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Das Präludium einer europäischen Tragödie

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Wenn es um die Vorgeschichte des Dreißigjährigen Krieges geht, so wird zumeist auf den »Augsburger Religionsfrieden« von 1555 Bezug genommen. Er schien die Basis für eine friedliche Koexistenz für Protestanten und Katholiken im Heiligen Römischen Reich zu gewährleisten. Während in Frankreich Bürgerkriege zwischen den beiden verfeindeten Konfessionen das Land innerlich zerrissen, hatte es den Anschein, als herrsche im Reichsterritorium weitgehend religiöser Friede. Die Landesherren bestimmten in jenen Tagen die Konfession ihrer Untertanen (»cuius regio eius religio«!) und wer nicht gehorchen wollte, musste auswandern. Alles machte einen geregelten Eindruck, doch dieser Friede erwies sich als trügerisch.

Vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges bestand das Reich aus etwa 300 Fürstentümern, Grafschaften und Reichsstädten; hinzu kamen die Niederlande, die Schweizer Eidgenossenschaft und das Königreich Böhmen. Betrachtet man eine Karte von damals, so ist es nicht möglich, in dem wirren Fleckenteppich großer und kleiner Herrschaftsgebiete den tiefen Graben zu erkennen, der Katholiken und Protestanten voneinander trennte. Dennoch war er vorhanden und wurde im Laufe der langen Jahre relativen Friedens vor 1618 immer tiefer.

Ein venezianischer Reisender schätzte 1570, dass etwa 80 Prozent der Reichsbevölkerung protestantisch waren. (Milger 1998, S. 14) Trotz aller Bekämpfungsmaßnahmen und der aufkommenden Gegenreformation übte die Lehre Luthers auch in den Territorien der katholischen Landesherren eine große Anziehungskraft aus. Selbst in den Erblanden des erzkatholischen habsburgischen Kaiserhauses waren die Protestanten in vielen Gebieten in der Überzahl. Dadurch konnten sie in vielen Bereichen gewisse Freiheiten durchsetzen, die ihnen nach dem Verdikt des Augsburger Religionsfriedens gar nicht zugekommen wären. Die habsburgischen Herrscher des Heiligen Römischen Reiches begegneten der protestantischen Unterwanderung ihrer Territorien entweder mit einer gewissen Toleranz – wie etwa Kaiser Maximilian II. – oder aber mit brutalen gegenreformatorischen Durchsetzungsversuchen wie sie sich zeitweise in dem desorganisierten Herrschaftsgebaren von Rudolf II. zeigten.

Da sich die Reformation trotz allem gegen Ende des 16. Jahrhunderts weiter ausbreitete und der Katholizismus im Zuge der Gegenreformation gleichzeitig wieder erstarkte, schwand die Kompromissbereitschaft zunehmend. Eine neue Generation von katholischen und evangelischen Fürsten war bereit, mit Gewalt die eigene Position auf Kosten der Gegenseite zu verbessern und verloren gegangene Gebiete zurückzuerobern. Zudem trachteten auch die bisher völlig an den Rand gedrängten Calvinisten danach, ihre Konfession im Reichsrecht zu verankern. Hinzu kamen noch wirtschaftliche Krisen und dynastische Konflikte, die neben konfessionellen Gegensätzen für zusätzlichen Sprengstoff sorgten.

Die andere Hälfte der Familie Habsburg, die in Spanien regierte, duldete in ihrem Kernland keinerlei Ketzertum und ließ »Irrgläubige« den Feuertod sterben. Doch in den Nordprovinzen der Spanischen Niederlande – etwa dem heutigen Holland – konnten sie ihre religiösen Vorstellungen gegenüber den starken Ständen der calvinistischen Adeligen und wohlhabenden Bürger nicht durchsetzen. Infolge der spanischen Unterdrückungsversuche kam es zu einem Befreiungskampf der Niederländer, der letztlich 80 Jahre dauern und in seiner Spätphase in einer intensiven Wechselwirkung mit dem Dreißigjährigen Krieg stehen sollte.

Der den Großteil seiner Regierungszeit in Prag residierende Kaiser Rudolf II. agierte wie die Karikatur eines habsburgischen Herrschers. Von schrullig-abergläubischer Gesinnung, mangelte es ihm entschieden an Entschlossenheit und Tatkraft. Da er außer Stande war, sich gegen die Grillen seiner obskuren Ratgeber und die Machtansprüche seiner Kammerdiener zur Wehr zu setzen, fehlte es dem Reich unter seiner Regentschaft an einer klaren Linie. Anstatt sich um die Gefahren zu kümmern, die von Innen durch die Feindschaft der beiden Konfessionen und von Außen durch die Osmanen drohten, galt das einzige Interesse des Kaisers seinen depressiven Verstimmungen, der Astrologie und der Mystik. Solchermaßen mit seinem Innenleben und erdentrückten Dingen beschäftigt, gingen die heraufziehenden Konflikte in seinem Reich gänzlich an ihm vorbei. Das Ende der »Herrschaft« dieses seltsam melancholischen und weltfremden Kaisers war letztlich von Chaos und Gewalt bestimmt.

Frankreich hatte nach einer Phase innerer Wirren und Religionskriege unter Heinrich IV. eine gewisse Stabilität erlangt. Kardinal Richelieu, der den eher schwachen König Ludwig XIII. dominierte, sollte später massiv in den Dreißigjährigen Krieg eingreifen, um Frankreichs Position in Europa auf Kosten des Heiligen Römischen Reichs und Spaniens zu verbessern. Sein Nachfolger Kardinal Mazarin setzte diese Entwicklung fort und war am Ende der eigentliche Gewinner des schrecklichen Krieges. Dadurch wurde Frankreichs Hegemonie in Europa für längere Zeit erfolgreich festgeschrieben.

Der am 17. April 1573 geborene Herzog Maximilian I. von Bayern wurde zu einer der wichtigsten Figuren des Dreißigjährigen Krieges. Der Herzog, der 1598 an die Regierung Bayerns gelangte und diese Herrschaft mehr als 50 Jahre lang ausübte, war in vielerlei Hinsicht ein absoluter Fürst, der sein Land nach damals modernen Lehren umgestaltete. Aber er war auch ein katholischer Eiferer und ein unerbittlicher Gegner des Protestantismus. Von Jesuiten erzogen, wurde er ein führender Vertreter der Gegenreformation. Als Reaktion auf sein brutales Vorgehen gegen die protestantische Stadt Donauwörth im Jahr 1607 formierte sich die Protestantische Union als ein Bündnis protestantischer Fürsten, dem sich 1609 die Katholische Liga gegenüber stellte. Maximilian I. übernahm die Führung dieser Vereinigung katholischer Fürsten, zu der sich 1610 auch der spätere Kaiser Erzherzog Ferdinand gesellte. Damit waren die Fronten für künftige Konflikte klar gezogen und Maximilian scheute auch nicht davor zurück, Öl ins Feuer zu gießen. Er unterstützte seinen Freund und Studienkollegen Ferdinand bei dessen Wahl zum Kaiser und wurde sein wichtigster Bundesgenosse. Aus den engen Freuden wurden allerdings erbitterte Feinde, als Ferdinand II. sich einige Zeit später als absoluter Kaiser einsetzte und aus diesem Grund führte Maximilian I. einen heftigen Kampf gegen den überragenden kaiserlichen Feldherrn Wallenstein.

So war denn auch Ferdinand II. in hohem Grad verantwortlich für den Ausbruch und die Fortführung des Dreißigjährigen Krieges und ohne ihn hätte dieser Konflikt wohl niemals ein derartiges Ausmaß erreicht. Ferdinand war der zweite Sohn von Erzherzog Karl II. von Innerösterreich und Maria von Bayern. Er wurde am 9. September 1578 in Graz geboren und von frühester Kindheit an streng katholisch erzogen. Ab 1590 nahmen sich die Jesuiten der Universität Ingolstadt seiner an und er wurde einer ihrer eifrigsten Schüler. Ferdinand vertrat für den Rest seines Lebens deren Standpunkt und wurde in gewisser Weise ein »päpstlicher Krieger«. Niemand sollte später größeren Einfluss auf ihn haben als seine jesuitischen Beichtväter. Nach dem frühen Tod seines Vaters war der junge Ferdinand zunächst durch eine eingesetzte Vormundschaftsregierung gebunden und konnte erst nach seiner Erbhuldigung im Jahr 1596 eigenmächtig handeln. Er weigerte sich aber, bei seinem Huldigungseid die religiösen Zugeständnisse seiner Vorgänger an die Protestanten zu bestätigen. Gelenkt von seinen jesuitischen Ratgebern verkündete er, dass diese Zugeständnisse lediglich ein persönliches Entgegenkommen dargestellt hätten und mit dem Tod seines Vaters erloschen seien.

Nach einer Italienreise trat er schließlich den Kampf gegen die Protestanten an. Ferdinand, den seine Anhänger später einen »zweiten König David und Cattolichissimo« und seine Gegner einen »mordkatholischen Fürsten« (Kronen-Zeitung, Wien, 19. 12. 2010) nannten, zeigte nun, wozu er fähig war. Der Erzherzog hatte unter anderem auch deshalb leichtes Spiel, weil sich die Protestanten zu jener Zeit durch politische und religiöse Flügelkämpfe selbst in großem Maß schwächten. Vom Erzherzog ins Leben gerufene »Reformationskommissionen« setzten alle Nichtkatholiken unter Druck und ließen ihnen nur zwei Möglichkeiten: Bekehrung zum »rechten Glauben« oder Auswanderung, was zu einem ausgeprägtem Bevölkerungsschwund führen sollte. Schon bald waren die Steiermark, Kärnten und Krain wieder fest in katholischer Hand. Hier hatte Ferdinand gesiegt, während er im Kampf gegen die Türken keine sehr gute Figur machte, da er wie die meisten Habsburger über wenig militärisches Talent verfügte.

Gegenüber dem »Bruderzwist im Hause Habsburg« zwischen Kaiser Rudolf II. und dem ihm geistig unterlegenen Bruder Erzherzog Matthias nahm Ferdinand eine eher vermittelnde Rolle ein, wobei er allerdings die tolerante Haltung von Matthias gegenüber den Protestanten sehr missbilligte. Der Tod des Kaisers in Prag und die Kinderlosigkeit seines Nachfolgers Matthias werteten die Stellung Ferdinands als wahrscheinlichem Nachfolger erheblich auf. Er sicherte sich diesbezüglich durch einen Vertrag mit der spanischen Verwandtschaft ab, die gegen kleinere Gebietsabtretungen auf ihre potentiellen Erbansprüche verzichtete. Ferdinand konnte 1617 seine Wahl zum König von Böhmen überraschend leicht durchsetzen und ein Jahr später nach zähen Verhandlungen auch die ungarische Königswürde erlangen. Die Stände dürften ihn und seine Konfliktbereitschaft weit unterschätzt haben.

Ferdinand hatte bei seiner Designierung durch die böhmischen Stände zugesagt, sich an den Majestätsbrief zu halten. Einige Angehörige der Stände glaubten allen Ernstes, dass Ferdinand dieses Dokument respektieren würde. Die Urkunde war von Kaiser Rudolf II. am 9. Juli 1609 unterschrieben worden, als er sich in die Enge getrieben sah. Sie garantierte eine fast ständische Verfassung, das Recht der Stände auf die Königswahl und vor allem die Freiheit der Konfession. Auch Rudolfs Nachfolger Matthias hatte seinerzeit dem Majestätsbrief zugestimmt. Es ist zu vermuten, dass führende Vertreter der böhmischen Stände ohnehin damit rechneten, dass Ferdinand sich nicht an seine Verpflichtung halten würde und somit ein Grund gegeben war, ihn abzusetzen und durch einen gewählten tschechischen Adeligen zu ersetzen.

Ferdinand tat auch bald das, was man von ihm erwartet hatte, und die »Braunauer Händel« zeigten dem Beobachter sehr schnell, in welche Richtung die Entwicklung ging. Den Hintergrund dafür bildete der Beschluss, eine protestantische Kirche abzureißen, die angeblich auf einem Klostergrundstück errichtet worden war. In der im Nordosten Böhmens gelegenen Stadt verhärteten sich nun die Fronten und die Stände setzten so genannte »Defensoren« ein, die ihre Rechte vertreten sollten. Diese beriefen einen Landtag ein, der Beschwerde beim Kaiser einreichte. Die Antwort von Matthias war äußerst undiplomatisch. Der Abriss der Kirche verletze den Majestätsbrief nicht und außerdem seien weitere Sitzungen des Landtags verboten; bei Zuwiderhandlung drohe Strafe. Durch das Versammlungsverbot wurde der Majestätsbrief nun erst recht außer Kraft gesetzt. Der Landtag fand jetzt dennoch statt und die Erbitterung der Ständevertreter war groß. Man war der Auffassung, dass die Aufhebung des Majestätsbriefes vor allem durch die Statthalter der Habsburger in Böhmen betrieben wurde. Deshalb begaben sich viele der Ständevertreter am 23. Mai 1618 bewaffnet zur Prager Burg, um diese Beamten zur Rechenschaft zu ziehen. Sie hatten bereits eine Anklageschrift aufgesetzt und vorsorglich auch schon ein Urteil.

Der Dreißigjährige Krieg

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