Читать книгу Das Tango-Verwirrspiel - Herwig Riepl - Страница 10

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Haben wir einen Fall?

Jeden Morgen um 8 Uhr trifft sich das Team der Mordkommission im Besprechungsraum, um über diverse Ergebnisse und den Tagesablauf zu sprechen. Aktuell haben sie es mit keinem Mord zu tun, trotzdem gibt es natürlich Straftaten, denen nachgegangen wird.

Sehr ungewöhnlich ist es, dass der Präsident Josef Moser die Abteilung besucht. Noch dazu, zu so einer morgendlichen Uhrzeit. »Guten Morgn alle mitnand! Na, so frisch schau ma heit aba net aus. Habm ma gestan a bissl viel und lang gfeiat? Was ist da gestan in Olching bei eana passiert? Sagns, Herr Ingvardsen, was ham´s eana dabei nua gedenkt. Muas des wirklich sein?«, fragt er nur und wirft gleichzeitig die aktuelle Tageszeitung auf den Tisch.

Die Meier´s grinsen natürlich gleich in sich hinein, die anderen Kollegen schauen etwas verdutzt und belämmert und der dänische Hauptkommissar kratzt sich etwas verlegen am Kopf. Das Titelblatt zeigt den Ermittler, der sich zu einer verletzten Frau hinunter bückt, wobei sein Hinterteil mit Strümpfen und Strapsen sehr deutlich zu sehen ist. Die Überschrift dazu lautet. ›Die Strapsboys der Polizei Fürstenfeldbruck sind unterwegs«

»Gestern war der letzte Faschingstag. Wir konnten doch nicht ahnen, dass es genau dort zu einem Unglück dieser Art kommt und die Schmierblätter uns gleich fotografieren und lächerlich machen, anstatt uns lieber zu loben, dass wir den Übergriff so schnell gesehen und die notwendigen Rettungsmaßnamen eingeleitet haben«, versucht sich der Däne zu rechtfertigen.

»Mei, mei ,mei, was fällt eana no so alles ein? Damit mach ma uns wirklich net beliebt. Was werdn nur de andern Reviere sagn? Wis ma wenistens scho irgendetwas üba de Frau?«, fragt er nach.

»Sie lebt und wird heute bereits wieder entlassen, haben wir von den Kollegen der Streife erfahren. Die haben sich gestern um alles gekümmert, da ja unsere Männer-Kollegen, na ja, wie hat die Zeitung geschrieben, als ›Strapsboys‹ unterwegs waren. Aber wir gehen der Sache heute sofort nach!«, versucht die Chefin überzeugt zu klingen, um den Präsidenten damit zu beruhigen und milde zu stimmen.

Der nickt nur und meint im hinausgehen: »Velleicht vasuachns nextes Jâhr als Claun zu gegan, damit unsa Polizei net ganz so bled dasteht.«

Als die Türe zu ist, sieht man zuerst nur ein sanftes Grinsen, dann aber ein grölendes Gelächter des gesamten Team´s. Der 2er reißt gleich das Titelblatt aus der Zeitung und heftet es an die Anschlagtafel, dort wo sonst nur Verdächtige und Opfer hängen.

»So a vasauta dänischa Kommisa, was hams eana dabei nua denkt?«, sagt er nuschelnd und versucht dem Präsidenten seinen Dialekt nachzuäffen. »Nächstes Jahr darfst du immerhin als Clown gehen, aber mit Riesen-Titten!«, grinst er übers ganze Gesicht.

»Aus, genug, auch wenn es gestern sehr lustig war, jetzt sollten wir uns wieder um die Arbeit kümmern«, reißt die Chefin das Gespräch schnell an sich. »Wir sollten uns auf jeden Fall im Krankenhaus bei den Ärzten erkundigen, um welches Betäubungsmittel es sich handelt. Kennen wir schon ihren Namen?«

»Die Frau heißt Frauke Schmalzinger, ist 28 Jahre alt und sie ist wirklich Nonne. Das war also kein Kostüm was wir gesehen haben. Sie wird Schwester Anna genannt«, klärt Erika alle Kollegen auf.

»Alles klar. Ich bin mir jetzt nicht sicher, wie wir mit dem Fall umgehen und ob er uns überhaupt betrifft, aber…« In dem Moment klingelt ihr Mobil-Telefon. »Hauptkommissarin Andrea Steiner. Ja, … sind Sie sicher? … danke, wir kommen gleich vorbei.« Dann blickt die Chefin in die Runde und sagt: »Das war ein Mordversuch. Hätte Erik nicht gesehen, dass die Frau eine Injektion bekam, wäre sie kurze Zeit später an dem Serum gestorben. Nur durch das schnelle Handeln hat sie überlebt. Jetzt ist es wirklich unser Fall. Meier´s! ihr beide fahrt nach Olching und schaut euch an der Stelle um, wo die Tat begangen wurde. Vielleicht sucht ihr auch nach eventuellen Kameras vor Geschäften oder Dächern, welche in diese Richtung zeigen. Miriam und Lena, ihr versucht über den lokalen Radiosender und die Zeitungen eine Suchmeldung an Faschingsgäste zu richten, die zufällig Fotos oder Videos von den Nonnen gemacht haben. Vielleicht finden wir den Täter und es gibt ein Bild, worauf etwas zu erkennen ist. Erik und ich fahren jetzt sofort ins Krankenhaus.«

Damit ist die Besprechung zu Ende und die beiden Hauptkommissare gehen zum Auto. Ins Krankenhaus ist es nicht sehr weit und sie finden auch schnell den behandelnden Arzt der Nonne.

»Alleine durch Ihre Aufmerksamkeit hat die Frau überlebt. Hätten wir sie bewusstlos gefunden, ohne dass wir die Information bekommen haben, was passiert ist, wäre sie uns an dem schnell wirkenden Gift mit großer Wahrscheinlichkeit gestorben. Da hatten Sie eine sehr gute Beobachtungsgabe. Frau Schmalzinger wird übrigens jetzt gleich entlassen und musste in diesem Fall nur zur Vorsorge eine Nacht hier bleiben. Wir konnten die richtigen Gegenmaßnahmen einleiten, welche auch sofort wirkten.«

»Vielen Dank Herr Doktor. Dann wollen wir Sie nicht länger aufhalten und werden gleich mit ihrer Patientin sprechen«, sagt Andrea.

Kurz darauf treffen die Ermittler auf die Frau, die gerade beim Empfang steht und ihre Entlassungspapiere entgegen nimmt.

»Frau Schmalzinger, Polizei Fürstenfeldbruck. Ich bin Erik Ingvardsen, meine Kollegin Hauptkommissarin Andrea Steiner. Dürfen wir Sie kurz sprechen, wir haben ein paar Fragen an Sie?«, fragt der Däne.

»Ich bin Schwester Anna, natürlich. Also … richtig heiße ich eigentlich Frauke Schmalzinger. Sind Sie der Kommissar, der mich gerettet hat?«

»Nein. Gerettet wurden Sie von den Ärzten, wir haben nur die Rettung gerufen«, bekommt sie als Antwort.

»O nein, ich weiß was Sie für mich getan haben. Ohne Sie wäre ich jetzt nicht mehr hier. Ich danke Ihnen unendlich und nehme sie in mein Gebet auf«, worauf sie Erik´s Hand nimmt und diese küsst, dass es dem Kommissar fast peinlich ist.

»Es freut uns, dass es dir wieder besser geht«, verfällt der Däne bereits wieder ins Du, was er grundsätzlich bei gleichaltrigen oder jüngeren Personen macht. »Aber wir haben ein paar Fragen an dich. Hast du eine Idee, warum dir jemand so etwas antun wollte?«

»Sie meinen, das war kein Zufall?«, fragt sie erstaunt und etwas verwundert.

»Das wissen wir noch nicht. Aber mein Gefühl sagt mir, jemanden eine Spritze in den Hals zu stechen, ist Absicht. Bleibt die Frage, bist du eine zufällig ausgesuchte Person oder wollte jemand genau dich treffen? Und das müssen wir jetzt rausfinden. Darum nochmals die Frage. Gibt es Feinde, jemanden, mit dem du Probleme hast oder der dir in letzter Zeit vielleicht sogar gedroht hat?«

»Nicht dass ich wüsste. Mir fällt niemand ein. Weder privat noch in unserer Gemeinschaft. Ich habe keine Feinde«, meint sie schließlich sehr überzeugt.

»Sind Sie hier im Kloster Fürstenfeld tätig?«, will die Kommissarin wissen.

»Nein, wir haben einen etwas anderen Glauben und dadurch unsere eigene kleine Glaubensgemeinschaft und nichts mit dem Kloster hier zu tun. Unser Domizil liegt bei Germering. Wir nennen es selbst ›Klösterle Magdalena‹. Wir wohnen dort in einem großen Haus, zusammen in einer Gemeinschaft, haben Gebetsräume, einen Speisesaal, eine große Küche sowie einen Obst- und Gemüsegarten. Vielleicht recht ähnlich, wie es in einem, wie Sie es wohl nennen, ›richtigen‹ Kloster ist. Nur, alles etwas kleiner gehalten.«

»Na gut Frau Schmalzinger … oder wie möchten Sie angesprochen werden?«, fragt Andrea.

»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, wäre mir Schwester Anna natürlich lieber, aber ich kann auch verstehen, dass dieser Name für die Polizei vielleicht nicht offiziell ist.«

»Das geht schon in Ordnung. Vorerst haben wir keine weiteren Fragen. Aber wir werden uns mit Sicherheit nochmals melden. Und wenn Ihnen doch etwas dazu einfällt, rufen Sie mich bitte an.«

Darauf zieht Andrea eine Visitenkarte aus der Tasche, gibt sie ihr und die Kommissare verabschieden sich.

Im Präsidium angekommen erfahren sie, dass die Radiosender und Zeitungen der Bitte der Mordkommission Fürstenfeldbruck nachkommen und nach Personen suchen, die Bilder von den Nonnen am Olchinger Faschingsumzug zur Tatzeit um etwa 15 Uhr gemacht haben. Von den Meier´s erfahren die Ermittler, dass es leider keine Kameras gibt, die den Tatort aufnehmen hätten können.

»Was machen wir? Wo fangen wir an?«, fragt die Chefin ein bisschen skeptisch ihre Kollegen.

»Überhaupt nichts machen wir. Wen sollen wir den suchen? Was versprichst du dir ernsthaft von einem Foto? Ein Clown mit Perücke, roter Nase und großer Brille. Erik hat nicht einmal erkannt, ob es ein Mann oder eine Frau ist. Außerdem ist niemand gestorben, also auch nicht unser Fall«, sagt der 2er ganz selbstsicher.

»Bei dir muss es wohl immer gleich Mord sein, damit es unser Fall wird«, kontert Lena schnippisch.

»Ah Blondie, sei doch froh, dass es ruhig ist, da kannst du die roten Stöckelschuhe und deinen fetten Arsch ganz entspannt rumtragen.«

»Ich glaube du spinnst wohl. Ich bin die Schlankeste hier und habe nicht mal halb so viel Arsch wie du an fetten Wams vor dir rumträgst!«, wird er sofort angefaucht. »Und wenn du mir weiter blöd kommst, siehst du dich morgen als Schwuchtel mit Strapsen im facebook wieder.«

»Das wagst du nicht, sonst« … »jetzt reicht´s aber, komm wieder runter!«, fährt ihn die Fallanalytikerin Miriam an.

»Von dir lass ich mir schon gar nichts sagen« … »aber von mir. Wir haben einen klaren Mordversuch, damit ist es unser Fall«, sagt die Chefin der Abteilung ganz ruhig aber betont und schaut den muffigen 2er Meier lange an. Da er aber nicht reagiert meint sie weiter. »Wenn es dir überhaupt nicht passen soll, kannst du natürlich gerne auch wieder den Verkehr regeln gehen!«

»Und Knöllchen schreiben, wegen hupender Autofahrer, in hupfreien Zonen!«, grinst Lena.

»Für deine kleinen Hupen hast du ein ganz schön großes Maul! Da wäre ich lieber ein bisschen leiser«, grinst er bereits wieder zurück und zeigt mit der Hand an, wie groß er ihre Oberweite schätzt.

»Lena! Jetzt langt´s aber auch bei dir!«, sagt die Chefin recht scharf.

Damit ist für Ruhe im Raum gesorgt und das Team kann endlich weiter machen. Die Hauptkommissarin blickt sich um.

»Wenn sich jetzt endlich alle wieder beruhigt haben, stelle ich die Frage erneut. Wo und wie fangen wir an?«

»Ich kann nur spekulieren, aber wenn das Serum in kürzester Zeit zum Tod führt, war das ein gezielter Anschlag und nicht ein nur zufällig ausgesuchtes Opfer. Das heißt, es geht um die Nonne Anna. Wir müssen alles über sie erfahren. Vor allem, wer etwas gegen sie hat und zu so einer Tat greift«, ist sich Erik recht sicher.

Die Fallanalytikerin nickt nur und gibt ihrem Kollegen recht.

»Also gut. Erika und Michael. Ihr versucht über ihren richtigen Namen rauszufinden, wer sie ist. Lebenslauf. Auch über die Eltern und Geschwister.«

Das Gespräch der Chefin wird vom Klingelton ihres Mobil-Telefons unterbrochen. »Steiner, richtig. Waaaas? Danke, wir kommen sofort!« Andrea schaut plötzlich entgeistert auf ihre Kollegen. »Frauke Schmalzinger, unsere Nonne ist soeben kurz vor deren Anwesen überfallen und niedergeschlagen worden. Auf geht´s!«

Bis alle bei den Autos angekommen sind, schafft der 2er es trotzdem noch, der Polizeioberkommissarin zu sagen: »Warum dürfen Blondinen keine Mittagspause machen? Weil sie danach wieder frisch angelernt werden müssen.«

Dabei grinsen die Meier´s fast auf Kommando während Lena nur kontert. »Euch bringt das Anlernen auch nichts, ihr kapiert es sowieso nie.«

Im hohen Tempo fährt der Däne mit Lena, Miriam und Andrea, seinem Dreimäderlhaus wie er sie wenn sie privat essen gehen oft nennt, Richtung Germering. Direkt davor fahren mit Folgetonhorn und Blaulicht die beiden Meier´s in deren Polizeiauto. »Jetzt sagt mir mal, was hat eigentlich der 2er mit den kleinen Hupen vorhin gemeint? Ist das wirklich ein Wort für den Busen der Frau?«, will der Däne wissen.

»Manche Provinzler wie der Meier verwenden für das hübsche Wort Babser so unsinnige Wörter wie ›Hupen‹«, klärt ihn Andrea auf.

Da grinst der Kommissar. So etwas Ähnliches hat er sich bereits gedacht. »Aber so klein sind sie nicht, da liegt er daneben!«, fügt er noch an und sieht gleichzeitig eine strahlende Blondie im Rückspiegel, die ihm mit ihrem Schmollmund einen Kuss zuwirft.

Als die beiden Autos in die gesuchte Straße einbiegen, sehen sie schon von weitem die Rettung und ein Polizeiauto stehen. Schnell springen alle aus ihren Wägen und erkundigen sich, was vorgefallen ist und wie es der Frau gerade geht, während die Meier´s die Arbeit der Verkehrspolizei-Kollegen übernehmen.

»Sie hat sehr großes Glück gehabt«, sagt der anwesende Arzt. Jemand hat sie niedergeschlagen und wollte ihr eine Spritze in den Hals stechen, wobei die Nadel aber abgebrochen ist, da die Nonne ihren Kragen der Lederjacke nach oben gesteckt hat. Die Nadel ist dabei genau auf eine Metallöse gestoßen, welche dadurch nicht eindringen konnte.«

Dabei zeigt er auf eine bereits in einer Plastiktüte befindliche Spritze. Lena nimmt die Tüte, um sie später der kriminaltechnischen Untersuchung zu bringen.

»Frau Schmalzinger, ich meine Schwester Anna. Wir müssen mit Ihnen reden. Zwei sehr ähnliche Anschläge auf Sie, das sind sicher keine Zufälle mehr. Wollen Sie mit der Rettung mitfahren oder bleiben Sie hier?«

»Mir geht es gut. Danke. Ich bleibe hier. Kommen Sie, hier vorne ist gleich unser Klösterle«, sagt jetzt die doch etwas aufgeregtere Frau.

Darauf bedanken sich alle bei den Rettungsleuten und gehen mit ihr mit. Von außen erkennt man gar nicht die Größe des Grundstücks und hat auch keine Ahnung, dass sich dahinter gleich mehrere Gebäude befinden. Ein paar Nonnen kommen bereits aufgeregt gelaufen und bringen alle in den Aufenthaltsraum. Dann wird zuerst Tee und Kuchen serviert, bevor die Ermittler mit der betroffenen Frau endlich alleine sind.

»Sind Sie jetzt immer noch sicher, dass Sie keine Feinde haben?«, beginnt die Hauptkommissarin gleich mit der ersten Frage.

»Die Frau zuckt mit den Schultern: »Aber ich wüsste wirklich nicht wer das sein soll.«

»Erzähle uns mal, was ihr hier genau macht, wovon ihr lebt, wem das Gebäude gehört und wer hier alles wohnt«, beginnt der Kommissar ganz ruhig.

»Oh, das sind ja eine ganze Menge Fragen! Das Grundstück gehört unserer Gemeinschaft, also allen zusammen und wird immer weiter vererbt. Also nicht einer einzelnen Person, sondern der Glaubensgemeinschaft. Wir sind zurzeit 15 Personen, die permanent hier wohnen. Keine Männer, aber es kommen tagsüber immer wieder ein paar Mönche zu uns. Wir beten gemeinsam und bauen auf dem Grundstück sehr viel Obst und Gemüse an, welches auch von uns auf dem Markt verkauft wird. Für uns ist es wichtig, ungespritztes Obst und Gemüse an die Kunden zu verkaufen. Außerdem wird hier natürlich gekocht, geputzt, Wäsche gewaschen, es gibt genug Arbeit. Fünf von uns Schwestern sind nebenbei bei verschiedenen Firmen angestellt und gehen einer Arbeit in diversen Büros nach. Dadurch kommt Geld rein, außerdem bekommen wir auch immer wieder diverse Spenden. Und zwei Zimmer werden an Gäste vermietet, die unser Leben als Nonne kennen lernen wollen. Unser Glauben weicht ein bisschen von dem christlichen Glauben ab, aber das genau zu erklären, dauert jetzt zu lange, was ich aber gerne ein anderes Mal nachholen kann.«

»Jetzt denk mal scharf nach! Irgendjemand muss doch etwas gegen dich haben. Du bist jetzt zweimal angegriffen worden, das ist ja kein Zufall. Du musst uns helfen, du bist gefährdet. Wir können heute hier ein Polizeiauto zur Sicherheit abstellen, zwei Kollegen werden die ganze Nacht das Haus beobachten. Aber … wir können das nicht auf Dauer machen«, informiert Erik die Nonne.

»Danke! Es tut mir so leid, aber ich kenne niemanden, der mir Böses antun will.«

»Wie sieht es mit Ihrer Familie aus? Geschwister, Eltern, gibt es jemanden, der gegen Ihre Arbeit als Nonne etwas haben könnte?«, fragt Lena.

»Das glaube ich nicht. Ich bin ein Adoptivkind, wurde in Tschechien gezeugt und sofort zur Adoption frei gegeben. Ich kenne meine wirklichen Eltern nicht und kam bereits als Säugling zu meinen jetzigen Eltern, der Familie Schmalzinger in München. Sie haben noch eine Tochter Samantha, sie ist 30 Jahre, also zwei Jahre älter als ich. Ich habe mit den Adoptiveltern noch immer regelmäßigen Kontakt und keine Probleme.«

»Und mit deiner „Schwester“?«

»Weniger. Eigentlich gar keinen mehr.«

»Gab es Probleme zwischen euch Geschwistern?«, fragt Erik.

»Nein, nicht richtig.«

»Und unrichtig?«, fragt der Däne lächelnd, weil er weiß, dass bei so einer Antwort die Wahrheit immer ein bisschen verschwiegen wird.

»Na ja, das übliche halt. Wie es manchmal zwischen Geschwistern abläuft. Vielleicht war sie auch ein bisschen in mich verliebt. Als sie 18 war, kam sie einmal zu mir in die Dusche und hat mich gleich angefasst. Ich wollte das nicht und habe ihr eine geknallt. Da war sie natürlich sauer. Noch mehr verärgert war sie aber, als ich mich religiös orientierte und Interesse an einer Glaubensgemeinschaft bekundete. Danach konnte ich mit ihr überhaupt nicht mehr diskutieren, da sie der Meinung war, alle Nonnen bei uns müssen im Zölibat leben und sind sexuell frustriert. Sie dagegen hatte dann die Phase, dass sie alles ausprobieren wollte und sich wie eine Nutte benommen hat. Frauen, Männer, Gruppensex, das ganze Programm.«

»Gibt es noch Kontakt zur Schwester?«

»Nein. Wir haben uns leider nichts mehr zu sagen seit ich im Klösterle lebe. Ein paar Mal sind wir uns in Fürstenfeldbruck über den Weg gelaufen, ohne richtig miteinander zu sprechen. Ich glaube sie ignoriert mich einfach.«

»Als was arbeitet ihre Schwester heute?«

Die Nonne schmunzelt, dann sagt sie: »Sie werden es nicht glauben, aber auch meine „Schwester“ ist zwei Jahre später Nonne geworden. Aber nicht hier bei uns sondern in München.«

Dabei lächeln auch die Ermittler. »Ich befürchte, wir müssen trotzdem mit allen sprechen, auch mit Ihren Eltern und mit Samantha«, sagt die Hauptkommissarin zu ihr.

Die Frau nickt nur und holt eine Liste auf der alle Namen stehen, die im Klösterle gemeldet sind und ständig hier wohnen. Außerdem sind die männlichen Besucher gelistet so wie die Adresse der Eltern und der „Schwester“.

»Samantha nennt sich heute Schwester Reinhilde«, sagt sie erläuternd, damit niemand bei den ganzen Namen durcheinander kommt.

»Wann wollen Sie hier mit der Befragung beginnen?«, will die Nonne wissen und bekommt ein »Jetzt sofort« von allen vier Ermittlern zu hören.

Zwei Stunden später gibt es zwar viele Aufzeichnungen und Notizen, aber wirklich neue und hilfreiche Erkenntnisse haben sie leider nicht erhalten. Außerdem haben auch einige Bewohner gefehlt, die zu einem späteren Zeitpunkt befragt werden müssen. Als die vier anschließend zurück fahren und die Meier´s von Polizeioberkommissarin Lena die Anweisung bekommen, über die Nacht hier zu bleiben um das Haus zu beobachten, sind die zwei Kollegen recht verärgert. Einmal mehr bekommt sie zu hören, dass es auch ihr gut tun würde, ihren fetten Arsch zu bewegen und hier ein bisschen auf und ab zu laufen. Leider müssen die Meier´s der Anordnung von Lena nachkommen, da sie rangmäßig höher steht.

Bei der Rückfahrt ins Präsidium meint Miriam: »Die zwei Pausenclowns, vor allem aber der 2er, haben sich ja richtig auf dich eingeschossen. Ob blond oder Hinterteil, denen kannst du es nicht recht machen. Und das mit deiner super Figur und dem Knackarsch. Dagegen haben ja Andrea und ich Hängeärsche«, grinst die Fallanalytikerin.

»Also, mir gefallen eure spannenden Frauengespräche immer wieder! Schade, dass wir gleich da sind oder soll ich doch noch eine extra Runde fahren, um euch weiter zuhören zu können?«, kichert Erik.

»Was heißt eigentlich ›Arsch‹ auf Dänisch?«, will Lena doch noch schnell wissen.

»Røv«, antwortet er.

»Was! Schon wieder nur so ein kurzes Wort!?«, staunt jetzt auch Andrea, die wie Lena schon einige Wörter vom dänischen Kollegen gelernt hat. »Røv, Pik, Jul, Øl, Tak, Kys, Ø, Å«, sagt sie wissend.

»Arsch, Schwanz, Weihnachten, Bier, Danke, Kuss, Insel, Fluss«, übersetzt Lena korrekt und meint, »dagegen ist ja das Busenwort Babser fast schon ein langer Zungenbrecher.«

»Hast du noch andere kurze Wörter auf Lager?«, fragt Miriam.

»B0f og ost. Das heißt Fleisch und Käse.«

Das Dreimäderlhaus lacht über den Ost für den Käse. Dann wird es wieder ernster.

»Miriam und Lena, ihr fahrt jetzt noch nach München um die Eltern der Nonne zu befragen«, gibt die Hauptkommissarin als Anweisung weiter.

Lena schaut auf die Uhr, rümpft die Nase und meint: »Aber hoffentlich nicht mehr heute. Sonst wird es recht spät. Ich melde mich bei den Eltern für morgen Früh an«, sagt sie ganz selbstbewusst.

»Na gut, aber lass das lieber nicht die beiden Meier´s wissen. Sonst hagelt es in den nächsten Tagen Wörter, die weit unter der Gürtellinie liegen«, grinst die Chefin.

Bei einer gemeinsamen Tasse Kaffee unterhalten sich alle über den Fall und fragen sich zugleich, ob es überhaupt möglich sein wird, einen Clown zu finden.

»Ganz Unrecht hat der 2er ja nicht. Wir suchen ein Phantom. Aussichtsloser könnte die Situation gar nicht sein. Wenn man nicht weiß, wen man suchen soll, Mann oder Frau, jung oder alt, dann stellt sich schon die Frage. Ist das überhaupt ein Fall?«, stellt der Däne bekümmert fest.

»Ich wäre jetzt am liebsten ganz weit weg. So weit weg wie überhaupt möglich! Weg von dem mistigen Wetter, weg von den Meier´s, na ja … Erik, dich hätte ich aber schon gerne dabei!«, sagt Lena schmunzelnd.

»Du willst nur wieder mal unseren Dansk Mand flach legen«, sagen die beiden anderen Frauen.

»Wie könnt ihr verdorbenen Weiber nur immer so sexistisch denken? Ich habe jetzt an einen erfahrenen Reise-Guide gedacht. Erik, ich glaube es ist nicht gut, dass du so oft bei unserer Chefin übernachtest. Die vögelt sich bei dir noch die Gehirnzellen weg und denkt nur noch an Sex.«

Andrea kann fast nicht glauben was sie zu hören bekommt, aber Lena spricht einfach weiter und fragt: »Wie heißt das Land, welches am weitesten von hier entfernt ist?«

Der vielgereiste Däne überlegt kurz und meint: »Wenn wir von einem größeren Land sprechen, ist es sicher Aotearoa. Keine Ahnung, ob eine kleine Insel im Südpazifik kilometermäßig noch weiter weg wäre.«

Da das Dreimäderlhaus nur entgeistert und verwundert dasteht, sagt er: »Ich spreche von New Zealand. Die Ureinwohner, die Maories nennen das Land so.«

»Und warst du schon einmal dort?«, will sie wissen.

»Sogar zweimal. Das Land ist wirklich sehr schön, vor allem landschaftlich hat es sehr viel zu bieten. Ich vergleiche es ein bisschen mit Norwegen oder Chile. Es ist auf jeden Fall sehr abwechslungsreich. Diese Länder haben hübsche kleine Städte, wobei ich Bergen und Ålesund in Norwegen, Puerto Montt in Chile und Queenstown in New Zealand als die schönsten Städte der Erde bezeichnen würde. Es gibt Gletscher, Berge, Strände, Vulkane, Wasserfälle, Fjorde, Geysire, alle drei Länder liegen nicht nur am Meer sondern haben tausende Kilometer Küste, sind von der Form eher schmal und lang und auch recht dünn besiedelt. Und sie liegen recht nahe zu den beiden Polen. Also Nord- und Südpol«, erklärt der Däne. »Außerdem gefallen mir die Lieder der Maories.«

»Oh ja, genau das möchte ich!«, schwärmt Lena. »Zusammen mit dir. Und jede von unseren beiden Freundinnen bekommt eine hübsche Ansichtskarte von mir geschickt. Darauf schreibe ich: ›Wenn ich ein Vöglein wär, flög ich zu dir, da ich kein Vöglein bin‹ …« In dem Moment läutet das Telefon von Andrea und sie meldet sich Gedanken verloren mit: »Vögle ich hier … äh, Mist, Hauptkommissarin Steiner.«

Etwas verlegen hört sie nur kurz zu, während die anderen drei über das ganze Gesicht grinsen, dann sagt sie: »Danke, wir kommen sofort!« und legt auf. »… Ich habe keine Ahnung, was hier gerade los ist, aber eine Tangolehrerin im RÍOPLATENESE ist offenbar soeben mit einer Spritze attackiert worden. Da derselbe Notarzt vor Ort ist, der auch bei der Nonne schon erste Hilfe geleistet hat, sieht er gewisse Gemeinsamkeiten. Also gut, Miriam und Lena, ihr könnt Feierabend machen. Komm mein Schokobär, wir schauen uns an, was dort vorgefallen ist und gehen Tango tanzen. Ah … und nur zur Information. Für die Zukunft verbiete ich jegliche Art von sexuellen Gesprächen während der Arbeitszeit. Peinlich genug, wie ich mich jetzt gemeldet habe.«

»Ich habe nicht von Sex gesprochen aber du hast offenbar eine neue Art gefunden, dich zu melden. Frau „Vögle ich hier“«, kichert Lena. »Tanzt aber nicht zu wild«, sagt sie noch und stolziert auf ihren roten High Heels los.

Das Tango-Verwirrspiel

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