Читать книгу Die Geier von Laredo: Texas Wolf Band 70 - Horst Weymar Hübner - Страница 7

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„Dass ihn niemand gefunden hat!“, wunderte sich Old Joe, als an diesem Abend ihr Feuer in einer Hügelfalte brannte.

Der Wind wischte von Mexiko herüber, das keine Reitstunde entfernt lag, und brachte nichts als Hitze und Staub mit. Die kühle Frische vom Fluss ging schon unterwegs verloren.

„Ich bin sicher, dass einige Leute angehalten haben“, sagte Tom und schob einen dürren Chaparralast mit der Spitze ins Feuer. „Der Weg entlang der Grenze wird regelmäßig benützt. Aber die Leute halten sich aus solchen gewalttätigen Dingen heraus und beschließen, besser nichts gesehen zu haben. Besaß er eigentlich eine Waffe? Ich habe nie darauf geachtet.“

Mit Old Joe war er fünf Mal durch den Esplanada Canyon gekommen.

Sie hatten immer ein eigenes Feuer angezündet. Smiley wollte niemanden an seinem Schlafplatz haben.

Er hatte noch andere Marotten. So fanden sie zum Beispiel nie heraus, wo er sein Basislager hatte.

Hinzu kam, dass sie ihn auch jedes Mal an einer anderen Stelle des Canyons trafen.

Old Joe meinte einmal, Smiley hätte ungefähr in der Mitte des Canyons hoch am Hang ein Klippenhaus, so versteckt, dass es nicht einmal ein Wildschaf finden könnte.

Und ganz so sicher mit dem Haus sei das auch nicht. Er hätte nur mal davon gehört. In Langtry, als sich ein paar Wildpferdjäger über den unfreundlichen und wahrscheinlich verrückten Smiley unterhielten.

Ob er nun eine Macke hatte oder nicht, jedenfalls erinnerte sich Tom nicht daran, ob Smiley eine Waffe besessen hatte.

Old Joe kratzte mit den Fingern durch den Bart.

„Wenn er eine hatte, dann ist sie mit seinem übrigen Besitz verschwunden. Außer Sand war nichts mehr in seinen Taschen.“ Er versank in brütendes Nachdenken. Nach einer Weile hob er den Kopf: „Und wenn ihm ein paar Strauchdiebe von drüben aufgelauert haben?“

Diesen Punkt hatte Tom auch schon in Erwägung gezogen. Zum Leidwesen der Ranger kamen immer wieder Mexikaner über den Fluss, der hier die Grenze darstellte.

Meist waren es Peons, arme Teufel, die auf einer Ranch eine Anstellung suchten. Wenn sie reiten konnten und Pferdeverstand besaßen, fanden solche Leute eine Arbeit. Als Zureiter und Pferdepfleger waren sie geschätzt und genossen einen fast legendären Ruf.

Es kamen aber nicht nur arbeitsame arme Teufel. Oft fiel es auch ein paar Banditen ein, sich auf texanischer Seite einige Vergnügungen zu verschaffen.

Solange sie ihre Drinks bezahlten, hatte niemand etwas gegen ihre Anwesenheit einzuwenden.

Aber häufig war so ein Saloonbesuch nur der Auftakt zu einem Überfall oder einem Raubzug, Postkutschen waren bevorzugt. Der Fahrer musste den ledernen Postsack herausgeben, und die Passagiere wurden nicht selten bis aufs Hemd ausgeplündert.

Wenn dabei unbedingt geschossen werden musste, geschah auch das.

Viel lieber jedoch hielten sich die Bandidos an allein reisende Leute oder abgelegene kleine Ranches. Solche Raubzüge ernährten auch ihren Mann und brachten in der Regel weit weniger Ärger mit sich als Überfälle auf Kutschen.

Denn wenn die überfallenen Passagiere ein allzu lautes Gezeter erhoben und mit Beschwerden drohten, raffte sich so mancher Sheriff auf, stellte ein Aufgebot zusammen und machte Jagd auf die Bandidos. Das war lästig und erschwerte das Wiederkommen auf texanisches Gebiet.

Wenn Holzbein-Smiley wirklich einem mexikanischen Banditenhaufen in die Arme geritten war, dann war das in jedem Fall den Mexikanern bekannt, die auf dieser Seite der Grenze ansässig waren. Die machten ohnehin achtzig Prozent der Bevölkerung an der Grenze aus.

Dann und wann kroch ein Bandit auch bei dieser seiner amerikanischen Verwandtschaft unter, wenn ihm das Aufgebot allzu hart auf den Fersen war.

„Nicht sehr wahrscheinlich“, erwiderte Tom. „Zur Sicherheit werden wir aber bei Ramirez vorbeischauen. Außerdem war Smiley eine Berühmtheit, auch wenn ihn nur ganz wenige zu Gesicht bekamen. Seine Beschreibung kennt jeder. Und in dem Fall, dass sie ihn auf dem Weg herunter erwischt hätten, müssten wir Gesteinsproben gefunden haben. Die waren als Beute wertlos für sie. Hast du etwas gesehen? – Ich auch nicht. Wenn er schon auf dem Rückweg war, wozu hätten sie das Schürfgerät mitschleppen sollen? Banditen wollen schnelles Geld verdienen, aber nicht mühsam und hart dafür arbeiten müssen. Mit Sicherheit können wir ausschließen, dass es Leute von drüben waren.“

Old Joe schnitt Speck in die Pfanne und rückte das Kochgerät über die Flammen. Als es schön brutzelte und zischte, goss er den vorbereiteten Mehlbrei hinein und stellte einen ausgezeichneten Speckpfannkuchen her.

Nicht lange danach erhob sich Sam plötzlich mit lautloser Wildheit. Sein Nackenfell sträubte sich, seine Augen blickten am Feuer vorbei.

Dort draußen in der Nacht war etwas.

Noch bedeutete es keine Gefahr, denn sonst hätte der Timber tief in der Kehle warnend geknurrt.

Vorsichtshalber legte Tom aber das Gewehr griffbereit.

Nach Minuten drang schwacher Hufschlag aus der Dunkelheit. Ein Reiter kam.

Jetzt hielt er an.

Tom war überzeugt, dass ihn nicht der Feuerschein aufmerksam machte. Das Camp lag gut verborgen in der Hügelfalte. Zudem war Old Joe ein viel zu erfahrener Grenzläufer, um sich durch eine solche Unachtsamkeit vielleicht eine Kugel einzuhandeln.

Der Duft des Essens, den der Wind davontrieb, musste samt dem Rauch dem Reiter in die Nase gekommen sein.

Jedenfalls war der Geruchssinn des Unbekannten außerordentlich gut entwickelt.

Nun klang wieder der Hufschlag auf und kam näher. Schließlich rief eine heisere krächzende Stimme, der die Erschöpfung ihres Besitzers anzumerken war: „Hallo, Feuer! Bin ich willkommen?“

Sam hechelte und legte den Kopf auf die Pfoten. Es sah aus, als schlafe er. Aber seine Augen blickten mit unverminderter Wachsamkeit dort hinaus.

„Wir hören Sie schon eine Weile!“, rief Tom zurück und ergriff das Gewehr. „Reiten Sie in direkter Linie zum Feuer.“

Damit glitt er selbst aus dem Lichtkreis. Und drüben auf der anderen Seite verschwand Old Joe mit seiner mächtigen Hawken-Büchse im Arm zwischen den angestrahlten Büschen.

Unterhalb des Camps klirrte ein Hufeisen gegen einen Stein, ein Pferdeleib streifte dorniges Chaparralgebüsch, dann schob sich das ängstlich schnaubende Reittier in den Lichtkreis des Feuers und starrte aus rollenden Augen auf den Schwarzwolf, der neben dem Feuer lag und bieder und zahm wirkte, als könnte er kein Wässerchen trüben.

Der Reiter hing schief im Sattel und führte die Zügel mit der linken Hand. Um den rechten Oberarm war notdürftig ein gelbes Halstuch mit dunklen Flecken geschlungen.

Aus dem Sattelschuh ragte der Kolben eines Gewehres. Das Revolverholster war leer.

Der Mann sah ziemlich mitgenommen aus. Zudem hatte er starke Schmerzen. Das verriet schon sein hageres Gesicht.

Den Schwarzwolf nahm er nicht einmal recht zur Kenntnis.

Wahrscheinlich hatte er zu den Schmerzen hin auch schon hohes Fieber und sah nicht mehr ganz klar.

„Sie können jetzt absteigen!“, sagte Tom und trat in die Helligkeit zurück.

Mit geradezu erstaunlicher Geschmeidigkeit kam der Mann aus dem Sattel, so dass Tom begriff, zu welchem Schlag er gehörte. Das war ein Falke, einer dieser lederzähen Burschen, die für alle möglichen dunklen Geschäfte an der Grenze gut waren.

Der Fremde hatte einiges abgekriegt, und dennoch funktionierte der ganze Mann noch.

Von drüben kam Old Joe aus den Büschen, lehnte wortlos die Büchse an seinen Packen und rückte den Kaffeetopf ins Feuer.

Der Fremde ließ sein struppiges Pferd in die Zügel treten. Scharfäugig musterte Tom das Tier.

Ein Pferd verriet meist sehr viel über seinen Besitzer.

Dieser Gaul war nicht verwahrlost, der oberflächliche Eindruck täuschte. Es war ein Tier von wirklich struppiger Rasse, zäh wie sein Reiter und ausdauernd. Eines, das eher starb als müde wurde.

Der Mann war ein Weißer, sonnenverbrannt und schmaläugig.

„Kann ich Ihr Feuer benützen?“, fragte er.

„Hier ist noch Kaffee, falls Sie vorhaben, sich welchen zu kochen“, erklärte Tom.

„Die Einladung nehme ich an.“ Der Mann nestelte mit der linken Hand die Blechflasche vom Sattelhorn und warf sie neben das Feuer: dann zerrte er einen verbeulten Topf aus seinem Packen.

Mit den Zähnen drehte er den Flaschenverschluss auf und füllte Wasser in den Topf, während Old Joe für ihn einen Blechbecher voll Kaffee abmaß.

Da der nächtliche Besucher seinen Namen nicht nannte, verzichtete Tom darauf, seinen Begleiter und sich vorzustellen. Vielleicht hatte der Mann seine Gründe dafür.

Er rückte den Topf über die Flammen und begann, das Halstuch am rechten Oberarm aufzuknoten. Ohne alle Förmlichkeit zog er sich dann das Hemd über den Kopf.

Er war wirklich ein Mann, der einen Stiefel vertragen konnte, ohne gleich der Länge nach hinzuschlagen. Der Oberarmmuskel war durchschossen. Wie es aussah, war außerdem noch der Knochen aus der Schultergelenkpfanne gesprungen.

Kein Wunder, dass er sich derart schief hielt. Er musste höllische Schmerzen ausstehen.

Sein Wasser im Topf hatte noch nicht die richtige Temperatur. Bemerkenswert gelassen trank er schlürfend und in kleinen Schlucken von dem Kaffee und stierte dabei ins Feuer.

So wenig, wie er seinen Namen nannte, gab er eine Erklärung, wie und wo er sich die Beschädigung eingefangen hatte.

Eine ganze Weile ruhte sein Blick auch auf dem Timber, der aufmerksam jede seiner Bewegungen beobachtete. Schließlich schüttelte er den Kopf, als habe er beschlossen, dass alles nicht wahr war, was er da sah.

Das Wasser war heiß.

Er warf sein Halstuch in den Topf, fischte es geschickt heraus und säuberte umsichtig die böse blutende Schussverletzung. Zwischen zwei Fingern zog er sogar einen Wollfaden heraus.

„Sie sollten besser zu einem Arzt reiten“, empfahl Tom.

Der Fremde blickte ihn an. Etwas wie Spott oder Ironie blitzte auf dem Grund der Augen. „Das wäre genau das, was man erwartet. Ich muss mir schon selbst helfen.“

Er fuhr mit der blutigen Prozedur fort.

Weder Old Joe noch Tom störten ihn. Hätte er Hilfe haben wollen, hätte er darum gebeten.

„Es müsste ja nicht gerade Laredo sein“, sagte Tom. „Jedenfalls nehme ich an, dass man diese Stadt im Auge hat. In Langtry hat sich ein Arzt niedergelassen.“

„Liegt zufällig nicht an meinem Weg“, erwiderte der Fremde kurz angebunden.

„Dann richten Sie es anders ein. Das Gelenk muss eingerenkt werden. Die Wunde bringt Sie nicht um, aber vielleicht die ausgekugelte Schulter. Sie können nicht einmal die Zügel halten, geschweige ein Gewehr.“

„Verstehen Sie etwas davon?“

„Es geht“, sagte Tom etwas irritiert. Woran dachte der Mann?

„Dann richten Sie es ein. In meiner momentanen Lage kann ich nicht wählerisch sein.“

„Ein Vergnügen wird es nicht!“, warnte Tom Cadburn.

„Was ich bisher auszuhalten hatte, war auch nicht gerade spaßig. Hier, packen Sie zu!“

Als der Mann sich kauernd umwandte, begann Sam sofort zu knurren.

Old Joe zischelte etwas. Der Timber blieb zwar am Boden liegen, belauerte aber jetzt jede kleine Bewegung des Mannes.

Tom fand, dass genug Vorreden gehalten waren. Er packte mit der linken Hand die Schulter des Mannes, suchte mit dem Daumen die Kapsel, packte mit der rechten den Ellbogen des lädierten Armes und führte ihn in die Höhe.

Mit einem mörderischen Stoß gelang es ihm auf Anhieb, das Gelenk einzurichten. Es knackte hörbar.

Der Mann stieß flach den Atem aus und setzte sich benommen auf den Hosenboden. Aber kein Schmerzenslaut kam aus seinem Mund.

Der ist nicht nur zäh wie ein altes Longhorn, dachte Tom, der ist obendrein eisenhart! Wer immer hinter ihm her ist, er beißt sich an ihm wahrscheinlich die Zähne aus!

Natürlich machte er sich so seine Gedanken über die Art der Verletzung. Das brachte schon sein Beruf mit sich.

Es hatte eine Schießerei gegeben, das war zu sehen. Möglich auch, dass der Fremde vom Pferd geschossen wurde und sich dabei das Schultergelenk auskugelte. Aber so dumm, spornstreichs zum nächsten Arzt zu reiten, war er nicht. Weil er ziemlich sicher war, dass er dort bereits erwartet wurde.

Dieses Verhalten ergab einige Aufschlüsse. Er war ein kluger, scharfer Rechner. Als Rechtshänder hatte er mit dem ausgekugelten rechten Arm nicht die Spur einer Chance gegen einen Gegner. Und er bewahrte kühle Überlegung – trotz der rasenden Schmerzen.

Er hatte darauf vertraut, im Land draußen eher Hilfe zu finden als in der Stadt. Also hing er am Leben und war alles andere als ein Draufgänger und Narr.

„Danke!“, sagte er jetzt keuchend. „Das war eine heilsame Rosskur.“

„Bäume können Sie die nächsten Tage noch nicht damit ausreißen, aber ein Gewehr halten schon“, sagte Tom in einem Ton, der eine Antwort herausforderte.

Der Mann blickte auf sein leeres Holster und verstand, was gemeint war.

„Ich habe ein ziemlich gutes Pferd und denke, dass ich in nächster Zeit jedem Verdruss ausweichen kann.“ Er reichte Old Joe den leeren Blechbecher zurück und studierte den alten Graubart, den Schwarzwolf, Tom, das Maultier und den Hengst, als wollte er sich ihr Aussehen unauslöschlich einprägen. „Dieses Feuer hat mir gefallen.“

Das war auch eine Art, den Dank abzustatten.

Er kippte das heiße Wasser aus dem Topf neben die Feuerstelle und sammelte seine wenigen Gerätschaften ein. Dabei schonte er die rechte Schulter.

Als er zum Pferd ging und aufpackte, beobachtete Tom, wie er heimlich prüfend die Finger bewegte. Gerade, als wollte er sich davon überzeugen, dass er einigermaßen wieder in Ordnung war.

Mit unglaublicher Geschicklichkeit und einer Kraft, die man in seinem hageren Körper nicht vermutete, zog er sich in den Sattel.

Von dort blickte er herunter und hob leicht die linke Hand. „Vielleicht kann ich mich eines Tages revanchieren, Gentlemen. Ich schulde Ihnen Dank!“

Er zog das struppige Pferd herum und ritt durch die Büsche hinaus in die Nacht.

Sam erhob sich lautlos und glitt aus dem Lichtkreis.

Old Joe starrte auf den feuchten Fleck neben dem Feuer. „Ein bemerkenswerter Pilger“, knurrte er. „Er hätte ruhig etwas mitteilsamer sein können.“

Tom rollte sich eine Zigarette und blickte versonnen dem Rauch nach.

„Ein Falke. Oder ein Wolf, da ist kein wesentlicher Unterschied. In jedem Fall ein Einzelgänger. Sicher werden wir erfahren, ob es sich um ein bedeutendes Gefecht gehandelt hat.“

Schießereien an der Grenze waren keine Seltenheit, wurden aber als willkommene Abwechslung betrachtet und bildeten Gesprächsstoff.

Unten am Fuß des Hügels prustete das struppige Pferd, dann war verhaltener Hufschlag zu hören, der sich nach Norden auf dem Weg verlor.

Wenig später kehrte Sam ans Feuer zurück und legte sich nieder. Im Fell hingen Chaparraldornen. Er hatte den Abzug des Fremden bewacht und die Freunde am Feuer beschützt.

Die Geier von Laredo: Texas Wolf  Band 70

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