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Die Bäuerin Martha Lorch

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Von Frauen, die das Vorbild gaben

(die Namen sind frei gewählt)

Es ist das Verständnis mit dem Mut zur Liebe und dem Opfer für den andern, das dem Menschen im Elend und der Not die Willenskraft zum Leben mit dem Überleben gibt.




Stadtkommandant Ilja Igorowitsch Tscherebilski: “Ich habe durch Major Woroschilow erfahren, dass Frau Elisabeth Hartmann die Jüdin ihrer Familie ist, die für gestorben erklärt und über viele Jahre auf einem Bauernhof vor den Nazis versteckt gehalten wurde.” Eckhard Hieronymus: “Dass meine Schwiegermutter das System der Judenausrottung überlebt hat, das verdanke ich einem Standesbeamten in Breslau, der die Einsicht und den unglaublichen Mut hatte, eine offizielle Todesbescheinigung mit Stempel und Unterschrift auszustellen. Wenn er die Ausstellung der Bescheinigung verweigert hätte, was doch die meisten Beamten taten, wenn es sich um die Rettung jüdischer Menschen handelte, dann wäre auch diese herzensgute Frau längst vergast worden.” Kommandant: “Ich muss gestehen, dass ich den Mut zutiefst bewundere, den einige Deutsche gegen das Terror- und Vernichtungssystem bewiesen haben. Es ist eben nicht so, dass alle Deutschen dem tyrannischen Wüterich und seinen verblendeten Vasallen blindlings nachgelaufen sind. Es ehrt die wenigen Deutschen, während die Mehrzahl in Unehrenhaftigkeit und Opportunismus verharrte. Wenn ich von Generalmajor Perschinski genaue Angaben erhalte, wo sich Frau Hartmann aufhält, dann lasse ich Sie nach Halle fahren, um ihre Schwiegermutter abzuholen.” Eckhard Hieronymus: “Vielen Dank, Herr Kommandant.”

Das Völkergedicht von Eckhard Hieronymus Dorfbrunner anlässlich des Gespräches mit dem russischen Stadtkommandanten Ilja Igorowitsch Tscherebilski in der engen Mansarde seiner Tochter Anna Friedrike in der zweiten Woche nach dem Ende des 2. Weltkrieges:

Ihr Völker, wenn das Blut vergossen ist, verstummt sind eure Söhne. Dann liegt zerschlagen auch das Glück.

Am Boden bleiben Träume liegen, wo einst Jugend sprang und klopfte, da ist’s nun still, ganz totenstill. Wer möchte da noch bleiben?

Räume, die im Lichte sind, vertragen Totenkälte nicht. Es bläst der Wind, um Himmelskind! Was ist das für eine Schelte.

Drum vergesst der Mütter Liebe nicht, vergeudet nicht die Kinderherzen! Gebt sie zum Schießen nicht mehr her, zu groß sind dann die Schmerzen.

Denn weinen könnt ihr, wie ihr wollt, das Leben kommt nicht wieder, wenn der Sohn gefallen ist. Völker! Nehmt es euch zu Herzen.


Nachdem einige Wochen vergangen waren, kam an einem Mittwochnachmittag Major Woroschilow in die Klinik und brachte Anna Friederike die Nachricht vom Kommandanten, dass die Suchaktion nach der Großmutter bislang erfolglos war. Der Stadtkommandant von Halle, Generalmajor Perschinski, hatte dies mitgeteilt, nachdem er alle Hebel in Bewegung gesetzt hatte, sie zu finden. Es gäbe zwar Einwohner mit dem Namen Hartmann, die aber auf Befragung eine verwandtschaftliche Beziehung zu Frau Elisabeth Hartmann aus Breslau verneinten. Auch konnte eine Spur zu den Bauersleuten Ludwig und Martha Lorch nicht gefunden werden, die Frau Hartmann auf ihrem Wagen mitgenommen hatten. Kommandant Tscherebilski bedauert aufs Tiefste, diese Nachricht geben zu müssen.


Anna Friederike: “Du weißt, dass wir aus diesem Grunde meine Großmutter Elisabeth Hartmann, geborene Sara Elisa Kornblum, auf einem Bauernhof versteckt hielten.” Boris: “Wie hießen noch einmal die mutigen Bauersleute, die dabei ihr eigenes Leben riskierten?” Mutter: “Das waren Ludwig und Martha Lorch, die diese Menschlichkeit zeigten und das große Werk vollbrachten. Es macht mich noch immer traurig, dass wir meine Großmutter und diese tapferen Bauersleute nach dem Kriege nicht mehr trafen, die so viel Opferbereitschaft und Entsagung während des Terrorregimes auf sich genommen hatten. Sie waren mit dem Fluchtwagen auf dem Wege nach Halle, wo sie nicht angekommen waren. Du weißt, dass dein Vater Ilja Igorowitsch, als er Stadtkommandant von Bautzen war, seinen Kollegen, den Stadtkommandanten von Halle, Generalmajor Perschinski, mit der Suche nach meiner Großmutter und den Bauersleuten Lorch beauftragt hatte.” Boris: “Ja, das hast Du erzählt. Doch die Suche verlief negativ.” Mutter: “Das ist es, und ich glaube fest, dass deine Großmutter, Luise Agnes Dorfbrunner, diesen Schock nie überwunden hat. Der Schock vom Verlust der Mutter nach den vielen Jahren des Verstecks vor den Nazis auf dem Bauernhof bei Lorchs und dann der Tod deines herzensguten Großvaters, das konnte sie in ihrem Leben nicht verkraften. Boris: “Mutter, ich spüre deinen Schmerz. Es ist nun an der Zeit, dass Du diesen Schmerz überwindest. Du hast es in deinem Leben schwer genug gehabt. Da sollst Du nun nicht noch länger leiden. Du sollst dich entspannen, denn auch Du hast Grund zur Dankbarkeit, dass Du die Schrecken des Krieges, der Flucht aus Breslau und der ersten Nachkriegstage in Bautzen überlebt hast.





Frauen der Bildung und der Menschlichkeit

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