Читать книгу Los Angeles im Film noir - Holger Hühn, Martin Holland - Страница 4

Оглавление

Film noir und Los Angeles

Ab den 40er-Jahren entstand in Hollywood eine ganze Reihe düsterer Kriminalfilme, die später unter dem Begriff Film noir zusammengefasst wurden. Nicht selten ist dabei Los Angeles selbst der Schauplatz der Handlung. Die Filme zeichnen dabei ein schaurig-schönes Bild der „Stadt der Engel“.

Was versteht man unter Film noir? Eine eindeutige Definition ist äußerst schwierig. Auch ist umstritten, ob der Film noir ein eigenes Genre darstellt oder ob es sich nur um eine bestimmte Stilrichtung handelt.

Entstanden ist der Begriff nachträglich. Erstmals verwendet wurde er 1946 in einer französischen Filmzeitschrift durch den italienischstämmigen Kritiker Nino Frank. Er bezeichnete so einige amerikanische Filme der frühen 40er-Jahre, die in Frankreich aufgrund des Zweiten Weltkriegs erst 1946 zu sehen waren, darunter Frau ohne Gewissen (Double Indemnity, 1944).

Generell unterscheidet man heute zwischen dem klassischen Film noir, der Filme aus den 40er- und 50er-Jahren umfasst, und dem Neo-Noir-Film, der Produktionen aus späteren Jahren beinhaltet. Bei vielen Neo-Noirs ist die Handlung dabei in der Vergangenheit angesiedelt.

Typische Merkmale

Obwohl es keine allgemeingültige Definition des Film noir gibt, so haben die Filme, die ihm üblicherweise zugerechnet werden, doch einige Gemeinsamkeiten sowohl auf der stilistischen als auch auf der inhaltlichen Ebene.

Meist wird der Film noir mit einer Produktion in Schwarz-Weiß assoziiert. Dies war allerdings in den 40er- und 50er-Jahren noch kein besonderes Stilmittel, da aus Kostengründen ein Großteil der Filme nicht in Farbe gedreht wurde.

Erst später wurde Schwarz-Weiß bewusst als Stilmittel eingesetzt. Allerdings ist dies kein eindeutiges Kriterium, um einen Film als Film noir einzustufen. So sind viele Neo-Noir-Filme in Farbe gedreht. Oftmals wurde die Farbe hier aber nachträglich künstlerisch bearbeitet – beispielsweise um einen Film dem Inhalt entsprechend älter wirken zu lassen.

Weit wichtiger als die Farbgebung ist aber das Stilmittel der Beleuchtung. Im Film noir herrschen meist deutliche Hell-Dunkel-Kontraste und auffällige Schatten vor. Typisch ist auch eine Ausleuchtung von der Seite oder von hinten, was dazu führt, dass oftmals nur die Umrisse einer Person zu erkennen sind.

Besonders frühe Filme orientierten sich dabei am deutschen Expressionismus der Stummfilmzeit. Beliebt ist unter anderem die Ausleuchtung durch halbgeschlossene Jalousien, die eine düstere Stimmung erzeugt.

Ein weiteres Merkmal des Film noir ist der Einsatz von ungewöhnlichen Kameraperspektiven. Dabei blickt die Kamera beispielsweise von unten auf das Geschehen und verleiht dadurch den Charakteren eine bedrohliche Wirkung.

Typische Figuren

Im Film noir gibt es auch einige typische Charaktere, die immer wieder in ähnlicher Form auftauchen. Häufig steht im Zentrum der Handlung ein sogenannter Wahrheitssucher, also jemand, der versucht, den Hintergrund eines Verbrechens aufzudecken. Meist ist dies ein Privatdetektiv oder ein Polizist.

Einer der bekanntesten Privatdetektive ist Philip Marlowe, der den Romanen des Schriftstellers Raymond Chandler entspringt und im Großraum Los Angeles ermittelt. Er taucht in zahlreichen Filmen auf: In Tote schlafen fest (The Big Sleep, 1946) wird er von Hollywood-Star Humphrey Bogart gespielt, in Der Dritte im Hinterhalt (Marlowe, 1969) verkörpert ihn James Garner und in Der Tod kennt keine Wiederkehr (The Long Goodbye, 1973) stellt ihn Elliott Gould dar.

Auch in anderen Filmen kommen Privatdetektive vor, unter anderem Mike Hammer in Rattennest (Kiss Me Deadly, 1955) sowie Jake Gittes in Chinatown (1974) und Die Spur führt zurück (The Two Jakes, 1990).

Polizisten oder andere staatliche Akteure stehen dagegen in den Filmen Leben und Sterben in L.A. (To Live and Die in L.A., 1985), Nach eigenen Regeln (Mulholland Falls, 1996) und L.A. Confidential (1997) im Zentrum der Handlung.

Nicht immer ist der „Wahrheitssucher“ beruflich zur Aufklärung von Verbrechen verpflichtet, manchmal zwingen ihn auch nur die äußeren Umstände dazu, in diese Rolle zu schlüpfen, wie beispielsweise den zu Unrecht des Mordes verdächtigten Kriegsheimkehrer in Die blaue Dahlie (The Blue Dahlia, 1946).

Manchmal ist der zentrale (männliche) Charakter dagegen kein Aufklärer, sondern verstrickt sich durch böse Absichten oder einen unglücklichen Zufall in ein Verbrechen und wird dadurch zum Gejagten, wie beispielsweise der Versicherungsvertreter Walter Neff in Frau ohne Gewissen.

Eine weitere typische Figur im Film noir ist die Femme fatale. Darunter wird eine mysteriöse, sexuell anziehende und berechnende Frau verstanden, die den Held des Films in einen Abgrund stürzt.

Bestes Beispiel ist die von Barbara Stanwyck verkörperte Ehefrau in Frau ohne Gewissen, die Neff verführt und mit ihm gemeinsam ihren Mann ermordet. Ein anderes Beispiel ist Diane Tremayne (in der deutschen Fassung Gina genannt) aus Engelsgesicht (Angel Face, 1952), die aber weit weniger berechnend, sondern eher von einer Psychose getrieben handelt. In Grifters (The Grifters, 1990) tauchen gleich zwei Femme fatales auf, die dem Protagonisten das Leben schwer machen.

Düstere Thematik

Was den Film noir am deutlichsten kennzeichnet, sind seine Thematik und eine düstere Weltsicht. Im Zentrum der Handlung steht meist ein Mord oder ein anderer Kriminalfall. Von anderen Krimis oder Thrillern grenzt sich der Film noir aber dadurch ab, dass es darin nicht vorrangig um die Frage nach dem Täter oder die Jagd nach einem Verbrecher geht, sondern eher um die psychologischen und gesellschaftlichen Umstände, die das Verbrechen überhaupt möglich gemacht haben.

Zudem sind im Film noir die Grenzen zwischen Gut und Böse oft verschwommen. Nicht selten handeln die Vertreter des Gesetzes ebenso skrupellos wie die Verbrecher, die sie dingfest machen sollen. Auch sind die Hauptfiguren zumeist keine klassischen Helden, sondern eher Anti-Helden, die viele negative Seiten haben und oft von den Geschehnissen regelrecht überrumpelt werden.

Insgesamt offenbaren die Filme eine düstere Sicht auf die Welt. Diese ist besonders in den frühen Filmen noch geprägt von den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit. Aber auch spätere Film noirs sind recht pessimistisch und offenbaren eine fast schon nihilistische Weltsicht.

Dennoch sind viele Film noirs nicht gänzlich ohne Humor. Besonders die Filme der klassischen Ära zeichnen sich durch viel Dialogwitz aus (der allerdings in den deutschen Fassungen zumeist nicht mehr so deutlich zu erkennen ist). Auch aus den manchmal geradezu absurden Situationen können die Filme Humor beziehen.

Metropole Los Angeles

Dass viele Film noirs in Los Angeles spielen, ist kein Zufall. Zum einen ergibt sich dies aus dem Umstand, dass Hollywood selbst ein Stadtteil von Los Angeles ist und viele der ansässigen Produktionsfirmen die umliegende Stadt gerne als Kulisse für ihre Filme nutzten.

Zum anderen war Los Angeles immer eine lebendige und dynamische Stadt, die zugleich mit Problemen wie ethnischen Spannungen und organisierter Kriminalität zu kämpfen hatte. Schon in den 30er-Jahren lebten hier mehr als 1 Mio. Einwohner. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg kamen weitere Menschen in die Region und siedelten sich hier an.

Los Angeles und seine Umgebung hatten und haben Filmemachern zudem eine Vielzahl an verschiedensten Kulissen zu bieten. Landschaftlich liegen hier innerhalb weniger Kilometer Meer, Berge und einsame Wüsten nebeneinander. Dazwischen befindet sich eine dicht bebaute Stadtlandschaft mit Hochhäusern, prachtvollen Villen, typischen Einfamilienhäusern und heruntergekommenen Armensiedlungen.

Typische Schauplätze

Es gibt in Los Angeles einige berühmte Gebäude, die gleich in mehreren Film noirs auftauchen. Eines davon ist das Rathaus der Stadt, die City Hall. Sie war einst gleichzeitig Sitz des Polizeihauptquartiers von Los Angeles und ist in dieser Funktion in zahlreichen klassischen und neueren Film noirs zu sehen, etwa in Opfer der Unterwelt (D.O.A., 1950) oder The Black Dahlia (2006).

Ein weiterer beliebter Drehort für Film noirs, aber auch für andere Filme, ist das historische Bradbury Building am Broadway, das unter anderem in Opfer der Unterwelt und Der Dritte im Hinterhalt auftaucht.

Die Stadtteile von Los Angeles, die am häufigsten im Film noir zu sehen sind, sind die beiden bekanntesten: Downtown und Hollywood. In Downtown wurde früher häufig im Viertel Bunker Hill gedreht. Es enthielt in den 40er- und 50er-Jahren noch viele alte, heruntergekommene Gebäude, wurde inzwischen aber aufwendig umgebaut. Heute stehen hier moderne Hochhäuser.

Hollywood ist im Film noir häufig durch die vielen historischen Restaurants und Bars vertreten, die sich hier teilweise noch immer befinden. Auch die Scheinwelt der Filmindustrie kann Thema des Film noir werden, am deutlichsten in Boulevard der Dämmerung (Sunset Boulevard, 1950).

Los Angeles erscheint im Film noir aber nicht nur als düstere Stadt des Verbrechens – ganz im Gegenteil. Viele Filme spielen in majestätischen Anwesen und sonnigen Strandhäusern. Doch gerade durch die scheinbare Postkartenidylle wirkt das überall lauernde Verbrechen besonders erschreckend.

Los Angeles im Film noir

Подняться наверх