonne.

Alter Mann, dir zu Dank bin ich verpflichtet, nach den Taten wirst auch du gerichtet; dein Gutes wird dir tausendfach vergütet, das im Licht der Herrlichkeit erstrahlt.

Dein Tun, mit dem du nicht geprahlt, es wird dir mit großer Seligkeit bezahlt, wenn du vor der großen Pforte stehst, hindurchtrittst, bis zum Höchsten gehst.


Alter Mann.

Die Zeit wird’s bringen wie sie ist, wir sollten ehrlich und bescheiden sein, uns nicht besser machen wollen bloß zum Schein, denn das sind wir Menschen alle nicht.

Gib nun Ruhe, der Tag wird’s bringen mit seinen Sorgen, mit dem Ringen, wenn wir zahlen für unser täglich Brot, staunend stehen vor dem Leben mit dem Tod.

[Der Tag war angebrochen. Der alte Mann hatte sich den Morgenrock angezogen, ging die Treppe runter zum Wohnraum und fand die Couch leer. Die Wolldecke war sauber zusammengelegt. Auf dem Kopfkissen lag ein Briefumschlag. Der alte Mann zog den Brief heraus und las.]

“Lieber, alter Mann!

Ich danke Dir für deine Güte, dass ich mich in deinem Wohnraum wärmen konnte. Wenn es nur die Straßenecke gewesen wäre, hätte ich das Problem allein gelöst.

Mit deiner Vermutung hattest Du recht, als Du von der Nässe und dem Zweifel sprachst. Ich bin keine Nonne, auch mit der weißen Haube nicht, was ich bin, Du wirst es schwerlich glauben, ich bin eine Frau, die der Mann verstoßen hat.

Dass ich im vierten Monat schwanger bin, das hat diesen Mann nicht abgehalten, mich zu schlagen und aus dem Haus zu jagen, um mit einer anderen Frau zu schlafen.

Hätte ich nicht bei Dir Zuflucht und Wärme gefunden, wäre ich möglicherweise auf der Straße erfroren; doch das wollte ich meinem Kind nicht antun.

Ob wir uns noch einmal begegnen werden, ich weiß es nicht, das steht in den Sternen, denn ich muss nach einer neuen Bleibe suchen, muss um das tägliche Brot hart ringen, damit mein Kind nicht schon im Leib verhungert.

So bete ich in der Kapelle der guten Frau, dass sie mir beisteht in den Nöten und sie den Hunger nicht zu schmerzhaft werden last, dass sie mir die Mutterkraft gibt, mein Kind lebend zu gebären.

Deine gute Tat wird Dir tausendfach vergolten werden.

Es grüßt Dich in großer Dankbarkeit die falsche Nonne.”



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