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3.10Dafür und Dagegen

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Eines der wesentlichen Argumente für die Waldorfpädagogik ist gleichzeitig auch eine der größten Herausforderungen bei der Umsetzung des Konzeptes, denn dabei handelt es sich um zwei widersprüchliche Prozesse: Einerseits sollen die Lernenden in ihrer Individualität bestärkt werden und andererseits müssen sie lernen, sich an die Gesellschaft anzupassen. Die Waldorfpädagogik unterstützt also die Eigenständigkeit und freie Entfaltung des oder der Einzelnen und vermittelt den Schülern und Schülerinnen durch die Förderung ihrer eigenständigen Urteilskraft die Möglichkeit, sich ihre Individualität zu bewahren. Gleichzeitig stärkt sie das Gemeinschaftsgefühl der Einzelnen, fördert die Sozialkompetenz und unterstützt die Fähigkeit, von anderen zu lernen und sich durch eine starke Verbundenheit zusätzlich weiterzuentwickeln.

Ob die Umsetzung funktioniert, hängt natürlich immer auch von den Voraussetzungen ab und da gibt es auch die eine oder andere Kritik. So erscheint es manchen zweifelnden Eltern schwierig, bei den teils sehr großen Klassen dem Anspruch auf individuelle Förderung gerecht zu werden. Außerdem seien die Waldorfschulen zu wenig leistungsorientiert und ein wenig weltfremd, und das ausgerechnet in der Grundschulzeit, in der die Kinder besonders wissbegierig sind. Da Waldorflehrer und -lehrerinnen außerdem alle Fächer bis zur achten Klasse unterrichten, ohne für jedes einzelne ein fachspezifisches Studium abgeschlossen zu haben, müssten sie, laut Kritikern, durch die Fülle an Unterrichtsaufgaben völlig überfordert sein.

In einer Studie mit dem Titel Bildungserfahrungen an Waldorfschulen der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf wurden die Bildungserfahrungen und die Lernerfolge von Waldorfschülern und -schülerinnen untersucht und viele der oben genannten Kritikpunkte konnten darin geklärt werden. Laut der Studie werden Schülerinnen und Schüler an Waldorfschulen intensiver und individueller betreut als Kinder und Jugendliche an staatlichen Schulen. Nicht zuletzt dadurch können sie ein nachweisbar besseres Selbstwertgefühl und daraus resultierend eine größere Begeisterung für den Unterricht entwickeln. Achtzig Prozent der ­Waldorfschüler und -schülerinnen lernen demnach gern. An Staatsschulen sind es nur 67 Prozent.

Offensichtlich wirkt sich der geringere Leistungsdruck auch positiv auf die Gesundheit aus: Unter Waldorfschülern und -schülerinnen findet man deutlich seltener Kinder und Jugendliche, die über Kopfschmerzen, Schulangst oder Schlaflosigkeit klagen.

Aber wie sieht es denn nun tatsächlich mit den Noten aus? Wenn man die Abschlüsse an der Waldorfschule mit denen der Regelschulen vergleicht, kann man kaum Unterschiede entdecken: Im Verhältnis gibt es jeweils ähnlich viele Absolventen, die einen Haupt- oder Realschulabschluss oder das Abitur machen, und auch die durchschnittlichen Noten sind nahezu identisch. Bei der Berufswahl lässt sich eine Tendenz zu sozialen, geisteswissenschaftlichen, künstlerischen und naturwissenschaftlichen Berufen erkennen. Auch wenn Waldorfschulabsolventen nach wie vor oft belächelt werden, ist der Besuch der Waldorfschule manchmal sogar ein Plus im Bewerbungsgespräch für eine Lehrstelle oder einen Job nach einem abgeschlossenen Studium. Denn selbst große Konzerne haben die hohe Sozialkompetenz von ehemaligen Waldorfschülern und -schülerinnen und deren Fähigkeit, eigenverantwortlich zu arbeiten, erkannt.

Die maßgeblichen Elemente für den Erfolg von Bildungssystemen sind (nach der PISA-Studie, die im Dreijahresrhythmus stattfindende internationale Untersuchung der OECD, um alltags- und berufsrelevante Kenntnisse und Fähigkeiten Fünfzehnjähriger zu messen) im Übrigen ein individuelles Lernangebot, Motivation durch positive Rückmeldungen an die Schüler und die Möglichkeit, von anderen zu lernen. Diese Elemente lassen sich an der Waldorfschule eindeutig finden – und hoffentlich immer öfter ebenfalls in allen anderen Schulsystemen.

Nicht jede Schule ist für jeden Schüler, jede Schülerin geeignet. Waldorfschulen können sehr unterschiedlich sein und auch Klassenstrukturen ihre eigene Dynamik aufweisen. Wer eine extrem klare Struktur, Leistungsnachweise und eine Möglichkeit braucht, sein Kind anhand von anderen zu messen, wird es vermutlich nicht ganz so leicht haben. Wer zudem »nur« an einer Schule interessiert ist und nicht Teil einer Gemeinschaft sein möchte, dem wird das Konzept möglicherweise ein wenig zu eng sein. Man braucht Vertrauen in den Lehrer oder die Lehrerin und in die Fähigkeiten des eigenen Kindes – auch wenn dieses erst in der dritten Klasse anfängt zu lesen.

Natürlich muss sich jeder selbst ein Bild machen und es gibt bestimmt auch genügend Ehemalige, die dieses Konzept für sich selbst unpassend fanden, aber auch sehr viele glückliche Ex-­Waldorfschülerinnen und -schüler, die nun glückliche Waldorfeltern sind.

Die beste Schule für mein Kind

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