Читать книгу Kindesmißbrauch mit furchtbaren Folgen - Herbert E Große - Страница 2

Оглавление

2. Kapitel

Nach zwei weiteren Wochen brach Margot den Kontakt zu ihrer Freundin fast völlig ab.

Sie zog sich in eine Art Schneckenhaus zurück und vernachlässigte nicht nur die Freundin, sondern auch sich selbst.

Ihre Gedanken kreisten immer nur um ihren Schwur am Grabe der Tochter und des Ehemannes. Sie hatte versprochen, beide zu rächen; und jetzt war Hans Köhler verschwunden und für sie nicht erreichbar.

Wie und wo sollte sie ihn jetzt finden, fragte sie sich ständig und fing an, sich alle Einzelheiten nach dem 4.Mai 2009 noch einmal in Erinnerung zu holen.

Julia war am 4.Mai 2009 missbraucht worden.

Das Urteil wurde schon am Freitag, den 3.Juli gefällt.

Rechtsanwalt Rötel, der die Familie als Nebenkläger vertrat, hatte ihr damals gesagt, dass es ein Glück wäre, dass die Strafkammer Bengler zuständig sei, weil der Vorsitzende in einem Vorgespräch gesagt habe, dass die Belastung des Kindes schnell aufhören müsse.

Weil alle Verfahrensbeteiligten auf Rechtsmittel verzichtet hatten, wurde das Urteil „vier Jahren Haft unter Anrechnung der Untersuchungshaft“ rechtskräftig und der Verurteilte in Strafhaft überführt.

Margot hatte während der gesamten Haftzeit genau gerechnet, wann Hans Köhler entlassen werden würde; und jetzt das große Missgeschick, dass man nicht beachtet hatte, dass die Entlassung bereits einen Tag früher erfolgt war.

Sie machte sich, wie nach dem Urteil, schwere Vorwürfe und suchte die Schuld bei sich und nur bei sich allein.

Nach dem 4.Mai hatte sich Julia verändert. Sie zitterte ständig am ganzen Leib und ließ niemand in ihr Zimmer oder in ihre Nähe.

Besonders Robert hatte darunter gelitten; war er doch derjenige, den sie mit all ihren Problemen aufsuchte und um Rat bat.

Jetzt durfte er sich ihr nicht mehr als auf zwei Schritte nähern.

Julia hatte sich auch im Badezimmer eingeschlossen und fing langsam an zu riechen.

Auch Margot war nicht mehr in der Lage, mit dem Kind vernünftig zu sprechen.

Der Rat, einen Kinderpsychologen zu konsultieren, war nicht zu realisieren, weil nur ein Mann bereit gewesen war, einen schnellen Termin zu vergeben.

Robert und Margot hatten auf die baldigen großen Schulferien gehofft und sich Tag und Nacht Gedanken gemacht, wie man diese gestalten könnte.

Es war keine vernünftige Lösung in Sicht gewesen, zumal Julia sich weiterhin strikt verweigerte.

Und dann war der furchtbarste Tag in Margots Leben gekommen.

Das Urteil gegen Hans Köhler war endgültig rechtskräftig geworden.

Zwei Tage danach hatte Julia das erste Mal ihre Periode bekommen und war in eine Art Ausnahmezustand geraten, weil sie das Blut wieder mit dem Missbrauch in Verbindung gebracht hatte.

Sie war in die Stadt gegangen und hatte sich von einem Parkhochhaus in die Tiefe gestürzt; sie war sofort tot. Robert hatte gemeint, auch im Tode noch auf seine Julia aufpassen zu müssen und hat es ihr gleichgetan.

Am gemeinsamen Grab hatte sie beiden geschworen, sich an Hans Köhler zu rächen, weil der Tod im Urteil nicht mehr strafschärfend berücksichtigt werden konnte; es war bereits rechtskräftig.

Wochenlang hatte sie sich Tag und Nacht Vorwürfe gemacht, an Julias Tod schuld zu sein, weil sie ihre Tochter nicht ausreichend aufgeklärt hätte.

Dieser Schuldvorwurf war ihr nicht auszureden gewesen und führte dazu, dass sie fast wahnsinnig wurde. Erst ein halbes Jahr nach diesem schwarzen Dienstag hatten diese Gewissensbisse langsam nachgelassen.

Mit der Hilfe Roberts Geschäftspartner Karl-Heinz, der wie ein Bruder für sie war, hatte sie das Haus am Stadtrand verkauft. Danach hatte sie einen Fachanwalt für Wirtschafts- und Steuerrecht konsultiert und seinen hälftigen Firmenanteil an Karl-Heinz übertragen.

Der Erlös und auch Roberts Lebensversicherung waren so angelegt worden, dass sie stets über ausreichende finanzielle Mittel verfügte, aber kein anderer an diese Gelder herankommen konnte. Sie war für den Rest ihres Lebens materiell abgesichert.

Nur ihr Flötenspiel im Orchester wollte nicht mehr gelingen und sie hatte diesen Job letztlich aufgegeben und haderte trotz ihrer finanziellen Unabhängigkeit mit sich und der Welt.

Vier Jahre waren zwischenzeitlich vergangen.

Sie lebte nur noch für die Erfüllung ihres Versprechens; und nun schien es, als wenn sie dieses Versprechen nicht mehr einlösen könnte, weil Hans Köhler unerwartet verschwunden war.

An einem Samstag meldete sich wieder einmal Roberts frühere Geschäftspartner Karl-Heinz und berichtete, dass er einen alten Knastbruder, einen begnadeten Schränker, trotz aller Warnungen eingestellt habe.

„Margot, du wirst staunen. Dieser Mann hat zusammen mit Hans Köhler in einer Gemeinschaftszelle seine letzte Haftzeit verbracht.“

„Ja und, was soll mich das interessieren?“

„Dieser Kerl hat mir erzählt, wie es im Knast zugeht. Männer wie Köhler, also Kinderschänder, stünden in der Knasthierarchie an unterster Stelle, müssten für die anderen putzen und waschen. Sie würden regelrecht gequält. Ihn hätte man buchstäblich kastriert, damit ihm ein und für alle Male das Betrachten von kleinen Mädchen vergangen sein sollte.“

„Das hört sich für mich irgendwie erfreulich an. Doch ich finde, dass er noch immer zu milde bestraft worden ist, weil er letztlich auch Julia und Robert auf dem Gewissen hat“, antwortete sie und ließ sich vorsorglich den Namen und die Adresse dieses Mannes geben.

Als sie wieder einmal an diesen Schränker dachte, glaubte sie den berühmten Strohhalm gefunden zu haben und suchte den kleinen Zettel, auf dem sie die Adresse und die Telefonnummer dieses Mithäftlings notiert hatte.

Am nächsten Abend rief sie ihn an und vereinbarte ein Gespräch in einer Kneipe.

Was sie dort erfuhr, erfüllte sie mit Genugtuung. Hans Köhler muss fürchterlich unter seinen Mithäftlingen gelitten haben und konnte sich immer nur in die Krankenstation retten.

Und der Schränker berichtete noch, dass Hans Köhler im Gefängnis versucht habe, Spanisch zu lernen, was ihm aber nicht so richtig gelungen sei.

Margot hatte endlich eine neue Spur, wenn sie auch noch so vage war.

„Der Gefängnisarzt hatte gesagt, dass er sich sofort ins Ausland abgesetzt hätte“, überlegte sie und schloss daraus, dass er sich nach Spanien verdrückt haben könnte.

„Nun ist Spanien nicht gerade klein und der Gefängnisarzt würde ihr mit Sicherheit nicht die genaue Adresse sagen“, überlegte sie weiter.

„Wie könnte man nur an die Entlassungsunterlagen kommen. Eigentlich nur die letzte Seite“, waren ihre nächsten Gedanken.

Sie rief ihren Freund Karl-Heinz an und fragte, ob der Schränker noch in der Firma arbeiten würde.

„Margot, dieser Mann ist für mich Gold wert. Ich sagte dir schon, dass er ein begnadeter Feinmechaniker ist. Er steht noch unter Bewährung und ist froh, dass ich ihm vertraue. Das hat ihn veranlasst, ab sofort ein straffreies Leben zu führen; er hat meine Unterstützung.“

„Frag ihn einmal so nebenbei, ob er mir nicht Köhlers jetzigen Aufenthalt ermitteln könnte.“

„Margot höre bitte auf, diesen Mann zusätzlich bestrafen zu wollen“, sagte Karl-Heinz und fügte kurz danach hinzu, dass sie ein hoffnungsloser Fall sei, er aber den Schränker fragen wolle.

Am nächsten Tag meldete sich Karl-Heinz telefonisch und sagte, dass der Schränker es versuchen würde. Es gäbe zwar eine Art Ehrenkodex unter Knastbrüdern, Kinderschänder seien davon aber ausgenommen. Sobald er etwas erfahren habe, würde er sich melden.

Sie müsse ihm aber ihr Ehrenwort geben, ihn da rauszuhalten. Er mache das nur, weil er jetzt ein bürgerliches Leben führen könne und froh sei, eine richtig gute Arbeit zu haben, die seinen Fähigkeiten entspräche.

„Er hofft, in zwei oder drei Wochen ein positives Ergebnis liefern zu können“, sagte Karl-Heinz.

Es dauerte zehn Tage. Sie traf den Schränker rein zufällig in der Stadt.

„Guten Tag, Frau Gräser. Gut, dass ich sie hier treffe, das verkürzt den „Dienstweg“. Ich bin so froh, meinem Chef und ihnen helfen zu können. Wenn ich meinen ersten Urlaub bekomme, werde ich diesen in Empuriabrava verbringen. Ich weiß zwar nicht, wo das ist, es hört sich aber gut an“, sagte der Schränker, gab ihr die Hand und war verschwunden.

Margot brauchte fast fünf Minuten, um dieses Zusammentreffen mit dem Schränker einzuordnen und zu verstehen.

Empuriabrava, Empuriabrava?“, das habe ich doch schon einmal gehört, sagte sie halblaut vor sich hin. Plötzlich fiel ihr Birgit und deren Ferienwohnung in Spanien ein, und sie war regelrecht freudig erregt.

Kindesmißbrauch mit furchtbaren Folgen

Подняться наверх