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Noch 29 Wochen

I.

Der Tag nach der Scheidung war furchtbar. Ich hatte ein schlechtes Gewissen und wusste nicht, aber auch gar nicht, mit mir anzufangen. Meine Krebserkrankung und das baldige Ende meines Daseins machten mich so zornig, dass ich es jetzt nicht mehr erwarten konnte, mit Doris loszufahren. Gut, dass Doris in ihrer eigenen Wohnung geblieben war; ich hätte sie heute nicht ertragen können.

Nach meinem Selbstgespräch, oder besser gesagt, nach meiner Selbsterkenntnis packte ich meinen kleinen Koffer für die Kreuzfahrt.

In meinem Schrank befanden sich nicht mehr viele saubere Unterwäscheteile.

Ich verstaute noch drei weiße Hemden und zwei karierte Flanellhemden, eine Jeans und eine Cordhose. Danach hatte ich keine Lust mehr zum Packen und trank noch eine Flasche Champagner. Im Kühlschrank fand ich noch eine Palette Räucherlachs und etwas Käse. „Was will man mehr, Champagner, Lachs und einen guten Ziegenkäse?“, sinnierte ich und versuchte einzuschlafen.

Es war bereits neun Uhr, als ich wach wurde.

Auf dem Anrufbeantworter leuchtete die Zahl drei. Alle drei Anrufe stammten von Doris. Ich hatte das Telefon leise gestellt und deshalb das Läuten nicht gehört, wollte es auch nicht hören. Die drei Anrufe löschte ich, ohne sie abgehört zu haben.

Der Kühlschrank war gestern Abend leer geworden, sodass ich mir nur eine Tasse Kaffee machen konnte. Noch vor dem ersten Schluck klingelte das Telefon. Doris wollte wissen, wann ich bei ihr sein würde.

„Ich fahre in einer viertel Stunde los“, antwortete ich ihr.

Auf der Autobahn wurde Doris ruhiger. Sie wollte unbedingt, dass ich das „Navi“ einschalte. Ich konnte ihr nicht verständlich machen, dass man auf einer Autobahn kein Navi benötige, weil die Staumeldungen ohnehin im Radio gesendet würden und es meist sinnlos sei, einen Stau weiträumig zu umfahren.

„Und woher weißt Du, wohin Du fahren musst?“, fragte sie.

Meine Antwort, dass ich doch die Wegweiser immer noch selbst lesen könne und dafür keinen Vorleser brauche, überzeugte sie nicht. Schließlich gab ich nach, um meine Ruhe zu haben. Ich hatte allerdings den Ton abgeschaltet, sodass auch Doris bald nicht mehr auf die Anzeige des „Navi“ schaute.

Gegen Mittag passierten wir das Frankfurter Kreuz und Doris war mit ihrem Make-up endlich fertig; dafür begann sie, wieder laut zu reden.

Ich war mir sicher, dass sie das Schminken und laute Reden auch dann nicht gelassen hätte, wenn sie gewusst hätte, wie mich das nervt.

Helene hatte sich kaum geschminkt, war ruhig und gab nur gescheites Zeug von sich.

Hinter Heidelberg schlief Doris endlich mit offenem Mund ein.

Ich gab mir Mühe, sehr gleichmäßig zu fahren, damit sie recht lange schlafen und ich sie so einige Zeit ertragen konnte.

Am Kaiserstuhl wurde sie wach und wir hielten an der nächsten Raststätte.

Ich hatte immer noch nicht begriffen, dass man zuerst pinkeln gehen muss, um danach den Kaffee mit dem Pinkelbon zu bezahlen.

Doris hatte schon oft versucht, mir das plausibel zu machen. Mir war dieses Ritual zu blöd. Wenn ich pinkeln muss, dann muss ich Pinkeln, und wenn ich einen Kaffee will, kaufe ich mir einen Kaffee.

Doris hatte ja recht, dass man das Pinkelgeld gleich wieder zu Kaffee machen könne, bevor man den Bon verlöre. In letzter Zeit wollte ich aber irgendwie nicht mehr das machen, was Doris vorschlug.

Nach der Weiterfahrt war ich gedankenverloren.

Bevor ich weiter sinnieren konnte, wurden im Autoradio die aktuellen Fußballergebnisse bekannt gegeben. Ich hatte für den Moment vergessen, dass Doris ein großer Fußballfan war und man sich mit ihr überhaupt nicht mehr vernünftig unterhalten konnte, wenn es um Fußball ging. Die Vita jedes Spielers war ihr bekannt. Sie kannte jede Kleinigkeit von „ihrer“ Mannschaft, insbesondere was und wie es der Trainer ausdrückte.

Mir fiel wieder der Kommentar eines meiner Beisitzer ein: „Aber immerhin „chapeau!“ vor den Trainern, die es schafften, eine Gruppe nicht gerade hochbegabter und meist noch spät pubertierender jüngerer Männer dazu zu bringen, auf dem Spielfeld das zu tun, was sie, die Trainer, wollen. Das führt dann auch noch dazu, dass zigtausend Fans in den Vereinsfarben gekleidet, brüllend oder singend in Jubelstürme oder Buhrufe ausbrechen und nach dem Spiel fachkundig diskutieren. Dabei sind sie dann die größten Fachleute aller Zeiten und wissen zu analysieren, was wer falsch oder richtig gemacht hat und wie viele Millionen der einzelne Spieler bei objektiver Betrachtung wert ist. Selbst der Schiedsrichter wird dabei nicht ausgenommen.“

Und dann fiel mir noch der typische Satz ein: „Wir hätten ja gewonnen, wenn nicht ...“

„Eine merkwürdige Massenpsychose bescheidener Intelligenzen ist das doch“, sagte ich mir und dachte dabei daran, dass schon die Alten Römer die Massen durch Brot und Spiele in Schach halten konnten.

Anfangs unserer Beziehung fand ich es lustig; eine erwachsene Frau mit solchen Eigenschaften. Doch bald wurde es immer unerträglicher. Das waren schon schizophrene Züge und jetzt entsetzte mich dieses infantile Gehabe, sodass ich immer öfter ihre Nähe mied, wenn ihre Mannschaft spielte oder Fußballzeit war.

Berufsbedingt hatte ich mir ein extremes Kurzzeitgedächtnis antrainiert, weil man ja sonst nicht mehrere Verfahren am Tage verhandeln konnte.

Diese Eigenschaft führte aber auch dazu, dass ich mir nicht merken konnte oder wollte, wie ihre Lieblingsmannschaft hieß und wie die Ergebnisse der letzten Spiele und der Tabellenstand waren.

Wenn ich es recht bedenke, war das ein Hauptgrund dafür, dass wir uns alsbald auseinandergelebt und kaum noch gemeinsame Interessen hatten.

Als ich so in meinen Gedanken versunken weiterfuhr, wurde die Fußballberichterstattung durch eine aktuelle Verkehrsmeldung unterbrochen. Irgendwo lief ein Hund auf der Autobahn herum und die Autofahrer wurden deshalb gewarnt.

Doris regte sich furchtbar darüber auf, dass wegen eines Köters die Liveübertragung der Fußballspiele unterbrochen werden musste.

Mir hingegen wurde bewusst, wie mobil unsere Gesellschaft geworden ist und wie wichtig uns diese Mobilität war, sodass der heutige Autofahrer schon vor einem Hund als Hindernis gewarnt werden musste.

Die Fußballberichterstattung ging weiter und ich überlegte, wie lange man wohl früher mit der Postkutsche bis Marseille gebraucht hätte? Eine solche Reise war bestimmt weniger anstrengend als die gerade laufende Radiosendung.

„Diese Frau ist nicht nur von bescheidener Intelligenz, sondern auch noch anstrengend. Warum verbringe ich eigentlich meine letzten Tage mit ihr?“, fragte ich mich und rechnete, dass die Kreuzfahrt mit Hin- und Rückreise ungefähr gute zwei Wochen, also ein Fünfzehntel meines restlichen Daseins, ausmachen würde.

Die Franzosen sagen: „Elle travaille du chapeau!“, was auf Deutsch so viel bedeutet wie: Bei der ist eine Schraube locker.

Vor der Grenze fiel mir wieder ein, dass Doris noch nie in Frankreich war.

„Hoffentlich nervt sie mich nicht noch mehr“, dachte ich mir.

Es kam wie befürchtet.

Jede Schilderbeschriftung musste ich übersetzen und alles erklären. Bei den Erklärungen war ich recht großzügig, weil sie es ohnehin nicht kontrollieren konnte.

Ich erinnerte mich an meinen ersten Frankreichaufenthalt. Mein Französisch war schlecht und ich war von allem so begeistert, dass ich alles durcheinanderbrachte. Doris aber stellte nur dumme Fragen.

Als ich ihr erklärte, dass man im Französischen das „e“ ohne Apostroph in aller Regel nicht aussprechen würde, fragte sie mich doch allen Ernstes, warum die Franzosen es schreiben würden, wenn sie es doch nicht aussprächen. Dann könnten sie es doch auch weglassen.

Was sollte man auf eine solche Frage antworten? Mir fiel nur die sarkastische Bemerkung ein, dass die Franzosen im Gegensatz zu den Deutschen eine ungebildete Nation seien, was Doris ohne Widerspruch hinnahm.

Ich versuchte ihr noch zu erklären, dass sich in Frankreich im Grunde alles nur um das Essen drehen würde und dass man sagt, dass der Deutsche isst, um zu arbeiten und der Franzose arbeitet, um zu essen. Ein gutes Essen gehöre ganz einfach zur französischen Lebensart. Es bringe traditionell alle Familienmitglieder an einem Tisch zusammen, nicht nur um gemeinsam die Speisen zu teilen, sondern bei einem mehrgängigen Menü auch der Kultur zu frönen. Wenn sich zwei Franzosen treffen, würde alsbald und ganz selbstverständlich über Essen und Trinken geredet. Das gemeinsame Essen und Trinken sei eine Zeit, die klügere Menschen zur Optimierung ihrer Sinne und Fertigkeiten nutzten. Weniger helle Köpfe füllten beim Essen lediglich den leeren Magen und beseitigten so ihr Hungergefühl. In Deutschland sei das Essen nur eine reine Nahrungsaufnahme. Die Franzosen hingegen lebten nach der Devise: „Mais il faut bien manger et boire, pour vivre.“ Doris hatte die Übersetzung nicht verstanden, dass die Franzosen gut essen und trinken müssten, um zu leben. Mir wurde wieder klar, wie einfältig diese Frau war und ich dachte mir: „Sie ist doch die typische Reisegruppentouristin. Diese Leute buchen ihre Reisen mit einem Reisführer und lassen sich in recht kurzer Zeit durch das fremde Land führen. Für sie es nicht notwendig, die fremde Sprache wenigstens auch nur teilweise zu verstehen, weil sich der Reiseführer ja um alles kümmert; sogar um das, was man zu besichtigen hat. Dabei sind sie stolz auf die „Freizeit“, die man bei solchen Reisen ebenfalls genießen kann. In dieser Zeit der individuellen Gestaltung der Reise irren sie dann ziellos in der Gegend oder Stadt herum oder setzen sich in das nächste Café. Zu Hause berichten sie dann stolz, dass sie jetzt das fremde Land kennen und ihre Vorurteile bestätigt sind.“

Was sollte ich Doris von Frankreich, den Lebensgewohnheiten der Menschen oder den Sehenswürdigkeiten groß erzählen? Sie wollte doch nur recht schnell nach Marseille und auf das Kreuzfahrtschiff.

„Warum tue ich mir das in meinen letzen Tagen noch an?“, fragte ich mich erneut, wäre fast zornig über mich selbst geworden und verglich Doris unweigerlich wieder mit Helene.

Sie hätte bestimmt gesagt, dass sie und ich für den Kreuzfahrtpreis für das westliche Mittelmeer gerade einmal bis Genua gekommen und dort hängen geblieben wären, weil 14 Tage nicht ausgereicht hätten, Genua einigermaßen kennenzulernen.

Ein französischer Freund hatte Helene und mir einmal erklärt, dass er die Deutschen nicht verstehen könnte.

Je weiter man nach Norden oder Osten käme, je kohliger würde die Suppe und kartoffeliger der Hauptgang. So könnte doch kein vernünftiger Mensch überleben.

Außerdem habe er in Deutschland von den Hausfrauen oft den Satz gehört, dass sie nicht wüssten, was sie heute kochen sollten. Er wundere sich heute noch über eine solche Frage und ein solches Problem der deutschen Frauen. In Frankreich seien solche Fragen und Probleme unbekannt.

Ich ließ es sein, Doris dies zu erzählen. Sie hätte mich ohnehin nur unverständlich angeschaut und vielleicht laut gesagt, dass ich spinnen würde.

Von Lyon war sie allerdings begeistert. Ich hatte nicht die Périphérie genommen, sondern benutzte die Stadtautobahn.

Wie immer befuhr ich die „alte Soleil“, weil man zunächst einen herrlichen Blick über das Stadtviertel an der Schleife des „Quai Joseph Gillet“ hat.

Danach durchfuhr ich die beiden riesigen Tunnels.

Im „Vieux Lyon Quarantaine“ machte ich Doris darauf aufmerksam, dass wir fast in Höhe der zweiten Etage an den alten Stadthäusern vorbeiführen.

Doris beachtete das Stadtviertel unmittelbar an der Rhône mit dem Gefängnis und den Markthallen nicht mehr richtig.

Als wir Lyon, also auch das fürchterliche Feyzin, verlassen hatten und uns wieder auf der „richtigen Autoroute du Soleil“, der A 7, befanden, musste ich ihretwegen dringend den nächsten Parkplatz ansteuern.

In Montélimar hatte ich keine Lust mehr, weiter zu fahren.

Doris wollte jedoch noch weiter und erst in der Nähe von Marseille übernachten, damit wir auch ja nicht das Kreuzfahrtschiff, das ja erst am Montag, also übermorgen, in See stechen sollte, verpassen würden.

Mir war nicht nach einer Diskussion und ich fuhr einfach von der Autobahn ab und steuerte eines der praktischen Hotels unmittelbar nach der Ausfahrt an.

Diese Hotelketten unterhalten saubere motelähnliche Unterkünfte. In der Woche sind sie zwar fast immer ausgebucht, doch am Wochenende übernachten kaum Geschäftsreisende.

Für alle diejenigen, die der französischen Sprache nicht mächtig sind, gibt es die Möglichkeit mithilfe der Kreditkarte an einem Automaten, an dem man fast alle gängigen Sprachen wählen kann, einzuchecken. Der Schlüssel fällt in eine Ablage und man geht in sein Zimmer.

Am Morgen kann man das Hotel einfach und ohne Worte verlassen, es sei denn, man frühstückt noch. Aber auch das Frühstück kann man wortlos mit seiner Kreditkarte bezahlen und fährt ausgeruht weiter.

Ich hingegen checke stets an der Rezeption ein, weil ich ein Zimmer mit zwei Betten brauche. Das französische Doppelbett mit einer durchgehenden Zudecke ist mir ein Grauen. Alles ist straff untergeschlagen. Hat man es endlich geschafft, die Decke von der Matratze zu befreien, geht der Kampf der beiden Schläfer um dieses Ding erst richtig los. Morgens ist man dann wie gerädert.

Außerdem halten diese Hotels meist typische lokale Gerichte bereit. Dieses preiswerte Essen ist zwar nicht jedermanns Geschmack, doch ich liebe es und bin selten enttäuscht worden.

„Ein anderes Land kann man doch nur dann wirklich kennenlernen, wenn man sich nach Landessitte durchisst und durchtrinkt“, ist meine Devise.

„Man kommt doch auch nicht auf die Idee, in einer oberbayrischen Dorfkneipe Austern zu bestellen, nur weil man solche Muscheln gern isst, oder?“, hätte Helene mich ergänzt.

„Das ist also eines Deiner gelobten französischen Hotels?“, fragte Doris und ich überlegte:

„Was sollte ich ihr darauf antworten? Für sie besteht ein Restaurant oder Hotel nur aus purem Luxus. Dabei ist es ihr egal, ob alles nur vorgespielt wird oder nicht. Hauptsache, sie ist der Mittelpunkt und das Personal behandelt sie wie eine Diva.“

Helene war auf Reisen das genaue Gegenteil. Vor Urlaubsantritt ließ sie sich die Haare ganz kurz schneiden, zog Jeans, ein T-Shirt und Turnschuhe an.

Nur die Augen zog sie mit einem Stift ganz leicht nach, benutzte sonst keine anderen Schminkmittel oder gar Parfüm.

Sie hatte auf unseren Fahrten auch den Vorschlag gemacht, in diesen Motels auf der Anfahrt zum eigentlichen Urlaubsgebiet zu übernachten.

„Man kommt spät an, ist müde und will nur eine Kleinigkeit essen, duschen und bequem schlafen. Da nervt doch ein normaler Hotelbetrieb nur“, war ihre Devise.

Sie hatte ja so recht und war auf Reisen eine so angenehme Begleiterin.

Im Restaurant, das nur über die Rezeption zu erreichen war, ging Doris gezielt auf das Buffet zu, nahm sich ziellos die ihrer Meinung nach teuersten Speisen und kam zum Tisch, den ich in der Zwischenzeit ausgesucht hatte.

„Willst Du denn nichts essen? Am Buffet gibt es leckere Sachen, aber Du müsstest Dich beeilen, weil schon einige Platten leer sind“, empfahl sie mir ganz weltfraulich.

„Warum konnte Helene nicht hier sein und mir die mit Kreide über dem Tresen aufgeschriebenen Empfehlungen des Tages vorlesen?“, dachte ich und wurde ganz traurig.

Ich konnte ohne Brille die Handschrift des Kochs nie richtig lesen und Helene machte sich einen Spaß daraus, mir einiges „verkehrt“ vorzulesen.

Plötzlich stand der Koch hinter dem Tresen und ich konnte ihn fragen, ohne mich mit dem Lesen zu mühen, zumal es lokale Begriffe waren, die ich meist nicht richtig übersetzen konnte.

Der Koch empfahl als Vorspeise saure Kutteln und danach in einer Rettich/Weißweinsoße gekochtes Ochsenfleisch.

„Nehmen Sie dazu einen trockenen weißen Cote du Rhône“, empfahl er weiter und ging in die Küche zurück, um meine Bestellung zuzubereiten.

Helene wäre von meiner Bestellung begeistert gewesen, Doris hingegen überkam ein leichtes Ekelgefühl.

Nach dem Essen machte ich mich zuerst bettfertig und zog einen Schlafanzug mit langer Hose an, damit mein Bein nicht zu sehen war.

Doris brauchte im Bad fast eine Stunde, um ihre Tagesbemalung zu entfernen.

In dieser Zeit war ich bereits das erste Mal eingeschlafen. Als sie endlich fertig war und sich zu Bett legte, sah man deutlich den Unterschied ihres Aussehens bei Tag und für die Nacht.

„Eigentlich ist das gar nicht so schlecht, wenn man zwei unterschiedliche Frauen hat. Nur welche ist ansehnlicher. Bei Tag ist sie bunt und bei Nacht aschfahl und der Hals hat eine Reptilienhaut. Gut, dass sie nicht auch noch die dritten Zähne aus dem Mund nimmt“, überlegte ich und tat so, als wenn ich schlafen würde, um mich nicht auch noch unterhalten zu müssen.

Helene sah am Tag genauso aus wie in der Nacht. Ihre Abendtoilette dauerte kaum länger als die Meinige. Zähneputzen und ausgiebig duschen. An mehr konnte ich mich nicht erinnern.

Wenn sie statt Doris jetzt hier gewesen wäre, hätten wir uns vielleicht über das Schminken der Frauen unterhalten und bestimmt festgestellt, dass Frauen von Natur aus gar nicht hässlich seien. Es käme nur darauf an, wie man Hässlichkeit definieren müsse.

Indem sich Frauen mit Farbe beschmieren, würden sie doch nur ihre natürliche Schönheit übertünchen und sich damit eigentlich unansehnlich machen.

„Und warum haben sich Frauen bereits in vorgeschichtlicher Zeit schon bemalt?“, hätte ich gefragt und Helene hätte vielleicht - oder ganz bestimmt - geantwortet, dass es zwar richtig wäre, dass das Verzieren des eigenen Körpers so alt wie die Menschheit sei. Nur wurde dies im Rahmen des damaligen Fruchtbarkeitskultes zelebriert und hätte nur schamanischen und rituellen Zwecken gedient.

Und bestimmt hätten wir beide gehofft, dass es nicht auch noch modern würde, sich zu skarifizieren.

Weil ich wieder an Helene dachte, konnte ich nicht sofort wieder einschlafen.

Jetzt musste ich auch noch an die Sprüche meines Beisitzers Gehrich denken und hätte fast gelacht, statt mich schlafend zu stellen.

In einer Beratung hatte Gehrich süffisant erzählt, dass seine jetzige Putzfrau vor ihrer Anstellung in seinem Haushalt Verkäuferin in einem Parfümgeschäft gewesen sei.

Es war damals zu einer kurzen Unterhaltung über Schönheit der Frauen gekommen. Meine andere Beisitzerin - ihren Namen habe ich schon vergessen - hatte bemerkt, dass doch die Frauen im Rokoko sich auffallen schöngemacht hätten, was doch gar nicht so schlecht gewesen sei. Und bestimmt seien die Schminkmittel wasserfest gewesen, weil sie lachen oder weinen konnten, ohne dass die Wimpertusche über die Wangen gelaufen wäre.

Gehrich, der Scherzbold der Kammer, hatte ihr darauf geantwortet, dass das zutreffend sei. Doch die Männer hätten nicht diese Frauen gepoppt, sondern die Mägde.

Die Beisitzerin war von dieser Äußerung so echauffiert, dass sie die Beratung unter Protest verlassen hatte und beim Herausgehen zu Gehrich sagte: „Herr Kollege, wo bleibt die aura academia?“

„Mir fehlt nicht nur meine kluge Helene, sondern auch das lose Mundwerk des Kollegen Gehrich“, dachte ich und schlief ein, ohne Doris noch einmal angesehen und ohne ihr eine gute Nacht gewünscht zu haben.

Am nächsten Tag, dem Sonntag, war genügend Zeit, weil es bis Marseille eigentlich gar nicht

Doris ließ sich überreden, nur bis Salon-de-Provence zu fahren und auch dort nur in einem ähnlichen Hotel wie in Montélimar zu übernachten.

Ich hatte ihr erklären können, erst am Montag bis zum Ende der A7 in Marseille, im Stadtteil Saint-Lazare, zu fahren; dort das Auto in einem Parkhaus abzustellen und dann ein Taxi bis zur Anlegestelle des Kreuzfahrtschiffes, der Môle Léon Gourret, zu nehmen.

II.

Am Check-in-Schalter des Kreuzfahrtschiffes übernahm Doris die Regie.

Zum Glück hatte sie bereits vieles online erledigt.

„Wo ist Dein Koffer?“, fragte sie mich.

Dabei hatte ich meinen Koffer doch in der Hand und ihre zwei Koffer standen neben uns.

Nach langem Hin und Her stellte sie entsetzt fest, dass ich meine Sachen für eine Kreuzfahrt niemals in meinem kleinen Koffer verstaut haben könnte.

Die Koffer wurden mit Namensschildern und der Nummer unserer Kabine versehen. Irgendwelche Arbeiter nahmen das Gepäck entgegen und nun wurden unsere Reisepapiere wie an einem Flughafen kontrolliert.

Doris und auch ich bekamen je eine Cruise-Card und konnten nun auf das Schiff.

Erstaunlicherweise fand sich Doris sofort zurecht; ich hingegen hatte Orientierungsschwierigkeiten. Die engen langen Gänge mit den vielen Kabinentüren erinnerten mich an die modernen Riesenhotels in Berlin.

Gut, dass wir eine Außenkabine mit Balkon gebucht hatten.

Ohne Balkon hätte ich bestimmt Platzangst bekommen. Zwei Betten, ein Sofa und ein Sessel mit Tisch auf vielleicht 20 qm Kabinenfläche waren gewöhnungsbedürftig. Der Balkon vermittelte aber das Gefühl, in einem größeren Käfig zu sein.

Mein Beisitzer Ernst Gehrich hatte mir vor meinem Urlaub den Rat gegeben, nicht mit einem deutschen Kreuzfahrtschiff zu fahren.

Er war ein ganz brillanter Zivilrechtler und der Witzbold in der Kammer. Er wusste nicht nur auf juristischem Gebiet sehr viel, sondern behauptete, auch sonst alles zu kennen und zu wissen. Wenn man jedoch nachfragte, gab es alsbald ein riesiges Gelächter.

So behauptete dieser Gehrich auch, dass man in Deutschland eine Kreuzfahrt nur „all-inclusive“ buchen könne. Es gäbe lediglich die Möglichkeit, ein bestimmtes Getränkepaket zu wählen. Französische Anbieter hingegen würden eine Art Individualkreuzfahrt verkaufen.

Auf meine Frage, ob er denn schon einmal eine Kreuzfahrt unternommen hätte, erklärte er in der ihm eigenen Art, dass dies zwar nicht der Fall sei, er aber einen kennen würde, der einen kenne, der das ganz genau wisse.

Nach dem üblichen Gelächter dozierte er, dass sein Nachbar, der Horst Schindler, mehrmals im Jahr eine Kreuzfahrt unternehmen würde, weil ihn sein Reisebüro immer dann anriefe, wenn nicht alle Plätze verkauft worden seien, und er dann einen Sonderpreis bekäme. So sei er zwischenzeitlich der Experte für Kreuzfahrten geworden, und würde sogar manchmal vom Kapitän beim Einchecken persönlich begrüßt. Der Kapitän kenne zwar seinen Namen nicht, sage aber immer, dass er ihm bekannt vorkäme.

Also der Horst schwöre auf „all-inclusiv“, weil man sich um nichts zu kümmern brauche und alles vor den Arsch gemacht bekäme. Bei den Getränken sei es aber problematisch, weil es nur ein Billigpaket und ein Exclusivpaket gebe. Bei Letzterem bekäme man anstatt der Billigweine zum Beispiel ausgesuchte und sehr gute französische Landweine. Wenn man beim Personal jedoch bekannt sei oder dem Kellner außerplanmäßig einen Euro zustecke, bekäme man trotz der Buchung des billigen Getränkepaketes schon ab und zu einmal einen sehr teuren Landwein.

Schindler Horst würde auch nicht immer an den Büffets teilnehmen, sondern ab und zu in einem Restaurant des Schiffes essen. Dort würde man ganz individuell bedient, obwohl man das gleiche Essen wie am Büffet bekäme. Nur die Getränke müsse man extra bezahlen und vor allen Dingen rechtzeitig einen Tisch reservieren. Es ginge also auch ganz individuell.

„Ja, und was hat das nun mit einem französischen Kreuzfahrtschiff zu tun?“, fragte ich amüsiert den Beisitzer.

Der Horst, der kenne einen anderen Kreuzfahrer, der allerdings arm dran sei, weil er sich nicht unterordnen könne. Und dieser Kumpel hätte herausgefunden, dass man dann, wenn man die Reise über ein französisches Reisebüro und auf einem französischen Schiff buche, auch „nicht all-inclusive“ buchen könnte. Es sei dann zum Beispiel möglich, nur das Galadinner am ersten Tag und das Kapitänsdinner am letzten Tag mit zu buchen. An den restlichen Tagen nehme dieser arrogante und unmögliche Kumpel, der ja keine Ahnung hätte, sein individuell gestaltetes Menü in einem der Restaurants ein und ginge nicht zur Massenfütterung. Zu diesen wunderbaren Büffets sage dieser „Wichser“ Massenfütterung, was schon erkennen ließe, dass dieser Mensch überhaupt nicht wüsste, was eine richtige Kreuzfahrt sei. Das sei doch tatsächlich nur „halb-all-inclusive“ und ohne jeglichen Komfort.

Auf meine Frage, ob das auch alles stimme, antwortete mir mein Beisitzer Gehrich: „Aber Chef, habe ich Ihnen schon einmal etwas erzählt, ohne es zu überprüfen? Ich habe es im Internet kontrolliert und festgestellt, dass man in Deutschland tatsächlich nur „all-inclusive“ buchen kann, aber in Frankreich auch eine individuelle Kreuzfahrt angeboten wird.“

Da ich wusste, dass sich dieser Kollege niemals wagen würde, mich auf den Arm zu nehmen, habe ich auf ihn gehört und gegenüber Doris darauf bestanden, nur in Frankreich eine solche Kreuzfahrt zu buchen.

Bis zum Beginn des Galaabends im großen Saal waren es noch fast zwei Stunden.

Nachdem Doris ihre Utensilien im Badteil der Kabine verstaut hatte, duschte ich und legte mich danach auf mein Bett.

Nach kurzer Zeit musste ich eingeschlafen sein. Doris rüttelte mich nämlich kräftig und meinte, dass es Zeit sei, mich umzuziehen.

Sie hatte sich schon fertig bemalt und stand in einer Art Abendkleid, das ich noch nicht kannte, vor mir.

„Du siehst ja richtig toll aus!“, lobte ich sie.

Sie zuppelte noch hier und da an dem Kleid herum und forderte mich auf, mich ebenfalls fertigzumachen.

„Neben Dir falle ich bestimmt in meiner dunkelgrauen Hose und dem karierten Jackett negativ auf“, sagte ich.

„Sag bloß, Du hast kein Dinnerjacket mit?“

„Warum sollte ich? Ich besitze doch gar keins.“

„Ich habe Dir doch extra den Dress-Code für dieses Schiff gegeben! Hast Du den nicht gelesen? Darin stand doch deutlich, dass man für die Galadinner ein Dinnerjacket oder zumindest einen dunklen Anzug zu tragen habe.“

„Nein, von einem Dress-Code weiß ich nichts. Und wenn ich ihn gelesen hätte, wäre ich bestimmt nicht mitgefahren.“

„Mein Gott, Du bist der unmöglichste Mensch, der mir jemals begegnet ist!“, beschimpfte sie mich.

Wie vorausgeahnt, wurde ich vor der Saaltür höflich darauf aufmerksam gemacht, dass ein Dinnerjacket oder ein Smoking erwartet würde.

Der Saaldiener erklärte mir, dass ich nebenan einen Smoking ausleihen könne und begrüßte höflich die anderen Kreuzfahrer.

Durch die Tür sah ich, dass er Saal schon gut gefüllt war und erkannte, dass man sich sein Essen an einem riesigen Zentralbuffet selbst holen musste.

Einige Kreuzfahrer fotografierten das Buffet, andere schaufelten Unmengen auf ihre Teller und trugen diesen zu einem der Tische. Die ersten Gäste gingen offenbar schon das zweite Mal zum Buffet und drängelten.

„In einer Betriebskantine für die gehobeneren Bediensteten geht es auch nicht anders zu“, dachte ich mir und verließ den Saaleingang.

Mit Doris war ich so verblieben, dass ich nachkommen würde. Stattdessen schlenderte ich durch das riesige Schiff.

Auf einem der Decks standen sogar drei Palmen. Überall Geschäfte, Spezialitätenrestaurants, Bars und Dienstleister; genauso, wie in den Einkaufszentren in oder vor den Städten.

„Hier bin ich nun aber wirklich verkehrt. Doris würde von einem Geschäft zum anderen schlendern und nur unsinniges Zeug einkaufen“, sagte ich mir und konnte erst jetzt die Kollegen verstehen, die ungläubig fragten, ob es zutreffend sei, dass ich wirklich eine Kreuzfahrt machen wollte.

Alle Geschäfte und Einrichtungen sahen aus, als wenn sie noch geschlossen wären oder nur eine Notbesatzung Dienst tat.

Endlich fand ich eine Bar, in der einige Gäste saßen.

Die Barkeeperin begrüßte mich mit meinem Namen und ich suchte mein Namensschild, das offenbar von mir unbemerkt an mich geheftet worden sein musste.

Die Frau lachte und sagte: „Sie kennen mich mit Sicherheit nicht mehr. Ich habe einmal einen Prozess bei Ihnen geführt“, sagte sie, als sie mich so ratlos sah und rief den Gästen in der Bar auf Französisch zu, dass von mir keine Gefahr ausginge.

Ich habe schon viel erlebt, aber diese Situation machte mich sprachlos. Die Kellnerin erkannte meine Verwirrung und klärte mich auf.

„Letzen Herbst bin ich vom Käufer meines Autos verklagt worden. Am Verhandlungstag war ich so aufgeregt, weil mein Anwalt Sie als unnahbaren Richter geschildert und mir einige Verhaltensregeln vor Gericht erläutert hatte. Doch dann kam alles ganz anders. Für mich waren Sie ein sympathischer Mann und auch Ihre Beisitzer waren bei der Fragerei nett und sehr höflich. Als ich Ihnen sagte, dass ich das erste Mal vor Gericht stehen würde und deshalb sehr aufgeregt sei, antworteten Sie mir fast väterlich, dass ich doch froh sein solle. Im Gegensatz zu mir müssten Sie jeden Tag zu Gericht, das sei noch viel schlimmer. Ich verstand gar nicht, warum die Rechtsanwälte solchen Respekt vor Ihnen hatten.“

„Und, wer hat gewonnen?“, fragte ich.

„Ich natürlich, und damit waren Sie mir noch sympathischer“, erhielt ich zur Antwort.

„Nur frage ich mich, warum Sie, Herr Vorsitzender, eine Kreuzfahrt zum Pauschalpreis machen und dann noch nicht einmal am Galadinner teilnehmen?“

Jetzt hatte ich ihr Namensschild entdeckt und gab ihr zur Antwort, dass ich mich das jetzt auch fragen würde. Von einem Pauschalpreis wisse ich nichts.

„Da bin ich offenbar einer Falschinformation aufgesessen“, sagte ich und überlegte, ob mich der Beisitzer Gehrich falsch informiert oder Doris eigenmächtig diese Pauschalreise gebucht hatte.

Ich beließ es bei meiner Ungewissheit und sagte: „Zum Dinner hat man nicht zugelassen, weil ich kein Dinnerjacket anhatte. Und in der Kleiderkammer gab es keinen Smoking von Armani. Und zu dieser Reise habe ich mich überreden lassen“, erklärte ich weiter.

„Wissen Sie denn nicht, dass unsere Reederei auch richtige Kreuzfahrten, also keine Pauschalreisen, anbietet?“, fragte sie zurück und wusste nicht, ob ich einen Witz gemacht hatte oder wirklich so lebensfremd sei.

„Nein, ich weiß nur, dass ich morgen früh in Genua Ihr schönes Schiff verlassen werde.“

„Schade, das tut mir leid, aber ich kann Sie gut verstehen, nachdem ich Sie im Gericht erlebt habe.“

„Warum geht denn von mir keine Gefahr aus?“, wollte ich jetzt wissen.

„Alle anderen Gäste sind Bedienstete der Reederei und es ist nicht gestattet, dass das Personal hier in der Bar sitzt und einfach ein Bier trinkt. Deshalb kommen oft Kontrolleure“, sagte sie erklärend.

„Verstehe ich nicht“, gab ich zur Antwort.

„Am ersten Tag sind alle Gäste beim Galadinner und kommen erst nach dem Essen hierher, um zu flanieren und einzukaufen. Bis dahin sitzen wir hier zusammen und trinken ganz einfach ein Bier.“

„Wer kauft denn nach dem Essen und mitten in der Nacht hier ein?“, fragte ich erstaunt.

„Der erste Tag ist meist der umsatzstärkste Tag. Da sind noch alle Gäste irgendwie im Ausnahmezustand.“

Jetzt fielen mir wieder die Sprüche meines Kollegen Gehrich ein.

Als er von seinem Nachbarn Schindler erzählte, sagte er auch noch, dass er sich einmal ernsthaft mit der Kreuzfahrttradition beschäftigt hätte.

Früher wäre dies ein individueller Luxus der Reichen gewesen. Heute sei es ein Renner der Ferienindustrie, den sich fast jeder leisten könne. Betriebswirtschaftlich gesehen sei ein Kreuzfahrtschiff eine in sich geschlossene Wertschöpfungskette. Der Kreuzfahrer verpflichte sich zugleich mit der Buchung, während der Reise sein Geld ausschließlich an Bord zu verkonsumieren. Ähnlich ginge es in einem „All-inclusive-Ferienhotel" zu. Doch dort habe der Gast aber immer noch die Möglichkeit, sein Geld auch woanders auszugeben. Auf einem Kreuzfahrtschiff wird dagegen den geschäftlichen Mitbewerbern der Zugriff auf die zu melkende Urlauberherde alleine durch die Lokalität verweigert.

Auf einem Schiff bestehe aber auch noch das Problem, die Urlauber so zu bespaßen, dass sie für das zweiwöchige Konsumgefängnis auch noch ein Eintrittsgeld zahlen, was nur mit erheblichen Emotionen geschehen könne.

„Mein Gott, was fehlt mir dieses Lästermaul Gehrich“, sagte ich mir und trank mein Bier.

„Und warum befinden sich die drei Palmen hier auf dem Schiff?“, fragte ich jetzt die Barkeeperin.

„Das ist eine Idee unseres Marketingchefs; er will unseren Gästen in diesem Konsumtempel zusätzlich ein südliches Flair vermitteln“, gab sie zur Antwort.

„Gut, dass er nicht die Idee hatte, Eichen zu integrieren“, sagte ich und bemerkte, dass die Kellnerin mich unverständlich anschaute.

„Na, stellen Sie sich doch einmal vor, dass die Eichen im Herbst die Blätter verlieren. Was würde er dann mit den kahlen Bäumen und dem vielen Laub anfangen?“, gab ich zum Besten und die Barkeeperin lachte.

Das Gespräch plätscherte noch einige Zeit dahin und wir stellten fest, dass die Welt ja eigentlich klein sei, weil man sich entweder im Gerichtssaal oder hier auf hoher See treffe. Dabei sei man ja bekanntlich an beiden Orten in Gottes Hand. Wir lachten beide über diesen saublöden Spruch von mir.

„Muss ich irgendetwas beachten, wenn ich morgen früh in Genua von Bord gehe?“

„Warten Sie bitte. Dort hinten sitzt unser Chefsteward, ich werde ihn rufen.“

Auf Französisch wurde dieser von meinem Problem informiert.

Die Barkeeperin sagte ihm auch, dass es keinen Zweck hätte, mich zum Bleiben zu überreden, indem sie ihm erzählte, wer ich sei und was ich beruflich mache.

„Keine Angst, ich will auch kein Geld zurück. Meine Bekannte, mit der ich eine Kabine teile, wird die Reise allein fortsetzen“, fügte ich hinzu.

„Bitte gehen Sie nicht gerade dann von Bord, wenn die Ausflügler abgeholt werden. Das gibt nur Unruhe. Ich werde Sie verabschieden und Ihre Cruise-Card entgegennehmen und entwerten. Vielleicht entscheiden Sie sich doch noch einmal zu einer Kreuzfahrt ohne Pauschalpreis mit unserer Reederei.“

„Das glaube ich kaum. Ich bin auf meiner letzten Reise“, gab ich zur Antwort und merkte, dass ich diesen Spruch offenbar nicht verständlich genug auf Französisch artikuliert hatte. Danach ging ich in meine Kabine.

Doris war vor dem Schlafengehen wütend und wurde beleidigend.

„Du musst morgen in Genua den Landausflug allein unternehmen, ich fühle mich nicht“, beendete ich die einseitige Unterhaltung.

In Genua ging Doris vor mir von Bord und bestieg einen von der Reederei bereitgestellten Bus, um in zweieinhalb Stunden die Stadt und die Gegend kennenzulernen.

Ich legte ihr einen Zettel auf den Tisch, auf dem ich versprach, sie nach der Kreuzfahrt in Marseille wieder abzuholen.

Danach verließ ich, wie mit dem Steward besprochen, das Schiff mit meinem kleinen Koffer und nahm ein Taxi zum Bahnhof in Genua, um mit dem Zug wieder zurück zu meinem Auto in Marseille zu fahren.

Krebs-Endstadium! Was nun Joseph?

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