Читать книгу Puppendrama - Herbert Speer - Страница 5
ОглавлениеBrüssel
Nur wenige Tage später war es soweit. Kai übernachtete bei seinen Freunden und schon um halb sechs in der Früh hieß es aufstehen, da sie eine lange Fahrt vor sich hatten. Die Kinder saßen zu dritt auf der Rückbank des geräumigen Wagens und vertrieben sich die Zeit mit Quartett oder „Ich sehe was, was du nicht siehst“-Spielen. Mehrmals machten sie Pause, um Zorro rauszulassen, der sichtlich unter der langen Autofahrt litt. Dann endlich, es war schon früher Abend, erreichten sie den Stadtrand von Brüssel.
„Ist es noch weit?“
Michael war heiß und er war müde nach der langen Fahrt.
„Nicht mehr allzu lange.“
Seine Mutter blätterte auf dem Beifahrersitz hektisch im Stadtplan.
„Hast du es bald oder soll ich rechts ranfahren?“
Vater hinter dem Steuer wurde langsam nervös.
„Nein, hier ist es schon. Avenue de l’oiseau bleu!“
Allee zum blauen Vogel. Na, das hört sich ja lustig an.
Auch Sophie war erschöpft. Doch jetzt, wo sie durch die Straßen der fremden Stadt fuhren, fiel die Müdigkeit wieder von ihr ab.
Wir werden bestimmt eine aufregende Zeit erleben...
Die Allee zum Blauen Vogel war eine ruhige Straße mit Reihenhäusern und gepflegten Vorgärten. Sie fuhren langsam, um die Hausnummern vom Auto aus zu erkennen. Als sie das richtige Haus erreicht hatten, fuhr Vater rechts ran.
„Alles aussteigen! Endstation!“
Sofort kam Leben in Kinder und Hund. Die Türen wurden fast gleichzeitig aufgerissen. Zorro schoss bellend heraus, nachdem Sophie die Heckklappe gehoben hatte. Er war überglücklich, die lange Fahrt endlich überstanden zu haben.
Noch während Gepäckstücke auf die Straße geladen wurden, öffnete sich beim Haus, zu dem eine kurze Treppe führte, die Tür und eine junge Frau trat auf die Schwelle. Sie trug ein Baby auf dem Arm und an ihrem Rockzipfel hing ein kleines Mädchen.
„Hallo!“
Sie winkte der Gesellschaft zu, woraufhin die Eltern erst einmal alles stehen ließen und zum Haus hinauf gingen, um ihre Gastgeberin zu begrüßen.
„Désirée Kleine, herzlich willkommen. Das sind meine Töchter: Lucy und die kleine Miriam. Diethard ist noch in der Arbeit, aber er müsste bald heimkommen.“
Wie auf Kommando hielt in diesem Moment ein Wagen auf der Straße. Heraus kam ein schlanker Mann mit kurzem Haar und Brille. Sportlich nahm er zwei Stufen auf einmal und begrüßte der Reihe nach die Neuankömmlinge. Ganz besonders herzlich begrüßte er Sophies Vater, mit dem er zur Schule gegangen war.
„So, jetzt kommt doch erst einmal herein.“
Herr Kleine führte sie durch einen schmalen Gang ins Wohnzimmer und von dort auf die Terrasse. Dort waren schon ausreichend Stühle um einen Tisch gruppiert, und eine Torte wartete darauf, angeschnitten zu werden.
„Bietest du unseren Gästen schon mal etwas zu trinken an?“, bat Diethard seine Frau. „Rainer und ich bringen derweil das Gepäck ins Haus.“
Frau Kleine gab Sophies Mutter das Baby und begann damit, Tee einzuschenken.
„Es ist schön, dass wir uns endlich mal kennen lernen“, sagte sie, während sie den Kuchen verteilte. „Diethard hat schon so viel erzählt.“
Michael war schon drauf und dran, sich auf den Kuchen zu stürzen, doch seine Mutter warf ihm einen tadelnden Blick zu, woraufhin er die Gabel wieder sinken ließ.
„Mama, darf ich das Baby mal halten?“
Sophie warf schon die ganze Zeit sehnsüchtige Blicke nach dem Säugling, der allenfalls einige Wochen alt sein konnte.
„Also, ich weiß nicht...“
„Aber natürlich. Nimm sie ruhig!“
Désirée nahm das Baby und reichte es Sophie.
„So ist es gut. Mit einer Hand den Kopf stützen, sehr schön!“
Während Sophie das Baby hielt und ihm verliebte Blicke zuwarf, näherte sich die kleine Lucy den beiden Jungen.
„Spielst du mit mir?“, wandte sie sich an Kai.
„Also, ich weiß nicht...“
„Mach ruhig, bis die Männer das mit dem Gepäck erledigt haben, das dauert noch.“
„Na, schön. Was möchtest du denn spielen...?“
Kai fühlte sich nicht wohl. Er hatte keine Geschwister und an den Umgang mit kleinen Kindern war er nicht gewohnt. Lucy war vielleicht vier oder fünf Jahre alt.
„Komm mit!“
Das Mädchen nahm Kais Hand und führte ihn in die Mitte des Gartens. Michael beobachtete es belustigt.
Mann, bin ich froh, dass die mich nicht gefragt hat. Aber jetzt wird es Zeit, dass die Männer kommen. Den Anblick dieses Tortenstücks auf meinem Teller ertrage ich sonst nicht länger...
„Und was sollen wir nun spielen?“
„Brumm, brumm!“
„Brumm, brumm? Was soll das denn sein?“
Kai sandte hilfesuchende Blicke zu Michael und Sophie, doch die beachteten ihn nicht.
„So!“
Lucy breitete die Arme aus, stieß Luft durch die Zähne, machte noch einmal ‚Brumm, brumm’ und drehte sich dabei im Kreis.
„Sie möchte, dass du sie an den Armen herumwirbelst“, kam ihm Désirée zu Hilfe.
„Ja, genau! Brumm, brumm!“
„Ach so!“
Jetzt begriff Kai. Er nahm die Hände des Mädchens, riss sie hoch und drehte sich so schnell um die eigene Achse, dass Lucy wie gewünscht durch die Luft segelte. Doch schon nach wenigen Umdrehungen stellte Kai fest, dass seine Kraft nicht reichte und er deshalb auslassen musste.
„Das war schön! Noch mal!“
„Uff! Ich kann nicht mehr...“
„Ach bitte, nur noch einmal!“
„Michi! Kannst du nicht?“
In diesem Moment erschienen die beiden Männer auf der Terrasse. Sophies Vater erkannte die Lage sofort und kam auf den Rasen, um Kais Aufgabe zu übernehmen. Nun durfte Lucy noch schneller durch die Luft segeln als zuvor.
„Ganz schön anstrengend die Kleine, was?“, fragte Michael, nachdem Kai neben ihm Platz genommen hatte.
„Das kannst du laut sagen!“
Als alle am Tisch saßen, wurde die Tafel offiziell eröffnet. Sofort machte sich Michael mit Heißhunger über seinen Kuchen her. Seine Mutter hatte noch nicht einmal den zweiten Bissen heruntergeschluckt, da hielt ihr Michael auch schon den leeren Teller hin.
„Also, weißt du...!“
„schon gut. Freut mich, wenn es dir schmeckt.“
Désirée reichte dem Jungen ein zweites Stück, dann widmete sich eine Zeitlang jeder nur dem Kuchen- und Teegenuss. Nach einer Weile fragte Herr Kleine die Kinder:
„Und? Was möchtet ihr gerne unternehmen?“
Er sah von einem zum anderen.
„Ich hätte da schon eine Idee.“, meldete sich Sophie zu Wort.
„So? Na, dann lass hören.“
„Ich habe im Reiseführer gelesen, dass es hier in Brüssel ein Marionettentheater gibt, in dem Tim und Struppi gespielt wird...“
„Das Tim’s? Ja, das kenne ich.“
„Das wie...?“
„Tim’s heißt es nach der Comicfigur von Hergé. Und da würdet ihr gerne hingehen?“
Er erntete zustimmende Rufe von Michael, Kai und Sophie.
„Heute noch?“ Sophies Mutter warf ihm einen überraschten Gesichtsausdruck zu. „Ich denke nicht, dass wir nach der langen Fahrt noch etwas unternehmen möchten...“
„Wieso denn nicht?“, konterte Sophie. „Ich bin noch nicht müde!“
„Aber Kinder, das geht nun wirklich nicht.“
„Ach bitte, Mama. Sag ja!“
Sophie stand auf, ging zu ihrer Mutter und warf sich ihr um den Hals. Auch Michael und Kai fingen nun an zu betteln.
„Ihr müsst ja nicht unbedingt mitgehen“, wandte sich Herr Kleine an Sophies und Michaels Mutter. „Du und Rainer könntet hier bleiben und in Ruhe auspacken, während ich die Kinder ausführe. Was haltet ihr davon?“
Die Eltern wechselten fragende Blicke, dann stimmten sie zu, woraufhin die Kinder in ein Freudengeheul ausbrachen.