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2 Gute Geschäfte

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Cees Steenbrinck lässt sein Zigarillo vom rechten in den linken Mundwinkel rollen. Den Trick vollführt er immer nach einem guten Geschäft. Gerade fährt ein LKW von seinem Hof in der Nähe des Nationalparks Cúc Phương südlich von Hanoi in Vietnam.

Es ist ein Dienstag im Oktober, fünf Wochen vor Little Freddies Geburt in Kanab, Tausende Meilen von Vietnam entfernt.

In seiner Hand hält er einen Diplomatenkoffer mit vielen Tausend Dollar, die er gerade von seinem Kunden bekommen hat. Dafür hat er ihm kostbare Ware verkauft. Ware, bei der er immer froh ist, wenn sie von seinem Hof verschwunden ist. Wenn ihm die vietnamesischen Behörden dahinter kommen, dass er Malaiische und Chinesische Schuppentiere fängt, um sie an chinesische Schmuggler zu verkaufen, ist er geliefert. Die Strafen auf Wilderei sind drastisch. Aber No risc! No fun! war schon immer das Motto von Cornelius Antonius Steenbrinck, wie er mit vollem Namen heißt. Er ist vierundfünfzig, zwei Meter fünf groß und zwei Zentner schwer. Seine Haare sind voll und hellblond und in seinen verwirrend hellblauen Augen erkennt man seinen harten Kern.

Mit Cees legt sich niemand an. Vor langer Zeit soll es mal einer versucht haben, hört man gerüchteweise, aber von demjenigen hört man seitdem noch nicht mal mehr gerüchteweise was. Cees war in der Fremdenlegion, Söldner auf eigene Rechnung in Südafrika und jetzt findet er, dass der neue Reichtum der Chinesen die besten Geschäfte fördert.

In Afrika hat er eine Dependance, die sein guter Freund Piet van Stangeren führt. Piet und er sind die größten Händler weltweit für spezielle Tiere und deren Bestandteile, die besonders auf dem chinesischen Markt nachgefragt werden. Den beiden verdanken viele Tausend chinesische Neureiche ihre Potenz. Ob es an den zerriebenen Nashornhörnern liegt oder daran, dass sie sich deren wohltuende Wirkung einbilden, spielt keine Rolle.

Eigentlich könnte Cees aufhören und seinen Reichtum genießen. Er hat Appartements in Monaco, New York und Paris, ein Haus in Portofino und ihm gehört quasi eine Insel in der Ägäis allein, nicht groß, zu Fuß braucht man zwei Stunden von einem Ende bis zum anderen.

Aber er macht es nicht mehr wegen des Geldes, sondern wegen der Anspannung, die sich aus seinen illegalen Transaktionen ergibt. Gerade eben hat ihn der Abholer der Schuppentiere auf eine ganz neue Idee gebracht. Er erzählte ihm, dass ihm seine Ladung diesmal von Amerikanern abgekauft wird. Weißen, die nichts mit Chinesen zu tun haben. Was die damit vorhaben, konnte er ihm nicht sagen.

„Fressen werden die die nicht“, sagte sein Kunde zum Abschluss.

Cees wird der Sache nachgehen. Da läuft was, was geheim bleiben soll. Geheimnisse und ihre Erhaltung lassen sich manche viel Geld kosten. Mal sehen, was die sagen, wenn er weiß, worum es geht und ihnen sein Schweigen anbietet. Der Gedanke verursacht ihm Kitzeln im Bauch. Solche Sachen machen ihm Spaß.

Die Ladung ist mit einem Gerät versehen worden, das dauernd GPS-Koordinaten an ihn sendet. Sobald er weiß, wohin es geht, setzt er sich in seinen Hubschrauber und fliegt ihm nach. Das macht er selbst. Er lässt sich den Nervenkitzel nicht nehmen.

~~~

„Peter! Es ist dringend. Komm raus, mit deinem Jungen ist was!“ Er erschrickt. Ihm fällt das Petrischälchen aus der behandschuhten Hand. Der Inhalt ist auf seinem Schutzanzug. Peter gerät in Panik. Es ist was mit Little Freddie! Er muss raus hier und nach Hause fahren.

In der Schleuse dauert es ewig, bis der Luftaustausch stattgefunden hat und sich endlich die Außentür öffnen lässt. Gut, dass er den Volvo da hat, mit dem ist er schneller zurück nach Hause.

Sein Handy schellt: „Peter? Betty hier. Ich bin mit Freddie im Hospital. Aber reg dich nicht auf, es geht ihm gut und ich bin nur zur Sicherheit dort.“

Peter beendet das Gespräch und wendet. Zum Hospital muss er anders fahren. Dort angekommen, springt er aus dem Auto und rennt in die Klink hinein.

„Wo wollen Sie1 hin?“ ruft ihm die Dame an der Rezeption nach.

Genau, wo will er überhaupt hin? Atemlos dreht er sich um und ruft ihr zu: „Ich bin Peter Burstyn. Mein Sohn Fred muss hier irgendwo sein.“

„Ach, Sie sind der Papa von Little Freddie! Beruhigen Sie sich. Es ist alles in Ordnung mit dem Prachtkerl. Es kommt oft vor, dass einem ein Baby aus den Armen rutscht, vor allem dann, wenn es so quicklebendig wie Ihr Fred ist. Aber sie tun sich fast nie was dabei, als wenn sie schon perfekt fallen könnten, wie Judoka.

Also Betty und Fred sind im dritten Stock in der Kinderstation und Doc Myers ist bei ihnen. Der Aufzug ist dort hinten links.“

Immer noch im Laufschritt und außer Atem schlittert Peter in das Sprechzimmer von Dr. Myers rein. Das ist voll und Little Freddie wandert gerade von Arm zu Arm. Er ist der Star für drei Schwestern, die in alle einmal halten und drücken wollen. Man sieht dem kleinen Charmeur an, dass er großen Spaß an der Aufmerksamkeit hat, die er genießt.

Bei dem Anblick beruhigt sich Peter. Es scheint wirklich alles in Ordnung zu sein und er nimmt seinen kleinen Racker nun selbst auf den Arm.

„Betty, was ist passiert? Freddie ist dir runtergefallen?“

„Runtergefallen ist zu viel gesagt. Ich saß auf dem Sofa und dieser Racker hat sich gedreht und gewunden wie eine Schlange. Da ist er mir dann irgendwann aus dem Arm gerutscht erst aufs Sofa und von da relativ langsam auf den Boden.

Ich wollte nur sichergehen und habe deshalb Karl Checkers von gegenüber gebeten, uns ins Hospital zu fahren.

Es ist nichts passiert! Stimmt doch Dr. Myers, Dr. Lucas oder?“

„Genau! Das geschieht oft, aber meistens passiert nichts dabei.“ Tim Myers lächelt Peter beruhigend an. Er ist etwa dreißig Jahre alt und sieht wie der Archetyp eines gesunden, weißen Amerikaners aus, blond, groß, sportlich und mit hellen, blauen Augen. Dr. Lucas hingegen ist zirka fünfundsechzig, zwar ebenfalls groß, aber dürr mit einer Haltung, die vermuten lässt, dass er krank ist.

„Babys sind wie kleine Kätzchen. Sie fangen sich selbst bei schlimmeren Stürzen instinktiv ab und ihnen geschieht nichts. Trotzdem war es gut, dass Mrs. Kreuzer zu uns gekommen ist. Man muss sofort jeden Zweifel ausschließen.

Haben Sie noch Zeit, um die Formalitäten zu erledigen, Mr. Burstyn? Vielleicht geben Sie Freddie noch mal an die Damen ab, die haben schon Entzugserscheinungen und dann gehen Sie bitte zum Zimmer 101. Da können Sie den ganzen Kram erledigen.“

Zögernd gibt Peter Freddie in eines der Armpaare, die sich ihm entgegenstrecken. Er scheint mit sich zu kämpfen, aber schließlich ist er auf dem Weg zum Aufnahmebüro.

Es dauert nicht lange und er kann seinen Sohn wieder auf den Arm nehmen. Zusammen mit Betty verlässt er nun völlig beruhigt das Hospital und fährt die beiden nach Hause.

Warum ist Sally nicht da? Geht es ihr so schlecht?‘

„Sally hat geschlafen, als es passiert ist. Ich wollte sie nicht beunruhigen. Sie braucht noch ihre Ruhe.“ sagt Betty, als würde sie seinen Gedanken beantworten.

Heute wird sich Peter den Rest des Tages freinehmen.

1 Natürlich gibt es im Englischen keine Anrede mit ‚Sie‘ wie hier. Es gibt aber unterschiedliche Beziehungsverhältnisse, die mit der deutschen Anredeform ausgedrückt werden sollen.

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