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Einleitung

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Die Schrecken eines endlosen Krieges

»Das ist der Tag des Verderbs und das unabwendbare Schicksal Magdeburgs! Troier waren wir, Ilion war und der Elbestadt strahlender Ruhm!« Diesen abgewandelten Vers des römischen Dichters Vergil zitierte der Prediger des Magdeburger Doms Reinhard Bake, als er sich dem kaiserlichen Feldherrn Tilly vor die Füße warf. Hinter ihm standen einige Tausend zutiefst verängstigte Bürger der ehemals blühenden Stadt Magdeburg. Sie hatten vorerst ihr Leben gerettet, indem sie sich in den gewaltigen gotischen Dom der Stadt flüchteten. Doch nun war das Tor aufgebrochen worden und der siegreiche Führer der Belagerungsarmee stand wie ein Engel der Apokalypse vor ihnen. Draußen war die Stadt nur noch ein rauchendes Trümmermeer, in dem mehr als 20.000 Leichen lagen. Die letzte Stunde der Geflüchteten schien gekommen. Doch der kaiserliche Feldherr, dessen Armee gerade das grauenvolle Massaker in einem an Schrecknissen nicht zu überbietenden Krieg begangen hatte, schenkte ihnen das Leben. Nach und nach wagten sich einige der Menschen aus dem Dom hinaus in das, was einmal ihre Stadt gewesen war. Magdeburg war eine einzige Ruine, erfüllt vom Gestank verbrannter Gebäude und Menschen. Es sollte zwei Jahrhunderte dauern, bis sich die Stadt von dieser Katastrophe erholte. Die Eroberung und Vernichtung der Stadt Magdeburg und ihrer Bevölkerung war einer der traurigen Höhepunkte eines Krieges, der ein Ausmaß angenommen hatte, das Europa bis dahin nicht kannte.

Im Jahr 1618 brach eine Tragödie über das Heilige Römische Reich Deutscher Nation und weite Teile Europas herein, deren Größenordnung und Folgen sich niemand zuvor hätte vorstellen können. Der später so genannte »Dreißigjährige Krieg« war ein militärischer Konflikt, der nach und nach große Gebiete des Heiligen Römischen Reiches verwüstete, ausländische Mächte auf den Plan rief, die politisch und militärisch intervenierten, große Bevölkerungsverluste durch Seuchen, Hunger, Massaker und Kriegshandlungen mit sich brachte und letztlich ein entvölkertes, wirtschaftlich destabilisiertes und politisch relativ machtloses Reich hinterließ.

Dieser lange und folgenschwere militärische Konflikt wurde verschiedentlich als Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland bzw. in Europa, als religiöse oder auch als soziale Auseinandersetzung interpretiert. Es war aber wohl der Einfluss all dieser Faktoren, der zu einer so lange andauernden europäischen Misere führte. Zumindest zu Beginn des Krieges dominierte jedoch der religiöse Aspekt. Ohne den Erfolg Martin Luthers und der im Zuge seiner Lehren einsetzenden Gegenreformation hätte es auch den Dreißigjährigen Krieg nicht in dieser Form gegeben. Vieles von dem, was in jener Auseinandersetzung passiert ist, resultiert allein aus dem unerbittlichen Hass, mit dem sich die Konfessionen begegneten. So folgte auf die Verheißungen von Renaissance und Humanismus die Barbarei eines bisher nicht gekannten totalen Krieges. Dieser Begriff scheint für die Dimension des Dreißigjährigen Krieges angemessen, auch wenn er im heutigen Sprachgebrauch in erster Linie für die beiden Weltkriege verwendet wird.

Einige der Akteure des Dreißigjährigen Krieges sind noch heute präsent. Die Erinnerung an Persönlichkeiten wie Wallenstein, Gustav Adolf oder Tilly gehörte bis vor kurzem noch zum allgemeinen Bildungsgut. Die Ursachen, der Verlauf und die Folgen dieses Krieges hingegen sind den Meisten weniger bekannt, wenn man von der Vorstellung blutiger Schlachten, plündernder Landsknechte und drangsalierter Bauern und Städter absieht. Die großen Persönlichkeiten waren es auch, die den Verlauf dieses Krieges weitgehend, teils als Treibende, teils als Getriebene, bestimmten, bis er in seiner Endphase allen entglitt und eine Eigendynamik entwickelte. Aus diesem Grund geht die vorliegende Arbeit neben der Ereignisgeschichte auch besonders auf herausragende Gestalten dieser Epoche, ihre Persönlichkeit, Motive und ihr Schicksal ein.

Bewusst wurde in der Gliederung der Darstellung auf die »klassische« Unterteilung dieses großen europäischen Konflikts, der auch »Teutscher Krieg« genannt wurde, in vier »Kriege« verzichtet. Der »Böhmisch-pfälzische Krieg« (1618 – 1623), der »Dänisch-niedersächsische Krieg« (1623 – 1629), der »Schwedische Krieg« (1630 – 1635) und der »Schwedisch-Französische Krieg« (1635 – 1648) bedingten einander und gingen ineinander über. Manche Autoren sprechen sogar von bis zu 13 Kriegen und 10 Friedensschlüssen, weshalb man zuweilen auch die Bezeichnung »Dreißigjähriger Krieg« in Frage stellte. Mit dem gleichen Argument könnte man auch den Zweiten Weltkrieg in verschiedene kriegerische Konflikte, wie z. B. den »Deutsch-Polnischen Krieg«, den »Deutsch-Französischen Krieg« bis hin zum »Deutsch-Sowjetischen Krieg« unterteilen. Der Dreißigjährige Krieg wurde jedoch bereits von Zeitgenossen als »Einheit« wahrgenommen, da er eine in sich geschlossene Abfolge von Kriegshandlungen darstellte, bei denen zwar neue Konfliktparteien hinzukamen, sich aber an der Grundsituation zweier verfeindeter Lager innerhalb des Heiligen Römischen Reiches nichts änderte. Das ist auch der Grund, weshalb der Westfälische Friede schließlich als Beendigung dieses drei Jahrzehnte währenden Ringens betrachtet wurde.

Als der Dreißigjährige Krieg zu Ende war, hatte sich zwar die konfessionelle Landkarte Mitteleuropas kaum verändert, die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse waren indessen einem radikalen Wandel unterzogen worden. Einige Nationen, darunter Frankreich und Schweden, hatten einen massiven Machtzuwachs erfahren, während anderen erst eine eigenständige Entwicklung ermöglicht wurde, so etwa der Schweiz und den Niederlanden. All dies ging zu Ungunsten der Deutschen, die neben massiven Bevölkerungsverlusten die nun festgeschriebene Einbuße der Zentralgewalt und einen wirtschaftlichen Niedergang hinnehmen mussten. Das Heilige Römische Reich als übergeordnete politische Einheit wurde zur Fassade und die Macht des Kaisers auf seine Erblande beschränkt. Ohne diese »Urkatastrophe« Deutschlands und Mitteleuropas wären die weiteren historischen Entwicklungen in großem Maße anders verlaufen.

Es wurde versucht, für die vorliegende Arbeit eine möglichst große Anzahl von Quellen heranzuziehen, wobei der Fokus besonders auf persönlichen Berichten, Briefen und Tagebuchaufzeichnungen von Zeitzeugen lag. Die eingefügten Zitate, Berichte, Gedichte und Liedtexte sollen das geschilderte Zeitbild und die beschriebenen Ereignisse dieses in seiner Art einmaligen Krieges dokumentieren und abrunden.

Der Dreißigjährige Krieg

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