Читать книгу Von der Kunst Bäume zu pflanzen - Hermine Hackl - Страница 10
IN DER KÜCHE MIT
ELISABETH LUST-SAUBERER
Nachhaltigkeit = Action
und Satisfaction
ОглавлениеAls man ihre Sendung im Fernsehen absetzte, brach ein Proteststurm los. Sehr deutliche Briefe und E-Mails erreichten die Redaktion. Manche Menschen verstanden die Welt nicht mehr. Diese Frau hatte doch den Nerv der Zeit getroffen! Viel mehr noch: sie hat ein leer gelaufenes Becken an Wissen wieder mit selbstverständlichen Erstaunlichkeiten und mit Sinn gefüllt. Was also war der Hit, das Sensationelle, das Einmalige, wonach die geneigte Hörer- und Seherschaft so gierte? Wurden hier die Lottozahlen vor der Ziehung veröffentlicht, gab es vielleicht sichere Anleitung für ein erfülltes Leben oder wurden Wundermittel zur verlässlichen Weltverbesserung angepriesen? Nein! Die Dame, um die sich diese Geschichte dreht, heißt Elisabeth Lust-Sauberer und sie gibt – Putztipps. Wie das gemeint ist? Na, ganz einfach! Sie beantwortet Fragen wie: Wie putze ich die Fenster sauber und kostengünstig? Was muss beim Reinigen von Holzböden beachtet werden? Was ist bei verstopften Abflüssen zu tun? Wie bekommt man harzige Hände wieder sauber? Wie poliert man Möbel schonend, und wie bringt man Silberlöffel wieder zum Glänzen? Was tun bei hohen Vasen, für die alles Reinigungsgerät zu kurz ist, um an den verdreckten Boden zu gelangen? Die Wissensnot in diesen Dingen war groß, hatte aber mit dem Auftauchen von Seminarbäuerin Elisabeth Lust-Sauberer am Fernsehschirm ein abruptes Ende gefunden. Was früher von Generation zu Generation – um nicht zu sagen von Mutter auf Tochter – wie selbstverständlich weitergegeben wurde, war zu einem Medienhit geworden. Kein langes, umständliches Herumgerede, keine leeren Worthülsen, keine kunstvollen intellektuellen Ergüsse, sondern: Klartext, einfach, direkt und in einer erfrischend ungekünstelten Sprache. Worte, die trotz aller knallharten Praxisnähe aus dem Herzen kommen, unverblümt und ohne Umschweife. Zum Fensterputzen nehmen wir bitte niemals heißes, sondern immer kaltes Wasser. Ein zugesetzter Spritzer Spiritus oder Haarshampoo (natürlich ohne Balsam) nimmt zusätzlich das Fett auf. Basta! Unbehandelte Holzböden wiederum werden mit nasser Holzasche abgeschrubbt, dann mit klarem Wasser nachgewaschen. Alles klar!? Verstopfte Abflüsse? Kein Problem! Hier gilt allerdings: Vorbeugen ist besser als heilen. Man gebe zwei bis drei Esslöffel Soda in den Abfluss und gieße Wasser nach. Diesmal allerdings heißes, wohlgemerkt!
Haushaltstipps, nichts als einfache Haushaltstipps, werden Sie jetzt vielleicht denken. Wie kann man damit jemanden hinter dem Ofen hervorlocken? Ganz einfach: Haushaltstipps strahlen Heimeligkeit aus, Fürsorge für das traute Heim und dessen Bewohner, eine Art neues Biedermeier schimmert da durch, unverblümte Geborgenheit, eine Art von „ein ungeschriebenes Geheimnis miteinander teilen“ liegt in der Luft. Und Menschen, die mir solche Tipps geben, müssen es wohl gut mit mir meinen. Oder sind Sie jetzt entrüstet? Ist da vielleicht ein Jahrhunderte langer Kampf um Gleichberechtigung spurlos an uns vorüber gegangen? Soll die Frau wieder an den Putzlappen gefesselt werden und kommt gar die gesamte gegenderte Welt ins Wanken? Hat sich um Gottes willen nichts auf dieser Welt geändert! Doch. Und das ist ein gutes Beispiel dafür: Für Haushaltstipps interessieren sich nunmehr Männer und Frauen gleichermaßen. Das nenne ich neue Gleichberechtigung. Und das alles ökologisch und ohne Chemie.
Elisabeth Lust-Sauberer betreibt mit ihrem Mann einen landwirtschaftlichen Betrieb im Weinviertel, hat zwei schon erwachsene Töchter, lebt in einem zauberhaften Haus mit entzückendem Innenhof. Wer bei ihr zu Gast sein darf, betritt Heimeligkeit pur und geht zumindest mit einem Glas köstlicher Paprikamarmelade heim – die übrigens hervorragend zu Käse schmeckt. Im Eingangsbereich steht auf einer alten Truhe eine bunte Schale mit Obst, die zusätzlich mit Blumen geschmückt ist. Am Küchentisch steht ein Teller mit selbst gemachten Mehlspeisen. Solche gibt es zum Auftauen immer im Eiskasten. Es könnten ja überraschend Gäste kommen. Elisabeth Lust-Sauberer: eine perfekte Hausfrau also? Sie protestiert heftig: „Eine Überputze war ich nie!“. Als die bescheidene Hausfrau das Angebot erhielt, eine Sendung mit Haushaltstipps zu gestalten, plagten sie ernstliche Bedenken. Was würden wohl Freunde und Familienmitglieder von ihr denken, die ja um ihre „Unperfektheit“ in Haushaltsdingen wüssten. Würde sie ihre persönliche Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen? Schlussendlich siegte dann doch der Wunsch, „etwas zu tun, was zufrieden macht“. Die Kinder sind aus dem Haus und die so entstandene Lücke musste gefüllt werden. Only action brings satisfaction! Etwas Sinnvolles tun, nicht nur für die anderen, sondern auch für sich selber. Was gibt es Schöneres, als sich mit anderen Menschen auszutauschen und Erfahrungen weiterzugeben? Und in diesem Moment kam das Fernsehangebot.
Lust-Sauberer ist gelernte Seminarbäuerin und als solche an Begegnungen mit Konsumentinnen und Konsumenten gewohnt. So ist sie auf Messen und in Supermärkten unterwegs, um dort über Lebensmittel und deren Verwendung zu informieren. Erdäpfel kommen aus der Erde, Marillen vom Baum, Ribiseln vom Strauch und die berühmte Kuh ist eben nicht lila. Was für eine agrarische Gesellschaft selbstverständlich war, muss heute wie Spezialwissen vermittelt werden und wird wie von einem Schwamm aufgesaugt. Da ist etwa das spannende Kapitel der Vorratshaltung. Nur so viel kaufen, wie man braucht, zuerst überlegen, dann einen Einkaufzettel schreiben. Reste verwerten. Das entlastet das Budget und macht auch noch Spaß. Fact aber ist: Viel zu viele Lebensmittel werden weggeworfen. Der unverschämte Überfluss unserer Breiten verlockt zur allzu leichtfertigen Vergeudung. Da hinten im Kühlschrank vergammelt doch glatt der liebevoll erzeugte Käse, in der Dose verschimmelt das köstliche Brot, weil man es dort schlicht und einfach vergessen hatte. Egal, das können wir uns doch leisten! Sparsamkeit ist doch nur etwas für Spießer! Sparsamkeit ist nur etwas für Spießer!? Nein, Sparsamkeit ist für verantwortungsvolle Menschen ein Beitrag zur Nachhaltigkeit, weil Schonung der Ressourcen und Respekt vor dem Erzeuger und dem Erzeugnis damit verbunden sind. Mit dem Brot, das Tag für Tag in Wien weggeworfen wird, könnte man eine Stadt wie Graz versorgen, hat einmal jemand ausgerechnet. Das ist die Realität.
Das „Interesse an der Realität“ schätzt Lust-Sauberer als enorm ein. Damit ist auch das Interesse an der Landwirtschaft gemeint, an der Erzeugung der Lebensmittel und an deren Zubereitung. Deshalb gibt sie bei Kochkursen ihr Wissen weiter und paart es mit ihrer ansteckenden Begeisterungsfähigkeit. Als praktizierende Bäuerin und Produzentin ist sie – genauso wie alle anderen Seminarbäuerinnen – besonders glaubwürdig und authentisch in Fragen der Lebensmittelerzeugung und -verwendung. Diese Frauen wissen, wovon sie reden, und stehen auch dahinter. Das können Sie mir glauben!
Die Kinder der Familie Lust-Sauberer sind zwar schon aus dem Haus, kommen aber an Wochenenden immer wieder gerne heim zu ihren Eltern. Dabei ist allen das gemeinsame Frühstück heilig. Gemeinsam essen, an einem Tisch, zum gleichen Zeitpunkt, die gleichen Speisen, selber zubereitet, und dabei einander die Tagespläne anvertrauen oder auch manchmal gemeinsam schweigen. Das ist mehr als bloße Nahrungsaufnahme. Gemeinsam „Mahl halten“ ist Zuneigung, Interesse für den anderen und am anderen, genauso wie Reflexion von Gefühlen und Gedanken. Alle sind gleich in ihrer Notwendigkeit, Nahrungsmittel zu sich zu nehmen. Essen ist Lust am Leben, ist Quelle des Weiterlebens, das man miteinander teilt.
Die Begeisterung der Töchter am Kochen hielt sich anfänglich in Grenzen. Mit dem Auszug aus dem trauten Heim hat sich das aber geändert. Mutters tolle Tipps und Rezepte waren plötzlich gefragt. Immer nur anrufen und jede Kleinigkeit erfragen ist auch irgendwie uncool. Immerhin will man im Freundeskreis ja auch mit eigenem Wissen glänzen und selber etwas auf den Tisch zaubern können. Lust-Sauberer schrieb alles nieder, was die Töchter gerne wissen wollten, und so entstand ganz nebenbei auch noch ein Kochbuch, dessen Inhalt nicht nur den Töchtern Vorbehalten ist.
Wer sich nun vielleicht die Frage stellt, wie man denn so vieles unter einen Hut bringen kann: den Job als Landwirtin, Seminarbäuerin, Medienstar, Buchautorin, Mutter, Ehefrau usw., für den hat Elisabeth Lust-Sauberer ihren Lieblingsspruch parat, der da heißt: „Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben. Es ist zu viel Zeit, die wir nicht nützen.“
Weitere Geheimnisse hinter dem Erfolg sind: Einfache Antworten geben auf Fragen, die gestellt werden oder irgendwie in der Luft liegen. Ohne große Hintergedanken, ohne persönliche Profilierungssucht, ohne maximales Gewinnstreben. Einfach den Menschen Gutes tun wollen.
Da fällt mir ein, wir sind Ihnen noch ein paar Antworten schuldig. Auf die Fragen, die wir eingangs gestellt haben. Also: Harzige Hände bekommt man sauber, indem man sie mit Schmalz oder Öl einreibt und dann mit Papier, zum Beispiel von der Küchenrolle, abwischt. Holzmöbel poliert man am besten mit ganz gewöhnlichem Speiseöl: das Öl einfach auf ein Tuch auftragen und wischen. Bei dunklen Türen empfiehlt sich, dem Öl Rotwein beizufügen. Die Qualität des Weins spielt in diesem Fall ausnahmsweise nur eine untergeordnete Rolle. Dann hätten wir da noch die Reinigung der Silberlöffel. Das bedarf doch ein wenig der Vorbereitung, denn dazu sollte man zunächst eine Schüssel mit Alufolie auslegen und darin einige Löffel Salz in lauwarmem Wasser auflösen. Die Silberlöffel einlegen. Nach fünf Minuten sind sie blitzblank. Und wie reinigen Sie den schmutzigen Boden einer schmalen, hohen Glasvase? Ganz einfach, indem Sie Zahnreinigungstabletten im Gefäß auflösen. Fertig!
Ach ja, und wie man richtig und umweltschonend Schuhe putzt, das erfahren wir bei unserem nächsten Besuch. Versprochen.
Zur Person: ELISABETH LUST-SAUBERER ist niederösterreichische Seminarbäuerin und AMA-Lebensmittelberaterin, ORF-Haushaltsexpertin, Landwirtin, Köchin, Ehefrau und Mutter; Autorin des Kochbuches „So schmeckt das Weinviertel“.