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Der kleine Kapitän

Es war zwar noch früh am Morgen, aber die Sonne schien schon warm sowie an fast jedem Tag in diesem Sommer. Die hellen Strahlen fielen durchs Fenster direkt in Manolitos Gesicht und so rieb er sich verschlafen die Augen und wachte langsam auf. Ausgiebig gähnte der Junge, streckte sich genüsslich in seinem Bett und schob die dünne Decke zur Seite. Obwohl er gerade erst die Augen geöffnet hatte, fragte er sich sofort, ob er heute wohl wieder etwas Geld verdienen würde. Er fand es ungerecht, dass Kinder nicht wie Erwachsene arbeiten gehen durften. Die einzige Zeit im Jahr, in der er etwas dazuverdienen konnte, waren die Ferien, die er gerade hatte. Und er wollte unbedingt sein Erspartes vermehren, denn sonst würde sich sein Traum nie erfüllen: Ein eigenes Segelschiff, kein kleines Boot mit ollem Motor, ein richtiges Segelschiff wollte er besitzen. Ein stattliches Schiff, mit dem man übers Meer segeln konnte und in dem es mindestens zwei Schlafplätze gab. Und darauf sparte er.

Seine Freunde ärgerten ihn deswegen öfters – „Manolito muss sparen“, neckten sie ihn – aber das störte den Jungen wenig. Irgendwann würde sein Wunsch in Erfüllung gehen, daran glaubte er ganz fest. Manolitos Mutter arbeitete ganz in der Nähe in einem Restaurant, aber da verdiente sie nur im Sommer gut, wenn Touristen im Ort waren. Als ein Kind, das allein mit seiner Mutter lebte, hatte Manolito früh gelernt, wie wichtig Geld ist, und da er ja nicht sonderlich viel Taschengeld von seiner Mutter bekam, musste er eben selbst für die Aufbesserung seines Etats sorgen. Deshalb suchte er, so oft er konnte, nach Arbeit und zum Glück gab es im Hafen von Portimao im Sommer nicht nur viele Besucher, sondern auch reichlich Segelschiffe und Motorboote, und auf denen fand sich fast immer etwas zu tun.


Portimao ist übrigens ein kleiner Hafenort in Portugal, und das Häuschen, in dem der Junge mit seiner Mutter lebte, war nur eine Straße von der Marina (so nennt man den Bereich, wo die Segelschiffe und Motorboote ankern) entfernt. Manolito konnte sich nicht sattsehen an den schönen Schiffen und mit Bewunderung betrachtete er die großen sowie kleinen Yachten. Es verging kein Tag, an dem er nicht durch die Marina streifte, und da ihm besonders die Segelschiffe am Herzen lagen, trieb er sich meist am Kai herum und hielt nach der Besatzung der Schiffe Ausschau. Wann immer er konnte, fragte er, ob er etwas helfen könne, und da er noch so jung war, imponierte er mit seinem Engagement vielen Schiffseignern und so gaben sie ihm auch öfters eine kleine Arbeit. Manchmal musste er ein Deck schrubben, um das Salz, das die Wellen und der Wind dort hinterlassen hatten, wegzuspülen und manchmal besorgte er lediglich den Einkauf. Irgendetwas gab es im Hafen immer zu tun, das war sein Motto, und da er fleißig sparte, kam er seinem Ziel in jeden Ferien ein Stückchen näher. Stolz rechnete Manolito am Ende einer jeden Woche seine Einnahmen nach und brachte das Geld auf die Bank. Er hatte ein eigenes Konto und da er tüchtig war, hatte sich auch bereits eine stolze Summe angesammelt. Nur eines war ihm klar: Bis er von seinem Angesparten ein eigenes Schiff würde kaufen können, würden wohl noch einige Jahre vergehen.

Wie viele Kinder, die an der Küste leben, hatte Manolito schon früh das Segeln gelernt, weswegen er bereits auf den unterschiedlichsten Segelschiffen draußen auf dem Meer gewesen war. Mitsegeln war stets der beste Job, den er ergattern konnte. Wann immer er mit einem Schiff rausdurfte, war für ihn eine Art Feiertag. Jedes Schiff funktionierte ein wenig anders und das war es, was ihn faszinierte. Mal musste er die Segel per Hand setzen und die Taue straff ziehen, bis die Finger schmerzten, und ein anderes Mal brauchte er nur auf einen Knopf zu drücken, und das Segel begann, sich wie von Zauberhand von allein zu hissen. Schlichtes Mitsegeln hätte er sogar ohne eine Entlohnung angeboten, denn das war ja reines Vergnügen und keine richtige Arbeit. Aber die Besitzer der Schiffe fanden es großartig, wenn er fast schon wie ein erwachsener Mann beim Segeln mithalf, und sie bezahlten ihn dafür gerne und gut.

An diesem Morgen jedenfalls griff Manolito nach seiner blauen Lieblingshose und einem frisch gewaschenen T-Shirt, schlüpfte in die Sachen, packte sich in der Küche noch zwei Bananen ein und begab sich geradewegs in Richtung Hafen. Bestimmt waren wieder Touristen angekommen, die neuen Proviant brauchten, und wenn nicht, dann benötigte eines der Schiffe bestimmt Hilfe beim Putzen. Manolito kaufte gerne Lebensmittel für die Schiffe ein, dann gab es immer gutes Trinkgeld und oft bekam er zudem etwas davon ab. Weil er kleiner als die Erwachsenen war, musste er auch des Öfteren in einen der Schiffsbäuche klettern und helfen, wenn es dort Probleme gab. Und die gab es dort reichlich: Mal war die Batterie kaputt, ein anderes Mal fehlte Benzin und der Motor sprang nicht mehr an. Manolito war beinahe ein Meister im Ergründen von Ursachen, und wenn der Motor wieder einmal nicht starten wollte, dann fragte er ganz vorsichtig: „Wann habt ihr denn zuletzt getankt?“ Oder: „Ist eure Batterie schon alt und ist noch genug destilliertes Wasser drin?“ Die Schiffsbesitzer staunten meist nicht schlecht über seine vielen Fragen, vor allem, wenn eine der Antworten darauf auch die Lösung des Problems brachte.

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