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Frau ohne Gewissen
(Double Indemnity) 1944

Frau ohne Gewissen gilt als einer der ersten und zugleich besten Film noirs. Er wurde stilbildend für das ganze Genre. Der Film erzählt von einem biederen Versicherungsvertreter, der einer Femme fatale verfällt und mit ihr einen hinterhältigen Mord begeht.

Los Angeles, 1938: Der Versicherungsvertreter Walter Neff (Fred MacMurray) schleppt sich eines Nachts mit einer offenkundigen Schussverletzung in sein Büro. Dort spricht er seine Geschichte in ein Diktiergerät.

Eine Rückblende zeigt Neff einige Wochen zuvor: Er ist auf der Suche nach einem Klienten, um mit ihm über eine Verlängerung seiner Kfz-Versicherung zu sprechen. In dessen Haus trifft er jedoch nur auf seine Frau, die attraktive Phyllis Dietrichson (Barbara Stanwyck). Neff verfällt ihr augenblicklich.

Kurz darauf besucht er sie erneut. Phyllis Dietrichson macht finstere Andeutungen: Sie will eine Unfallversicherung für ihren Mann abschließen und ihn anschließend ermorden, um das Geld zu kassieren. Neff ist zunächst entsetzt. Doch dann heckt er einen noch gewinnbringenderen Plan aus: Er sieht einen besonders spektakulären „Unfalltod“ für Mr. Dietrichson (Tom Powers) vor, da in diesem Fall die Versicherung aufgrund einer Klausel (im Englischen „Double Indemnity“ genannt) die doppelte Summe auszahlen muss.

Phyllis Dietrichson und Neff töten Mr. Dietrichson und lassen es so aussehen, als sei er von einem fahrenden Zug gestürzt. Die Polizei glaubt an einen Unfall, doch Neffs Kollege und väterlicher Freund Barton Keyes (Edward G. Robinson), zu dessen Aufgaben die Aufdeckung von Betrugsfällen gehört, ist von dieser Theorie nicht überzeugt und beginnt, in dem Fall zu ermitteln...

„Es war ein heißer Nachmittag und ich erinnere mich heute noch an den Jasminduft, der über den Gärten lag. Wie hätte ich ahnen sollen, dass Mord zuweilen wie Jasmin duftet?“ Walter Neff über seine erste Begegnung mit Phyllis Dietrichson

Ein heikles Thema

Die Geschichte von Frau ohne Gewissen basiert lose auf einem echten Kriminalfall, der sich 1927 in New York zutrug: Eine Frau hatte ihren Liebhaber überredet, ihren Mann zu töten, um so die Summe aus einer kurz zuvor abgeschlossenen Versicherung zu kassieren.

Der Autor James M. Cain war damals als Journalist bei der Verhandlung gegen die beiden Angeklagten dabei. Er entwickelt daraus eine Romanhandlung, die unter dem Titel Double Indemnity 1935 als Fortsetzungsgeschichte in einem Magazin erschien.

Schon kurz nach der Veröffentlichung herrschte in Hollywood großes Interesse an dem Stoff, doch Joseph Breen, der als Chefzensor auf die Einhaltung des damals gültigen strengen Hays Code achtete, warnte die Filmstudios, dass ein solcher Film niemals die Zustimmung der zuständigen Behörde erhalten würde.

Verfilmung mit Zugeständnissen

Acht Jahre später erschien Double Indemnity erneut in einer Sammelausgabe von Cains Werken mit dem Titel Three of a Kind. Paramount sicherte sich nun die Rechte daran, wobei Produzent Joseph Sistrom bereits den aus Österreich stammenden Billy Wilder für die Regie im Sinn hatte.

Das Hays Office stand dem Inhalt nach wie vor kritisch gegenüber. Um grünes Licht für die Produktion zu erhalten, musste man deshalb einigen Änderungen zustimmen. Beispielsweise musste das Ende geändert werden, da der Roman mit einem doppelten Selbstmord endet und Selbstmord nicht auf der Leinwand gezeigt werden durfte.

Konfliktreiche Zusammenarbeit

Da Cain für die Umarbeitung seiner Geschichte in ein Drehbuch nicht zur Verfügung stand, wurde Raymond Chandler neben Wilder selbst als zusätzlicher Autor verpflichtet. Chandler hatte kurz zuvor mit seinen Detektivromanen rund um seinen berühmten Charakter Philip Marlowe für Aufsehen gesorgt. Viele von Chandlers Romanen wurden später ebenfalls verfilmt und gelten heute als Klassiker des Film noir.

Für Chandler war es die erste Arbeit als Drehbuchautor, doch er bewies von Anfang an ein gutes Gespür für diese Tätigkeit, sodass der Großteil der Dialoge in Frau ohne Gewissen von ihm stammt. Mit Regisseur und Co-Autor Billy Wilder geriet der zum Trinken neigende Chandler jedoch immer wieder heftig in Streit.

Erst vor einigen Jahren wurde bekannt, dass Chandler in dem Film einen winzigen Cameo-Auftritt hat: In einer Szene sitzt er mit einem Buch in der Hand vor einem Büro, an dem Neff vorbeiläuft. Es ist eine von nur zwei bekannten Filmaufnahmen, die überhaupt von Chandler existieren.

Schwierige Besetzung

Das Casting für Frau ohne Gewissen stellte sich nicht ganz einfach dar, da der Stoff zur damaligen Zeit sehr heikel war. Für die weibliche Hauptrolle war Barbara Stanwyck Wilders erste Wahl. Sie zögerte allerdings zunächst, weil sie befürchtete, die Rolle einer kaltblütigen Mörderin könnte ihrer Karriere schaden. Wilder konnte sie aber schließlich überzeugen.

Noch schwieriger war es, einen männlichen Hauptdarsteller zu finden. Eine ganze Reihe Schauspieler – darunter Größen wie Alan Ladd, Spencer Tracy und Gregory Peck – lehnten die Rolle des manipulierbaren Anti-Helden Walter Neff ab, weil sie einen Schaden für ihr Image befürchteten.

Wilder bot die Rolle schließlich Fred MacMurray an. Dieser war damals einer der bestbezahlten Schauspieler in Hollywood. Er spielte allerdings zumeist den gutmütigen Helden in seichten Komödien und Liebesfilmen. Deshalb hatte MacMurray zunächst Bedenken, ob er eine so komplexe Rolle überhaupt spielen könne. Doch auch er ließ sich von Wilder überzeugen und erhielt später großes Kritikerlob für seine schauspielerische Leistung.

Die dunklen Seiten von Los Angeles

Die Filmhandlung spielt 1938 – also einige Jahre, bevor der Film gedreht wurde. In der Zwischenzeit hatte sich die Stadt jedoch kaum verändert, sodass die Straßen von Los Angeles und seinen nahen Vororten eine ideale Kulisse darstellten. Zu Beginn des Films rast Neff beispielsweise mit seinem Auto etwas abenteuerlich durch das nächtliche Downtown Los Angeles. Zu sehen sind hier vor allem die Olive Street und die 5th Street.

Das Haus der Dietrichsons befindet sich laut Film im eleganten Stadtteil Los Feliz. Tatsächlich liegt es aber in den Hollywood Hills und hat die Adresse 6301 Quebec Drive. Das Haus steht auch heute noch fast unverändert und befindet sich in Privatbesitz. Stand es jedoch im Film noch recht einsam an einem Berghang, so liegt es heute in einer dicht bebauten Nachbarschaft.

Das Apartment von Walter Neff befindet sich an der Adresse 1825 Kingsley Drive, Hollywood. Das Gebäude steht ebenfalls heute noch. Auch zwei weitere Locations können noch immer besichtigt werden: Die Glendale Station, ein Bahnhofsgebäude im Missionsstil, in dessen Nähe die Leiche von Mr. Dietrichson gefunden wird, und der Hollywood Bowl, eine Konzertarena, an der sich Walter Neff und Lola Dietrichson treffen.

Erfolg bei Kritik und Publikum

Frau ohne Gewissen erhielt bei seiner Veröffentlichung überwiegend positive Kritiken, obwohl er teilweise als verstörend angesehen wurde. Er wurde auch ein großer Publikumserfolg. 1945 wurde der Film für sieben Oscars nominiert, konnte jedoch keinen gewinnen. In einigen Kategorien unterlag er der unbeschwerten Komödie Der Weg zum Glück (Going My Way, 1944), die offensichtlich kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs den Geschmack der Jury besser traf.

In Deutschland erschien der Film erst 1950. Am deutschen Titel Frau ohne Gewissen fand Regisseur Billy Wilder im Übrigen keinen Gefallen. Angeblich machte er sich darüber lustig und meinte: „Frau ohne Gewissen? Das trifft doch auf nahezu jede Frau zu.“

Infos zum Film

 Regie: Billy Wilder

 Drehbuch: Billy Wilder, Raymond Chandler (basierend auf einem Roman von James M. Cain)

 Darsteller: Fred MacMurray (Walter Neff), Barbara Stanwyck (Phyllis Dietrichson), Edward G. Robinson (Barton Keyes), Jean Heather (Lola Dietrichson), Tom Powers (Mr. Dietrichson)

 DVD: Universum Film, 2008

Los Angeles im Film noir

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