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Sechs Wahrheiten, die keine sind

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So unterschiedlich Menschen sein mögen, die Raucher unterliegen allesamt einer Reihe von Irrtümern. Ich muss das noch einmal betonen: Ich spreche aus Erfahrung. Und zwar einerseits aus eigener - ich selber habe lange so gedacht - und aus der Erfahrung anderer, die mir genau diese Gedankengänge bestätigt haben. Und die - zum Glück! - einfach falsch sind.

Sie sagen:

1. Das Leben ist, zumindest momentan, mit Zigarette viel schöner als ohne.

2. Ich will ja aufhören, aber das kann ich doch später immer noch.

3. Wenn ich mir vorstelle, dass ich nie wieder rauchen darf - das ist unerträglich.

4. Wenn ich es schaffen könnte, nur eine Genuss-Zigarette am Tag zu rauchen, das wäre optimal! Denn ich rauche sehr gerne.

5. Die Zigarette hilft mir immer wieder sehr, wenn ich Stress habe, unkonzentriert oder aufgeregt bin.

6. Nach dem Essen, beim Kaffee oder in netter Gesellschaft kann ich gar nicht aufs Rauchen verzichten.

Diese Aussagen sind alle im gewissen Sinne wahr: Sie bilden ganz genau ab, was der Raucher, der dies sagt, empfindet! Warum nur glaubt die nicht rauchende Welt ihm das nicht?

Nun, diese Aussagen stimmen eben nur aus der Perspektive des Rauchers. Sie sind ganz einfach subjektiv und wissenschaftlich nicht nachvollziehbar. Der Raucher empfindet so, WEIL er raucht. Würde er nicht rauchen, würde er anders empfinden und diese Sätze nicht äußern. Natürlich beißt sich da die Katze in den Schwanz.

Aber nehmen wir die Punkte mal der Reihe nach auseinander.

1. Dass das Leben mit Zigarette schöner ist, empfindet natürlich nur der Raucher so. Der Nichtraucher, auch der Ex-Raucher!, sieht das anders. Der Grund ist allerdings nicht, dass Nikotin die Welt rosig malt. Anders herum wird ein Schuh draus, wie man so schön sagt: Der Grund ist, dass die Welt grau wird, sobald der Nikotin-Nachschub ausbleibt. Manchmal erscheint die Welt dann sogar schwarz.

2. Natürlich könnten Sie nächsten Monat aufhören zu rauchen oder nächstes Jahr. (Oder eben nächste Woche!) Die einzige Frage ist: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie es wirklich tun, wenn Sie es immer und immer wieder verschieben?

In diesem Gedanken, mit dem sich viele Raucher trösten, ist übrigens noch eine psychologische Gefahr verborgen: die Gefahr der Gewöhnung. Wenn das Fernsehen morgen Abend über ein schweres Erdbeben berichtet, werden Sie vermutlich recht erschüttert sein. Wenn das Fernsehen nun fortan jeden zweiten Tag über dieses Erdbeben berichtet, werden Sie bald gelangweilt fragen: Wie oft denn noch? Und Sender meiden, die über dieses leidige Thema berichten. Wenn Sie oft genug darüber nachgedacht haben, dass Sie eigentlich aufhören wollen zu rauchen und sich im Ergebnis immer wieder auf die Zukunft vertagen, geraten Sie in die Gefahr, dass dieser Gedanke Sie nervt und schieben ihn fort. Rauchen aufgeben - meine Güte, ja doch. Aber nicht heute!

Tja - wann denn dann?

3. Nie mehr rauchen zu “dürfen” das erscheint Ihnen schrecklich? Das ist so ein Gefühl wie auf einer Beerdigung: Abschied von etwas sehr Vertrautem, irgendwie Geliebtem? Wenn Sie über das, was Sie bisher gelesen haben, nachdenken, dann darf Sie das eigentlich gar nicht wundern: Natürlich fühlt sich das so an, denn das ist das Wesen einer Droge. Der Konsum wird zum vertrauten Genuss, und ein Abschied “für immer” erscheint wie eine Tragödie.

Betrachten Sie es von der anderen Seite: Einst waren Sie Nichtraucher - ein “Noch-nicht-Raucher” Damals hätten Sie das Gegenteil gesagt. Sie hätten gesagt: Unvorstellbar, ein Leben lang gezwungen zu sein, täglich mehrfach diesen beißenden, übel riechenden Qualm inhalieren zu müssen. Diesen Dreck, der sogar die Wände braun färbt - warum sollte ich das tun? So hätten Sie geantwortet. Klar, Sie waren ja auch noch nicht süchtig. Aber was bringt uns diese Erkenntnis jetzt noch?

Genau dies ist momentan das Wichtigste: Die Erinnerung an damals, die Erinnerung, dass es damals, ohne Zigarette, nicht nur gut ging - es ging eigentlich viel besser als heute! Und vermisst - haben wir damals überhaupt nichts.

Ich verspreche Ihnen: Es wird wieder so sein! Genau so. Nichts werden Sie vermissen. Sie müssen einen etwas unangenehmen aber zum Glück kurzen Weg bewältigen, das ist alles. Aber Sie werden das schaffen.

4. Die eine, die besondere Zigarette, so schön entspannt und so voller Genuss - wenn man das könnte, ohne gleich wieder so viel zu rauchen …das wäre doch wunderbar! Oder?

Entschuldigung: Nein. Das wäre es nicht. Ich behaupte hier nicht, dass eine Zigarette am Tag Sie so schnell ins Grab bringt wie eine Schachtel. Aber erstens ist es für die allermeisten Raucher einfach Fakt, dass sie dies nicht schaffen, weil sie ihren Konsum steigern werden. Dies ist schlicht das Wesen einer Sucht.

Und zweitens geht es hier um etwas ganz anderes, etwas Grundlegendes: Sie sprechen vom vollen Genuss dieser einzigen Zigarette” Nun: Merken Sie nicht, dass Sie damit schon wieder in der Falle stecken? Diesen Genuss gibt es, objektiv betrachtet, nämlich gar nicht. Es gibt ihn nur in einer Gedankenwelt, in der die Zigarette als wichtiger Bestandteil des Lebens in den Tagesablauf eingebaut ist. Wo die sehr kurzzeitig stimmungsaufhellende Wirkung des Nikotins alles andere ausblendet: Die Mengen an Dreck, genannt Kondensat, die mit den wenigen Milligramm Nikotin in die Bronchien gesogen werden zum Beispiel. (Vergleichen Sie die Mengen Kondensat zu Nikotin, sind Sie in etwa beim Faktor zwölf.)

Die Wahrheit ist eine andere: Wenn Sie wieder Nichtraucher sind, werden Sie sich diese Zigarette gar nicht mehr herbeisehnen. Wozu auch? Sie gibt Ihnen nichts mehr. Außer einem Kratzen in der Brust.

5. Die Zigarette als Schutzschild gegen den Stress - ebenso eine Fehlannahme. Sie beruht darauf, dass Stress den Nikotinspiegel senkt und das Nikotinverlangen erhöhnt. Der Stress nimmt nicht ab - Ihr Blutdruck steigt sogar an - nur das Unwohlsein wird ein paar Minuten gemindert. Ein Unwohlsein, dass Sie als Nichtraucher allerdings gar nicht empfunden hätten.

6. Die Zigarette nach dem Essen, nach dem Kaffee oder beim Glas Alkohol: Typische Gelegenheiten, Gewohnheiten, die sich eingeschliffen haben. Natürlich ist das nicht alles Einbildung. Wenn wir zum Beispiel ein Völlegefühl haben, hilft ein wenig Nikotin über dieses negative Gefühl genauso schnell hinweg wie zu anderen Gelegenheiten. Scheinbar. Denn auch hier gilt ein altes Sprichwort, etwas abgewandelt: Nikotin beseitigt Probleme, die man nicht hätte, wenn man nicht angefangen hätte zu rauchen.

Die Wahrheit ist ganz einfach: Essen und Alkohol senken den Nikotinspiegel und verstärken so das Unwohl-Gefühl, bevor dann die Zigarette eine Art Erlösung anbietet. Das ganze erinnert ein wenig an die Mechanik einer Schutzgeld-Erpressung, finden Sie nicht? Sie zahlen täglich brav dafür, dass der Nikotin-Teufel Ihr Wohlbefinden schützt. Es ist allerdings ein Wohlbefinden, dass für Sie früher, als Nichtraucher, mal selbstverständlich war. Jetzt löst der Nikotin-Teufel ein Unwohlgefühl aus, wenn Sie sich weigern zu rauchen.

Und wie kommt man raus aus diesem Teufelskreis?

Nun, legen Sie sich doch ruhig mal an mit diesem Teufel! Haben Sie keine Angst! Zugegeben, diese Macht ist stark, und momentan ist sie in Ihren Augen monströs. Aber erstens: Sie kann Ihnen vielleicht Angst einjagen - verletzen kann sie Sie nicht! Und zweitens: Die Macht des Nikotins reicht auch zeitlich nicht sehr weit, und das ist für Sie ein ganz wichtiger Faktor.

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