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2.

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Hinter der hohen Buchenhecke, auf dem schön eingewachsenen Grundstück der Petersens tat sich was an diesem lauen Sommerabend.

Das neue Familienmitglied, die braun-gelb gescheckte Katze aus dem Tierheim, lag zusammengerollt unter dem Rhododendronstrauch und tat so, als ob sie schlief.

Auf dem Rasen davor und unter der Trauerbirke, die jetzt in voller Blätterpracht stand, tanzten Schnaken auf und ab. Dann und wann irrlichterte ein Zitronenfalter oder Kohlweissling vorbei, und hoch über dem Garten jagten Schwalben ihre Abendmahlzeit zusammen.

Die Haustür stand offen – man hörte aus der Küche und dem Wohnzimmer leise Radiomusik, gelegentlich Geschirrklappern. Jetzt erschien Lisa mit einem Tablett voller Teller, Besteck und geschnittener Baguettescheiben und stellte es auf dem Gartentisch ab.

Um die Hausecke herum tauchte Jonas auf mit zwei noch zusammengeklappten Stühlen unterm Arm, die er von der Südterrasse heranschleppte. Er ließ sie mit metallischem Klacken aufschnappen und stellte sie an den Tisch.

Petersen, vorne vorm Haus, gab seine Bemühungen, ihren uralten Rasenmäher mit dem Zugseil wie einen störrischen Außenborder zum Laufen zu bringen, nach dem zehnten vergeblichen Versuch fürs erste auf. Er schob ihn zurück in den Fahrradschuppen, wo er ihn neben der Yamaha erst einmal stehen ließ. Zündkerze neu, Luftfilter sauber – mehr konnte er jetzt nicht machen. Nachhaltige Nutzung, schön und gut – aber es gab Werkstätten, die sich um so etwas kümmerten, auch samstags… zumindest einladen und wegbringen konnte er ihn morgen. Wenn der Wagen ansprang.

Jetzt warteten angenehme Tätigkeiten, vielleicht aber auch delikatere Überzeugungsarbeiten auf ihn. Schließlich begann das erste Urlaubswochenende.

Aber erst einmal musste er den lästigen Benzingeruch an seinen Händen loswerden.

Ein winziger Mensch kroch eifrig rückwärts unter dem alten Renault hervor, der weiter vorn auf der Auffahrt stand. Er hatte einen schwarzgelben Kinderoverall an, der auf der Brusttasche den Schriftzug „Commander Rescue Team“ trug, griff nach seinem fast davon kullernden gelben Schutzhelm, den er abgesetzt hatte, lief aufgeregt auf Petersen zu und krähte begeistert:

„Achim – an deinem Auto ist ein – Kabel lose! Ein Kabel, lose! Hab’ ich eben gefunden…!“

Louis, der fünfjährige Nachbarssohn, war mal wieder ’rübergekommen und tat ebenfalls sein Bestes, den in die Jahre gekommenen Fuhrpark der Petersens technisch wieder herzurichten. Schon beim Rasenmäher hatte er fachkundig assistiert, mit dem Handfeger die Lüfterschlitze blitzblank gefegt und Petersen erwartungsvoll aufgefordert, doch jetzt einmal zu starten – was aber auch nicht viel genutzt hatte.

Zweifellos hatte er bei seinem Vater, der als Fernfahrer die DAF-Vierzigtonner fuhr und bisweilen die kurze Zugmaschine gegenüber rückwärts einparkte, um ganz früh losfahren zu können, schon ganz andere technische Probleme gelöst. Nicht nur hinterm Steuerrad den Knopf für das Dreiklanghorn des lokomotivartigen Ungetüms gedrückt, das die Fensterscheiben der Nachbarhäuser erzittern ließ.

Petersen ließ sich pflichtschuldig auf die Knie nieder und warf einen Blick unter den Wagen:

„Klasse, Mann. Gut möglich – da muss ich dann morgen mal nachgucken… kannst dir nachher zur Belohnung auch ’n paar leckere Grillkartoffeln abholen!“

Er richtete sich auf, legte dem enttäuscht schauenden Dreikäsehoch den Arm an die Schulter und schob ihn sanft um die Ecke auf den Grillplatz zu, wo Jonas jetzt die viereckige Blechschüssel mit den Holzkohlebriketts auf einen Unterbau gestapelter Klinkersteine stellte: damit die Hitze darunter den Rasen nicht noch mehr versengte, als es dieser heiße Juli ohne Regen schon getan hatte.

Anneke kam im luftigen Sommeroutfit die zwei Stufen vor der Haustür herunter. Mit beiden Händen trug sie die schwere Kristallglasschüssel aus Plymouth, gefüllt mit Obstsalat.

„Hallo, Louis… na, willst du wieder helfen? Wie gestern beim Hecke schneiden…?“

Louis nickte wortlos – jetzt aber doch ein bisschen eingeschüchtert angesichts der vier Familienmitglieder, die ihn plötzlich umgaben. Dann sah er auf seine schwarz verschmierten Finger, stülpte seinen Schutzhelm auf und verschwand in einem plötzlichen Entschluss die Einfahrt hinunter. Er schaute sorgfältig nach herannahenden Autos und wetzte über die Straße zum gegenüberliegenden Grundstück, wo er zu Hause war. -

Petersen holte sich die Kabeltrommel und den winzigen, klappbaren Reiseföhn zur Außensteckdose, schnappte sich einen Gartenstuhl und ein kühles Jever Pils. Dann machte er sich daran, die Grillpfanne anzuzünden und schön gleichmäßig durchzuglühen, indem er von Zeit zu Zeit frische Luft von allen Ecken hinein blies.

Das war sein Job, er war hier der Grillmaster. Wenn er da war.

Rote Funken stoben knisternd von den Glutnestern hoch, die sich langsam zur Mitte fraßen, und stiegen vor der dunkelgrünen Wand des Rhodostrauches empor – bildeten in der langsam einsetzenden Dämmerung einen schönen Kontrast vor den üppigen, sahnefarbenen Blütendolden, bevor sie hochwirbelnd erloschen. Es rauchte nur kurz, und bald ertönte verheißungsvolles Knacken aus der Feuerschale.

Jonas kam mit einem weiteren Gartenstuhl heran, in der anderen Hand trug er den betagten, dreibeinigen Schwenkgrill aus der Behindertenwerkstatt in Rotenhahn und stellte ihn über die Glut.

Anneke verteilte Geschirr, Schalen mit grünen und weißen mojo-Dips, noch ein langes Meterbrot und zeigte auf den schwärzlichen Gitterrost:

„Der wird erst mal gründlich abgescheuert! So lange, wie der da schon draußen steht…“

Jonas verzog das Gesicht und warf seinem Vater einen um Unterstützung heischenden Blick zu. Petersen versuchte ohne viel Aussicht auf Erfolg, diese ganz und gar überflüssige Arbeit abzuwenden:

„Den haben die Ameisen, Wespen und was weiß ich doch schon blitzblank abgefressen, seit dem letzten Mal. Kuck mal, wie der glänzt… besser geht das kaum. Und die Hitze vom Grill macht den Rest! Grillen ist doch was Rustikales, wie Zelten. Oder Urlaub auf dem Boot zum Beispiel und…“

Aber Anneke verschwand mit einem Seitenblick auf die beiden wieder im Haus und hielt es nicht für nötig, darauf überhaupt zu antworten. Jonas machte sich wohl oder übel daran, den runden Gitterrost im Haus mit Stahlschwamm und Heißwasser zu bearbeiten.

Lisa zog die Abdeckung aus Stanniolpapier vom Teller mit den vier Steaklets und den großen ovalen Kartoffelscheiben. Sie faltete die Folie sorgfältig zusammen und legte sie wieder auf das Tablett, setzte sich auf einen der Stühle und streichelte die Katze, die urplötzlich dicht neben ihr wie eine Statue am Feuer saß und mit grüngelben Augen in die Glut starrte:

„Was macht i h r denn jetzt eigentlich, Papa? In eurem Sommerurlaub, meine ich… wo wir doch kein Boot mehr haben. Fahrt ihr auch weg, irgendwohin? Wie sonst?“

Ihre Semesterferien hatten begonnen und sie war mitten in den Vorbereitungen für einen Urlaub an der französischen Biscayaküste, den sie mit zwei anderen Mädchen in einem Surfcamp verbringen wollte. Anreisen, wie schon voriges Jahr, wieder mit dem betagten Kleinwagen einer ihrer Freundinnen – Surfbretter auf dem Dach… und Jonas fuhr auch bald weg. Er machte in den Sommerferien einen dreiwöchigen Zelturlaub in einem internationalen Jugendcamp, in der Wildeshauser Geest. Wie geschaffen dazu, Schulenglisch spielerisch im Umgang mit Gleichaltrigen aufzupolieren.

Petersen erhob sich, um die Glut aufzustochern und noch einmal durchzublasen. Er sah zu Anneke herüber, die mit einem gläsernen Wasserkrug herausgekommen war und sich mit an den Tisch setzte.

„Gute Frage… das wollte ich eigentlich sowieso mit euch – ein bisschen besprechen heute Abend… ihr habt wohl mitgekriegt, dass wir vielleicht wieder ein Boot anschaffen wollen. Wir konnten ja unsere ‚Jan’ – verkaufen, an Per und Mette… und könnten jetzt zum Beispiel auch meinen Jahresurlaub nutzen, uns mal ein paar in Frage kommende Schiffe anzuschauen!“

Petersen hantierte geschäftig mit dem Föhn herum. Anneke blickte auf, weniger erfreut als überrascht.

„Natürlich nicht die ganzen vier Wochen. Aber es gibt doch ein paar – Objekte, die ich mir mal angucken könnte, ganz unverbindlich natürlich. Gar nicht so weit weg… nur um sich mal zu orientieren, was so in Frage käme!“

Sie schenkte sich einen Schluck Wasser aus dem beschlagenen Krug ein und griff in den Brotkorb.

„Davon wusste ich ja noch gar nichts. Ist das schon so konkret? Hast du da schon was gefunden, was du dir anschauen willst?“

Einen zierlichen Bissen von der Weißbrotscheibe nehmend, sah sie ihn fragend, aber zurückhaltend an.

Petersen drapierte kunstvoll mit der Spaghettizange große ovale Kartoffelscheiben auf dem Grillrost, damit ihm keine in die Glut fiel, und betupfte sie mit Olivenöl.

Dann sagte er wegwerfend:

„Ich kuck doch schon immer, weißt du doch. Schon länger. Haben wir auch mal drüber gesprochen, du… und jetzt hab’ ich – vielleicht was gefunden, das man sich mal anschauen könnte. Nach langem Suchen – das Angebot in diesen Bootsbörsen ist fast unüberschaubar und…“

Er richtete sich ächzend auf, gab dem Schwenkgrill an einer der drei Kettchen einen Schubs, dass er sich langsam drehte wie ein Karussell und wedelte zur Unterstützung seiner Worte mit der Zange Richtung Tisch, die andere Hand im durchgebogenen Rücken:

„Wir könnten zum Beispiel ’n schönen Wochenendausflug davon machen, du – an die See, nach Holland. Übernachten in einer kleinen Pension, oder im Zelt, wie früher… sind wir im Nu da. Gar nicht so weit weg von Antwerpen ist das… könnten wir sogar mit dem Motorrad fahren, über den Absperrdeich – bei dem Wetter!“

Jonas kam interessiert herangeschlendert, setzte sich und naschte mit dem großen Löffel von dem Obstsalat, was ihm einen strafenden Blick eintrug. Lisa zog die Schüssel aus seiner Reichweite zu sich her – schien allerdings nicht übel Lust zu haben, sich auch schon mal probeweise an dem bunten Inhalt zu vergreifen. Aber dann hob sie ihn doch nur noch einmal gründlich durch, um die Süße gleichmäßig zu verteilen.

Jonas nahm mit einem einzigen schnellen Handgriff um den Bauch die Katze auf, setzte sie auf seinen Schoß und begann sie zu streicheln, was sie sich schnurrend und köpfchengebend gefallen ließ:

„Wieder so was wie die ‚Jan’?“

Auch Lisa hatte jetzt große Ohren und lächelte gespannt.

Kein Wunder… die beiden waren seit frühester Kindheit mit dieser Art Seefahrt, den mehrwöchigen Ferientörns auf der Nord- und Ostsee, bestens vertraut. Ihr ganzes, noch nicht so langes Leben war ein Boot da gewesen – ein einziges.

Lisa war drei Tage alt gewesen, als Anneke sie das erste Mal mit an Bord der „Jan van Gent“ an die Nassaubrücke genommen hatte und es zu stürmisch gewesen war zum Auslaufen… und Jonas hatte friedlich im Babykorb geschlafen auf der Überfahrt von Bornholm nach Ystad.

Der gemeinsame Urlaub in den großen Ferien auf dem Schiff, Jahr für Jahr: das war immer der Höhepunkt des Sommers gewesen.

„Müssen wir mal sehen… aber wäre doch schön, wenn wir wieder gemeinsam auf dem Schiff Urlaub machen könnten, so wie früher. Wenigstens ab und zu mal! Und da wollen wir ja nicht weniger Platz zur Verfügung haben als vorher. Und es gibt auch gute Boote, die ganz wenig Arbeit machen. Nicht so viel Pflege brauchen wie unsere ‚Jan’.“

Anneke sagte nichts. Dann nahm sie sich mit verschlossenem Gesichtsausdruck die Scheibe Weißbrot wieder vor – biss aber nicht hinein, sondern bemerkte beiläufig:

„Antwerpen liegt in Belgien. Und du bist sicher, dass wir mit dem Geld wieder ein so großes Schiff anschaffen sollten…?“

„Ja – du etwa nicht…?“

Petersen war nicht ganz so überrascht von ihrer fehlenden Begeisterung, wie er tat.

Anneke nahm einen winzigen Bissen von der ovalen Scheibe, knabberte mit langen Zähnen daran und legte sie dann vor sich auf den Teller.

„Ich weiß nicht – mir geht das alles zu schnell, Achim. Jetzt haben wir grade mal ein bisschen Ruhe… ich war ganz froh darüber, ehrlich gesagt. Wir hatten doch wirklich einiges um die Ohren in letzter Zeit. Grade mit dem Verkauf – und den ganzen Reisen, die damit verbunden waren. Und das war ja nicht das einzige. Und jetzt geht das gleich nahtlos weiter… sicher, es ist unterm Strich alles gut gelaufen, wenn man so will. Auch wenn nicht alle Fragen geklärt sind – für mich jedenfalls nicht. Aber das siehst du ja wahrscheinlich anders.“

„Du meinst, mit dem – Preis, den wir bekommen haben…? Entspann dich mal, Anneke. Das ist alles gut so, niemand ist da übervorteilt worden. Das ist so sicher, wie ich hier sitze. Und jetzt können wir die Sache doch mal langsam in Angriff nehmen. Warum noch länger Zeit verlieren – jetzt ist Sommer, und wir werden beide nicht jünger…“

„Das ist es ja eben! Ich mag da gar nicht dran denken, was in zwanzig Jahren ist! Und wo sind die Jahre geblieben… sicher, es war auch schön, immer wieder. Aber weißt du noch, grade die letzte Zeit – jedes freie Wochenende, den ganzen Winter über, in der kalten Halle – nur das Schiff, das Schiff und die Arbeiten! Und jetzt wieder…! Können wir das denn sinnvoll nutzen? Was ist mit deinem Job? Da kannst du ja auch nicht morgen einfach so weg… Könnte man dieses – Geld nicht auch erst mal weglegen, auf ein Sperrkonto packen oder so was… nachher ist da doch noch was…“

„Damit es da ’rum liegt und weniger wird? Ich fass’ es ja nicht, Anneke… ist das dein Ernst? Wir leben im Jetzt und Hier! Wir sind doch noch jung! Du wenigstens… ich zwar auch, wenigstens so’n bisschen…“

Petersen nahm mangels zugkräftiger Argumente Zuflucht zu seinen Plattitüden.

„Man ist immer so alt, wie man sich fühlt – oder? Dem Glücklichen schlägt keine Stunde – und ohne Moos nix los! Wir wollen doch wieder ein Boot haben, Anneke – und das auch nutzen! Soll ich denn ’n Wohnmobil anschaffen jetzt? Dann komm ich mir wirklich vor wie so’n Opa, der noch mal…“

Er ließ den Satz halbwegs unheilvoll in der Luft hängen, schüttelte unmerklich den Kopf und stierte verdrossen vor sich hin, als stände er schwitzend im Stau auf der hitzeflimmernden Autobahn.

„Und mit meinem Job – da muss ich mal sehen… man kann auch früher gehen. Bekommt man ein bisschen weniger Geld, nachher…und ich hab’ doch schon damals die private Rentenversicherung abgeschlossen! Da gibt’s auch was.“

Anneke sagte leise, wie zu sich selbst:

„Wir haben auch ein Haus. Und Kinder, die noch lange nicht fertig sind.“

Langes Schweigen. Keine Spur mehr von entspannter Sommerabendatmosphäre, plötzlich.

Vom Grill fielen zischend Öltropfen in die aufflackernde Glut, und Petersen zog an der Kette und hängte ihn wortlos höher.

Lisa dauerte das zu lange:

„Aber Mama – wollt ihr denn gar nicht mehr segeln, im Sommer? Wie sonst immer? Und wir könnten doch auch mitkommen, wenigstens ab und zu! Und haben wir denn unseren schönen Liegeplatz nicht mehr? Wollt ihr den denn aufgeben? Dann kann doch alles so bleiben wie bisher. Das war doch immer so toll, die Geburtstage an Bord mit Schatzsuche und das…“

„Ihr seid keine Kinder mehr. Und könnt ja ohnehin nicht mehr so oft mit. Du machst ja schon länger auch ganz andere Sachen, und Jonas hat nicht mehr lange bis zum Abitur…da muss er sich ja eh noch ein bisschen ’ranhalten. Ich denk einfach daran, was für ein Stress es auch oft war! Nie ein Wochenende mal Zeit im Frühjahr, auch nicht bei schönstem Wetter… immer am Schiff arbeiten – schleifen, lackieren, Unterwasseranstrich und und und…Papa abgenervt…“

Hier hatte Jonas mal eine Frage.

„Muss das denn alles auch so oft gemacht werden, bei einem neueren Schiff? Ich dachte immer, dass Kunststoffboote viel leichter zu pflegen sind. Da kann doch nichts rosten oder so was… Papa? Das war doch bei unserer ‚Jan’ das Hauptproblem, oder?“

Die Katze sprang von seinem Schoß und schielte unauffällig hoch zu den kleinen Fleischstücken auf dem Teller. Dann leckte sie sich verlegen einmal über die gelbbraune Brust, trollte sich gemächlich zur Hecke und legte sich dort auf den Bauch – die Vordertatzen unter der Brust eingeklappt, die Augen halb geschlossen.

Die Meisen in der Birke starteten ein Schimpfkonzert, auch der Zaunkönig in der Hecke fiel warnend ein.

„Ja, sicher – der Stahlrumpf und das viele Holz. Natürlich nicht – das ist ja grade das entscheidend andere bei einem GFK-Boot! Vor allem, wenn es noch nicht so alt ist. Einmal ungiftiges Antifouling im Frühjahr aufs Unterwasserschiff draufhauen, fertig aus. Und dann ins Wasser damit – Masten stellen, Segel auftakeln, Motorölwechsel, fertig. Und dann up, up and away…bound for Graciosa… playa de las conchas. Über Lissabon und Madeira…”

Petersen sah ein kleines Licht am Ende des Tunnels. Aber seine Partnerin und Ehefrau hatte alle Antennen ausgefahren:

„Mast-en? Soll das denn wieder so groß sein…? Was das kostet – dann ist das ganze Geld ja weg! Und das gehört dir doch eigentlich gar nicht…?!“

Er griff zur Zange und wendete einzelne Kartoffelscheiben, die jetzt goldgelb glänzten und an den Rändern knusprigbraun wurden. Es begann leise zu zischen.

„Doch nicht alles.“

Petersens Stimme war samtweich:

„Willst du das denn … liegenlassen? Aufs Sparbuch bringen, womöglich?“

Er pokerte hoch und ein bisschen unfair – er wusste, dass sie wusste, dass er zu solchen Aktionen durchaus fähig wäre:

„Dann lass es uns lieber Greenpeace oder Sea Sheperd überweisen – und gut ist!“

Er nahm seine halbvolle Bierflasche vom wackeligen Platz auf dem Rasen herunter und stellte sie auf den Gehwegplatten ab. Stand auf, setzte sich ihr gegenüber, wandte sich ihr ganz nah zu und versuchte, ihre Hand in die seine zu nehmen, die sie aber vorher unter den Tisch sinken ließ:

„Diesmal – wird es ganz anders. Wir sind ja nicht mehr jung und unerfahren. Diesmal denken wir auch an die Zukunft. Nautiker haben Weitblick, Anneke… so ein Boot, was mir vorschwebt – das ist eine Wertanlage, auch für lange Zeit! Das muss ich dir doch nicht erzählen… wenn man das Richtige anschafft. Man ist doch lernfähig… wir haben doch Lehrgeld bezahlt… sind nicht mehr so – blauäugig. Es gibt da große Unterschiede. Zum Beispiel zwischen einem Stahlrumpf, der in die Jahre gekommen ist, an dem viel gemacht werden muss… einem Einzelstück, das beim Bau auch noch auf einen bestimmten Eigner zugeschnitten war – custom-built sozusagen. So was ist immer ganz schwer verkäuflich, das haben wir doch nun gesehen. Kaum zu vergleichen mit einer gut gepflegten, neueren Serienjacht eines bekannten, wertbeständigen Typs. Von einer Werft, die jeder in der Branche kennt. Das ist fast wie eine Immobilie, in einer guten Wohngegend… eine Altersvorsorge auch, besser als jede Rentenversicherung!“

Er merkte, wie es fast mit ihm durchging und ruderte zurück:

„Na ja, nicht ganz vielleicht. Wir sind ja auch noch nicht alt. Eine Mobilie sozusagen – weil man damit ja überall hin… “

Er machte vage Handbewegungen, in die Ferne weisend; seine Stimme wurde leiser und erstarb. Aber niemand verzog auch nur eine Miene über sein geistreiches apercu.

Lisa und Jonas blickten unauffällig, aber unverwandt ihre Mutter an.

Anneke seufzte leise und verstimmt auf und verteilte klirrend kleine Schüsseln, in die sie Obstsalat füllte.

„Eben. Das sind Dinge, Achim – die kann man nicht so übers Knie brechen. Da werden Weichen gestellt, das weißt du auch. Ich hab jedenfalls keine Lust, mir den schönen Abend mit einem ganzen Sack voller Probleme, die wahrscheinlich demnächst am Horizont auftauchen, zu verderben… wenn du da hinfahren willst nach Holland oder Belgien oder wo das ist, dann mach das mal. Ich möchte da eigentlich lieber erst mal nicht mit… du kannst mir ja erzählen, wie das war, wenn du wieder da bist. Und dann schauen wir mal, was wir mit dem angebrochenen Sommerurlaub noch so machen können, wir beiden. Wenn noch was übrig bleibt… ich war so lange nicht mehr in der Bretagne, in Frankreich. Oder in der Normandie… ist das denn okay für dich?“

Petersen strahlte – völlig recht war ihm das.

Insgeheim hatte er sogar auf diese Lösung gehofft. Und es war von ihr kein rotes Licht gekommen – nicht direkt…

Es war ja nur ein erster Probelauf, ein Ausloten – da schadete es gar nichts, wenn sie etwaige Enttäuschungen, die auftauchen konnten, nicht so hautnah mitbekam. Und wenn alles so war, wie er sich das vorstellte, würde eben die nächste Runde Überzeugungsarbeit fällig werden. Solche Möglichkeiten, wie sie sich ihnen jetzt boten, gab es nur einmal im Leben.

Man musste ihnen aber eine Richtung geben – die Gelegenheit nicht verstreichen lassen.

Und dann würde er sie schon umstimmen. Wenn sie erst einmal auf Probefahrt dahin glitten, unter einer Wolke von Segeln, gurgelnd und rauschend, nur ein ganz klein bisschen Lage schiebend… da würde sie nicht widerstehen. Sie war auch ein Mädchen von der See. Er musste ihr das nur wieder mal vor Augen führen.

„Einverstanden, du. Wir machen das alles so, wie du sagst. Ich fahr da mal hin, ob das überhaupt was ist… Montags ist wieder jemand da, haben sie mir am Telefon gesagt. Und jetzt kein Wort mehr davon. Lisa, kannst du mal den Teller mit den Steaklets ’rüberreichen…? Die müssen jetzt drauf… Und es sind schon Röstkartoffeln fertig! Wer will welche?“

Europäer, unterwegs

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