Читать книгу Der kleine Ritter (Herr Wolodyjowski) - Henryk Sienkiewicz - Страница 8

3. Kapitel.

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Inhaltsverzeichnis

Ketling und Wolodyjowski versprachen einander, sobald es dazu kommen sollte, wieder Steigbügel an Steigbügel zu reiten, an einem Feuer zu lagern, und auf einer Reiterdecke zu schlafen. Und doch trennte sie der Zufall schon eine Woche nach dem ersten Wiedersehen. Aus Kurland kam ein Bote mit der Meldung, daß jener Haßling, der den jungen Schotten adoptiert und ihn mit Vermögen beschenkt hatte, plötzlich erkrankt sei und den angenommenen Sohn baldigst zu sehen begehre. Der junge Ritter besann sich nicht lange; er stieg zu Pferde und ritt davon.

Vor der Abreise bat er Sagloba und Wolodyjowski, sie möchten sein Haus als das ihrige betrachten und so lange darin wohnen, als es ihnen angenehm wäre.

»Vielleicht kommen die Skrzetuskis,« sagte er. »Wenn die Wahl beginnt, so kommt er wenigstens mit Sicherheit; aber wenn sie auch mit Kind und Kegel kämen, es fände sich für die ganze Familie Raum. Ich habe keinen Verwandten, und wenn ich auch Geschwister hätte, sie ständen mir nicht näher als ihr.«

Sagloba besonders war erfreut über diese Einladung, denn er fühlte sich in Ketlings Hause sehr behaglich; aber auch Michael kam sie zurecht.

Die Skrzetuskis kamen zwar nicht, statt dessen aber kündigte eine Schwester Wolodyjowskis ihre Ankunft an, die Gattin des Herrn Truchseß Makowiezki. Ihr Abgesandter war an den Hof des Hetman gekommen, um Nachfrage zu halten, ob jemand von den Hofleuten etwas von dem kleinen Ritter wisse; natürlich wies man ihn sogleich an das Ketlingsche Haus.

Wolodyjowski freute sich sehr, denn es waren lange Jahre darüber hingegangen, daß er die Frau Truchseß nicht gesehen, und da er erfuhr, daß sie bei dem Mangel einer besseren Herberge in einem elenden Häuschen auf der Fischerei abgestiegen war, eilte er bald hin, um sie in das Haus Ketlings zu laden.

Es war schon Dämmerung, als er bei ihr eintrat, aber er kannte sie sogleich, obgleich zwei andere Frauen sich mit ihr im Zimmer befanden, denn die Frau Truchseß war von kleinem Wuchse und rund wie ein Knäuel Wolle. Sie erkannte ihn ebenfalls. Sie sanken sich in die Arme und konnten lange keine Worte finden; er fühlte ihre warmen Tränen auf seinem Antlitz und sie die seinigen. Während der ganzen Zeit standen die anderen beiden Frauen kerzengerade da und sahen der Begrüßung zu.

Zuerst gewann Frau Makowiezka[C] die Sprache wieder und begann mit dünner, ein wenig piepsender Stimme:

»Wie viele Jahre, wie viele Jahre! Gott helfe dir, mein teurer Bruder! Sobald die Nachricht von deinem Unglück kam, machte ich mich sofort auf den Weg zu dir, und mein Mann hielt mich nicht zurück, denn von Budschiak[D] droht ein Gewitter ... Man spricht auch von den Tataren von Bialogrod. Und sicher werden die Wege wieder von Heerscharen wimmeln, denn man sieht ungeheure Herden von Vögeln in der Luft, und das pflegt vor jedem Einfall zu sein. Gott tröste dich, geliebter, teurer, goldener Bruder! Mein Mann soll zur Wahl hierher kommen, er hat mir gesagt: »Nimm die Mädchen und fahre voraus. Michael,« sagt er, »wirst du in seiner Trauer trösten; vor den Tataren,« sagt er, »müßten wir auch so die Häupter irgendwo schützen, denn das ganze Land wird in Flammen stehen, und so fügt sich eins zum anderen. Eile nach Warschau,« sagt er, »nimm eine gute Herberge, solange es noch Zeit ist, damit wir ein vernünftiges Unterkommen haben. Er ist mit den Leuten aus dem Kreise auf Kundschaft ausgezogen. Mannschaften sind nicht im Lande, bei uns ist das immer so.« Mein geliebter Michael, komm ans Fenster, damit ich dir ins Gesicht sehen kann. Die Wangen sind eingefallen; aber im Leid kann es nicht anders sein. Mein Mann hatte leicht sagen: Suche dir eine Herberge. Hier gibt es nirgend etwas, wir sind ganz allein hier in dieser Hütte, ich habe kaum drei Bund Stroh zum Schlafen bekommen.«

»Ich bitte dich, Schwester ...« sagte der kleine Ritter.

Aber die Schwester ließ ihn nicht zu Worte kommen und sprach weiter wie ein klapperndes Mühlrad.

»Hier haben wir Wohnung genommen, wo anders bekamen wir keine. Den Wirten ist nicht recht zu trauen, vielleicht sind es auch schlechte Menschen. Zwar haben wir vier Knechte mit uns, gute Burschen, und auch wir sind nicht furchtsam, denn in unseren Gegenden muß auch die Frau ein ritterliches Herz haben, sonst könnte sie dort nicht wohnen. Ich habe auch eine Degenkoppel, die ich immer mit mir führe, und Bärbchen hat zwei Terzerole. Nur Christine hat die Waffen nicht gern ... aber da wir hier in einer fremden Stadt sind, möchten wir lieber in einer sicheren Herberge wohnen.«

»Ich bitte dich, Schwester,« wiederholte Wolodyjowski.

»Und wo wohnst du, Michael? Du mußt mir eine Wohnung suchen helfen, denn du bist in Warschau bekannt.«

»Ich habe ein Unterkommen für Euch bereit,« unterbrach sie Michael, »und ein so vortreffliches, daß der Hof eines Senators sich dessen nicht zu schämen brauchte. Ich wohne bei meinem Freunde, dem Kapitän Ketling, und ich werde dich sofort mitnehmen.«

»Aber bedenke doch, daß wir unser drei sind und zwei Diener und vier Knechte! — Aber bei Gott, ich habe dich noch gar nicht bekannt gemacht mit meinen Gesellschafterinnen!«

Nun wandte sie sich an die Genossinnen:

»Ihr wißt, wer er ist, aber er weiß nicht, wer ihr seid. Machet wenigstens in der Dunkelheit die Bekanntschaft. Noch nicht einmal den Ofen hat man geheizt ... Fräulein Christine Drohojowska und Fräulein Barbara Jesiorkowska. Mein Mann ist ihr Vormund und verwaltet ihren Besitz, und sie wohnen bei uns, denn sie sind Waisen. So junge Mädchen aber können nicht allein wohnen.«

Während die Frau Truchseß sprach, verneigte sich Wolodyjowski auf Soldatenart; die jungen Damen faßten mit den Fingern ihr Kleid, machten beide einen Knix, wobei Fräulein Jesiorkowska den Kopf zurückwarf wie ein junges Füllen.

»Laßt uns einsteigen und fahren!« sagte er. — »Mit mir wohnt Herr Sagloba, und ich habe ihn gebeten, das Abendessen anrichten zu lassen.«

»Der berühmte Herr Sagloba?« fragte plötzlich Fräulein Jesiorkowska.

»Sei ruhig, Bärbchen,« sagte Frau Truchseß; »ich fürchte nur, es wird Umstände geben.«

»Wenn Herr Sagloba sich um das Abendbrot kümmert,« versetzte der kleine Ritter, »so reicht es aus, und wenn wir auch zweimal so viele kämen. Laßt die Kisten heraustragen; ich habe auch einen kleinen Wagen für die Sachen, und Ketlings Wagen ist so geräumig, daß wir zu vieren bequem Platz finden. Wißt ihr, was mir einfällt? Wenn die Burschen keine Trunkenbolde sind, so könnten sie mit den Pferden und mit den großen Sachen bis morgen hierbleiben, und wir nehmen nur das Notwendigste mit.«

»Es ist gar nicht nötig, daß sie hierbleiben,« antwortete die Frau Truchseß; »die Wagen sind noch nicht abgeladen, sie brauchen nur die Pferde vorzuspannen und können sofort weiterfahren. Bärbchen, geh doch und sieh nach ihnen!«

Fräulein Jesiorkowska sprang in den Flur, und wenige Minuten später kam sie mit der Mitteilung, daß alles bereit sei.

»Es ist auch Zeit,« sagte Wolodyjowski. Bald saßen sie im Wagen und fuhren nach Mokotow; die Frau Truchseß und Fräulein Drohojowska nahmen den Hintersitz ein, vorne hatte der kleine Ritter neben Fräulein Jesiorkowska Platz genommen. Es war schon finster; er konnte also ihre Gesichter nicht sehen.

»Die Damen kennen Warschau?« fragte er, sich zu Fräulein Drohojowska vorneigend und die Stimme erhebend, um den Lärm des Wagens zu übertönen.

»Nein,« sagte sie mit einer tiefen aber wohlklingenden Stimme. »Wir sind wahre Kleinstädter und kennen bisher weder berühmte Städte noch berühmte Menschen.« Dabei neigte sie ihr Köpfchen ein wenig, als wollte sie damit anzeigen, daß sie zu diesen letzteren auch Herrn Wolodyjowski zähle. Er aber nahm die Antwort dankbar entgegen. »Ein artiges Mädchen!« dachte er und zerbrach sich bald den Kopf, mit welchem Kompliment er erwidern könne.

»Wäre diese Stadt noch zehnmal so groß als sie ist,« sagte er endlich, »so könnten doch die Damen immer noch ihren schönsten Schmuck bilden.«

»Und woher wißt Ihr das im Finstern?« fragte plötzlich Fräulein Jesiorkowska.

»Ei, das ist eine Ziege!« dachte Wolodyjowski.

Aber er erwiderte nichts, und sie fuhren eine Zeitlang schweigend dahin. Dann wandte sich Fräulein Jesiorkowska wieder an den kleinen Ritter:

»Wißt Ihr nicht, ob dort in den Ställen Raum genug ist? Denn wir haben zehn Pferde und zwei Füllen.«

»Und wenn es auch dreißig wären, Raum wird sich schon finden.«

Das Fräulein aber machte ungläubig: »Fi! Fi!«

»Bärbchen!« sagte Frau Truchseß im verweisenden Tone.

»Ja, ja, Bärbchen, und wer hat sonst den ganzen Tag für die Pferde gesorgt?«

So miteinander plaudernd waren sie vor Ketlings Hause angekommen.

Alle Fenster waren schon hell erleuchtet zum Empfang der Frau Truchseß. Die Dienerschaft eilte heraus, Sagloba an der Spitze; er sprang an den Wagen heran, und da er die Frauen erblickte, sagte er bald:

»In welcher der Damen habe ich die Ehre, meine besondere Wohltäterin zu erblicken, die Schwester meines besten Freundes Michael?«

»Das bin ich,« antwortete die Frau Truchseß.

Da ergriff Sagloba ihre Hand und begann sie eilig zu küssen, indem er immer wiederholte:

»Meine Reverenz, meine Reverenz!«

Dann half er ihr aus dem Wagen steigen und führte sie mit großer Liebenswürdigkeit und mit Kratzfüßen in den Flur.

»Es sei mir verstattet, noch einmal jenseits der Schwelle den Willkommengruß zu bieten,« sagte er unterwegs.

Inzwischen half Michael den jungen Mädchen aussteigen. Da der Wagen aber hoch war, und der Tritt im Finstern schwer zu finden, so umfaßte er Fräulein Drohojowska, hob sie in die Höhe und ließ sie vor sich auf die Erde nieder. Sie aber lehnte, ohne sich zu stützen, einen Augenblick mit ihrer Brust an der seinigen und sagte:

»Ich danke Euch, Herr.«

Wolodyjowski wandte sich jetzt zu Fräulein Jesiorkowska; sie war aber schon auf der anderen Seite des Wagens herabgesprungen. Er bot also seinen Arm Fräulein Drohojowska. Im Zimmer erfolgte die Bekanntschaft mit Herrn Sagloba, der beim Anblick der beiden jungen Mädchen in vortreffliche Laune kam und gleich zum Abendbrot bat. Schon dampften die Schüsseln auf dem Tische, und wie Michael vorausgesehen hatte, war alles in so reichem Maße vorhanden, daß es auch für zweimal soviel Personen ausgereicht haben würde.

Sie setzten sich also. Die Frau Truchseß nahm den obersten Platz ein, neben ihr zur Rechten Sagloba und neben diesem Fräulein Jesiorkowska. Wolodyjowski setzte sich zur Linken neben Fräulein Drohojowska.

Hier erst konnte der kleine Ritter die Mädchen näher betrachten. Beide waren hübsch, jede in ihrer Weise. Fräulein Drohojowska hatte rabenschwarzes Haar, ebensolche Augenbrauen, große, blaue Augen, eine weiche, blasse, so zarte Gesichtsfarbe, daß man an den Schläfen die blauen Äderchen durchsah. Ein kaum bemerkbarer dunkler Flaum bedeckte die Oberlippe und ließ die lieblichen, reizvollen Lippen hervortreten, die wie zum Kuß gestaltet waren. Sie war in Trauer, denn sie hatte vor kurzem den Vater verloren, und die Farbe ihrer Tracht gab ihr bei der Zartheit ihres Gesichts und den schwarzen Haaren einen gewissen Schein des Leids, der Trauer und der Strenge. Beim ersten Anblick erschien sie älter als ihre Genossin, und erst, da er sie genauer betrachtete, bemerkte Michael, daß das Blut der ersten Jugend unter dieser durchsichtigen Haut rann. Je näher er sie betrachtete, desto mehr bewunderte er die Vornehmheit ihrer Erscheinung, den Schwanenhals, den schlanken Gliederbau voll jungfräulichen Reizes.

»Das ist eine vornehme Dame,« dachte er, »die eine herrliche Seele haben muß; die andere dafür ist ein wahrer Bursche!«

Der Vergleich war treffend.

Fräulein Jesiorkowska war um viele Jahre älter als Fräulein Drohojowska; sie war überhaupt zierlich, wenn auch nicht hager, rot wie eine Rosenknospe, mit blondem Haar; ihr Haar war offenbar nach einer Krankheit abgeschnitten und unter einem goldenen Netz verborgen. Aber diese Haare saßen auf einem unruhigen Köpfchen und wollten sich auch nicht ruhig verhalten; immer sahen sie mit den Enden durch alle Maschen des Netzes heraus und bildeten über der Stirn einen ungeordneten hellen Schopf, der bis auf die Brauen herunterfiel, was bei den feurigen, unruhigen Augen und der herausfordernden Miene dieses rosigen Gesichtchens an das Aussehen eines Schulknaben erinnerte, der nur darauf lauert, ungestraft einen Streich zu vollführen. Sie war so hübsch und frisch, daß man kaum die Blicke von ihr wenden konnte. Sie hatte ein feines Stumpfnäschen mit beweglichen, beständig tätigen Nasenflügeln, Grübchen in den Wangen und ein Grübchen am Kinn — Anzeichen eines heiteren Wesens. Aber jetzt saß sie ernst da und ließ sich's wohl schmecken, während ihre Augen umherschweiften, bald um Herrn Sagloba, bald um Herrn Wolodyjowski zu betrachten, die sie mit fast kindlicher Neugier wie Wunderdinge ansah.

Wolodyjowski schwieg, denn obgleich er empfand, daß er die Pflicht habe, Fräulein Drohojowska zu unterhalten, wußte er doch nicht, womit er anfangen solle. Der kleine Ritter war überhaupt nicht geschickt im Umgang mit Frauen, und jetzt war ihm die Seele um so trauriger, als die Mädchen ihm lebhaft die geliebte Verstorbene ins Gedächtnis zurückriefen.

Sagloba indes unterhielt die Frau Truchseß, indem er ihr von seinen und von Michaels Taten erzählte. Mitten im Abendbrot kam er auf die Erzählung, wie er einst mit der jungen Fürstin Kurzewitsch und mit Rzendzian zu vieren vor einer ganzen Tatarenschar floh, und wie er endlich, um die Fürstin zu retten und die Verfolgung abzuhalten, sich zu zweit auf die Schar gestürzt habe.

Fräulein Jesiorkowska vergaß das Essen ganz; sie stützte ihr Kinn auf die Hand und horchte auf, indem ihr Stirnhaar sich bewegte, ihre Augen blinzelten und ihre Finger bei den interessantesten Stellen schnalzten.

»Aha, aha,« wiederholte sie, »und dann, und dann?«

Bis er zu der Stelle kam, wo Kuschels Dragoner plötzlich zu Hilfe geeilt kamen, den Tataren im Nacken saßen und sie eine halbe Meile weit niederschlugen — da konnte es Fräulein Jesiorkowska nicht länger aushalten. Sie schlug aus voller Kraft die Hände zusammen und rief:

»Da wäre ich für mein Leben gern dabei gewesen!«

»Baschka!«[E] rief die wohlbeleibte Frau Makowiezka mit ausgeprägtem russischen Accent, »du bist ja hier unter feinen Leuten, du mußt dir solche Worte abgewöhnen: für mein Leben. Es hätte nur noch gefehlt, daß du gesagt hättest: daß mich eine Kugel treffe!«

Das Mädchen lachte mit einem frischen, silberhellen Lachen und schlug sich plötzlich auf die Knie.

»Ei, daß mich eine Kugel treffe, Tantchen!«

»Du lieber Gott, die Ohren tun mir weh! Bitte die ganze Gesellschaft um Verzeihung!« rief die Frau Truchseß.

Da sprang Baschka, da sie ihre Abbitte bei der Frau Truchseß beginnen wollte, von ihrem Platze auf, warf aber zugleich Messer und Löffel unter den Tisch und verschwand sogleich hinterher, um sie aufzuheben.

Die rundliche Frau Truchseß konnte ihr Lachen nicht mehr zurückhalten, und sie hatte ein seltsames Lachen. Denn erst begann sie sich zu schütteln und lebhaft hin und her zu wiegen, und dann piepste sie mit dünner Stimme. Alle wurden heiter, Sagloba war entzückt.

»Seht, meine Herren, was ich mit diesem Mädchen durchmache,« wiederholte die Frau Truchseß und schüttelte sich.

»Ein wahres Entzücken, so wahr ich lebe!« sagte Sagloba.

Inzwischen war Baschka unter dem Tisch hervorgekrochen; Löffel und Messer hatte sie gefunden, aber sie hatte das Netz vom Kopfe verloren, das Haar fiel ihr über die Augen.

Sie richtete sich gerade auf, bewegte die Nasenflügel und sagte:

»Aha, die Herrschaften lachen über meine Verwirrung?«

»Niemand lacht,« sagte Sagloba im Tone der Überzeugung, »niemand lacht! Wir freuen uns nur, daß uns Gott in Eurer Person Freude gesandt hat.«

Nach dem Abendbrot gingen sie in das Wohnzimmer. Als Fräulein Drohojowska dort die Laute an der Wand bemerkte, nahm sie sie herab und fing an zu klimpern. Wolodyjowski bat sie, zur Laute zu singen. Sie antwortete mit Einfachheit und Liebenswürdigkeit:

»Sehr gern, wenn ich vermag, die Sorge aus Eurer Seele zu verscheuchen.«

»Ich danke,« antwortete der kleine Ritter und erhob seine Augen dankbar zu ihr.

Kurz darauf ertönte der Gesang:

»O glaubet, Ihr Ritter,

Wohl gehet in Splitter

Auch Panzer und Stahl,

Durch Eisen und Schilde

Trifft Amor der Wilde

Ins Herz — ohne Wahl!«

»Ich weiß wirklich nicht, wie ich Euch danken soll,« sagte Sagloba, der in der Nähe der Frau Truchseß saß und beständig ihre Hände küßte, »weil Ihr selbst gekommen seid, und weil Ihr so artige Mädchen mitgebracht habt, daß die Grazien selber ihre Zofen sein könnten. Ganz besonders ist mir der kleine Heiduck ans Herz gewachsen, denn die Schelmin versteht so vortrefflich, trübe Gedanken zu verjagen, wie der Fuchs das Wiesel. Denn was sind trübe Gedanken anders als Mäuse, welche die Körner der Fröhlichkeit zernagen, die in unserem Herzen aufgehen sollten? Ihr müßt nämlich wissen, verehrte Frau, daß unser alter König Johann Kasimir meine comparationes so gerne hatte, daß er nicht einen Tag ohne dieselben sein konnte. Ich mußte auch Parabeln und weise Maximen für ihn ersinnen, die er sich immer vor Nacht wiederholen ließ, und nach welchen er seine Politik richtete. Aber das ist eine andere Materie. Ich habe das Vertrauen, daß auch unser Michael bei solchem Ergötzen sein unglückseliges Mädchen ganz und gar vergißt; Ihr wißt nicht, verehrte Frau, daß ich ihn erst vor einer Woche von den Kamaldulensern herausgeholt habe, wo er schon das Gelübde leisten wollte. Aber ich habe mir die Erlaubnis des Nuntius selber ausgewirkt, der dem Prior ansagte, daß er das ganze Kloster zu den Dragonern stecken würde, wenn sie den Michael nicht sofort herausgäben. Er gehörte nicht dorthin ... Gott sei Dank, Gott sei Dank, ich kenne ihn! Wenn nicht heute, so wird morgen eine von diesen beiden solche Funken aus ihm schlagen, daß davon das Herz wie ein Schwämmchen sich entzündet.« Inzwischen sang Fräulein Drohojowska weiter:

»Und muß vor den Streichen

Des Lockeren weichen

Der tapfere Mann —

Die hilflosen Frauen

Erfüllet mit Grauen

Der kleine Tyrann.«

»Die Frauen fürchten diese Wunden so wie der Hund den Speck,« flüsterte Sagloba der Frau Truchseß zu; »aber gesteht, daß Ihr diese beiden Vögelchen nicht ohne verborgene Absichten mit hierhergebracht habt. Prächtige Mädchen, besonders der kleine Heiduck! Bei meinem Leben, Michael hat ein schlaues Schwesterchen, was?«

Frau Makowiezka machte wirklich ein sehr schlaues Gesicht, das übrigens gar nicht zu ihrem einfältigen, redlichen Aussehen paßte, und sagte:

»Man hat so über dies und jenes nachgedacht, wie es uns Frauen ja gewöhnlich nicht an Schlauheit fehlt. Mein Mann soll hier zur Wahl herkommen, und ich habe die Mädchen vorher mitgenommen, weil die Tataren jeden Augenblick kommen können. Sollte aber daraus etwas Glückliches für Michael entstehen, so gelobe ich eine Wallfahrt zu Fuß zu einem Wunderbilde.«

»Es wird geschehen,« sagte Sagloba.

»Beide Mädchen sind aus großem Hause, beide vermögend, und das bedeutet etwas bei den heutigen schweren Zeiten ...«

»Mir brauchte man so etwas nicht zweimal zu sagen. Michaels Vermögen hat der Krieg verzehrt, obwohl ich weiß, daß er ein paar Groschen bei großen Herren stehen hat. Wir haben manchmal ausgezeichnete Beute gemacht, und obgleich das dem Hetman abgeliefert wurde, so wurde doch manches davon geteilt, wie man bei uns Soldaten sagt, frisch vom Säbel weg. Auf Michaels Teil kam manchmal so viel, daß, wenn er alles hätte aufbewahren wollen, er heute ein schönes Vermögen hätte. Aber der Soldat denkt nicht an das Morgen und genießt das Heut', und Michael hätte alles durchgebracht, wenn ich ihn nicht immer zurückgehalten hätte. Ihr sagt also, gnädige Frau, daß die Mädchen von hohem Stande seien?«

»In der Drohojowska fließt Senatorenblut. Zwar unsere Grenzkastellane sind nicht gerade Krakauer, und es gibt manchen, von dem man in der Republik nicht spricht; aber wer doch einmal auf dem Senatorenstuhl gesessen hat, der vererbt auch seinen Glanz seinen Nachkommen. Was aber die Ahnen betrifft, so steht die Jesiorkowska fast noch höher als die Drohojowska ...«

»Ich bitte, bitte, ich selbst leite meinen Stammbaum von einem Könige der Massageten her, und darum höre ich gern von Stammbäumen.«

»Aus einem so hohen Neste ist nun die Jesiorkowska nicht, aber wenn Ihr hören wollt ... denn wir hier von unseren Gegenden können jedermanns Haus an den Fingern herzählen ... Nun, sie ist eine Verwandte der Potozkis, der Jaslowizkis und der Laschtschs. Seht, das war so ...«

Hier richtete die Frau Truchseß die Falten ihres Kleides und setzte sich bequemer, um in der beliebten Erzählung sich nicht unterbrechen zu müssen; dann breitete sie die Finger der einen Hand aus, bereitete den Zeigefinger der anderen zur Aufzählung der Urväter und Urmütter vor und begann:

»Die Tochter des Herrn Jakob Potozki, Elisabeth, von seiner zweiten Frau Jaslowizka, heiratete Herrn Johann Smiotanko, den Bannerträger von Podolien ...«

»Ich hab's mir gemerkt,« sagte Sagloba.

»Aus dieser Ehe wurde Herr Nikolaus Smiotanko geboren, gleichfalls Bannerträger von Podolien.«

»Hm, schönes Amt.«

»Dieser war verheiratet in erster Ehe mit Dorohosto ... nein, mit einer Roschynska ... nein, mit einer Woronitsch ... ei daß doch, ich hab's vergessen!«

»Gott hab' sie selig, wie sie auch geheißen hat,« sagte Sagloba ernst.

»In zweiter Ehe heiratete er eine Laschtsch.«

»Welches waren die Konsequenzen dieser Ehe?«

»Die Söhne starben ihnen.«

»Jede Freude dieser Welt ist zweifelhaft.«

»Und von den vier Töchtern hat die jüngste, Anna, einen Jesiorkowski geheiratet, der zuletzt, wenn ich nicht irre, Schwertträger von Podolien war.«

»Ja, das war er, ich erinnere mich,« sagte Sagloba mit voller Sicherheit.

»Aus dieser Ehe, seht Ihr, stammt Baschka.«

»Ich erkenne das auch daraus, daß sie in diesem Augenblick mit Ketlings Mörser zielt.«

Fräulein Drohojowska und der kleine Ritter waren im tiefen Gespräch, und Fräulein Baschka zielte wirklich zum Vergnügen mit dem Mörser in der Richtung des Fensters.

Frau Makowiezka begann bei diesem Anblick zu zittern und zu kreischen.

»Sie können sich gar nicht vorstellen, was ich mit diesem Mädchen leide; der reine Heidemak!«

»Wenn doch alle Heidemaken so wären — ich ginge bald zu ihnen.«

»Sie hat nichts im Kopf als Waffen, Pferde, Krieg. Einmal lief sie aus dem Hause zur Jagd auf Enten mit der Flinte. Sie kommt mitten in das Röhricht und sieht, das Röhricht bewegt sich auseinander, und der Kopf eines Tataren taucht auf, der sich durch das Röhricht in das Dorf schleichen wollte. Eine andere wäre erschrocken, aber das Ding, — wie es Euch losschießt, und der Tatar, patsch! ins Wasser auf der Stelle. Denkt Euch, sie hat ihn hingestreckt! Und womit? Mit Entenschrot!«

Hier begann Frau Makowiezka wieder sich zu schütteln und zu lachen über das Abenteuer mit dem Tataren; dann fügte sie hinzu:

»Aber was wahr ist: sie hat uns alle gerettet, denn es war eine ganze Schar im Anzuge. Da sie aber zurückkam und Alarm schlug, hatten wir Zeit, mit dem ganzen Gesinde in den Wald zu flüchten. Bei uns geht's immer so.«

Saglobas Gesicht glänzte in solchem Entzücken, daß er sogar einen Augenblick das Auge schloß; dann sprang er auf, eilte zu dem Mädchen hin und küßte es, ehe es sich's versah, auf die Stirn.

»Das von einem alten Soldaten für den Tataren im Röhricht!« sagte er.

Das Mädchen warf kühn seinen blonden Kopf zurück.

»Was? Ich habe es ihm eingetränkt!« rief es mit seiner frischen Kinderstimme, die so seltsam klang bei dem Inhalt ihrer Worte.

»Du mein lieber, kleiner Heidemak!« sagte Sagloba gefühlvoll.

»Aber was bedeutet so ein Tatar! Ihr Herren habt ihrer tausend niedergehauen, und Schweden und Deutsche und die Ungarn Rakoczys! Was bedeute ich neben euch, neben solchen Rittern, die ihresgleichen in der ganzen Republik nicht haben. Ich weiß wohl, oho!«

»Wir lehren Euch den Degen führen, wenn Ihr solchen Mut habt. Ich bin schon ein wenig schwerfällig; aber Michael, er ist auch ein Meister.«

Das Mädchen sprang bei diesem Vorschlag in die Höhe, dann küßte es Sagloba auf den Arm, knickste dem kleinen Ritter zu und sagte: »Ich danke für das Versprechen! — ein wenig kann ich's schon.«

Wolodyjowski aber war im tiefen Gespräch mit Christine Drohojowska; er antwortete daher zerstreut:

»Wie Ihr befehlt, mein Fräulein.«

Sagloba setzte sich wieder mit strahlendem Gesicht zur Frau Truchseß.

»Meine liebe gnädige Frau,« sagte er, »ich weiß sehr wohl, wie süß türkische Früchte sind, denn ich habe lange Jahre in Stambul gehaust; aber auch das weiß ich, daß es viele gibt, die ihrer begehren. Wie kommt es, daß noch niemand dieses Mädchen begehrt hat?«

»Du lieber Gott, es gibt die Menge, die beiden den Hof machten. Baschka nennen wir im Scherz die Witwe von drei Männern, denn drei würdige Kavaliere haben gleichzeitig um sie gefreit, alles Edelleute aus unserer Gegend, Besitzer, deren verwandtschaftliche Beziehungen ich Euch auch ganz genau nennen kann.«

Bei diesen Worten breitete die Frau Truchseß wieder die Finger ihrer linken Hand aus und legte den Zeigefinger der Rechten an. Sagloba aber fragte so schnell als möglich:

»Und was ist aus ihnen geworden?«

»Alle drei haben im Kriege ihr Leben gelassen, deshalb nennen wir Bärbchen auch die Witwe.«

»Seht, das ist bei uns etwas Alltägliches, und selten erreicht jemand bei uns ein hohes Alter und stirbt eines natürlichen Todes. Man sagt sogar, es zieme einem Edelmann gar nicht anders, als auf dem Schlachtfelde zu sterben. Wie Bärbchen das ertragen hat?«

»Sie hat ein wenig geweint, die Arme, am meisten im Stall, denn wenn sie etwas quält, so pflegt sie immer in den Stall zu gehen. Ich ging ihr also einmal nach und fragte: »Wem gelten deine Tränen?« und sie antwortete: »Allen dreien.« Aus der Antwort konnte ich bald merken, daß ihr keiner besonders ans Herz gewachsen war. Und so denke ich auch, da ihr Kopf noch mit anderen Dingen voll ist, fühlt sie noch gar nicht den Willen Gottes. Christine schon mehr, aber Bärbchen nicht im entferntesten.«

»Sie wird ihn fühlen,« sagte Sagloba, »wir verstehen das am besten; sie wird ihn fühlen, sie wird ihn fühlen!«

»Das ist unsere Bestimmung,« antwortete die Frau Truchseß.

»Das eben ist es, Ihr habt mir diese Worte aus dem Munde genommen!«

Das weitere Gespräch unterbrach die Annäherung der jüngeren Gesellschaft. Der kleine Ritter hatte schon alle Verlegenheit Christinen gegenüber abgelegt, und sie beschäftigte sich offenbar aus Herzensgüte mit ihm und mit seinem Leide, wie ein Arzt sich mit einem Kranken beschäftigt, und vielleicht erwies sie ihm gerade darum mehr Freundlichkeit, als ihre kurze Bekanntschaft sonst gestattet hätte. Da aber Michael ein Bruder der Frau Truchseß war, und das Mädchen eine Verwandte ihres Mannes, so wunderte das niemand. Bärbchen indessen blieb gewissermaßen beiseite, nur Sagloba schenkte ihr seine beständige Aufmerksamkeit; im übrigen schien ihr das alles gleichgültig zu sein, ob sich jemand mit ihr beschäftige oder nicht. Anfangs betrachtete sie beide Ritter mit Bewunderung; aber mit gleicher Bewunderung betrachtete sie auch Ketlings prächtige Waffen, die an den Wänden herumhingen. Dann begann sie ein wenig zu gähnen, dann fielen ihr die Augen immer mehr und mehr zu, und endlich sagte sie: »Wenn ich mich jetzt schlafen lege, so wache ich gewiß nicht vor übermorgen auf.«

Nach diesen Worten trennten sich bald alle, denn die Frauen waren sehr wegmüde und warteten nur auf die Herrichtung der Betten. Als Sagloba sich endlich mit Wolodyjowski allein befand, begann er erst vielsagend mit den Augen zu zwinkern, dann traktierte er den kleinen Ritter mit einem Hagel leichter Rippenstöße.

»Michael, was Michael — he? Wie die Rüben! Was? Mönch willst du werden? Was? Und die Drohojowska, die zuckersüße Rübe, und der kleine Heiduck, der rosige, was sagst du dazu, Michael?«

»Was? — nichts!« antwortete der kleine Ritter.

»Ganz besonders hat mir der kleine Heiduck gefallen. Das kann ich dir sagen, als ich beim Abendessen neben ihr saß, schlug mir von ihr eine solche Glut entgegen wie vom Ofen.«

»Sie ist eine wilde Ziege! Die andere ist doch gesetzter.«

»Die Drohojowska ist eine ungarische Flamme, eine echte ungarische Flamme! Aber die andere ist eine kleine Ruß; bei Gott, wenn ich Zähne hätte ... ich will sagen, wenn ich eine solche Tochter hätte — nur dir würde ich sie geben! Eine süße Mandel, sage ich dir, eine süße Mandel!«

Wolodyjowski wurde plötzlich traurig, denn ihm kamen die Kosenamen in Erinnerung, welche Sagloba Ännchen Borschobohota zu geben pflegte; wie lebend stand sie plötzlich vor seinem geistigen Auge: ihre Gestalt, ihr zierliches Gesicht, ihre dunklen Zöpfe, ihre Heiterkeit, ihr Geplauder, ihr Blick. Diese beiden waren jünger, aber die andere war ihm doch zehnmal lieber als alle jüngeren.

Der kleine Ritter verbarg das Gesicht in den Händen, und es erfaßte ihn eine Traurigkeit, die um so größer war, als sie unerwartet kam.

Sagloba war erstaunt; eine Zeitlang schwieg er und blickte unruhig um sich, endlich sagte er:

»Michael, was ist dir? Sprich um Gottes willen!«

Wolodyjowski sprach: »So viele leben, so viele sind in der Welt, nur mein Lämmchen ist nicht da, nur sie allein werde ich nimmer wiedersehen!«

Dann raubte der Schmerz ihm die Stimme, er stützte die Stirn auf die Lehne der Bank und hauchte durch die schmerzlich zusammengezogenen Lippen:

»Gott, Gott, Gott!«

Fräulein Bärbchen ließ jedoch Wolodyjowski nicht locker, daß er sie das »Fechten« lehre, und er sagte nicht Nein, denn nach wenigen Tagen, wenn er auch Fräulein Drohojowska immer lieber hatte, gewann er doch auch Bärbchen sehr lieb; es war aber auch nicht gut möglich, sie nicht gern zu haben.

Eines Morgens begann denn auch der erste Unterricht, hauptsächlich durch Bärbchens Ruhmredigkeit hervorgerufen und durch ihre Versicherungen, daß sie diese Kunst schon recht gut verstehe, und daß nicht jeder Beliebige ihr standhalten könne.

»Alte Soldaten waren meine Lehrer,« sagte sie, »an denen ist bei uns kein Mangel, und es ist doch bekannt, daß nichts über unsere Fechter geht ... ja, es ist noch eine Frage, ob ihr Herren dort nicht euresgleichen finden würdet.«

»Was Ihr sagt, Fräulein!« rief Sagloba. »Wir haben in der ganzen Welt nicht unseresgleichen.«

»Ich wünschte, es zeigte sich, daß ich euresgleichen bin; ich hoffe es nicht, aber ich wünschte es.«

»Im Schießen aus dem Terzerol würde auch ich mich versuchen,« sagte Frau Makowiezka lächelnd.

»Bei Gott, es wohnen wohl lauter Amazonen in Euren Gegenden?« sagte Sagloba. Und er wandte sich an Fräulein Drohojowska: »Und welche Waffe führt Ihr am besten, mein Fräulein?«

»Gar keine,« antwortete Fräulein Christine.

»Aha, gar keine!« rief Bärbchen und begann zu singen, indem sie Christinen spöttelnd nachahmte:

»O glaubet, Ihr Ritter,

es geht in Splitter

Wohl Panzer und Stahl,

Durch Eisen und Schilde

Trifft Amor der Wilde

Ins Herz — ohne Wahl.«

»Das ist die Waffe, die Ihr führt. Fürchtet euch nicht,« fügte sie hinzu, zu Wolodyjowski und Sagloba gewendet, »sie ist auch kein übler Kämpfer.«

»Legt aus, Fräulein,« sagte Michael, um eine kleine Verwirrung zu verbergen.

»Bei Gott, wenn sich jetzt zeigte, was ich denke,« rief Bärbchen und wurde rot vor Freude.

Und sie nahm sofort ihre Stellung ein, einen leichten polnischen Säbel in der Rechten, die linke Hand auf den Rücken gelegt, die Brust heraus, den Kopf hoch, die Nasenflügel lebhaft bewegend und war so hübsch und rosig, daß Sagloba der Frau Truchseß zuflüsterte:

»Keine Flasche, und sei sie mit hundertjährigem Ungar gefüllt, würde mich so mit ihrem Anblick entzücken.«

»Gebt acht, Fräulein,« sagte Wolodyjowski, »ich werde mich nur verteidigen, nicht schlagen. Ihr, Fräulein, greift an, wie es Euch gefällt.«

»Gut, wenn Ihr wollt, daß ich aufhöre, so sagt nur ein Wörtchen.«

»Es könnte auch so aufhören, wenn ich nur wollte.«

»Wieso, was?«

»Einem solchen Kämpfer würde ich leicht das Säbelchen aus der Hand schlagen.«

»Wir werden sehen.«

»Wir werden es nicht sehen, denn ich werde es aus Höflichkeit nicht tun.«

»Es bedarf keiner Höflichkeit, tut es nur, wenn Ihr es könnt. Ich weiß, daß ich weniger kann als Ihr, aber das laß ich doch nicht geschehen.«

»Ihr gestattet also?«

»Ich gestatte.«

»Laßt das doch, geliebter kleiner Heiduck,« sagte Sagloba, »er hat es mit dem größten Meister aufgenommen.«

»Wir werden sehen,« wiederholte Bärbchen.

»Fangen wir an,« sagte Wolodyjowski, ein wenig unwillig über das Selbstlob des Mädchens.

Sie fingen an.

Bärbchen schlug mächtig zu und hüpfte dabei wie ein Heupferdchen. Wolodyjowski stand fest auf seinem Platze und machte nach seiner Gewohnheit kleine, kurze Bewegungen mit dem Degen, nicht besonders auf den Angriff achtend.

»Ihr wehrt Euch gegen mich wie gegen eine lästige Fliege!« rief Bärbchen gereizt.

»Ich nehme es nicht mit Euch auf, ich unterrichte Euch nur,« erwiderte der kleine Ritter. »Sehr gut so, für ein weibliches Wesen gar nicht übel; ruhiger mit der Hand!«

»Für ein weibliches Wesen? Dies, mein Herr, für das weibliche Wesen! So! Und so!«

Aber Michael blieb, obwohl Bärbchen ihre vorzüglichsten Streiche geführt hatte, ruhig und unbewegt, er fing sogar absichtlich mit Sagloba zu plaudern an, um zu zeigen, wie wenig er sich um ihre Hiebe kümmere.

»Geht doch vom Fenster fort, denn dem Fräulein ist's zu finster, und wenn auch der Säbel größer ist als eine Nadel, so hat das Fräulein doch weniger Erfahrung mit dem Säbel als mit der Nadel.«

Bärbchens Nasenflügel bewegten sich noch aufgeregter hin und her, und ihr Stirnhaar fiel ganz über die blitzenden Äuglein.

»Ihr spottet meiner?« fragte sie schwer atmend.

»Nicht über Eure Person, Gott bewahre!«

»Ich kann Herrn Michael nicht leiden!«

»Da hast du deinen Lohn, Schulmeister,« antwortete der kleine Ritter.

Dann wandte er sich wieder zu Sagloba.

»Wahrhaftig, es beginnt zu schneien!«

»Schnee — Schnee — Schnee!« wiederholte Bärbchen höhnisch.

»Genug, Bärbchen, du kannst kaum noch atmen!« warf Frau Truchseß ein.

»Nun, Fräulein, haltet den Degen fest, sonst schlage ich ihn aus der Hand.«

»Das werden wir sehen!«

»Jetzt!«

Und der kleine Säbel entflog wie ein Vogel Bärbchens Händen und fiel klirrend in der Entfernung am Ofen nieder.

»Das habe ich von selbst getan, unwillkürlich, das ist nicht Euer Werk!« rief das Mädchen unter Tränen, ergriff im Augenblick den Degen und begann von neuem:

»Versucht es jetzt!«

»Nun wohl,« sagte Michael.

Und wieder lag der kleine Säbel am Ofen.

Michael aber sagte: »Genug für heute!«

Die Frau Truchseß begann zu zittern und zu kreischen, lauter noch als gewöhnlich; Bärbchen aber stand in der Mitte des Zimmers, verwirrt, verblüfft, schwer atmend und biß sich in die Lippen, um die Tränen zu unterdrücken, die sich mit Macht in ihre Augen drängten; sie wußte, daß man noch mehr lachen würde, wenn sie in Weinen ausbrechen würde, und wollte es durchaus unterdrücken; da sie aber sah, daß sie es nicht vermochte, stürzte sie plötzlich aus dem Zimmer.

»Bei Gott,« rief die Frau Truchseß, »sie ist gewiß in den Stall entflohen, und sie ist so erhitzt; sie wird sich noch eine Erkältung zuziehen. Man muß ihr nach; Christinchen, bleibe hier!«

Mit diesen Worten ging sie hinaus, ergriff ein warmes Jäckchen im Flur und lief damit in den Stall. Sagloba folgte ihr, besorgt um seinen kleinen Heiducken. Auch Fräulein Drohojowska wollte hinauslaufen, aber der kleine Ritter ergriff sie bei der Hand.

»Ihr habt doch den Befehl gehört, Fräulein? Ich lasse diese Hand nicht los, ehe sie wiederkommen.«

Und in der Tat ließ er sie nicht los. Die Hand war wie Atlas weich; Herr Michael fühlte einen warmen Strom aus diesen warmen Fingern in seinen Körper hinüberfließen und empfand ein ungewöhnliches Wohlbehagen. Darum hielt er sie nur noch fester.

Ein leichtes Rot huschte über Christinens dunkles Gesicht.

»Ihr haltet mich wie eine Gefangene, die man den Ungläubigen abgejagt hat,« sagte sie.

»Wer eine solche Gefangene gemacht hätte, brauchte auch den Sultan nicht zu beneiden, und der Sultan gäbe gern sein halbes Reich für sie.«

»Aber Ihr würdet mich den Ungläubigen nicht verkaufen?«

»So wenig, wie ich meine Seele dem Teufel verkaufen würde.«

Hier bemerkte Michael, daß der Eifer des Augenblicks ihn zu weit führe, und verbesserte sich:

»So wenig, wie ich meine Schwester verkaufen würde.«

Und Fräulein Drohojowska sagte ernst:

»Das habt Ihr getroffen, Herr! Eine Schwester bin ich der Frau Truchseß in der Liebe, ich will auch die Eure sein.«

»Ich danke Euch von Herzen,« sagte Michael und küßte ihre Hand, »denn ich bedarf des Trostes gar sehr.«

»Ich weiß, ich weiß,« wiederholte das Mädchen, »auch ich bin eine Waise.«

Hier fiel eine Träne von ihrer Wange und setzte sich auf den kleinen Flaum über ihrem Munde.

Und Wolodyjowski sah das Tränlein, den leicht beschatteten Mund und sagte:

»Sie sind so gut, gerade wie ein Engel! Mir ist schon leichter.«

Christine lächelte süß.

»Gebe Gott!«

»Wahrhaftig!«

Dabei empfand der kleine Ritter, daß, wenn er ihre Hand noch einmal küssen würde, ihm desto leichter wäre, aber in diesem Augenblick trat Frau Makowiezka ins Zimmer. »Bärbchen hat die Jacke genommen,« sagte sie, »aber sie ist in solcher Verwirrung, daß sie um nichts in der Welt hereinkommen will; Sagloba jagt sie im ganzen Stall herum.«

Sagloba hatte nicht bloß unter beständigem Trösten und Zureden Bärbchen im ganzen Stall herumgejagt, sondern sie endlich auch in den Hof hinausgedrängt, in der Hoffnung, sie desto schneller zur Rückkehr ins warme Zimmer zu überreden. Sie entwand sich ihm aber und wiederholte:

»Ich gehe gerade nicht, wenn ich mich auch erkälten soll, ich gehe nicht, ich gehe gerade nicht!«

Endlich, da sie am Hause eine Leiter erblickte, sprang sie hinauf wie ein Eichkätzchen und machte erst am Rande des Daches Halt. Dort ließ sie sich nieder und rief zu Herrn Sagloba gewandt halb lachend: »Gut, ich will hineingehen, wenn Ihr mir nachklettern wollt.«

»Aber bin ich denn ein Kater, kleiner Heiduck, daß ich mit dir auf den Dächern herumklettern soll? So vergiltst du mir, daß ich dich liebe?«

»Ich liebe Euch auch, aber nur vom Dache.«

»Totreden kann man sich mit dem Mädchen! So klettere doch gleich herunter!«

»Ich klettere nicht herunter!«

»Lächerlich, bei Gott! Etwas sich so zu Herzen zu nehmen! Nicht dir, Wieselchen, allein, sondern dem Kmiziz, der als ein Meister unter den Meistern gilt, hat Wolodyjowski dasselbe getan, und nicht zum Scherz, sondern im Zweikampf. Ihm haben die berühmtesten Kämpfer in Italien, Deutschland und Schweden nicht länger als wenige Minuten standhalten können, und nun will sich so ein Kiekindiewelt die Besiegung so zu Herzen nehmen. Pfui, schäme dich, komm' herunter, komm' herunter, du lernst doch erst.«

»Aber Herrn Michael kann ich nicht leiden.«

»Ach, rede nicht; weil er der Exquisitissimus ist in dem, was du selbst lernen möchtest, müßte er dir desto teurer sein.«

Sagloba hatte sich nicht geirrt. Bärbchens Begeisterung für den kleinen Ritter war trotz ihrer Beschämung im Wachsen; aber sie antwortete:

»Mag ihn Christel gern haben!«

»Komm' herunter, komm' herunter!«

»Ich komme nicht herunter!«

»Gut, so bleib' sitzen; ich will dir nur sagen, daß es gar nicht hübsch ist für ein junges Mädchen, auf der Leiter zu sitzen, denn das kann der Welt einen lustigen Anblick geben!«

»Das ist nicht wahr!« sagte Bärbchen und ordnete den Überwurf mit den Händen.

»Ich Alter werde mir die Augen nicht aussehen, aber ich will bald die anderen alle herrufen, die werden sich schön wundern.«

»Ich komme schon herunter!« rief Bärbchen.

In diesem Augenblick wandte sich Sagloba seitwärts in das Haus.

»Bei Gott, es kommt jemand!« sagte er.

In der Tat kam um die Ecke herum der junge Herr Nowowiejski, der eben zu Pferde angekommen war. Er hatte das Pferd an die Seitenpforte gebunden, ging um das Haus herum, in der Absicht, durch die Haupttür einzutreten.

Als Bärbchen ihn erblickte, war sie mit zwei Sätzen unten, aber es war schon zu spät gewesen. Herr Nowowiejski hatte sie von der Leiter springen sehen, er blieb verwirrt, erstaunt stehen und wurde rot wie ein junges Mädchen. Bärbchen stand ebenso vor ihm. Plötzlich rief sie: »Ein zweiter Reinfall.«

Sagloba, höchlichst erheitert, blinzelte eine Weile mit seinem gesunden Auge; endlich sagte er:

»Herr Nowowiejski, unseres Michael Freund und Unterkommandant, und dies ist Fräulein Kletterowska ... ei ... ich wollte sagen Jesiorkowska!«

Nowowiejski war schnell zu sich gekommen, und da er trotz seiner Jugend ein Soldat von scharfem Verstande war, neigte er sich, richtete seine Augen auf die wundervolle Erscheinung und sagte:

»Bei Gott, in Ketlings Garten blühen Rosen im Schnee.«

Bärbchen knickste und murmelte für sich hin: »Für eine andere Nase als für die deine.« Dann sagte sie mit Anmut: »Ich bitte näherzutreten!«

Sie selbst eilte voraus, stürzte schnell ins Zimmer, in welchem Michael und die ganze andere Gesellschaft saß, und rief, mit einer Anspielung auf den roten Oberrock Nowowiejskis:

»Ein Gimpel ist ins Haus geflogen!«

Dann setzte sie sich auf ein Bänkchen, legte die Hände in den Schoß und schloß das Mündchen, wie es einem bescheidenen, wohlerzogenen Mädchen ziemt.

Herr Michael stellte seinen jungen Freund seiner Schwester und Fräulein Drohojowska vor; dieser aber wurde, da er das zweite Fräulein bemerkte, das zwar ganz anders geartet, aber ebenfalls sehr schön war, zum zweiten Male verwirrt; er verbarg das aber mit einer Verbeugung und griff, um sich Mut zu machen, mit der Hand nach dem Schnurrbart, der ihm noch nicht recht wachsen wollte. Er drehte mit den Fingern über der Lippe, wandte sich an Wolodyjowski, Herr Hetman begehre sehr, den kleinen Ritter zu sehen. Soviel Herr Nowowiejski erraten könne, handle es sich um eine militärische Funktion; der Hetman habe nämlich soeben einige Briefe empfangen, und zwar von Herrn Wiltschkowski, von Herrn Silnizki, von dem Hauptmann Piwo und von anderen Kommandanten, die in der Ukraine und in Podolien standen, mit Nachrichten über Ereignisse in der Krim, die nichts Gutes verkündeten.

»Der Khan selbst und der Sultan Galga, die mit uns bei Podhaize Verträge geschlossen,« fuhr Nowowiejski fort, »wollen die Verträge halten; aber der Budschiak regt sich wie ein Bienenstock; die Horde von Bialogrod wogt hin und her, sie wollen weder dem Khan noch dem Galga gehorsamen....«

»Das hat mir schon Herr Sobieski anvertraut und mich um Rat gefragt,« sagte Sagloba. »Was sagt man jetzt dort vom Frühling?«

»Man sagt, daß mit dem ersten Grase dieses Gezücht sich sicherlich regen wird, das man wieder wird zertreten müssen,« antwortete Nowowiejski.

Bei diesen Worten machte er ein furchtbar martialisches Gesicht und begann sein Schnauzbärtchen zu drehen, so daß ihm die Oberlippe ganz rot wurde.

Bärbchen, die sehr scharf beobachtete, hatte das gleich bemerkt; sie zog sich also ein wenig zurück, damit sie Herr Nowowiejski nicht sehe, und begann ebenfalls den Bart zu drehen, indem sie dem jugendlichen Ritter nachahmte.

Die Frau Truchseß rief sie sofort mit den Augen zur Ordnung. Aber gleichzeitig begann sie auch sich hin und her zu schütteln und unterdrückte mühsam ein Lachen; auch Herr Michael biß sich in die Lippen, und Fräulein Drohojowska senkte die Augen, so daß ihre langen Wimpern einen förmlichen Schatten auf ihre Wangen warfen.

»Ihr seid ein junger Mann,« sagte Sagloba, »aber ein erfahrener Soldat.«

»Ich bin zweiundzwanzig Jahre alt und diene ohne Ruhmredigkeit sieben Jahre dem Vaterlande, denn ich bin in meinem fünfzehnten der Schulbank entlaufen aufs Schlachtfeld,« antwortete der Jüngling.

»Die Steppe kennt er, und durch das hohe Gras versteht er zu schleichen, und auf die Feinde stürzt er wie der Falke auf das Schneehuhn,« fügte Wolodyjowski hinzu — »ein Scharmützler ersten Ranges! Ihm entgeht der Tatar in der Steppe nicht.«

Herr Nowowiejski erglühte vor Freude, daß ihm Lob aus so berühmtem Munde in Gegenwart der Damen gezollt wurde.

Er war überdies nicht bloß ein Steppenhabicht, sondern auch ein schöner Bursche, dunkelwangig, sturmgebräunt. Im Gesicht hatte er eine Narbe vom Ohr bis zur Nase, die von dem Hiebe von der einen Seite dünner war als von der anderen. Sein Blick war scharf, gewohnt, in die Ferne zu sehen, über den Augen hatte er tiefschwarze Brauen, die über der Nasenwurzel zusammengewachsen waren und wie der Bogen eines Tataren aussahen. Auf dem glattrasierten Vorderkopf starrte ein schwarzer, unförmlicher Schopf. Bärbchen gefiel er in Rede und Gestalt, trotzdem hörte sie nicht auf, ihm nachzuahmen.

»Ich bitte,« sagte Sagloba, »wenn man alt ist wie ich, sieht man gern, daß ein junges Geschlecht aufwächst, das unser würdig ist.«

»Noch ist es nicht würdig,« versetzte Nowowiejski.

»Ich lobe auch die Bescheidenheit; es wird nicht lange dauern, so wird man Euch kleinere Kommandos anvertrauen.«

»Wie,« rief Michael, »er war schon oft Kommandant und hat auf eigene Faust gesiegt.«

Herr Nowowiejski begann seinen Bart zu drehen, daß er sich fast die Lippe abriß.

Bärbchen aber, die kein Auge von ihm ließ, erhob ebenfalls beide Hände zum Gesicht und ahmte ihm in allem nach.

Aber der kluge Soldat hatte bald bemerkt, daß die Blicke der ganzen Gesellschaft sich nach der Seite wandten, dorthin, wo ein wenig hinter ihm das Mädchen saß, das er auf der Leiter gesehen hatte, und er erriet unschwer, daß es dort irgend etwas gegen ihn im Schilde führen müsse.

Scheinbar ganz achtlos plauderte er also weiter und suchte wie bisher nach seinem Barte; endlich aber, nachdem er den richtigen Augenblick gefunden, wandte er sich schnell um, so daß Bärbchen nicht Zeit fand, die Augen zu senken, noch die Hände vom Gesicht zu nehmen.

Sie errötete über und über, und ohne zu wissen, was sie tun sollte, erhob sie sich von ihrem Platze. Alle Anwesenden waren ein wenig verwirrt, und es trat eine Pause ein.

Plötzlich schlug Bärbchen mit den Händen auf das Kleid. Das war der dritte Reinfall!? »Zum drittenmal hineingefallen!« rief sie mit ihrer silbernen Stimme.

»Mein verehrtes Fräulein,« sagte lebhaft Nowowiejski, »ich habe längst bemerkt, daß hinter meinem Rücken etwas vorgeht. Ich gestehe gern, daß ich mich nach einem Bärtchen sehne, aber wenn ich es nicht erleben sollte, so würde es darum geschehen, weil ich vorher den Tod fürs Vaterland finde, und in diesem Falle hoffe ich, werde ich eher Tränen als Lachen bei Euch verdient haben.«

Bärbchen stand, die Augen zu Boden gerichtet, da, durch die aufrichtigen Worte des Jünglings tief beschämt.

»Ihr müßt ihr verzeihen,« sagte Sagloba, »sie ist ausgelassen, weil sie jung ist — aber ein goldenes Herz!«

Und, wie um Saglobas Worte zu bestätigen, sagte sie gleich leise:

»Ich bitte um Verzeihung ... sehr ...«

Herr Nowowiejski aber ergriff in diesem Augenblicke ihre Hand und begann sie zu küssen.

»Du lieber Gott, nehmt es Euch doch nicht zu Herzen, ich bin ja kein Barbarus. Mir ziemt es, Euch abzubitten, weil ich gewagt habe, Euch Euer Vergnügen zu stören. Wir Soldaten haben ja selbst die Ausgelassenheit gern! Mea culpa! Ich küsse noch einmal diese Händchen, und wenn ich sie so lange küssen darf, bis Ihr mir verziehen habt, so verzeiht mir — bei den Wundern Gottes — nicht vor dem Abend.«

»Welch ein höflicher junger Mann; siehst du, Bärbchen?« sagte Frau Makowiezka.

»Ich sehe,« antwortete Bärbchen.

»Nun ist's jedenfalls gut!« rief Herr Nowowiejski. Er richtete sich auf und griff aus Gewohnheit kühn an seinen Bart, aber bald überlegte er sich's und brach in lautes Lachen aus; Bärbchen folgte ihm, und die anderen folgten Bärbchen. Alle ergriff die Heiterkeit. Sagloba ließ gleich eine Flasche nach der anderen aus Ketlings Keller bringen, und sie taten sich gütlich. Herr Nowowiejski schlug mit den Sporen aneinander, richtete seinen Schopf mit den Fingern in die Höhe, immer feurigere Blicke auf Bärbchen werfend. Sie gefiel ihm ausnehmend. Er wurde auch ungewöhnlich beredt, und da er in der Nähe des Hetman lebte und die große Welt kannte, wußte er auch etwas zu erzählen.

Er erzählte auch von dem Wahlreichstag, von seinem Ende, auch davon, wie der Ofen mitten unter den neugierigen Arbeitern im Senatorenzimmer zum größten Gaudium aller eingestürzt sei. Nach dem Mittag endlich reiste er ab, die Augen und das Herz erfüllt von Bärbchen.

Der kleine Ritter (Herr Wolodyjowski)

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