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Der Krieg ist vorbei und die Religion wurde zur Illusion

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Die Not lehrt den Menschen das Beten, in Kriegen werden die Menschen fromm und wenn es den Menschen gut geht, dann brauchen sie keinen Gott. Religion ist eine Illusion und ähnelt einer Zwangsneurose. Solche Gedankenmuster prägen das Denken über Religion und Religionskritik. Die Entwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg scheinen die These zu bestätigen, dass Menschen im materiellen Wohlstand die „Prothese Gott“ nicht mehr brauchen. Selbst in einem katholischen Land wie Polen verliert die katholische Kirche an Bedeutung und der Glaube wird zu einem Randphänomen. Bedeutung hat Religion in armen Ländern, da wachsen die Kirchen. Arme und ungebildete Menschen glauben noch an einen Gott, manche reichen und gebildeten Menschen gönnen sich den Luxus Religion oder sehen ihn als Wellnessfaktor an. In existenziell bedrohlichen Situationen oder Übergangskrisen werden religiöse Riten vielleicht noch in Anspruch genommen. Doch im Großen und Ganzen scheint Religion als ein fauler Zauber entlarvt zu sein. Mit der Vernunft lässt sich Gott, Glaube und Spiritualität nicht mehr rechtfertigen.

Die neue Dimension des Krieges

Kriegerische Auseinandersetzungen hat es in der Menschheitsgeschichte immer gegeben. Sinnloser Tod, unvorstellbare Misshandlungen und Qualen sind zynisch formuliert die typischen Beigaben eines Krieges. Mit 1914 setzt jedoch eine neue Dimension der Kriegsführung ein. Auf der einen Seite kämpft nun nicht mehr Soldat gegen Soldat, der Krieg wird industrialisiert und damit anonymisiert. Gleichzeitig ist die Bevölkerung einbezogen und es wird in Kauf genommen, dass Bombardierungen ganze Städte zerstören und deren Bevölkerung hinwegraffen, wie die Bombardierung Dresdens. Auf der anderen Seite verändert sich die Sichtweise der Kriegshandlungen. Der Architekt und Philosoph Paul Virilio hat eindrücklich aufgezeigt, wie die zeitliche Verfügbarkeit eine andere wurde. Kriegshandlungen konnten im 20. Jahrhundert live verfolgt werden. Schon im ersten Weltkrieg waren die Flugzeuge mit Kameras ausgestattet, so wurde nicht erst von einem stattgefundenen Angriff berichtet, es entstand die Gleichzeitigkeit von Bericht und Geschehen. Im späten 20. und deutlich im 21. Jahrhundert wurden solche Berichte dann manipuliert, um militärische Aktionen der Kriegsgegner vorzutäuschen. Was tatsächlich geschehen war oder gerade geschieht, konnte mit großer Gewissheit niemand mehr sagen. Die strategischen Operationen wurden konkret verfolgbar wie bei einem Spiel am Computer und die Welt schaut zu, wie der amerikanische Präsident zuschaut und sich über die Erschießung Osama bin Ladens freut, so als hätte er das Computerspiel gerade gewonnen.

Religion in den Zeiten des Krieges

Die konkrete Gestalt der Religionen steht in einem Wechselverhältnis zu den gesellschaftlichen Verhältnissen. Das Volk sucht nach einem solchen Opium und diese Kompensation von Leid oder Unterdrückung ist sicherlich ein Teil von Religion. Es lässt sich jedoch auch anders fragen. Wenn Religion nicht als etwas Statisches betrachtet wird, sondern als etwas, was sich durch geschichtliche oder gesellschaftliche Verhältnisse verändert und dies nicht nur in seinen Erscheinungsformen, sondern auch in seinem Wesen, dann dürften die Erfahrungen eines Vernichtungskrieges und des Holocausts im Menschen etwas auslösen, was nicht mehr mit der Theodizeefrage zu diskutieren ist. Die Frage nach Gott, der so etwas zulässt, ist nicht mehr die Frage im 21. Jahrhundert. Der Mensch hat die Maschinerie in Gang gesetzt und die Frage ist nun nach dem Menschen, der zu solchen bewusst kalkulierten Massenvernichtungen in der Lage ist.

Die Leere

Insbesondere Schriftsteller und Künstler haben eingefangen, was diese Veränderungen des Krieges im Menschen bewirkt haben. Es wurden keine Schlachten mehr gemalt, die wie ein Ritterspiel aussehen mögen. Einzelne Menschen werden mit leeren Gesichtern dargestellt und darin spiegelt sich die Unfähigkeit, noch Fragen zu stellen. Schriftsteller halten verkrampft die Illusion aufrecht, dass es ja doch nicht so ist, wie sie es tatsächlich mitbekommen. Und auch ein Mann wie Sigmund Freud schaut der Wahrheit nicht ins Gesicht und verlässt erst 1938 Wien, um sich dann in London niederzulassen. Die Realität ist unerträglich geworden, was Heinrich Mann folgendermaßen formuliert: „Ich glaube nicht, dass der Sieg irgendeiner Sache noch der Rede wert ist, wo wir Menschen untergehen.“ Kriegspsychiater bekämpfen die Realität, sie diagnostizieren bei den traumatisierten Soldaten Simulation und Willensschwäche. Nach dem Krieg kommt es zu einer Dekonstruktion des Menschen, Michel Foucault erklärt den Mensch als beendet. Das Konkrete ist eine Erscheinung von Entwicklungen und Deutungen, doch die Erfahrungen in den Kriegen machen das Konkrete zu einer absurden Leere. Die Realität ist nicht erstrebenswert, da sie den Menschen gegen sich selbst kehrt und damit Ort der Nichtbestimmung des Menschen wird.

Illusion als Ermöglichung

Die Realität kann nicht mehr der Möglichkeitsrahmen von gewollter Erfahrung sein und auch Religion verliert den Glauben an die Realität. Gotteserfahrung kann nicht mehr in dieser Realität gemacht werden, denn es wäre eine contradictio in adiecto, ein Widerspruch, der schon da ist und verhindert, dass es zu einer Lösung kommen kann. Jean Baudrillard dagegen behauptete noch: „Der Glaube an die Realität gehört zu den elementaren Formen des religiösen Lebens.“ Diese Form der Religiosität ist mit Auschwitz beendet. Wer jetzt noch an die Realität glaubt, kann nur als ein zynischer Misanthrop gelten. Die Wirklichkeit ist jenseits dessen, was wir sehen und erleben können, im Krieg wurden nicht nur Städte vollständig zerstört, sondern auch die Bilder, die sich Menschen von der Welt und den Menschen gemacht hatten. Die wiederaufgebauten Städte sind nicht die Städte, die sie einst waren und die Erklärungen zu Auschwitz und den anderen Gräueln sind nicht mehr das Bild von sich streitenden Mächten. Selbst mit Gott und Teufel lässt sich die Wirklichkeit nicht erklären. Deutungen treffen ins Leere und es stellt sich die Frage, ob J. B. Metz mit seiner Erwiderung auf Th. W. Adorno das Ausmaß richtig erfasst hat. „Beten trotz Auschwitz“ und die Forderung einer anderen Theologie nach Auschwitz verbleiben noch im Glauben an eine Realität, die durch eine „gnadenlos“ gestellte und verschärfte Theodizeefrage korrigiert werden soll. Die Antwort auf die Provokation Freuds von der Religion als Illusion steht vor der Theodizeefrage, also vor der Frage: Wie kann man Gott angesichts des Leids noch rechtfertigen? Theologie kann sich nach Auschwitz nicht mehr auf die Realität beziehen, sie muss die Illusion in den Fokus stellen und verstehen, dass der Glaube an die Realität gewissermaßen als Religion von den Naturwissenschaften und der Ökonomie übernommen wurde. Die Illusion kann von der Realität nicht eingeholt werden, sie ist kein Gegenmodell zur Realität, sondern eine mit Sinn gefühlte Sehnsucht, die völlig realitätsfern ist. Und Religion ist das Wissen darum, dass es eine Illusion ist. Hier gibt es keine Theodizeefrage, denn die stellt sich nur dort, wo eine Realität angenommen wird.

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