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4. Kapitel

Bereits gegen 19 Uhr hatte sich Margot häuslich eingerichtet und beschlossen, noch die nähere Umgebung etwas zu erkunden.

Sie ging bis vor zum Carrer Peni und weiter in Richtung Strand und staunte nicht schlecht über die vielen Restaurants und Immobilienmakler. Selbst einen deutschen Bäcker gab es auf der linken Straßenseite. Gedankenverloren „schnüffelte“ sie und suchte den typischen Geruch der südländischen Natur und des Meeres. Nichts davon war zu riechen; nur Autoabgase, Grillgerüche und viel Deogestank der Flanierer.

Ein einigermaßen guter Beobachter hätte erkannt, dass sie sich anders als die sonstigen Neuankömmlinge verhielt. Im Gegensatz zu diesen war sie nicht euphorisch und vom Beginn des lang ersehnten Urlaubes in heiterer Stimmung. Es war kein klischeehaftes Verhalten, sondern ein angespanntes erwartungsvolles Suchen, das sich nicht auf das bevorstehende Erholen bezog.

Man hätte auch sagen können: Margot gehörte irgendwie nicht in diesen sterilen Urlaubsort.

Nachdem sie den Carrer Carmenco erreicht hatte, überquerte sie eine Brücke, die einen Kanal überspannte, und erreichte einen großen Platz, von dem sie nach rechts in den Carrer Sängt Mori einbog.

Neben der eigentlichen Straße gab es in zweiter Reihe Geschäftspassagen mit kleinen Shops.

Hier konnte man den üblichen Plunder für gelangweilte Touristen, denen offenbar die verfeinerten Fähigkeiten der Intelligenz und des Geistes fremd sind, kaufen.

Bis zum Strand kam sie nicht mehr, sondern ging in ihr Appartement zurück.

Am Abend dachte sie darüber nach, wie sie es anstellen sollte, in diesem merkwürdigen Urlaubsort einen älteren Mann, der bestimmt sein Äußeres verändert hatte, zu finden.

Ihre Zweifel vermehrten sich, nachdem sie den Rest des Roséweines getrunken hatte. Schließlich schlief sie nach diesem anstrengenden Reisetag ein.

Ende September scheint hier in Empuriabrava ständig die Sonne.

Margot hatte lange geschlafen und beschlossen, heute eine Art Orientierungsspaziergang zu unternehmen.

Auf dem Carrer Peni angekommen, überlegte sie, ob sie wie gestern wieder nach links oder heute in die andere Richtung gehen sollte.

Ihr fiel jedoch ein, dass sie mit dem Auto von rechts gekommen war und sich dort das Aldi und das Lidl befunden hatten.

Sie entschloss sich, wieder nach links in Richtung Strand zu promenieren.

Sie war das erste Mal in ihrem Leben in Spanien; ihre Vorstellungen von Iberia stammten aus Filmen und Büchern.

Was sie heute hier sah, entsprach so überhaupt nicht ihren Erwartungen von diesem südlichen europäischen Land.

Die Häuser sahen aus, als wenn sie aus einem Katalog stammen würden; irgendwie verschieden, aber trotzdem gleich. Sie hatte noch nicht ein älteres Gebäude entdeckt, sondern nur weiße Einfamilienhäuser, wobei viele einen albernen Turm hatten.

Diese Türmchen sollten offenbar einen typischen spanischen Eindruck vermitteln. Spanienkenner kannten diese Art von Häusern nicht, hatte ihr Birgit zu Hause erzählt.

Erst am letzten Kreisel vor dem Strand standen die üblichen Hochbauten der modernen Touristenzentren.

Fast alle kleineren Häuser verfügten über einen direkten Zugang zu den Kanälen und Schiffsanlegern. Der ganze Ort war von Kanälen durchzogen; eine richtige künstliche Siedlung vom Reißbrett.

Margot empfand diesen Ort als Albtraum, tröstete sich aber damit, hier keinen Urlaub machen zu müssen, sondern Hans Köhler zu finden.

Am Kreisel nach dem Carrer Carmenco ging sie nach links in den Carrer Port Salins und setzte sich gleich in das nächste Straßencafé.

„Na, hoffentlich versteht man mich hier mit meinen mageren Spanischkenntnissen“, dachte sie und versuchte einen Kaffee zu bestellen. Ihre Ängste waren umsonst, weil die Kellnerin die Bestellung in einem deutlichen Berliner Dialekt entgegennahm.

Da sie der einzige Gast war, fragte sie die Kellnerin, ob diese sich hier gut auskennen würde.

„Was gibt es hier, was man nicht am dritten Tag nach der Ankunft kennt?“

„Ich kann fast kein Spanisch und dachte, dass es deswegen Schwierigkeiten geben würde“, antwortete Margot.

„Sind sie gerade erst angekommen?“, fragte die Kellnerin und sie bejahte die Frage.

„Ohne Spanischkenntnisse hat man hier gar keine Probleme. Man spricht entweder Deutsch, Englisch oder Französisch und neuerdings Russisch. Spanisch sprechen nur die Hilfskräfte im Aldi oder Lidl.“

Sie schaute die Kellnerin mit offenem Mund an.

„Wussten sie das nicht?“, fragte diese.

„Ja und nein. Ich bewohne das Appartement einer Freundin, die mir einiges erzählt hat, was ich aber nicht glauben konnte. Und jetzt bestätigen sie mir diese Berichte. Aber ich suche nur einen Bekannten und will eigentlich hier gar keinen Urlaub machen.“

„Wenn ihr Bekannter zu der sozialen Oberschicht der hier residierenden Deutschen gehört, werden sie keine Chance haben, ihn zu finden. Diese Leute sieht man nur selten in den Bars oder Restaurants. Die bleiben unter sich, leben abgeschottet in speziellen Kreisen und fahren zum Essen weit ins Hinterland, nach Figueres, Girona oder Barcelona. Wenn ihr Typ aber ein „Prolo“ ist, werden sie ihn bald gefunden haben. Diese Leute verkehren in Lokalen, in denen es billige Tagesmenüs gibt oder der Wirt ein deutscher Aussteiger ist. Es sind die sogenannten Pseudoreichen, die sich das Leben hier gar nicht leisten können, aber so tun, als wenn sie Millionäre wären. Die Gewerbetreibenden hofieren diese Leute entsprechend und nehmen deren Geld, weil sie keine echte Gegenleistung zu erbringen haben. Es reicht, wenn sie so tun, als wenn sie sich geehrt fühlen, solche Gäste zu haben.“

„Der Mann, den ich suche, gehört eher zur zweiten Kategorie“, sagte sie etwas verlegen, bezahlte und ging.

Die Strandpromenade war typisch für einen solchen Urlaubsort.

Ein Restaurant neben dem anderen und alle mit ähnlicher Speisekarte.

Der Strand als solcher war hingegen wunderschön; flach und sehr breit. Strandduschen und Toiletten waren ausreichend vorhanden. Es gab sogar eine Strandbar, genauso wie in den Vorabendserien des deutschen Fernsehens. Entsetzlich hier einzukehren, dachte sie und war von allem „bedient“.

Auf dem Rückweg kehrte sie noch einmal in dem Café mit der Berliner Kellnerin ein.

Jetzt waren mehrere Tische besetzt und es gab keine Möglichkeit zu einem erneuten Gespräch.

Margot entschloss sich, das gegenüberliegende Kaufhaus „Montserat“ zu besuchen.

Im Untergeschoss gab es Lebensmittel und Spirituosen und im Obergeschoss Spielwaren und anderen Haushaltskram.

Da sie vom ersten Eindruck der Restaurants mehr als enttäuscht war, beschloss sie, zu Hause zu essen und entsprechend einzukaufen. Das klappte ohne spanische Sprachkenntnisse erstaunlich gut.

Erst nach einigen Minuten bemerkte sie, dass es hier fast wie in einem deutschen Supermarkt war; ausreichend deutsche Artikel. Nur an der Fleischtheke gab es offenbar spanische Angebote.

Am folgenden Tag bog sie bei ihrem Spaziergang in Richtung Strand nach links in den Carrer Falconera ab.

Gleich nach der ersten kleinen Brücke stockte ihr fast der Atem. Auf der rechten Straßenseite befand sich eine Art Parkhaus mit Appartements auf dem Dach. Im Untergeschoss gab es Garagen. Auch in der ersten Etage reihte sich eine Garage an die andere mit davorliegenden Stellplätzen.

Das Obergeschoss bestand aus kleinen Wohnungen, die man über eine schmale Treppe, die am hinteren Teil des Gebäudekomplexes angebracht war, erreichen konnte.

Sie wollte unbedingt die Rückseite dieses Gebäudes sehen und ging über eine wunderschöne Brücke. Die Rückseite war noch hässlicher.

In einer Stadt würde man sicherlich Slum dazu sagen, hier waren es offenbar Ferienwohnungen.

Nur wer darin Urlaub machen würde, erschloss sich ihr nicht wirklich.

Kindesmißbrauch mit furchtbaren Folgen

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