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1945

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Draußen war es sehr kalt. Über Nacht hatte es wieder geschneit. Vater sagte: "Heute gehen wir rodeln."

Mutter steckte uns in warme Sachen und dann ging es los. In der Stadt befand sich neben dem Lyzeum ein kleiner Berg, auf dem hohe Bäume standen. Wir rodelten auf dem zugeschneiten Weg hinunter. Dass es kalt und nass war, wenn ich vom Schlitten fiel, gefiel mir ganz und gar nicht. Ebenso war es für mich sehr mühsam, den Berg auf dem glatten Schnee wieder hinauf zu steigen .

Am 21. Januar 1945 feierten wir meinen siebenten und in meiner Heimatstadt Stargard letzten Geburtstag. An diesem Ehrentag bekam ich eine wunderschöne Puppe mit echten langen dunkelbraunen Zöpfen. Sie trug die BdM-Tracht. Auf diese Puppe war ich sehr stolz und liebte sie sehr.

Auch Tante Rave kam zu meinem Geburtstagskaffee. Sie trug mir ein altes Gedicht vor, das gut zu meinem Geburtstag passte:

Es war einmal ein Häschen

mit einem stumpfen Näschen,

zwei Ohren lang, einem Schwänzchen klein,

zwei dunkelbraunen Äugelein.

Das wohnt im tiefen, tiefen Wald

bei anderen Häschen jung und alt.

Und als es einmal Sonntag war

und gerade sein Geburtstag war,

da kam der Vetter Nuckelchen

mit seinem krummen Puckelchen.

Und von der hohen Bergeshöh’,

da kam die liebe Tante Reh.

Und mit dem stattlichen Geweih

kam auch der Onkel Hirsch herbei.

Und all die kleinen Vögelein,

die wollen sich mit dem Häschen freuen.

Häschen hat Geburtstag, trallalalala, trallalalala,

Häschen hat Geburtstag, trallalalala.

In der Wohnstube stand auf unserem hohen Schrank ein schwarzes Radio. Dort kamen mit einer ganz bestimmten Musik von Zeit zu Zeit Nachrichten durch. Vater war ja auch schon längst bei den Soldaten in Neubrandenburg.

„Irgendwo tobt der Krieg“, sagte Mutter.

Das hatten wir Kinder auch schon begriffen. An ein Lied, das dann immer über den Äther kam, erinnere ich mich noch ganz genau. Ich kenne sogar noch die richtige Melodie. Es hieß:

Und wenn es rummst und kracht,

dann weiß man es genau:

Das war der Flugzeugführer von der "Wilden Sau".

Und irgendwann fingen dann zu sonderbaren Zeiten draußen die Sirenen zu heulen an. Sofort mussten wir alles stehen- und liegen lassen; denn wir mussten so schnell wie möglich in den Luftschutzbunker eilen, der sich auf dem Hof befand und in dem es sehr schmal und eng war. Stühle standen an den beiden langen Wänden.

Angst machte sich bei meinen Eltern und Großeltern breit. Es wurde besprochen, wie wir flüchten wollten. Auch uns Kinder ergriff eine große unbekannte Unruhe. Sie steckte wohl an.

Am 07. Februar 1945 hieß es dann, dass wir morgen mit dem Pferdefuhrwerk mit dem Treck flüchten werden. Draußen konnten wir schon Kanonendonner aus der Ferne vernehmen. Mittags kochte uns Mami noch Fliederbeersuppe mit Klößen, meine Lieblingssuppe.

Im Ton der festen Überzeugung sagte Vater zu uns: "In einem halben Jahr kommen wir wieder zurück."

Ich weiß nur noch, dass wir alle in der letzten Nacht bei Oma und Opa Lu in der Luisenstraße schliefen. Ich kam in das Doppelbett zu meiner Tante Wanda und meiner Cousine Waltraud. Mami sprach mit mir noch das Abendgebet, das sie jeden Abend mit uns Kindern gebetet hatte:

Ich bin klein.

Mein Herz mach’ rein.

Soll niemand drin wohnen als Jesus allein.

Amen.

Spannt die Pferde vor den Wagen!

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