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20th Century Boys

In ihrem Song „Born This Way“ proklamierte Lady Gaga 2011, dass es egal sei, ob jemand schwul, hetero- oder bisexuell ist, lesbisch oder transsexuell. Was jüngeren Pop-Fans, die sich selbst noch nicht im Klaren darüber sind, wie es um ihre eigene sexuelle Orientierung bestellt ist, ein notwendiger Befreiungsschlag zu sein schien, war in Wahrheit jedoch ein alter Hut. Denn spätestens seit David Bowie gehört das Spiel mit dem Verwischen der Geschlechtergrenzen zum Pop wie der Hüftschwung zum Rock’n’Roll oder ein Irokesenschnitt zum Punk.

Bevor Bowie zum androgynen Pop-Star mutierte, hatte er sich in Künstlerkreisen herumgetrieben und mit dem schwulen Schauspieler Lindsay Kemp eine kurze, aber herzzerreißende Affäre gehabt, in deren Verlauf Kemp sich die Pulsadern aufschnitt, als Bowie mit einer Bühnendesignerin anbandelte. Kemp machte ihn vertraut mit der schwulen Subkultur und der Ästhetik des Camp, doch es war wohl das Mannequin Amanda Lear, das ihn lehrte, aus der eigenen sexuellen Orientierung ein Geheimnis zu machen, das Männer wie Frauen fortan gleichermaßen faszinierte.

Amanda Lear, bei der noch immer gerätselt wird, ob sie einst ein Mann war, zierte das Cover des Roxy-Music-Albums For Your Pleasure, war neben Donna Summer und Marsha Hunt in Charles Wilps berühmtem Werbespot für Afri-Cola zu sehen und sowohl mit Bowie als auch mit dem Surrealisten Salvador Dalí liiert; sie inspirierte den aufstrebenden Pop-Star nachhaltig zur Kunstfigur Ziggy Stardust, einem Alien, das beide Geschlechter in sich vereinte.

Mit seiner Frau Angela führte Bowie eine „offene Ehe“ und tauschte nicht nur die Kleider, sondern auch die Liebhaber mit ihr. Zwar dementierte er später nachdrücklich, was Angela Bowie in ihrer Autobiografie ausgeplaudert hatte: dass sie ihn zusammen mit Mick Jagger im Bett erwischt habe. Doch dieses Gerücht hält sich bis heute, weil es eben auch dem damaligen Zeitgeist entsprach, nicht nur mit dem anderen Geschlecht Sex zu haben, sondern sich auch gegenüber dem eigenen zu öffnen.

Das Spiel mit der Androgynität blieb nicht auf Männer beschränkt. Patti Smith ließ sich von dem Fotografen Robert Mapplethorpe, mit dem sie zusammen war, bevor er seine Leidenschaft für Männer entdeckte, ohne Make-up und in Männerkleidern für das Cover ihres Debütalbums porträtieren. Und die Sängerin Annie Lennox karikierte nahezu auf jedem Album der Eurythmics die gewohnten Frauenbilder.

Bill Kaulitz, der Sänger der deutschen Teenie-Band Tokio Hotel, ist der bislang Letzte in einer langen Reihe androgyner Popstars. Als er sich 2003 für die Sat1-Casting-Show Star Search mit einem Song der Weather Girls, „It’s Raining Men“, bewarb, hatte er sich die Augen mit einem schwarzen Kajalstift gefärbt, und seine Frisur erinnerte an den Protagonisten der Kinder-TV-Serie Der kleine Vampir. Der Juror Hugo Egon Balder empfahl Kaulitz, in Richtung Comedy zu gehen, weil seine Stimme so „witzig“ sei, und allein Kollegin Blümchen erkannte sein Potential: „Du ersparst einer Plattenfirma viel Arbeit. Du bringst das alles schon mit.“

Seinen Look verdankt Kaulitz der japanischen Jugendkultur Visual Kei, deren Kennzeichen gefärbte Haare, Hair-Metal-Frisuren und vorzugsweise schwarz-rote Klamotten aus Lack und Leder sind, wie man sie aus Manga-Comics, Anime-Filmen oder dem Kabuki-Theater kennt.

Bei den Auftritten mit Tokio Hotel warfen ihm Mädchen erst Diddl-Mäuse auf die Bühne, später dann auch BHs. Sein Privatleben stellte er aber nicht öffentlich zur Schau, und seine sexuelle Orientierung thematisierte er nicht in Interviews. Als das französische Teenie-Magazin Voici berichtete, er habe sich am Abend seines 18. Geburtstages im Internet als schwul geoutet, wurde das jedoch von Kaulitz postwendend dementiert: „Das ist totaler Unsinn, aber immerhin ein sehr lustiger Unsinn.“

Das Rätselraten um seine sexuelle Orientierung hält somit an, und so wird er wohl auch künftig, wie in jedem Jahr seit 2007, bei der Wahl des Männermagazins FHM einen Platz unter den „100 Unsexiest Women“ belegen.

Cross-Dressing: Bequem, sexy & frei

Die New York Dolls waren allesamt heterosexuell, pflegten, was die Kleidung betraf, aber einen eher „ökologischen Umgang“, wie ihr Sänger David Johansen in Please kill me, der Oral History des Punk, erklärte: „Es waren immer irgendwelche alten Klamotten, die wir ausgegraben und angezogen haben.“

Mit ihrem Outfit, roten Samtanzügen, hochhackigen Stiefeln, Satinjacketts, Federboas, Damenblusen mit Pünktchenmustern, Frauenkleidern, den toupierten Haaren und geschminkten Gesichtern zogen sie zu Beginn ihrer Karriere ein überwiegend schwules Publikum an, sodass ihre Auftritte im Mercer Arts Center nicht nur schnöde Konzerte waren, sondern bizarren Partys glichen, zu denen von Jimi Hendrix über Bette Midler bis zu Andy Warhol jeder strömte, der 1970 bereits einen Namen hatte oder dem New Yorker Underground angehörte. David Bowie ließ sich von den Dolls nachhaltig inspirieren und wurde eigentlich erst hier zu dem die Geschlechtergrenzen überwindenden Star, als der er in die Annalen des Pop einging. Und letztlich war der Einfluss der New York Dolls auf die Rock-Szene der siebziger Jahre so groß, dass sie nicht nur der englischen Punk-Bewegung als Blaupause dienten, sondern auch den Look von Hair-Metal-Bands wie Mötley Crüe oder Guns N’ Roses prägten.

Die sexuell wie musikalisch schillernde Vielfältigkeit der Dolls und von Stars wie David Bowie oder Lou Reed wurde schon bald unter dem Etikett des Glam Rock vermarktet. Ganz neu war das alles jedoch nicht. Bereits die Rolling Stones hatten sich „tuntig aufgetakelt“, wie Morrissey, der Vorsitzende des englischen Fan-Clubs der New York Dolls, im Gespräch mit Len Brown anmerkte. Und Marc Bolan von T.Rex war „vermutlich der Erste, der es in Make-up und Frauenschuhen bis in den Mainstream schaffte“.

Bolan war in Damenschuhen und mit Federboas um den Hals aufgetreten, hatte sich für einen Auftritt in der englischen TV-Show Top of the Pops die Augen mit einem Glitzer-Make-up geschminkt und kategorisch verkündet: „Wenn du ein attraktives Gesicht hast, solltest du das Beste daraus machen.“

In ein ähnliches Horn blies später David Bowie, als er postulierte, Rock solle „aufgetakelt, in eine Hure verwandelt“ und „zum Abklatsch seiner selbst gemacht werden“. Und auch Mick Jagger gestand 1997, nachdem er in einem Film über die Verfolgung Homosexueller durch die Nazis die transsexuelle Chanson-Sängerin Greta gespielt hatte: „Ich sehe in Frauenkleidern echt viel besser aus.“

Bolan, Bowie und Jagger sind beileibe nicht die Einzigen, die die Aufteilung in Geschlechterrollen unterwanderten, indem sie sich wie Frauen anzogen, was auch als Cross-Dressing bezeichnet wird. Der Who-Schlagzeuger Keith Moon hatte sich einst von Pamela Des Barres Korsetts und hochhackige Schuhe ausgeliehen. Prince trug in den achtziger Jahren unter seinem geöffneten Mantel oft nur einen knappen Slip und schwarze Damenstrümpfe. Ed Mundell von Monster Magnet ließ sich von dem Groupie Lexa Vonn als Mädchen verkleiden, und Joey Jordison von Slipknot, den sie schminken musste, besaß sogar ein eigenes Kleid. TempEau, die Band um den Selig-Sänger Jan Plewka, erwies dem 1996 verstorbenen Rio Reiser ihre Reverenz, als sie 2005 in Fresenhagen in Tutus auftrat. Und selbst ausgemachte Chauvinisten wie der Mötley-Crüe-Sänger Vince Neil bleichten sich die Haare so sehr, „dass man damit das Klo hätte putzen können“, wie es im Sloshspot Blog heißt.

Dass er gerne Frauenkleider trägt, „weil sie so bequem sind“, und am liebsten „nur mit einem Laken bekleidet“ den ganzen Tag lang herumlaufen möchte, bekannte nicht zuletzt auch Kurt Cobain in einem Interview, das Everett True mit ihm 1992 für eine Sex-Ausgabe des britischen Musikmagazins Melody Maker führte. Der Grunge-Rocker war sich dessen bewusst, dass Männer in Frauenkleidern in den frühen 1990ern niemanden mehr aufregen würden, und wollte seinen Auftritt in einem geblümten Kleid im Video zu „In Bloom“ nicht als subversive Aktion verstanden wissen: „Es ist sinnlos, es im Rock-Geschäft mit Subversivität zu versuchen – das geht gar nicht mehr, es sei denn, man würde sich eine Stange Dynamit in den Arsch schieben. Queen haben schon Frauenkleider angezogen. Männliche Musiker machen das doch dauernd. Es fühlt sich einfach bequem, sexy und frei an, ein Kleid zu tragen. Es macht Spaß.“

Weit davon entfernt, ein feministisches Statement abzugeben, beharrte er darauf, dass es einfach bequem sei, als Mann Kleider zu tragen: „Manchmal schläft mir mein Penis geradezu ein oder fühlt sich an, als wollte er gleich abfallen, weil er von einer engen Levi’s abgequetscht wird, und dann ziehe ich lieber weite Hosen oder Kleider an.“ Und auch mit dem Auflegen von Make-up hatte er keine Probleme, wenn Mann es nicht gerade so dick auftrage, dass er wie die Ehefrau eines Fernsehpredigers aussehe: „Ich habe ungefähr einen Monat im Jahr immer wieder eine Eyeliner-Phase. Pete Townshend hatte das auch mal, aber er hat nicht sehr lange durchgehalten.“

Auch Martin Gore von Depeche Mode hatte – von seiner älteren Schwester – „ziemlich schnell“ gelernt, was es mit dem Sex auf sich hat, und verkehrte bereits mit 13 im Global Village, einem Schwulen-Club unter dem Londoner Bahnhof Charing Cross. In „echten Sexshop-Klamotten“ zog er später, als er am Southend Art College studierte, durch die Clubs von London. Seinen Stil, „der sein unschuldiges Gesicht und seinen zarten, knochigen Körper mit fetischistischen Lederriemen, Frauenkleidern, Lippenstift, einer Halskette und schwarzem, zersplittertem Nagellack kombinierte“, sodass seine Fans ihre eigenen sexuellen Phantasien auf ihn projizieren konnten, perfektionierte er jedoch in Berlin, wo Depeche Mode in den Hansa-Studios „by the Wall“ ihre Platten aufnahmen.

In der Mauerstadt gab es 1983 keine Sperrstunde, und Gore passte sich dem spielerisch erotischen Lifestyle an, der in Berlin damals mehr als anderswo gepflegt wurde. In Bezug auf Pornografie und Alkohol herrschte „eine gewisse gesetzliche Freizügigkeit“, erinnerte sich ihr Toningenieur Gareth Jones in der Depeche-Mode-Biografie Black Celebration. Und das spiegelte sich auch in den Songs wider, die Gore für ihr Album Some Great Reward schrieb. Im Song „Something To Do“ beichtete er seiner Freundin, dass er gerne ihre Lederstiefel und ihr hübsches Kleid anziehen wolle, und mit „Master And Servant“ thematisierte er seine Eindrücke aus den S&M-Clubs, in denen er sich nach der Arbeit im Studio rumgetrieben hatte. Obwohl er selbst alles andere als schwul war und regelrecht wütend werden konnte, wenn man ihn für homosexuell hielt, empfand er das Image des Machos als „todlangweilig“. Mit seinen zweideutigen Texten und seiner Vorliebe für das Cross-Dressing sprach er vor allem Jugendliche an, die selbst noch mit ihrer Sexualität experimentierten. Und wie der Keyboarder Alan Wilder kolportierte, machte es Gore jedes Mal Spaß, wenn die Band eine Zollkontrolle passieren musste und er von den Beamten gefragt wurde, ob er sich lieber in der Kabine für Männer oder in der für Frauen durchsuchen lassen wolle: „Je mehr man über seine Outfits lachte, umso wilder machte er sich zurecht. In dieser Hinsicht kann er richtig stur sein.“

Stereo-Sex: To bi or not to bi

Als Brett Anderson von Suede 1992 vom Melody Maker nach seiner sexuellen Orientierung befragt wurde, wich er der Frage aus und bezeichnete sich als bisexuellen Mann, der noch nie eine homosexuelle Erfahrung gemacht habe. Woraufhin der Schlagzeuger der Band, Simon Gilbert, der nie geleugnet hatte, schwul zu sein, entgegnete, er sei ein bisexueller Mann ohne jegliche heterosexuelle Erfahrung.

Solch ein klares Bekenntnis zum eigenen Geschlecht war selbst in der Welt der Rock- und Pop-Musik, in der es seit jeher drunter und drüber gegangen ist, lange Zeit nicht gerade an der Tagesordnung. Allzu oft beschwerten sich Stars wie Freddie Mercury, dass man sie „in die Schwulenkiste gesteckt“ habe, oder wie Michael Stipe, dass „die Menschen nach ihren sexuellen Vorlieben“ eingeteilt würden. Und nur selten äußerte sich jemand so offen wie Alexander Bard von der schwedischen Gruppe Army of Lovers: „Wir sind eine bisexuelle Band, die einzige der Welt mit schwulen Männern und heterosexuellen Frauen.“

David Bowie war der Erste, der in einem Interview „zugab, dass er bisexuell ist“, was Boy George noch Jahrzehnte später beeindruckte, obwohl Bowie da längst eingestanden hatte, dass dies keineswegs der Fall gewesen sei: „Ob vorgetäuscht oder nicht, es war mutig.“

Mittlerweile gehört eine nicht mehrheitsfähige sexuelle Orientierung hingegen fast schon zum guten Ton, und wer nicht offen schwul oder lesbisch ist, pflegt wenigstens sein Image als „Doppelstecker“ und verkündet ungefragt, dass er „Stereo-Sex“ bevorzuge.

Die Top 10 der angeblichen Doppelstecker

1. Billie Joe Armstrong (Green Day)

In einem Interview mit The Advocate erklärte der Sänger der kalifornischen Punk-Band, dass er „schon immer“ bisexuell gewesen sei, obwohl er noch nie eine Beziehung zu einem Mann gehabt habe: „Meiner Meinung nach ist jeder Mensch von Geburt an bisexuell, und dann bekommt man von den Eltern und der Gesellschaft dieses ‚Oh, das darf ich nicht‘-Gefühl eingetrichtert. Es heißt dann, das ist tabu. Daher ist es in unsere Köpfe eingebrannt, dass es etwas Schlechtes ist, dabei ist es überhaupt nicht schlecht. Es ist eine sehr schöne Sache.“

2. Kurt Cobain (Nirvana)

Ebenfalls im Advocate war 1993 eine Titelgeschichte über „die dunklen Seiten des Kurt Cobain“ erschienen, die Cobain an seiner Pressemanagerin vorbei abgesprochen hatte. Darin räumte er ein, dass er „wohl weiterhin ein bisexuelles Leben gelebt“ hätte, wenn ihm nicht Courtney Love über den Weg gelaufen wäre: „Ich finde sie in jeder Hinsicht absolut attraktiv.“

Courtney Love selbst war dem eigenen Geschlecht ebenfalls nicht abgeneigt. Im New Musical Express behauptete sie 2010, sie habe Mitte der 1990er Jahre mit dem Model Kate Moss in Mailand Sex gehabt.

3. Nelly Furtado

Nachdem sie ein Buch über chinesische Medizin gelesen hatte, dozierte sie 2006 in der Netzeitung: „Als Menschen haben wir sowohl männliche als auch weibliche Energie. Ich glaube an das, was Kurt Cobain gesagt hat, dass letztlich alle Menschen schwul sind. Ich glaube, dass sexuelle Experimente zur Menschheitsgeschichte gehören.“

4. Michael Stipe (R.E.M.)

Nachdem ein großes US-Magazin berichtet hatte, dass er mit einem Mann zusammenlebe, hieß es überall, er sei schwul. „Kategorien wie ,schwul‘ oder ,nicht schwul‘“ seien jedoch keine, die er auf sich „anwenden“ würde, entgegnete Stipe.

5. Freddie Mercury (Queen)

Bereits 1984 gestand er im musikexpress: „Ich mach’s ganz einfach mit jedem, den ich mag. Da gibt’s keine Schubladen.“ Gleichwohl wurde er von Schwulenverbänden kritisiert, weil er sich nicht als Homosexueller zu erkennen gab. Dabei hatte er durchaus nicht geleugnet, auch mit Männern ins Bett zu gehen. So heißt es in der Zitatsammlung Freddie Mercury – Ein Leben in eigenen Worten: „Mein Sexualtrieb ist enorm. Ich schlafe mit Männern, Frauen, Katzen – was immer Sie wollen. Ich gehe mit allem und jedem ins Bett! Mein Bett ist so riesig, dass bequem sechs Leute darin Platz haben. Ich ziehe es vor, Sex ohne jegliche Bindungen zu praktizieren, und zeitweise hatte ich extrem viele wechselnde Geschlechtspartner. Ich war einfach eine alte Schlampe, die jeden Morgen aufstand, sich am Kopf kratzte und überlegte, wen sie denn heute ficken wollte. Ich lebte nur für den Sex. Ich bin ein sehr sexuell orientierter Mensch, aber heute bin ich viel wählerischer als früher. Ich will auf zwei Hochzeiten tanzen. Ich will Sicherheit, aber ich brauche auch meine Freiheit.“

6. Christina Aguilera

Dass sie es „geiler“ findet, „Frauen hinterherzugucken“, darum hatte X-tina noch nie ein Geheimnis gemacht. Anlässlich der Veröffentlichung ihres Albums Bionic erklärte sie jedoch 2010 in der Schweizer Illustrierten: „Mein Ehemann [Jordan Bratman] weiß, dass ich auf Frauen stehe. Es ist toll, offen mit dem Thema umzugehen und damit zu spielen. Mein Mann und ich passen zwar wunderbar zusammen, aber ich liebe Frauen definitiv – sie sind so viel attraktiver, wenn sie nackt sind.“ Wenig später gaben die beiden allerdings ihre Trennung bekannt.

7. Dee Dee Ramone

Während die übrigen Ramones von ihrer Plattenfirma zu Weihnachten billige Brieföffner geschenkt bekamen, erhielt Dee Dee Ramone von Sire-Boss Seymour Stein einmal teuren Juwelenschmuck. Der Grund dafür sei ein „flotter Dreier“ zwischen Stein, dessen Frau Linda und Dee Dee gewesen, von dem John Holmstrom, der Herausgeber des Magazins Punk, gehört haben will. Vom Lichtdesigner der Ramones, Arturo Vega, wurde diese Annahme bestätigt, von Dee Dee selbst aber dementiert. Nichtsdestotrotz behauptet Vega, dass er ebenfalls mit dem Bassisten geschlafen habe, und auch der frühere Ramones-Manager Danny Fields ist der Meinung, dass Dee Dee nicht groß zwischen Mann und Frau unterschieden habe: „Ich habe keine Ahnung von Bisexualität. Solche Wörter benutze ich nicht. Wenn du jemanden magst, solltest du mit ihm schlafen. Das gilt doch für alle Geschlechter. Warum sollte man sich beschränken? Jeder, der Dee Dee mochte, hätte einfach mit ihm ins Bett gehen sollen. Ich habe es getan, und es war schön. So sollte sich jeder verhalten, wenn es seinen Wünschen entspricht.“

8. Gianna Nannini

Lange bevor sie im Alter von 54 Jahren überraschend Mutter wurde, äußerte sich die italienische Rock-Röhre 1999 im musikexpress über ihre Bisexualität: „Ich bin nicht zerrissen, was meine Sexualität angeht, sondern ich bin insgesamt eine zerrissene Persönlichkeit. Es gibt zwei Frauen, die in mir stecken: die Gianna der Nacht, die geheimnisvoll, sinnlich und lüstern ist, und die Gianna des Tages, die sich vom Verstand leiten lässt, die vorsichtig und schüchtern ist.“

9. Whitney Houston

Vor der Hochzeit der Soul-Diva mit dem Rapper Bobby Brown drohte ihr ihre Freundin Robyn Crawford 1992 damit, der ganzen Welt zu erzählen, dass sie Whitneys Geliebte sei, und sich anschließend umzubringen. In einer Titelstory von Entertainment Weekly nahm Whitney Houston indirekt dazu Stellung: „Sobald jemand Erfolg hat, werden automatisch ein paar Gerüchte in die Welt gesetzt. Eins davon ist, man sei homosexuell. Ein anderes, man nehme Drogen. Und dann noch, dass man keinen Schimmer von dem habe, was man da eigentlich mache. Es gab eine Zeit, da hat es mich verletzt, dass ich beweisen sollte, was ich nicht war. Das hat mich richtig fertiggemacht. Ich bin zu meiner Mutter gerannt und habe gefragt: Warum, warum machen die das? Kann ich nicht einfach mit einer Frau befreundet sein?“

Ihre Mutter Cissy Houston nahm sie in Schutz gegen die bösen Gerüchte und gab zu Protokoll: „Es liegt daran, dass Whitney keine Klamotten trägt, die bis zum Hintern ausgeschnitten sind und bei denen – Entschuldigung, ich drücke es mal derb aus – ihre Titten raushängen. Eine Frau ist entweder die größte Nutte oder aber eine Lesbe.“

Die Gerüchte, sie sei lesbisch oder bisexuell, flackerten jedoch immer wieder auf, sodass Whitney Houston sich genötigt sah, die Dinge im Rolling Stone klarzustellen: „Mir hängt dieser Scheiß wirklich zum Hals raus. Die Leute wollen wissen, ob Robyn und ich eine Beziehung haben. Wir haben eine – eine freundschaftliche. Wir sind Freundinnen, seit wir Kinder waren. Inzwischen ist Robyn meine Angestellte. Ich bin ihre Arbeitgeberin. Aber wenn ich mit einer Frau befreundet bin, muss es irgendwie wohl zwangsläufig so sein, dass ich gleich eine lesbische Beziehung zu ihr habe. Das ist Quatsch. Es gibt so viele Künstlerinnen, deren Vertraute Frauen sind, und das stellt niemand in Frage. Mir kommt es so vor, als würden sich die Leute sagen: ‚Hey, Whitney Houston, die ist doch total beliebt, der würgen wir mal eine rein.‘ Ich habe es immer und immer wieder bestritten, und niemand hat das akzeptiert. Die Medien jedenfalls nicht. Die Leute wissen doch, dass ich verheiratet bin. Was denkt man denn von mir – dass ich verheiratet bin und ein Doppelleben führe? Das würde mein Ehemann schon gar nicht zulassen – nur, dass das klar ist, verstanden? Er ist durch und durch ein Mann und steht nicht auf so was, okay? Aber mich nervt diese Frage so sehr, und noch mehr nervt es mich, sie beantworten zu müssen.“

10. Elton John

Mittlerweile steht Elton John bekanntlich dazu, schwul zu sein, doch lange Zeit war es offenbar ein Problem für ihn, das zuzugeben. Als er einst gefragt wurde, ob er bisexuell sei, hatte er ausweichend geantwortet: „Es ist nichts Schlimmes dabei, mit jemandem ins Bett zu gehen, der dasselbe Geschlecht hat. Sind wir nicht alle in gewissem Maße bisexuell? Ich glaube jedenfalls nicht, dass nur ich es bin. Es ist nichts Schlechtes daran. Ich glaube, Sie sind auch bisexuell. Jeder ist es.“

Androgyne Popstars

1. David Bowie

2. Annie Lennox

3. Robert Smith (The Cure)

4. Grace Jones

5. Ville Valo (Him)

6. Amanda Lear

7. Bill Kaulitz (Tokio Hotel)

8. Brian Molko (Placebo)

9. Maureen Tucker (Velvet Underground)

10. Marilyn Manson

Koks macht bisexuell

Eine ungewöhnliche Erklärung dafür, warum jemand bisexuell ist, lieferte Vince Neil, der Sänger der Pudel-Rock-Band Mötley Crüe, in seiner Autobiografie Tattoos & Tequila: „Kokain ist der Spielplatz des Teufels. Es wirkt sich auf das Sexualzentrum des Gehirns aus und kann ganz schön verrückte Dinge auslösen. Ich bin mir nicht sicher, ob [seine Freundin] Leah je ihre Bisexualität entdeckt hätte, wenn sie der White Lady niemals nahe gekommen wäre.“

Riot Grrrls – Rock gegen Männer

Das etwas südlich von Seattle gelegene Olympia ist nicht nur der Ort, in dem Kurt Cobain lernte, was „cooler“ Punk Rock ist, wie Everett True in Nirvana – die wahre Geschichte schrieb. In der Landeshauptstadt des US-Bundesstaats Washington waren (und sind) auch die Riot Grrrls zu Hause, die in den Neunzigern dafür sorgten, dass Grunge Rock nicht so testosterongeprägt war wie Hard Rock oder Heavy Metal.

Bands wie Babes in Toyland, Bikini Kill, Hole, L7 oder Team Dresch artikulierten ihren Frust und ihre Wut ungefiltert und brachial. Ihre Texte spiegelten die „Taten und Trends einer sexistischen Gesellschaft“ wider, „in der Gewalt, Unterdrückung, Vergewaltigung und sexuelle Nötigung an der Tagesordnung sind“. Ihr Outfit war „ein Protest gegen das Schönheitsdiktat, das aus jungen Mädchen bulimische Barbie-Puppen macht“. Und manche, so Sabine Reichel im ZEITmagazin, beherrschten „sogar ihre Instrumente“.

Dabei interessierten sich Bikini Kill nahezu ausschließlich für Frauen. In ihren Konzerten forderten sie Männer schon mal auf, bitteschön nicht vor der Bühne zu stehen, sondern mehr an der Seite, damit sie sich besser auf Mädchen konzentrieren konnten, die auf die Bühne kommen und über sexuellen Missbrauch auspacken sollten. Weshalb sie sich prompt den Vorwurf einhandelten, Männer auf Grund ihres Geschlechts zu diskriminieren.

Gleichwohl beeinflussten die Riot Grrrls nicht nur Kurt Cobain, sondern die gesamte feministische Subkultur, der sich auch die Frauen-Band L7 aus Los Angeles verbunden fühlte. Als sie ihren Auftritt beim englischen Reading-Festival 1992 aus technischen Gründen abkürzen musste und daraufhin von der enttäuschten Menge mit Schlamm bombardiert wurde, flüchtete sie keineswegs von der Bühne. Ihre Sängerin Donita Sparks warf vielmehr ihren Tampon zurück und zürnte: „Eat my used tampon, fucker!“

Andererseits bewiesen L7 aber auch viel Humor, wenn sie ihre Schlagzeugerin für einen One-Night-Stand verlosten oder ihre Gitarristin Suzi Gardner einen Beitrag zur Gleichberechtigung leistete, indem sie sich den Busen von Cynthia Plaster Caster in Gips abdrucken ließ, damit sie ihre Sammlung von Gipsschwänzen prominenter Rock-Musiker ergänzen konnte.

Shake your Dicks

Nachdem ein Demo ihres Songs „Fuck The Pain Away“ unbearbeitet veröffentlicht worden war und sich zu einem kleinen Hit entwickelte, durfte die in Berlin lebende Kanadierin Peaches im Vorprogramm von Björk und den Queens of the Stone Age auftreten. Geadelt fühlte sie sich aber erst, als die Regisseurin Sofia Coppola sie persönlich anrief und bat, den Song in ihrem Film Lost in Translation verwenden zu dürfen.

Anlässlich ihres nächsten Albums Fatherfucker ging die „Ikone im Geschlechterkampf“, wie sie von der Netzeitung bezeichnet wurde, mit Iggy Pop und Marilyn Manson auf Tour und schlug vor, „Fatherfucker“ statt „Motherfucker“ zu sagen. Statt Männer zu verjagen, wollte Peaches sie stärker einbeziehen: „Sie sollten sich gegenseitig küssen“ und „es sollte zwei Jungs für jedes Mädchen geben“. Und anders als Busta Rhymes sang sie nicht: „I set your ass on fire“, sondern: „The tent’s so big in your pants“. Der Aufforderung „Shake your dicks“ kamen in den Konzerten aber nur wenige Männer nach.

Als „Spielzeug“ einer Frau kam sich auch der angehende Latino-Star Ricky Martin vor, als er eine Affäre mit einer verheirateten „Megafrau“ hatte. Schon nach kurzer Zeit war er „Wachs in ihren Händen“, und sie wurde für ihn zu einem Gift, „das das Tier in mir zum Leben erweckte“. Die Dame raubte ihm so sehr den Verstand, dass er ihr sogar die Zehen lutschte. Als ihm bewusst wurde, dass sie die Rollen getauscht hatten und sie nicht daran dachte, sich von ihrem Mann zu trennen, benötigte er eine ganze Weile, bis sie ihm nicht mehr den Kopf verdrehte.

Dass Madonna in ihrer Beziehung die Hosen an hat, musste schließlich auch der Fitnesstrainer Carlos Leon, der Vater ihrer Tochter Lourdes, erkennen: „Wenn sie Lust auf Sex hatte, hat sie mich angepiept. Ich musste sofort zu ihr eilen und ihr zu Diensten sein. Das hat mich alles sehr müde gemacht. Ich habe den Pieper ein paar Mal ignoriert. Dafür hat sie mich dann immer ausgeschimpft, wenn ich nach Hause kam.“

Walk on the Wild Side

Lou Reed war 1966 „der Junge mit dem größten Sex-Appeal in der Stadt“, erinnerte sich Danny Fields in Victor Bockris’ Biografie über dessen sado-masochistisches Leben. Ähnlich wie Andy Warhol interessierte er sich für sexuelle Rollenspiele, Transvestiten und S&M, weshalb er in der Factory zunächst nur Loulou genannt wurde, doch es dauerte noch ein paar Jahre, bis er sich den Phantasien näherte, die er mit Songs wie „Venus In Furs“ heraufbeschworen hatte. Erst nachdem das von David Bowie produzierte Album Transformer und die daraus ausgekoppelte Single „Walk On The Wild Side“ beide auf Platz 1 der US-Charts notiert worden waren und Bowie sich 1972 im Melody Maker öffentlichkeitswirksam als bisexuell geoutet hatte, lernte er in einem Nachtclub in Greenwich Village einen Friseur namens Rachel bzw. Tommy kennen. Der exotische Transvestit mexikanisch-indianischer Abstammung stach ihm sofort ins Auge und zog kurz darauf bei ihm ein.

Wenn seine Roadies gefragt wurden, ob ihr Chef nun bi sei, antworteten sie zumeist: „Bi? Der Kerl ist quadro!“ Und tatsächlich nahmen seine sexuellen Vorlieben immer bizarrere Formen an, wie Bockris schrieb. In Nachtclubs bot er jungen Männern angeblich an, ihm in den Mund zu scheißen, und auch sonst schossen die Gerüchte ins Kraut. Mal hieß es, er hege ein Faible dafür, sich seinen Schwanz an ein Holzbrett nageln zu lassen, und mal soll man ihm in exklusiven Schwulen-Bordellen oder S&M-Clubs Hausverbot erteilt haben, weil er sich gegenüber Angestellten niederträchtig verhalten oder schlicht geweigert habe, hinterher die Rechnung zu begleichen. Gut möglich, dass derlei Ausfälle wohlkalkuliert waren und nur verbreitet wurden, weil jeder von ihm erwartete, dass er ein wildes Sexleben führte. Doch auch nach der Trennung von Rachel, der er den Song „Coney Island Baby“ widmete, interessierte er sich weiterhin für sado-masochistische Praktiken – seine zweite Frau Sylvia Morales lernte er beim Treffen einer S&M-Gruppe kennen, die sich Eulenspiegel Society nannte.

Sylvia Morales war von der chinesisch-amerikanischen Fotografin und Underground-Muse Anya Phillips in die Stripszene eingeführt worden und arbeitete als Domina und Burlesque-Tänzerin am Times Square, als Lou Reed sie abschleppte und zwei Jahre später heiratete. Dem Paar gab niemand eine Chance, allein seine alte Freundin Shelley Albin, zu der er seit seinem Studium in Syracuse gelegentlich Kontakt hatte, glaubte, dass ihre Beziehung funktionieren würde: „Lou ist ein ziemlicher Fifties-Typ. Er ist absolut konservativ.“ Shelley gegenüber will sich Lou Reed als Pascha entpuppt haben: „Meine Frau hat zu tun, was ich sage. Wenn mir danach ist, hat sie mir ein Steak in die Pfanne zu hauen.“ Offenbar hat sich Sylvia Morales daran gehalten, solange sie mit ihm verheiratet war.

If you won’t fuck me baby, fuck off!

Zur Entourage von Andy Warhol gehörte auch der Transvestit Candy Darling alias James Slattery, über den es in Lou Reeds Song „Walk On The Wild Side“ hieß: „Candy came from out on the island, in the backroom she was everybody’s darling.“ Ein anderer Song von Velvet Underground, „Candy Says“, handelte von seinem ständigen Zögern, sich einer Geschlechtsumwandlung zu unterziehen.

Da war Wayne County, von dem auch David Bowie sich bei der Kreation seiner Kunstfigur Ziggy Stardust inspirieren ließ, wesentlich entschlossener. Nachdem er mit Songs wie „If You Won’t Fuck Me Baby, Fuck Off“ und Textzeilen wie „You make me cream in my jeans“ einer der Vorreiter der Punk-Bewegung gewesen war, die Mitte der 1970er dem Love & Peace-Gehabe der Hippies den Garaus machte, unterzog er sich einer Operation, die Wayne zu Jayne werden ließ. Und auch Keith Caputo, der Sänger der Metal-Band Life of Agony, machte aus seiner Transsexualität kein Geheimnis. Im Juli 2011 verkündete er öffentlich, dass er fortan Keith Mina Caputo heiße und kein Sänger mehr sei, sondern eine Sängerin. Seine markante Stimme blieb davon jedoch unberührt.

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