Читать книгу Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Оноре де'Бальзак, Honoré de Balzac, Balzac - Страница 13

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Kon­stan­ze ver­zich­te­te glatt­weg auf die Bril­lan­ten, von de­nen sie, wie alle La­den­mäd­chen, zu­wei­len ge­träumt hat­te, sie woll­te eine an­stän­di­ge Frau und eine gute Haus­mut­ter sein und hat­te vom Le­ben die ge­wis­sen­haf­te Auf­fas­sung der Mit­tel­klas­sen. Und die­se An­schau­ung paß­te auch viel bes­ser zu ihr, als die ge­fähr­li­chen Ein­bil­dun­gen, die die Phan­ta­sie so vie­ler jun­ger Pa­ri­se­r­in­nen ver­füh­ren. Von be­schränk­ter In­tel­li­genz, war Kon­stan­ze der Ty­pus der klei­nen Bour­geoi­se, de­ren Tun sich nicht ohne et­was Lau­nen­haf­tig­keit voll­zieht, die erst ver­wei­gert, was sie selbst wünscht, und dann böse ist, wenn man sie beim Wort nimmt, de­ren ge­räusch­vol­le Tä­tig­keit sich auf die Kü­che und auf die Kas­se er­streckt, auf die schwer­wie­gends­ten An­ge­le­gen­hei­ten und dar­auf, Aus­bes­se­run­gen der Wä­sche nicht sicht­bar wer­den zu las­sen, die liebt und da­bei schilt, nur die ein­fachs­ten Ge­dan­ken, das geis­ti­ge Klein­geld, be­greift, die über al­les ur­teilt, sich vor al­lem fürch­tet, al­les be­rech­net und im­mer an die Zu­kunft denkt. Ihr schö­nes küh­les aber ehr­li­ches Ge­sicht, ihr herz­li­ches We­sen, ihre Fri­sche lie­ßen Bi­rot­teau kei­nen ih­rer Män­gel emp­fin­den, die üb­ri­gens durch die den Frau­en ei­ge­ne fei­ne Recht­schaf­fen­heit, durch un­ge­wöhn­li­che Ord­nungs­lie­be, durch fa­na­ti­schen Fleiß und eine ge­nia­le Be­ga­bung als Ver­käu­fe­rin wett­ge­macht wur­den. Kon­stan­ze war da­mals acht­zehn Jah­re alt und be­saß elf­tau­send Fran­ken. Cäsar, des­sen Ehr­geiz die Lie­be aufs äu­ßers­te an­sta­chel­te, kauf­te die Ro­sen­kö­ni­gin und ver­leg­te den La­den in die Nähe des Ven­dô­me­plat­zes, in ein hüb­sches Haus. Erst ein­und­zwan­zig Jah­re alt, mit ei­ner an­ge­be­te­ten Frau ver­hei­ra­tet, Be­sit­zer ei­nes Ge­schäfts, des­sen Preis er zu drei Vier­teln be­zahlt hat­te, sah er und muß­te er in eine ro­si­ge Zu­kunft se­hen, be­son­ders wenn er an den Weg dach­te, den er seit dem Ver­las­sen der Hei­mat zu­rück­ge­legt hat­te. Ro­guin, Ra­g­ons No­tar, der den Ehe­kon­trakt auf­ge­setzt hat­te, gab dem neu­en Par­fü­me­rie­in­ha­ber einen klu­gen Rat, in­dem er ihn hin­der­te, den Rest des Kauf­prei­ses mit der Mit­gift sei­ner Frau zu be­zah­len.

»Be­wah­ren Sie das Geld lie­ber für gute Un­ter­neh­mun­gen auf, mein Jun­ge«, hat­te er zu ihm ge­sagt. Bi­rot­teau sah mit Be­wun­de­rung zu dem No­tar auf, frag­te ihn fer­ner stän­dig um Rat und mach­te ihn zu sei­nem Freun­de. Wie Ra­gon und Pil­ler­ault hat­te er ein sol­ches Ver­trau­en zu ei­nem No­tar, daß er ihm ohne je­den Ver­dacht in al­les Ein­blick ge­währ­te. Dank Ro­gu­ins Rat hät­te Cäsar, im Be­sitz der elf­tau­send Fran­ken Kon­stan­zes für neue Ge­schäf­te, sei­ne Aus­sich­ten nicht ge­gen die des ers­ten Kon­suls ein­ge­tauscht, wie glän­zend auch Na­po­le­ons Zu­kunft zu sein schi­en. Zu­erst hielt sich Bi­rot­teau nur eine Kö­chin, be­zog den über sei­nem La­den ge­le­ge­nen Zwi­schen­stock, eine Art von Rum­pel­kam­mer, die von ei­nem Ta­pe­zie­rer ziem­lich hübsch in­stand ge­setzt wur­de und in dem für das jun­ge Paar ein dau­ern­der Ho­nig­mond be­gann. Im Kon­tor er­schi­en Frau Kon­stan­ze wie ein Wun­der. Ihre be­rühmt ge­wor­de­ne Schön­heit war von au­ßer­or­dent­li­chem Ein­fluß auf den Ver­kauf, und un­ter den jun­gen Ele­gants der Em­pi­re­zeit war fort­wäh­rend die Rede von der schö­nen Frau Bi­rot­teau. Wenn Cäsar auch roya­lis­ti­scher Ge­sin­nun­gen be­schul­digt wur­de, so er­kann­te man doch sei­ne Recht­schaf­fen­heit an, und wenn et­li­che be­nach­bar­te Kauf­leu­te ihn auch um sein Glück be­nei­de­ten, so hielt man ihn doch des­sen für wür­dig. Die Ver­wun­dung, die er auf den Stu­fen von Saint-Roch er­hal­ten hat­te, ver­lieh ihm den Nim­bus ei­nes in die po­li­ti­schen Ge­heim­nis­se ein­ge­weih­ten und ei­nes tap­fe­ren Man­nes, ob­wohl er we­der ir­gend wel­chen mi­li­tä­ri­schen Mut im Her­zen, noch ir­gend­ei­ne po­li­ti­sche Idee im Ge­hirn be­saß. Auf die­ser Ba­sis wähl­ten ihn die recht­schaf­fe­nen Leu­te des Ar­ron­dis­se­ments zum Ka­pi­tän der Na­tio­nal­gar­de; er wur­de aber von Na­po­le­on kas­siert, der nach Bi­rot­te­aus An­sicht ihm ihr Ren­kon­tre im Ven­dé­mi­aire noch nachtrug. Cäsar wur­de so um bil­li­gen Preis vom Glan­ze des Ver­folg­ten um­ge­ben, was ihn in den Au­gen der Op­po­si­ti­on in­ter­essant mach­te und ihn eine ge­wis­se Be­deu­tung ge­win­nen ließ.

Be­trach­ten wir nun, wie das Schick­sal die­ses Ehe­paars wei­ter ver­lief, des­sen Ge­fühl ge­gen­sei­ti­ger Zu­nei­gung nicht nachließ, und das höchs­tens durch kauf­män­ni­sche Sor­gen be­un­ru­higt wur­de.

Im Ver­lauf des ers­ten Jah­res weih­te Cäsar Bi­rot­teau sei­ne Frau in den Ver­kauf und die Ein­zel­hei­ten der Par­fü­me­ri­en ein, wo­für sie ein aus­ge­zeich­ne­tes Ver­ständ­nis be­wies; sie schi­en ge­schaf­fen und in die Welt ge­setzt zu sein, um Kun­den zu be­die­nen. Aber am Ende die­ses Jah­res war der ehr­gei­zi­ge Par­füm­händ­ler ent­setzt über die Bilanz; nach Ab­zug al­ler Kos­ten wür­de er in zwan­zig Jah­ren kaum das be­schei­de­ne Ka­pi­tal von hun­dert­tau­send Fran­ken, das er sich als Ziel ge­setzt hat­te, er­spart ha­ben kön­nen. Er be­schloß da­her, schnel­ler zu Ver­mö­gen zu kom­men, und woll­te zu­nächst die Fa­bri­ka­ti­on mit dem De­tail­ge­schäft ver­bin­den. Ge­gen den Rat sei­ner Frau mie­te­te er einen Schup­pen und et­was Ter­rain im Fau­bourg du Tem­ple und ließ dar­auf mit großen Buch­sta­ben ma­len: Fa­brik von Cäsar Bi­rot­teau. Er mie­te­te sich in Gras­se einen Ar­bei­ter aus, mit dem er zu glei­chen An­tei­len die Fa­bri­ka­ti­on von Sei­fen, Es­sen­zen und Köl­ni­schem Was­ser be­gann. Aber die So­zie­tät mit die­sem Ar­bei­ter dau­er­te nur sechs Mo­na­te und en­de­te mit Ver­lust, den er al­lein zu tra­gen hat­te. Ohne sich ent­mu­ti­gen zu las­sen, woll­te Bi­rot­teau um je­den Preis zu ei­nem Er­fol­ge kom­men, ein­zig des­halb, weil er nicht von sei­ner Frau ge­schol­ten wer­den woll­te, der er spä­ter ge­stand, daß ihm in die­ser Zeit der Verzweif­lung der Kopf wie ein Schlot rauch­te, und daß er mehr­mals, wenn ihn nicht sei­ne re­li­gi­öse Über­zeu­gung ge­hin­dert hät­te, in Ver­su­chung war, sich in die Sei­ne zu stür­zen. Nie­der­ge­schla­gen über meh­re­re er­geb­nis­lo­se Ver­su­che, ging er ei­nes Ta­ges lang­sam die Bou­le­vards ent­lang nach Hau­se zum Es­sen, denn der Pa­ri­ser Fla­neur ist eben­so häu­fig ein ver­zwei­fel­ter wie ein mü­ßi­ger Mensch. Da wur­den sei­ne Bli­cke un­ter et­li­chen Bü­chern zu sechs Sous, die in ei­nem Kor­be auf der Erde la­gen, von ei­nem staub­ver­gilb­ten Ti­tel ge­fes­selt: »Ab­de­ker, oder die Kunst, die Schön­heit zu er­hal­ten.« Er nahm das an­geb­lich ara­bi­sche Buch auf, eine Art Ro­man von ei­nem Arzt des vo­ri­gen Jahr­hun­derts, und stieß auf eine Sei­te, wo von Par­füms die Rede war. Er durch­blät­ter­te das Buch, an einen Bou­le­vard­baum ge­lehnt, und las eine Stel­le, wo der Au­tor das We­sen der Un­ter- und der Ober­haut er­klärt und zeigt, wel­che Pas­te oder Sei­fe eine häu­fig der Er­war­tung ent­ge­gen­ge­setz­te Wir­kung her­vor­bringt, wenn die Pas­te und die Sei­fe die Haut zu­sam­men­zie­hen, die ent­spannt ge­hal­ten sein will, oder die Haut ent­span­nen, die nach Zu­sam­men­zie­hen ver­langt. Bi­rot­teau kauf­te das Buch, von dem er ein Ver­mö­gen er­hoff­te. Da er trotz­dem sei­ner Er­leuch­tung nicht trau­te, be­gab er sich zu ei­nem be­rühm­ten Che­mi­ker, Vau­que­lin, von dem er ganz naiv das Re­zept er­bat, um ein Kos­me­ti­kum mit zwie­fa­cher Wir­kung, das den ver­schie­de­nen Spiel­ar­ten der mensch­li­chen Epi­der­mis Rech­nung trug, her­zu­stel­len. Die wah­ren Ge­lehr­ten, die Män­ner, die wirk­lich groß sind in dem Sin­ne, daß ih­nen bei Leb­zei­ten der Ruhm, den ihre un­ge­kann­ten au­ßer­ge­wöhn­li­chen Ar­bei­ten ver­dient hät­ten, nie­mals zu­teil wird, sind fast alle dienst­wil­lig und freund­lich ge­gen die geis­tig Ar­men. Vau­que­lin ge­währ­te also dem Par­füm­händ­ler sei­ne Pro­tek­ti­on, ge­stat­te­te ihm, sich Er­fin­der ei­ner Pas­te, die die Wei­ße der Hän­de er­zielt, zu nen­nen, und gab ihm de­ren Zu­sam­men­set­zung an. Bi­rot­teau nann­te sie Dop­pel­pas­te der Sul­tan­in­nen. Um die Sa­che voll­kom­men zu ma­chen, wen­de­te er das Ver­fah­ren der Pas­te für die Hän­de auf ein Was­ser für den Teint an, das er Eau Car­mi­na­ti­ve nann­te. Bei dem wei­te­ren Vor­ge­hen mach­te er sich das Prin­zip des Pe­tit-Ma­te­lot zu ei­gen und ent­wi­ckel­te, als ers­ter un­ter den Par­füm­händ­lern, je­nen Lu­xus von Pla­ka­ten, An­non­cen und an­dern Re­kla­men, die man viel­leicht mit Un­recht Char­la­ta­ne­rie nennt.

Die Sul­tan­in­nen­pas­te und das Eau Car­mi­na­ti­ve wand­ten sich an die ge­sam­te ga­lan­te und kom­mer­zi­el­le Welt mit bun­ten Pla­ka­ten, an de­ren Kopf die Wor­te stan­den: »Ap­pro­biert von der Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten!« Die­se zum ers­ten­mal ge­brauch­te For­mel hat­te eine ma­gi­sche Wir­kung. Nicht nur Frank­reich, der gan­ze Kon­ti­nent wur­de mit gel­ben, ro­ten, blau­en Pla­ka­ten von dem Be­herr­scher der Ro­sen­kö­ni­gin be­pflas­tert, der al­les, was hier in Fra­ge kam, be­reit hielt, lie­fer­te und fa­bri­zier­te. Zu ei­ner Zeit, da man von nichts als vom Ori­ent re­de­te, ein Schön­heits­mit­tel Sul­tan­in­nen­pas­te nen­nen und die ma­gi­sche Wir­kung die­ser Wor­te in ei­nem Lan­de ah­nen, wo je­der Mann eben­so­sehr ein Sul­tan, wie jede Frau eine Sul­ta­nin zu sein wünscht, das war eine Ein­ge­bung, die ei­nem ge­wöhn­li­chen wie ei­nem geist­vol­len Man­ne zu­teil wer­den kann; aber da das Pub­li­kum im­mer nach dem Er­fol­ge ur­teilt, galt Bi­rot­teau um so mehr für einen, kauf­män­nisch ge­spro­chen, her­vor­ra­gen­den Men­schen, als er selbst einen Pro­spekt ver­faß­te, des­sen al­ber­ner Stil ein we­sent­li­ches Mo­ment sei­nes Er­fol­ges wur­de; in Frank­reich lacht man nur über Din­ge und Men­schen, mit de­nen man sich be­schäf­tigt, und nie­mand be­schäf­tigt sich mit et­was, das kei­nen Er­folg hat. Ob­wohl Bi­rot­te­aus Al­bern­heit nicht ge­macht war, sprach man ihm doch die Fä­hig­keit zu, sich ge­ge­be­nen­falls dumm stel­len zu kön­nen. Nicht ohne Mühe ist es ge­lun­gen, ein Exem­plar die­ses Pro­spekts im Hau­se Po­pi­not & Co., Dro­gis­ten, Rue des Lom­bards, auf­zu­fin­den. Die­ses amüsan­te Stück ge­hört im wei­te­ren Sin­ne zu de­nen, die die His­to­ri­ker »Quel­len­do­ku­men­te« nen­nen. Es lau­tet so:

Dop­pel­pas­te der Sul­tan­in­nen

und Eau Car­mi­na­ti­ve.

Von Cäsar Bi­rot­teau.

Wun­der­ba­re Er­fin­dung.

Ap­pro­biert von der

Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten.

Seit lan­ger Zeit wird eine Pas­te für die Hand- und eine Es­senz für die Ge­sichts­pfle­ge, die eine bes­se­re Wir­kung als das Köl­ni­sche Was­ser er­zie­len, all­ge­mein von den Da­men und Her­ren Eu­ro­pas ge­wünscht. Der als Par­füm­lie­fe­rant in Pa­ris und im Aus­lan­de vor­teil­haft be­kann­te Herr Bi­rot­teau hat nun vie­le schlaflo­se Näch­te dem Stu­di­um der Un­ter- und Ober­haut bei­der Ge­schlech­ter ge­wid­met, die nicht ohne Grund das größ­te Ge­wicht auf die Zart­heit, die Ge­schmei­dig­keit, den Glanz und die Weich­heit der Haut le­gen, und hat eine Pas­te und eine Es­senz er­fun­den, die mit Recht von der ele­gan­ten männ­li­chen und weib­li­chen Welt von Pa­ris gleich nach ih­rem Er­schei­nen als wun­der­bar be­zeich­net wur­den. In der Tat be­sit­zen die­se Pas­te und die­se Es­senz er­staun­li­che Wir­kun­gen auf die Haut und zwar ohne die Ge­fahr früh­zei­ti­ger Run­zeln, was bei den bis auf die­sen Tag un­be­dach­ter­wei­se an­ge­wand­ten, von pro­fit­gie­ri­gen Igno­ran­ten er­fun­de­nen Dro­gen un­ver­meid­lich war. Die­se Er­fin­dung stützt sich auf die Un­ter­schei­dung der Tem­pe­ra­men­te, de­nen ent­spre­chend für die zwei Haupt­grup­pen die Pas­te und die Es­senz in zwei Far­ben her­ge­stellt sind, und zwar sind die ro­sa­far­be­nen für die Ober- und Un­ter­haut der Per­so­nen von lym­pha­ti­scher Kon­sti­tu­ti­on, die wei­ßen für sol­che von san­gui­ni­schem Tem­pe­ra­ment be­stimmt.

Die­se Pas­te nennt sich Sul­tan­in­nen­pas­te, weil ihre Er­fin­dung schon für das Serail von ei­nem ara­bi­schen Arz­te ge­macht wur­de. Sie ist von der Aka­de­mie ap­pro­biert wor­den, nach­dem un­ser be­rühm­ter Che­mi­ker Vau­que­lin sei­nen Be­richt er­stat­tet hat­te, eben­so wie die Es­senz, die nach den glei­chen Prin­zi­pi­en her­ge­stellt ist, die bei der Zu­sam­men­set­zung der Pas­te maß­ge­bend wa­ren.

Die­se kost­ba­re Pas­te, die den sü­ßes­ten Duft aus­strömt, macht die wi­der­spens­tigs­ten Som­mer­spros­sen ver­blas­sen, läßt die här­tes­te Haut weich wer­den und das Schwit­zen der Hän­de, über das die Da­men nicht we­ni­ger als die Her­ren kla­gen, ver­schwin­den.

Das Eau Car­mi­na­ti­ve be­sei­tigt den leich­ten Aus­schlag, der zu ge­wis­sen Zei­ten un­ver­se­hens die Da­men be­fällt und ihre Ball­pro­jek­te stört; es er­frischt und be­lebt die Haut, in­dem es je nach dem Tem­pe­ra­ment die Po­ren öff­net; es ist be­reits als Mit­tel ge­gen das Al­tern so be­kannt ge­wor­den, daß vie­le Da­men aus Dank­bar­keit es »das Schön­heits­was­ser« ge­nannt ha­ben.

Das Köl­ni­sche Was­ser ist, kurz ge­sagt, ein ge­wöhn­li­ches Par­füm ohne jede spe­zi­fi­sche Wir­kung, wäh­rend die Dop­pel­pas­te der Sul­tan­in­nen und das Eau Car­mi­na­ti­ve zwei Kom­po­si­tio­nen sind, die eine ein­grei­fen­de aber un­ge­fähr­li­che Wir­kung auf die in­ner­li­chen Vor­gän­ge aus­üben, in­dem sie sie un­ter­stüt­zen; ihr ganz be­son­ders bal­sa­mi­scher Duft und ihr an­re­gen­der Hauch er­fri­schen in wun­der­ba­rer Wei­se Herz und Kopf, schmei­cheln den Ge­dan­ken und re­gen sie an; sie sind eben­so er­staun­lich durch ihre Be­deu­tung wie durch ihre Ein­fach­heit; sie brin­gen, mit ei­nem Wort, den Frau­en einen neu­en Reiz und den Män­nern ein Mit­tel der Ver­füh­rung.

Der täg­li­che Ge­brauch der Es­senz ver­hin­dert das Bren­nen der Haut nach dem Ra­sie­ren; er ver­hin­dert das Auf­sprin­gen der Lip­pen und er­hält sie rot; er ver­nich­tet, na­tür­lich bei län­ge­rer An­wen­dung, die Som­mer­spros­sen und gibt schließ­lich der Haut ihre Far­be wie­der. Die­se Ei­gen­schaf­ten be­wir­ken beim Man­ne ein voll­kom­me­nes see­li­sches Gleich­ge­wicht und be­frei­en die­je­ni­gen, die an Mi­grä­ne lei­den, von die­ser fürch­ter­li­chen Krank­heit. Schließ­lich kann das Eau Car­mi­na­ti­ve von den Da­men bei der Toi­let­te in je­der Wei­se ge­braucht wer­den; es be­wahrt vor al­len Haut­lei­den, ohne daß es die Tran­spi­ra­ti­on des Ge­we­bes hin­dert, und er­hält es dau­ernd in sam­met­ar­ti­ger Weich­heit.

Man wen­de sich, mit Frei­mar­ke, an Herrn Cäsar Bi­rot­teau, Nach­fol­ger von Ra­gon, ehe­ma­li­gem Hof­lie­fe­ran­ten der Kö­ni­gin Ma­rie-An­to­i­net­te, in der Ro­sen­kö­ni­gin, Rue Saint-Ho­noré, Pa­ris, nahe dem Ven­dô­me­platz.

Der Preis des Stückes Pas­te be­trägt drei Fran­ken, der der Fla­sche sechs Fran­ken.

Herr Bi­rot­teau be­nach­rich­tigt, um Nach­ah­mun­gen zu ver­hü­ten, das ver­ehr­li­che Pub­li­kum, daß die Pas­te eine Pa­pier­hül­le mit sei­ner Un­ter­schrift hat, und daß die Fla­schen eine in das Glas ein­ge­preß­te Mar­ke tra­gen.

Den Er­folg hat­te Cäsar, ohne daß er es ahn­te, Kon­stan­ze zu ver­dan­ken, die ihm riet, das Eau Car­mi­na­ti­ve und die Sul­tan­in­nen­pas­te in Kis­ten an alle Par­füm­händ­ler Frank­reichs und des Aus­lan­des zu ver­sen­den und ih­nen einen Ra­batt von drei­ßig Pro­zent zu be­wil­li­gen, wenn sie die bei­den Ar­ti­kel gro­swei­se neh­men woll­ten. Pas­te und Es­senz wa­ren in der Tat mehr wert als die an­dern der­ar­ti­gen Schön­heits­mit­tel und ver­lock­ten die Un­wis­sen­den durch die Un­ter­schei­dung zwi­schen den Tem­pe­ra­men­ten; die fünf­hun­dert fran­zö­si­schen Par­füm­händ­ler, an­ge­lockt durch den Ra­batt, kauf­ten ein je­der bei Bi­rot­teau jähr­lich mehr als drei­hun­dert Gros der Pas­te und der Es­senz, was ihm an den Ar­ti­keln selbst nur einen be­schei­de­nen Ge­winn ließ, der aber durch die Quan­ti­tät doch sehr groß war. Cäsar war da­her im­stan­de, die Schup­pen und Ter­rains im Fau­bourg du Tem­ple zu er­wer­ben, dort große Fa­bri­kräu­me zu er­bau­en und den La­den der Ro­sen­kö­ni­gin präch­tig aus­zu­stat­ten; das Ehe­paar ge­noß nun das be­schei­de­ne Glück ei­nes grö­ße­ren Wohl­stan­des und Kon­stan­ze zit­ter­te nicht mehr so sehr.

Im Jah­re 1810 sah Frau Bi­rot­teau eine Stei­ge­rung der Mie­ten sich an­bah­nen und riet ih­rem Mann, Haupt­mie­ter des Hau­ses, in dem sie den La­den und das Zwi­schen­ge­schoß inne hat­ten, zu wer­den und ihre Woh­nung in das ers­te Stock­werk zu ver­le­gen. Ein glück­li­cher Um­stand ver­an­laß­te Kon­stan­ze, sich die großen Aus­ga­ben, die Bi­rot­teau für sie bei der Ein­rich­tung der Woh­nung mach­te, ge­fal­len zu las­sen. Der Par­füm­händ­ler war eben zum Han­dels­rich­ter er­nannt wor­den. Er ver­dank­te die­se Ehren­stel­lung sei­ner Recht­schaf­fen­heit, sei­nem an­er­kann­ten Takt und dem An­se­hen, das er ge­noß, und ge­hör­te nun zu den No­ta­beln un­ter den Pa­ri­ser Kauf­leu­ten. Um sei­ne Kennt­nis­se zu ver­meh­ren, stand er früh um fünf Uhr auf und las ju­ris­ti­sche Re­per­to­ri­en und Bü­cher über Han­delss­trei­tig­kei­ten. Sein Rechts­ge­fühl, sei­ne Lau­ter­keit, sei­ne wohl­wol­len­de Ge­sin­nung, die­se we­sent­li­chen Vor­be­din­gun­gen für eine ge­rech­te Ent­schei­dung der schwie­ri­gen Fäl­le, die dem Spruch der Han­dels­ge­rich­te un­ter­lie­gen, mach­ten ihn zu ei­nem der ge­ach­tets­ten Rich­ter. Selbst sei­ne Män­gel nütz­ten sei­ner Re­pu­ta­ti­on. Da er emp­fand, daß er ein un­be­deu­ten­der Kopf war, ord­ne­te Cäsar wil­lig sei­ne Ein­sicht der sei­ner Kol­le­gen un­ter, die sich ge­schmei­chelt fühl­ten, wenn er ih­nen so auf­merk­sam zu­hör­te; die einen be­müh­ten sich um die still­schwei­gen­de Zu­stim­mung ei­nes Man­nes, den sie, weil er zu­zu­hö­ren ver­stand, für einen tie­fen Geist hiel­ten; die an­dern rühm­ten ihn, weil sie sich über sei­ne Be­schei­den­heit und sei­ne Lie­bens­wür­dig­keit freu­ten. Die Par­tei­en lob­ten sein Wohl­wol­len und sei­ne ver­söh­nen­de Art, und oft wur­de er bei Strei­tig­kei­ten zum Schieds­rich­ter ge­wählt, wo­bei ihn sein ge­sun­der Men­schen­ver­stand wie einen Kadi ur­tei­len ließ. Wäh­rend der Dau­er sei­ner Amt­stä­tig­keit ver­stand er, sich eine Aus­drucks­wei­se an­zu­eig­nen, die vol­ler Ge­mein­plät­ze, durch­setzt mit Grund­sät­zen und Ur­tei­len, die in wohl­ab­ge­run­de­ten Phra­sen vor­ge­bracht wur­den, war, und die von ober­fläch­li­chen Leu­ten für Be­red­sam­keit an­ge­se­hen wur­de. Er ge­fiel so der na­tur­ge­mäß mit­tel­mä­ßi­gen Mehr­zahl, die für im­mer zu all­täg­li­cher Tä­tig­keit und An­schau­ung ver­dammt ist. Aber Cäsar ver­lor bei dem Ge­richt so viel Zeit, daß sei­ne Frau ihn schließ­lich nö­tig­te, auf die­se kost­spie­li­ge Ehre zu ver­zich­ten.

Um 1813 be­gann für das Ehe­paar, dank ih­rer be­stän­di­gen Ei­nig­keit und dem wei­te­ren gu­ten Fort­schrei­ten auf ih­rem Le­bens­we­ge, eine Ära des Wohl­stan­des, den nichts mehr er­schüt­tern zu kön­nen schi­en. Herr und Frau Ra­gon, ihre Vor­gän­ger, ihr On­kel Pil­ler­ault, der No­tar Ro­guin, die Ma­ti­fats, Dro­gis­ten in der Rue des Lom­bards und Lie­fe­ran­ten der Ro­sen­kö­ni­gin, Jo­seph Le­bas, Tuch­händ­ler und Nach­fol­ger von Guil­lau­me in der »Ball­spie­len­den Kat­ze«, eine Leuch­te der Rue Saint-De­nis, der Rich­ter Po­pi­not, Frau Ra­g­ons Bru­der, Chif­fre­ville, vom Hau­se Pro­tez & Chif­fre­ville, Herr und Frau Co­chin, An­ge­stell­ter beim Schatz­amt und Kom­man­di­täre des Hau­ses Ma­ti­fat, der Abbé Loraux, der Beicht­va­ter die­ser Ge­sell­schaft, und ei­ni­ge an­de­re Per­so­nen bil­de­ten ih­ren Freun­des­kreis. Trotz sei­ner roya­lis­ti­schen Ge­sin­nung ur­teil­te die öf­fent­li­che Mei­nung güns­tig über Bi­rot­teau, der auch für sehr reich galt, ob­wohl er nur hun­dert­tau­send Fran­ken au­ßer sei­nem Ge­schäft be­saß. Sei­ne re­gu­lä­ren Ge­schäf­te, sei­ne Pünkt­lich­keit, sein Prin­zip, nie et­was schul­dig zu blei­ben und nie­mals Wech­sel zu es­komp­tie­ren, da­ge­gen aber Si­cher­hei­ten von sol­chen an­zu­neh­men, de­nen er da­mit hilf­reich sein konn­te, sei­ne Ge­fäl­lig­keit – all das ver­schaff­te ihm einen au­ßer­or­dent­li­chen Kre­dit. Er hat­te üb­ri­gens in der Tat viel Geld ver­dient; aber sei­ne Bau­ten und die Fa­brik hat­ten viel da­von ver­schlun­gen. Auch kos­te­te ihm sein Haus­halt an­nä­hernd zwan­zig­tau­send Fran­ken jähr­lich. Schließ­lich er­for­der­te die Er­zie­hung Cäsa­ri­nes, der ein­zi­gen, von Kon­stan­ze und ihm in glei­cher Wei­se an­ge­be­te­ten Toch­ter, star­ke Aus­ga­ben. We­der er noch sei­ne Frau sa­hen auf das Geld, wenn es sich dar­um han­del­te, ih­rer Toch­ter, von der sie sich nicht hat­ten tren­nen wol­len, ein Ver­gnü­gen zu be­rei­ten. Man stel­le sich die Freu­de die­ses ar­men, her­auf­ge­kom­me­nen Bau­ern­sohns vor, wenn er sei­ne süße Cäsa­ri­ne eine So­na­te von Stei­belt auf dem Kla­vier spie­len, oder eine Ro­man­ze sin­gen hör­te; wenn er sah, wie sie kor­rekt Fran­zö­sisch schrieb und wenn er sie be­wun­der­te, wie sie Ra­ci­ne, den Äl­te­ren und den Jün­ge­ren, las und ihm de­ren Schön­hei­ten er­klär­te, und wie sie eine Land­schaft zeich­ne­te oder ein Blatt in Se­pia mal­te! Was für ein Glücks­ge­fühl, wenn er sich in ei­ner so schö­nen, so rei­nen Blü­te wie­der auf­le­ben sah, die sich noch nicht von der müt­ter­li­chen Hut ge­trennt hat­te, kurz, in ei­nem En­gel, des­sen auf­kei­men­de Rei­ze und Ent­wick­lung mit lei­den­schaft­li­chem An­teil be­ob­ach­tet wur­den, ei­ner ein­zi­gen Toch­ter, die nie dar­an dach­te, ih­ren Va­ter ge­ring zu ach­ten oder sich über sei­nen Man­gel an Bil­dung lus­tig zu ma­chen, so sehr war sie eine ech­te Jung­frau. Als er nach Pa­ris kam, konn­te Cäsar le­sen, schrei­ben und rech­nen, aber da­mit war sei­ne Bil­dung zu Ende, sein ar­beit­sa­mes Le­ben hat­te ihm nicht ge­stat­tet, Ge­dan­ken und Kennt­nis­se, die in kei­ner Be­zie­hung zum Par­fü­me­rie­ge­schäft stan­den, sich an­zu­eig­nen. In stän­di­gem Ver­kehr mit Leu­ten, de­nen Wis­sen­schaf­ten und Li­te­ra­tur gleich­gül­tig wa­ren, und de­ren Bil­dung sich nur auf Spe­zi­al­ge­bie­te er­streck­te, und da er kei­ne Zeit hat­te, sich mit hö­he­ren Stu­di­en zu be­fas­sen, wur­de er ein Mann der Pra­xis. Er nahm not­wen­di­ger­wei­se die Spra­che, die Irr­tü­mer, die An­sich­ten der Pa­ri­ser Bour­geoi­sie an, die Mo­liè­re, Vol­taire und Rous­seau auf ih­ren Na­men hin be­wun­dert, die ihre Wer­ke kauft, sie aber nicht liest; die be­haup­tet, man müs­se or­moi­re sa­gen, weil die Frau­en in die­sem Mö­bel ihr »Gold« und ihre Klei­der auf­be­wahr­ten, die frü­her fast im­mer aus »Mo­hair« ge­macht wa­ren, und daß ar­moi­re ein kor­rum­pier­tes Wort sei. Po­tier, Tal­ma, die Mars sei­en zehn­fa­che Mil­lio­näre und leb­ten nicht so wie an­de­re mensch­li­che We­sen; der große Schau­spie­ler äße ro­hes Fleisch, die Mars ge­nös­se zu­wei­len auf­ge­lös­te Per­len, um es ei­ner be­rühm­ten ägyp­ti­schen Schau­spie­le­rin gleich­zu­tun. Der Kai­ser habe in sei­nen Wes­ten le­der­ne Ta­schen, um sei­nen Ta­bak gleich hand­voll zu sich neh­men zu kön­nen, er rei­te im Ga­lopp die Trep­pe der Oran­ge­rie in Ver­sail­les hin­auf. Die Schrift­stel­ler und Künst­ler stür­ben im Ho­spi­tal in­fol­ge ih­rer Ab­son­der­lich­kei­ten; sie sei­en üb­ri­gens alle Atheis­ten und man müs­se sich sehr hü­ten, sie bei sich zu emp­fan­gen.

Jo­seph Le­bas er­zähl­te mit Ent­set­zen die Ge­schich­te der Ehe sei­ner Schwä­ge­rin Au­gus­ti­ne mit dem Ma­ler Som­mer­vieux. Die Astro­no­men leb­ten von Spin­nen. Die­se Hö­he­punk­te ih­rer Kennt­nis­se in der fran­zö­si­schen Spra­che, der dra­ma­ti­schen Kunst, der Po­li­tik, der Li­te­ra­tur, der Wis­sen­schaf­ten las­sen den Um­fang die­ser bour­geoi­sen In­tel­li­gen­zen er­ken­nen. Wenn ein Dich­ter durch die Rue des Lom­bards geht, so kann er, wenn er Wohl­ge­rü­che wahr­nimmt, von Asi­en träu­men. Er be­wun­dert Tän­ze­rin­nen in ei­ner Wirt­schaft und meint den Duft des Ve­ti­ver­gra­ses ein­zuat­men. Ge­blen­det von dem Glanz der Co­che­nil­le, glaubt er dar­in Dich­tun­gen der Brah­ma­nen, in­di­sche Re­li­gio­nen und Kas­ten wie­der­zu­fin­den. Wenn er ro­hes El­fen­bein sieht, so steigt er in Ge­dan­ken auf den Rücken ei­nes Ele­phan­ten, in ein Zelt von Mus­se­lin und pflegt dar­in der Lie­be wie der Kö­nig von La­ho­re. Aber der klei­ne Kauf­mann hat kei­ne Ah­nung, wo­her die Pro­duk­te, mit de­nen er han­delt, kom­men, noch wo sie wach­sen. Der Par­füm­händ­ler Bi­rot­teau ver­stand nicht ein Jota von Na­tur­ge­schich­te und Che­mie. Wenn er Vau­que­lin für einen großen Mann hielt, so be­trach­te­te er ihn als eine Aus­nah­me; er selbst stand auf der Höhe je­nes ehe­ma­li­gen Krä­mers, der eine Dis­kus­si­on über den Be­zug des Tees da­mit schloß, daß er mit schlau­er Mie­ne sag­te: »Der Tee kommt ent­we­der mit der Ka­ra­wa­ne oder aus Le Ha­vre.« Nach Bi­rot­te­aus Mei­nung gab es Aloe und Opi­um nur in der Rue des Lom­bards. Das an­geb­li­che Kon­stan­ti­no­pe­ler Ro­sen­was­ser wür­de wie das Köl­ni­sche Was­ser in Pa­ris fa­bri­ziert. Die Ur­sprungs­na­men sei­en Auf­schnei­de­rei­en den Fran­zo­sen zu Ge­fal­len, die die Er­zeug­nis­se ih­res Lan­des nicht ha­ben woll­ten. Ein fran­zö­si­scher Kauf­mann müs­se sei­ne Er­fin­dun­gen als eng­li­sche be­zeich­nen, wenn er sie in Auf­nah­me brin­gen wol­le, wie ein eng­li­scher Dro­gist die sei­ni­gen für fran­zö­si­sche aus­ge­ben müs­se. Trotz­dem war Cäsar durch­aus nicht dumm oder tö­richt; sei­ne Recht­schaf­fen­heit und Her­zens­gü­te war­fen ih­ren Schim­mer über ihn, der al­les, was er tat, re­spek­ta­bel er­schei­nen ließ; wer im­mer als red­li­cher Mann han­delt, dem wird jede Un­wis­sen­heit ver­zie­hen. Sein be­stän­di­ger Er­folg er­füll­te ihn mit Zu­ver­sicht. In Pa­ris gilt eine sol­che Selbst­si­cher­heit schon als eine Macht, weil man sie als ein Zei­chen von Macht an­sieht. Nach­dem sie Cäsar in den ers­ten drei Jah­ren ih­rer Ehe ge­nau ken­nen­ge­lernt hat­te, war sei­ne Frau das Op­fer be­stän­di­ger Ängs­te; sie re­prä­sen­tier­te in die­sem Bun­de den scharf­sin­ni­gen und vor­sich­ti­gen Teil, den Zwei­fel, die Op­po­si­ti­on, die Furcht; wäh­rend Cäsar die Kühn­heit, den Ehr­geiz, die Tat und das höchs­te Glück, das Her­aus­for­dern des Schick­sals, ver­kör­per­te. Trotz die­ses äu­ße­ren An­scheins aber zit­ter­te der Kauf­mann in­ner­lich, wäh­rend sei­ne Frau in Wahr­heit Ge­duld und Mut be­saß. So ge­lang es die­sem klein­mü­ti­gen, mit­tel­mä­ßi­gen, un­ge­bil­de­ten Man­ne ohne ei­ge­ne Ge­dan­ken, ohne Kennt­nis­se, ohne aus­ge­präg­ten Cha­rak­ter, auf dem schlüpf­rigs­ten Plat­ze der Welt, wo er am we­nigs­ten Aus­sicht auf Er­folg hat­te, durch sein klu­ges Be­neh­men, durch sein Rechts­ge­fühl, sei­ne wahr­haft christ­li­che See­len­gü­te und durch die Lie­be zu der ein­zi­gen Frau, die er je­mals be­ses­sen hat­te, für einen be­mer­kens­wer­ten, mu­ti­gen und klug über­le­gen­den Mann zu gel­ten. Die Men­schen ur­tei­len nur nach dem Er­fol­ge. Au­ßer Pil­ler­ault und dem Rich­ter Po­pi­not wa­ren die Mit­glie­der sei­nes Krei­ses, die ihn nur ober­fläch­lich sa­hen, nicht fä­hig, ihn rich­tig zu be­ur­tei­len. Üb­ri­gens re­de­ten die zwan­zig bis drei­ßig Freun­de, die un­ter sich ver­kehr­ten, die­sel­ben Al­bern­hei­ten, sie wie­der­hol­ten die­sel­ben Ge­mein­plät­ze und hiel­ten sich alle für über­le­ge­ne Leu­te in ih­rem Fa­che. Die Frau­en be­streb­ten sich, mit gu­ten Di­ners und Toi­let­ten her­vor­zu­ste­chen; eine jede von ih­nen hielt sich für ver­pflich­tet, ver­ächt­lich von ih­rem Mann zu re­den. Nur Frau Bi­rot­teau hat­te so­viel Takt, den ih­ri­gen vor den an­dern mit Ach­tung und Re­spekt zu be­han­deln; sie sah in ihm den Mann, der trotz sei­ner ver­steck­ten Un­fä­hig­keit ihr Ver­mö­gen ver­dient hat­te und des­sen An­se­hen sie teil­te. Aber sie frag­te sich manch­mal, wie die Ge­sell­schaft be­schaf­fen sein müs­se, wenn alle an­geb­lich her­vor­ra­gen­den Per­sön­lich­kei­ten ih­rem Man­ne gli­chen. Ihr Be­neh­men trug nicht we­nig dazu bei, die re­spekt­vol­le Ach­tung auf­recht zu hal­ten, die man dem Kauf­mann in ei­nem Lan­de ent­ge­gen­brach­te, wo die Frau­en meist ge­neigt sind, ihre Män­ner zu ver­ach­ten und sich über sie zu be­kla­gen.

Honoré de Balzac – Gesammelte Werke

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