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ОглавлениеDer Waschmaschinenkauf
Am nächsten Morgen, es war Samstag, entschloss sich Horst Uhlig zum Kauf einer neuen Waschmaschine.
Als er gerade das Geschäft verließ, begegneten ihm die Eheleute Eilan.
„Guten Morgen, wir haben uns ja lange nicht gesehen“, witzelte Horst Uhlig und fragte, ob man einen kleinen Kaffee nehmen wolle. Kadir Eilan war einverstanden, bestand aber darauf, Horst Uhlig einladen zu dürfen.
„Müssen sie denn heute nicht arbeiten, also übersetzen?“
„Heute ist doch Samstag. Gerade sie müssten doch wissen, dass deutsche Behörden am Sabbat nichts tun“, scherzte Kadir und alle Drei betraten das Café.
Horst Uhlig bestellte sich einen Espresso und Eilans türkisch-arabischen Mokka.
Jamila entschuldigte sich bei den beiden Männern dafür, dass sie eine kurze Mail senden müsse, weil sie sich wegen des Kaffeehausbesuches sicherlich verspäten würde.
Eine ältere Dame am Nachbartisch bemerkte, dass die neuen Gäste sich nicht nur deutsch, sondern auch französisch unterhielten; sie bemerkte auch, dass Jamila offenbar ein, aus ihrer Sicht sehr teures, Smartphone benutzte.
Die Frau regte sich regelrecht auf, dass die Asylanten hier von der „Stütze“ leben würden, aber ein teures Telefon hätten.
Sie sollten lieber für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen. Sie als Deutsche, die ein Leben lang hart gearbeitet habe, bekäme nur eine kleine Rente, könne sich davon aber kein solches Luxustelefon leisten.
Die Eheleute Eilan zuckten regelrecht zusammen, was Horst Uhlig bemerkte.
Er drehte sich zu der schimpfenden Frau um und sagte: „Gute Frau, sie irren sich gewaltig. Meine Kinder sind deutscher als sie. Sie wollen demnächst in Frankreich Urlaub machen und lernen deshalb Französisch. Und das Telefon habe ich meiner Tochter zum Geburtstag geschenkt. Sie haben recht, es war nicht billig. Aber hat meine Tochter es nicht verdient?“
„Entschuldigung. Aber ihre Tochter sieht doch gar nicht wie eine richtige Deutsche aus.“
„Wieso denn das nicht. Sie ist doch ein richtiges arisches Rasseweib, oder? Die Haare hat sie sich nur deshalb so schwarz gefärbt, um nicht als blödes Blondie angesehen zu werden.
Sie dagegen sehen eher wie eine russische Kolchosbäuerin aus und ich frage mich doch allen Ernstes, wie sie es geschafft haben, in dieses schöne italienische Eiscafé gelassen worden zu sein.
Und nun halten sie ihren Mund und lassen uns den schönen türkischen Mokka schlürfen.
Wir wollen uns nämlich danach noch beim Türken einen schönen Döner reinschieben.“
Jamila Eilan verschluckte sich vor Lachen an ihrem Kaffee und sagte, nachdem sie wieder richtig Luft holen konnte auf Französisch: „Danke Horst. Sie sind wirklich ein toller Mann und Freund. Diese Vorwürfe haben wir schon oft gehört. Offenbar sehen unsere Telefone etwas teurer aus als die hiesigen. In Syrien gibt es seit Jahren kein funktionierendes Festnetz mehr. Wir können nur noch den Kontakt über Satellitentelefone aufrechterhalten. Und diese Dinger funktionieren eigenartigerweise auch hier, ohne dass jemand von uns Gebühren verlangt. Selbst nach Syrien können wir damit telefonieren. Diese ewigen Missverständnisse der Leute sind nicht nur beleidigend, sondern auch frustrierend.“
„Sie haben doch sicherlich gewusst, was sie in Deutschland erwartet, oder?“
„Das schon, aber dass es so schlimm sein wird, haben wir nicht gedacht“, sagte Jamila und Kadir fügte hinzu, dass die Beamten der Ausländerbehörde junge Männer immer fragen würden, warum sie geflüchtet seien und nicht mit der Waffe in der Hand für ein besseres Vaterland kämpfen würden.
„Und was antworten ihre Landsleute auf diese Frage?“, wollte Horst Uhlig wissen.
„Fast immer, dass es auf der einen Seite die Assad-Regierung gebe, die bereits mehrere Hunderttausend eigene Landsleute getötet habe. Auf der anderen Seite gibt es mehrere bewaffnete Oppositionsgruppen, die nicht nur gegen das Assad-Regime, sondern sich auch untereinander bekämpfen. Abgesehen von verschiedenen Religionsrichtungen, die politischen Einfluss nehmen, kämpfen auch noch Russland, Amerika und Saudi-Arabien in Syrien.
Und danach fragen die jungen Männer zurück: Wo bitte und auf wessen Seite sollen wir für unsere zerfallene Heimat kämpfen?“
Nach diesen Worten wurde Horst Uhlig sehr nachdenklich und verabschiedete sich von seinen neuen Freunden.
Zu Hause dachte er an seine Flucht aus der DDR und wie er reagiert haben würde, wenn man ihn gefragt hätte, warum er nicht geblieben sei, um dort die politischen Verhältnisse zu ändern.
Es lief ihm eiskalt über den Rücken. Einen Menschen, der unter Einsatz seines Lebens geflüchtet ist, zu fragen, warum er wegen seiner politischen Überzeugung nicht das Zuchthaus in Bautzen vorgezogen habe; perverser geht es wohl nicht.