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Die Banken und ihre Angst vor dem Untergang
ОглавлениеKein Zweifel: Die kaum noch vorhandene Wettbewerbsfähigkeit der südeuropäischen Länder hat den Boden für die Verschuldungskrise in der Eurozone bereitet. Sie war die Zündschnur, doch die Bombe hat einen anderen Namen.
Untersuchen wir das genauer. Die Südeuropäer sowie Irland können schon darum nicht die Ursache der Verschuldungskrise sein, weil sie innerhalb der Eurozone wirtschaftliche Zwerge sind. Die unten stehende Tabelle zeigt das. Der BIP-Anteil an der gesamten Eurozone beträgt gerade mal 6,1 Prozent, jener der Bevölkerung 7,9. Doch ihre Verschuldungskriterien sind überproportional hoch.
Tabelle 3 Statistischer Überblick: Periphere Euroländer und gesamte Eurozone, 2010 | ||||
Griechenland | Irland | Portugal | Eurozone | |
BIP (in Mio. Euro, laufende Preise) In % der Eurozone | 230 1732,5 | 153 9391.7 | 172 6991.9 | 9 190 619100.0 |
Gesamtbevölkerung (in 1000) in % der Eurozone | 11.3293.4 | 4.4801.3 | 10 6373,2 | 331 966100.0 |
Bruttostaatsverschuldung (in % des BIP) | 142.8 | 96.2 | 93.0 | 85.1 |
Staatsdefizit (in % des BIP) | -10,5 | -32,4(a) | 9.1 | 6.0 |
Banken: Exposure gegenüber eigenemDomizilstaat (in Mio. Euro) | 54 447 | 12 466 | 19 568 | - |
a) Darin sind Auslagen für Bankrekapitalisierungen in Form von Eigenwechseln (ca. 20% des BIP) enthalten, für welche keine unmittelbare Marktfinanzierung nötig ist.
Quellen: Eurostat, EBA/Die Volkswirtschaft
Unter diesen Kriterien wiederum will ich Ihre Aufmerksamkeit auf den Punkt „Banken“ lenken. So gut wie jeder Staat der Eurozone war mit den nationalen Banken finanziell eng verbunden – vor allem, indem die Banken große Bestände an Staatsanleihen hielten. Beispiel Griechenland: Nach den Streßtests der European Banking Authority (EBA) besaßen die größten griechischen Geschäftsbanken Ende 2010 Staatsanleihen im Wert von über 54 Milliarden Euro (s. Tabelle oben).
Diese Abhängigkeit von Staat und inländischen Banken enthält das Risiko eines Teufelskreises. Das folgende Szenario macht deutlich, was damit gemeint ist: Sobald eine oder mehrere Großbanken in finanzielle Schwierigkeiten gerieten, wurden sie vom Staat gerettet. Weil das in der Regel ziemlich kostspielig ist, verschlechtert sich die finanzielle Situation des Staates. Daraufhin melden Ratingagenturen Zweifel an seiner Bonität an und stufen das Kreditrating herab. Folge: Die Risikoprämien auf Anleihen dieses Staates steigen an, was deren Wert vermindert. Folge: Dadurch sinkt auch der Wert der Staatsanleihen, die die Bank bzw. die Banken im Besitz haben. Folge: Der Staat ist zu einer weiteren Stützungsmaßnahme gezwungen. Folge: Der Teufelskreis beginnt von vorn. Es wird deutlich: Dies führt irgendwann zum Bankrott von Banken und Staat. Soweit das Modell.
Zunächst muß man jedoch feststellen, daß in den Jahren vor der Finanzkrise die finanzielle Verflechtung von Staat und nationalen Banken kein Problem war. Die Banken galten – nicht zuletzt wegen der Annahme staatlicher Garantien – als sicher, und die Staatsfinanzen waren entweder „gesund“ oder wurden als „unproblematisch“ eingeordnet. Erst mit der Finanzkrise änderte sich alles. Sie deckte die Risiken, Versäumnisse und Fehler dieser Konstellation schonungslos auf. In so gut wie jedem Euroland mußte der Staat Banken mit staatlichen Mitteln vor der Zahlungsunfähigkeit retten. Für die meisten verschlechterte sich die finanzielle Lage. Und schon erfaßte der oben beschriebene Teufelskreis die Eurozone.
Hauptursachen waren jedoch erstens: die hohe Verschuldung der Banken, zweitens: deren viel zu geringe Eigenkapiteldecke im Verhältnis zu den risikobehafteten Staatsanleihen, die sie kauften, weil sie mit den hohen Renditen hohe Gewinne scheffelten sowie drittens: das sogenannte Too-big-to-fail-Problem (TBTF). Weil die Banken als Kreditgeber für Unternehmen und Privatpersonen eine wichtige Funktion für die gesamte Volkswirtschaft haben (sie sind also systemrelevant), bringen eine oder mehrere Bankenpleiten das Finanzsystem und damit letztlich die Volkswirtschaft zu Fall. Also ist der Staat gezwungen, die Banken zu retten.
Was Sie dieser Tabelle nicht entnehmen können, ist die Tatsache, daß nicht nur griechische Banken griechische Staatsanleihen gekauft haben, sondern auch europäische und außereuropäische. Folglich schlagen sich direkte Verluste durch Wertänderungen dieser Anleihen nicht nur bei inländischen, sondern auch bei ausländischen Banken nieder. Und schon haben wir einen Dominoeffekt. Er ist der Ausgangspunkt für eine globale Krise.
Gab es im Fall Griechenland diese Gefahr? Ende des 2. Quartals 2011 sah das nach einer Analyse der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) so aus: Französische Banken hatten gegenüber dem griechischen Staat Forderungen von rund 10,5 Milliarden US-Dollar, bei den deutschen Banken standen 12,5 Milliarden US-Dollar in den Büchern. Außer diesen Forderungen gab es auch noch finanzielle Verknüpfungen zwischen den Banken in Form von Beteiligungen. Die schon damals schwer angeschlagene Emporiki (die fünftgrößte Bank Griechenlands) mit Ausleihungen von 22 Milliarden Euro war fast zu 100 Prozent im Besitz der französischen Credit Agricole (CA). Daher war die CA, welche Tier-1-Eigenkapital in Höhe von 60 Milliarden Euro (Juni 2011) besaß, gegenüber Griechenland stark exponiert, auch wenn sie nur rund 650 Millionen Euro an griechischen Staatsanleihen hielt.
Tabelle 4 Wert der von ausländischen Banken gehaltenen griechische Staatsanleihen in Milliarden Dollar 2010 | ||
Banken | Wert Anfang 2010 | Wert Ende 2010 |
Amerikanische Banken | 5,4 | 1,5 |
Italienische Banken | 3,3 | 2,3 |
Britische Banken | 3,6 | 3,4 |
Banken aus dem restlichen Euroraum | 22,9 | 7,7 |
Französische Banken | 27 | 15 |
Deutsche Banken | 23,1 | 22,7 |
Quelle:
Ein weiterer kritischer Punkt ergibt sich aus den Zahlungsverpflichtungen Griechenlands für die nächsten Jahre. Aus der folgenden Tabelle können Sie die Fakten entnehmen:
Tabelle 5 Zeitpunkt der Fälligkeit griechischer Staatsanleihen von 2010 bis 2020 (in Milliarden Euro) | |
Jahr | Fälliger Betrag in Milliarden Euro |
2010 | 15,8 |
2011 | 31,3 |
2012 | 31,7 |
2013 | 24,9 |
2014 | 31,6 |
2015 | 21,1 |
2016 | 15,1 |
2017 | 22,1 |
2018 | 9,8 |
2019 | 24,7 |
2020 | 5,3 |
Quelle: Bloomberg