Читать книгу Die Geier von Laredo: Texas Wolf Band 70 - Horst Weymar Hübner - Страница 6

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Zeitlebens war Holzbein-Smiley ein Pechvogel.

Vierzig Jahre lang suchte er in den Santiago Mountains nach Gold. Vergebens.

Die Frau lief ihm weg. Das wurmte ihn. Aber sehr viel schmerzlicher empfand Smiley den Verlust seines besten Pferdes, auf dem sie davonritt.

Eine Steinlawine zerschmetterte ihm das rechte Bein. Als er wieder klar denken konnte, schnitt er den Rest weg und schnitzte sich einen Holzstumpen als Ersatzbein.

So kannte man ihn, und so sah man ihn in den Bergen herumkriechen, vornehmlich im Esplanada Canyon.

Das Pech blieb ihm treu bis in den Tod.

Sie fanden ihn am Weg nach Laredo, ausgeplündert und tot.

Nicht einmal die beiden Lasttiere, mit denen er herumzog, hatte man ihm gelassen.

Old Joe nahm in einer feierlichen und rührenden Art den Hut ab und blickte auf Smileys sterbliche Überreste.

„Er ist es“, sagte er nach einer Weile müde. „Dieses Holzbein gibt es auf fünfhundert Meilen in der Runde nur einmal. Fass mit an, wir wollen ihn wie einen ehrlichen Mann begraben.“

Tom Cadburn rutschte aus dem Sattel.

Er und Old Joe kamen aus der Big Bend herunter, dem großen Knie, das der Rio Grande dort beschreibt. Mit keinem Gedanken hatten sie an Holzbein-Smiley gedacht. Der verließ nie seine Berge.

Nun hatte er es doch getan und war auf seine Mörder gestoßen.

Es war wahrscheinlich schon vor zwei Tagen passiert, weil keine Spuren mehr da waren. Hier auf den Uferhöhen wehte ewig der scharfe zischelnde Wind und hielt den Sand in Bewegung.

Old Joe grub mit dem Messer eine Mulde abseits des Weges und rollte Holzbein-Smileys Körper hinein. In der Umgebung suchte er Steinbrocken zusammen und schichtete sie über dem alten glücklosen Goldgräber zu einem flachen Hügel auf.

An seinem Benehmen merkte Tom, dass er diese Arbeit allein zu verrichten wünschte. Smiley war wie er einer der letzten alten Burschen dieses Landes, Oldtimer aus einer Zeit, die sich selbst überlebt hatte, alten streunenden Katern nicht unähnlich, mit vielen Mucken und teilweise verschrobenen Ansichten.

Aber bei aller Absonderlichkeit liebenswerte Käuze.

Old Joe schob sich den Hut ins Genick und sprach ein stummes Gebet für Holzbein-Smiley.

Danach wandte er sich um und schüttelte den Kopf, als er Tom mit dem Messer an einem dürren Mesquitebusch hantieren sah. „Kein Kreuz! Er war eine gute Haut. Wer ihn kannte, weiß es, und andere geht es nichts an.“

Er streckte die Hand nach Rosinantes Zügel aus, die mit hängendem Kopf in der Spätvormittagshitze stand und mit dem Schwanz die lästigen Fliegen immer wieder in die Flucht schlug.

Thunder stand zwischen den verstaubten Büschen und ließ die Ohren spielen. Auch er konnte sich kaum der Fliegen erwehren. Immer wieder lief ein Zittern über sein Fell. Für wenige Augenblicke hob sich dann eine summende Wolke in die Luft.

Sam, der Schwarzwolf, hatte dieses Problem nicht. Das zottige Fell schützte ihn. Und von den Augen hielt er die geflügelten Plagegeister mit schnappenden Bissen und ruckenden Kopfbewegungen fern. Außerdem ruhte er im Körperschatten des Hengstes und verfolgte aus klugen Augen das Treiben der beiden Männer.

Wie es aussah, war die Rast nicht von längerer Dauer. Der tote Mann war unter Steinen verschwunden, und Tom zündete kein Kochfeuer an. Da ging es wohl gleich weiter.

„Kannst du dir vorstellen, was ihn aus seinen Bergen herausgetrieben hat?“, wandte sich Tom an seinen alten Freund.

Old Joe wedelte mit der Hand vor dem Gesicht herum. „Sauzeug, elendes!“, schimpfte er. „Das kommt vom Fluss. Wenn Wasser in der Nähe ist, werden die Brummer kostenlos mitgeliefert. – Nicht den Schimmer einer Ahnung habe ich. Er kam ja nicht einmal heraus, als damals seine Frau abgehauen ist. Und er mochte das Pferd wirklich sehr.“

„Vielleicht hat er die Sucherei aufgegeben!“, vermutete Tom. Das war eine Überlegung, die nicht von der Hand zu weisen war.

Wer vierzig Jahre lang erfolglos sein Glück suchte, der gab irgendwann enttäuscht auf. Ohne die erhoffte dicke Goldader oder die fette Goldtasche entdeckt zu haben.

„Nicht Smiley“, widersprach Old Joe heftig. „Einmal sagte er zu mir, wenn man nichts mehr von ihm hören sollte, dann möchte ich doch in den Canyon raufreiten und seine Knochen bestatten. Er war von der Sorte, die eher auf dem Claim tot zusammenbricht als ihn verlässt. Muss also was anderes sein.“

Daran dachte Tom auch. Wie ein Blitz zündete es in seinem Kopf. „Proben! Joe, er brachte Proben herunter und wollte sie auf ihren Erzgehalt prüfen lassen. Seine Packtiere sind fort.“

Old Joe bewegte unentschlossen den Kopf. „Er kann auch bereits auf dem Rückweg gewesen sein. Was auch viel einleuchtender ist. Jemand kriegt spitz, dass er endlich seinen großen Fund gemacht hat, ließ ihn die Proben runterschaffen und lauerte ihm auf, als er mit Proviant und neuem Schürfgerät auf dem Rückweg war. Wir brauchen nur in den Canyon zu reiten und den Kerl aufzulesen, der dort herumgräbt und die zwei Mulis von Smiley bei sich hat.“

Auf den ersten Blick leuchtete das ein. Nur war es leichter gesagt als getan. Bis zum Esplanada Canyon waren es mindestens sieben Tage zu reiten.

Und auf den zweiten Blick entdeckte Tom einige Ungereimtheiten.

„Wenn er Proben oder meinetwegen schon die Analyse und Proviant und neues Werkzeug bei sich hatte, warum ist er nicht nach El Paso hinüber? Das ist viel näher. Ein Mann, der vierzig Jahre vergeblich sucht und plötzlich fündig wird, verliert keine unnötige Zeit mehr.“

Ein irritierter Ausdruck zeigte sich in Old Joes Augen. Dann blitzte es darin auf. „Schultz!“

Dave Schultz war einer der zehn Erzprüfer, die hier am Rio Grande ihr Handwerk ausübten. Was ihn aber vor allen anderen auszeichnete, war seine absolute Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit.

Wer zu ihm sein Erz brachte, der konnte sicher sein, eine Analyse ohne jede Schummelei zu bekommen.

Und Dave Schultz hatte seine Laborwerkstatt in Laredo!

„Wenn er sich entschlossen hatte, zu dem zu reiten, dann muss er wirklich etwas von einiger Wichtigkeit gefunden haben“, sagte Tom und machte augenblicklich seine praktische Rechnung auf: „Bis wir zum Canyon hinaufkommen, ist eine Woche herum. Nach Laredo ist es nur noch ein Tag.“

„Was stehst du dann noch herum und erzählst mir Dinge, die ich selbst weiß?“, knurrte Old Joe unwirsch. „Fragen wir Schultz.“

Wenn sich herausstellte, dass Smiley bereits in Laredo war und seine Erzproben abgeliefert hatte, dann hieß das, dass die Proben etwas enthielten, das zu einem Mord verlockt hatte.

Vielleicht war etwas aus dem Labor von Schultz herausgedrungen und ein paar Hundesöhne zu Ohren gekommen. Oder Smiley hatte an einer Theke geredet.

Wenn er aber erst auf dem Hinweg war, dann bedeutete das, dass ihm jemand aus dem Canyon gefolgt war. Jemand, der ihn möglicherweise schon tagelang bei der Schürfarbeit beobachtet hatte und nun den Zeitpunkt für gekommen hielt, dem Lauf des Glücks eine andere Richtung zu geben.

In diesem Falle mussten sich Smileys Proben ebenfalls in Laredo befinden. Schultz war der einzige Erzprüfer in der Stadt.

Es war unwahrscheinlich, dass der oder die Mörder mit der Beute hinauf nach Langtry oder gar hinüber nach El Paso ritten.

Wer einen alten Mann einiger Gesteinsbrocken wegen ermordete, der wollte auch möglichst schnell wissen, ob sich denn die Sache gelohnt hat.

Goldgier war eine Triebfeder, die aus lammfrommen Burschen reißende Wölfe machte und aus schlafmützigen Kerlen wieselflinke Halunken, die meinten, irgendwo zu kurz oder zu spät zu kommen.

Tom Cadburn setzte seine Hoffnung auf Dave Schultz.

Die Geier von Laredo: Texas Wolf  Band 70

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