Читать книгу Als wäre man dabei gewesen - fiktive Gespräche - Helmut Tornsdorf - Страница 4
Оглавление2. Kreuzzüge: Zwei Ritter sprechen über den Aufruf von Papst Urban
Am 27.11.1095 hält Papst Urban bei einer großen Kirchenversammlung eine Rede, bei der auch viele Ritter gespannt zuhören. Einer von ihnen namens Gottfried war mit seinem Pferd gestürzt und hatte die Rede nicht mitbekommen. Als er endlich eintrifft, kommt mit seinem Nachbarn, dem Ritter Berthold, ins Gespräch.
Gottfried: O gut, dass ich dich treffen. Ich hatte leider einen kleinen Unfall und jetzt habe ich die Rede des Heiligen Vaters versäumt. Was hat er denn gesagt?
Berthold: Er sprach von Jerusalem und den Leiden unserer Schwester und Brüder im Heiligen Land. Unglaublich, was die Seldschuken, die dort jetzt herrschen, mit ihnen machen. Wir müssen ihnen zu Hilfe kommen und Jerusalem befreien.
Gottfried: Wie soll das gehen? Das ist ein weiter Weg – und wir wissen nicht, wie stark der Gegner ist.
Berthold: Es wird einen regelrechten Kreuzzug geben. Das heißt, viele werden das Kreuz nehmen – so wie ich es jetzt schon auf meinem Mantel trage und gemeinsam ins Heilige Land ziehen.
Gottfried: Meinst du wirklich, dass sich viele auf dieses Abenteuer einlassen?
Berthold: Immerhin hat der Heilige Vater von einem allgemeinen Ablass unserer Sünden gesprochen. Außerdem wird beim Sieg über die Seldschuken sicherlich manches für uns abfallen.
Gottfried: Hhm, das hört sich nicht schlecht an. Mir wurde das hier alles schon ziemlich langweilig – ich hätte höchstens den alten Fehdehandschuh mit Ritter Robert von Hohenstein wieder aufnehmen können – ein Anlass hätte sich schon gefunden.
Berthold: Da ist es sicher Gott wohlgefälliger, wenn wir unsere Kräfte für das Evangelium und die Heilige Kirche einsetzen.
Gottfried: Was mir an dem Gedanken auch gut gefällt, ist, dass dann meine beiden Söhne Wilhelm und Friederich mitkommen können. Die hätten sich hier sowieso nur gestritten. Ich habe manchmal schon gedacht, wie ich es mit meinem Erbe machen soll – es zu teilen, hat ja keinen Sinn. Es wird jetzt schon manchmal schwer, von unseren Bauern genügend Abgaben zu erhalten.
Berthold: So denken viele, mit denen ich gesprochen habe.
Gottfried: Wie geht es denn nun weiter?
Berthold: Im nächsten Frühjahr wird es wohl losgehen. Warten wir mal ab, was unser Landesherr auf dem nächsten Hoftag sagen wird. Ich sah ihn als einer der ersten das Kreuz nehmen und sich an den Mantel heften. Die Rede des Papstes war aber auch zu eindrucksvoll – viele haben aufgestöhnt, als sie hörten, was mit unseren Brüdern und Schwestern geschieht.
Gottfried: Aber gibt es nicht eine alte Tradition, dass Pilger geschützt sind?
Berthold: Die gab es auch – aber seitdem die Seldschuken Jerusalem besetzt haben, gibt es dort Mord und Totschlag. Kein Pilger ist seines Lebens mehr sicher. Wir müssen dort für Schutz und Ordnung sorgen.
Gottfried: Aber wie sollen wir denn mit so vielen Bewaffneten ins Heilige Land kommen?
Berthold: Nun darüber haben wir auch schon nachgedacht. Da ist einmal der Landweg über den Balkan, aber der ist sehr gebirgig und langwierig. Wir werden wohl Kontakt mit Venedig aufnehmen. Die treiben ja seit langem Handel mit dem Orient und da können sie auch gut uns Kreuzfahrer mitnehmen.
Gottfried: Das werden ihre muslimischen Geschäftsfreunde aber überhaupt nicht gerne sehen.
Berthold: Du weißt doch, wie diese Geldsäcke sind. Für goldene und silberne Argumente tun sie alles.
Gottfried: Dann wollen wir mal hoffen, dass sie uns auch wirklich im Heiligen Land absetzen.
Berthold: Wir werden schon dafür sorgen – und wenn, dann mit dem Schwert in der Hand. Nun aber lass uns gehen. Ich habe mich noch mit einigen Freunden in der Herberge verabredet. Komm doch einfach mit. Da reden wir weiter.
Auswertung: Die folgenden Fragen könnte man zu dem Text stellen, um ihn besser zu verstehen:
1. Was hat zur Idee eines Kreuzzuges geführt?
2. Was motiviert viele, am Kreuzzug teilzunehmen?
3. Welche Möglichkeiten haben die Kreuzfahrer, ins Heilige Land zu kommen?
4. Wie wird die Handelsstadt Venedig in diesem Gespräch gesehen?
5. Was fehlt in dem Gespräch, wenn du es mit der im Buch abgedruckten Rede des Papstes vergleichst?
Mögliche Antworten auf die Fragen:
1. Was hat zur Idee eines Kreuzzuges geführt?
Die Unterdrückung der Christen und besonders der Pilger durch die Seldschuken.
2. Was motiviert viele, am Kreuzzug teilzunehmen?
Sicher auch Abenteuerlust, dann die Hoffnung auf Gewinn, vor allem bei jüngeren, unversorgten Söhnen, aber auch religiöse Motive bis hin zur Frage eines Ablasses.
3. Welche Möglichkeiten haben die Kreuzfahrer, ins Heilige Land zu kommen?
Sie können auf dem Landweg über den Balkan und dann Kleinasien nach Jerusalem ziehen. Sie können auch den Seeweg von Venedig aus nehmen.
4. Wie wird die Handelsstadt Venedig in diesem Gespräch gesehen?
Als ein Ort von Händlern, die vor allem an Geld interessiert sind und dafür auch frühere Handelspartner verraten.
5. Was fehlt in dem Gespräch, wenn du es mit der im Buch abgedruckten Rede des Papstes vergleichst?
Es wird nicht genauer auf die Grausamkeiten eingegangen, die Christen in Jerusalem angeblich erdulden müssen, was eine große Rolle in der Rede des Papstes spielte. Auch wird hier nicht auf Byzanz eingegangen, das die Kreuzfahrer einerseits brauchte, andererseits auch als Gefahr sah, der man ja im 4. Kreuzzug auch erlag.
Noch ein Kleiner Tipp:
Eine sehr gute Darstellung der Abläufe und Hintergründe findet sich auf der Seite:
http://www.spiegel.de/spiegelgeschichte/papst-urban-ii-rief-zum-kreuzzug-gegen-die-muslime-auf-a-847261.html