Читать книгу Die großen Erfinder - Hubert Weitensfelder - Страница 8
Carl Auer von Welsbach (1858-1929)
ОглавлениеAuers Vater Alois ließ sich im oberösterreichischen Wels zum Buchdrucker ausbilden. 1841 übernahm er die Leitung der Wiener Hof- und Staatsdruckerei. Er modernisierte den Betrieb grundlegend, ließ eine Reihe von Werken in asiatischen Sprachen drucken und förderte neue Techniken wie die Galvanoplastik, den Farbensteindruck und die Fotografie. Damit begründete er eine weltweit bedeutende typografische Anstalt. 1849 heiratete er Therese Neuditschka, die Tochter eines Welser Kaufmanns. Die beiden zeugten die Kinder Leopoldine, Alois, Amalie und Carl. 1860 wurde Alois Auer in den Stand eines Ritters von Welsbach erhoben.
Carl Auer war elf Jahre alt, als sein Vater starb. Er besuchte ein Gymnasium, anschließend eine Realschule und diente dann als Einjährig-Freiwilliger beim Militär. 1878 schrieb er sich an der Universität Wien ein und studierte dort Chemie bei Adolf Lieben. In den Jahren 1880 bis 1882 setzte er seine Studien bei Liebens Lehrer Robert Wilhelm von Bunsen in Heidelberg fort und promovierte zum Doktor der Philosophie.
Auer spezialisierte sich schon früh auf das Studium der seltenen Erden, damals die Bezeichnung für Metalloxide, die in selten vorkommenden Mineralien enthalten waren. Sie wiesen ähnliche chemische Eigenschaften auf, was ihre Trennung im Labor bedeutend erschwerte. Auer zerlegte 1885 das Didym in seine Bestandteile, die er Praseodym und Neodym nannte, und fand so zwei neue chemische Elemente. Damit machte er sich einen Namen als Naturwissenschaftler. Alsbald ging er daran, seine Erkenntnisse für eine industrielle Nutzung umzusetzen. Dabei gelang ihm ein bedeutender Schritt hin zur modernen Lichttechnik. Bis ins 19. Jahrhundert überwog die Beleuchtung mittels natürlicher Flammen, z.B. mit Kienspänen, Kerzen und Öllampen. Ihre Leuchtkraft wurde durch Kohlenstoffteilchen hervorgerufen, die beim Brennvorgang ausgeschieden und in der Flamme auf Weißglut erhitzt wurden. Seit den 1820er-Jahren experimentierten viele Forscher mit künstlichen Flammen, wobei verschiedene anorganische Leuchtmassen z.B. aus Kalk oder Metalloxiden den Kohlenstoff in den Flammengasen ersetzten. Sie wurden als Inkandeszenz-Leuchten bezeichnet. Auer setzte diese Versuche fort und ließ sich 1885 Leuchtkörper patentieren, deren Licht auf einem Bunsenbrenner aus der Verbrennung von Magnesia sowie Seltenerden wie Lanthan-, Yttrium- und Zirkonoxid entstand. Um solche Lampen selbst zu produzieren, erwarb er eine chemisch-pharmazeutische Fabrik in Atzgersdorf bei Wien, wo er seltenerdhaltige Mineralien, z.B. Monazitsand aus Brasilien, aufarbeiten ließ. 1891 meldete Auer ferner ein Thorium-Cer-Gasglühlicht zum Patent an.
Die neuartigen Leuchtkörper stießen zunächst auf Bedenken, sie ergaben ein ungewohntes kalt-grünliches Licht und zerbrachen außerdem leicht. Als die Einführung von »Auerbrennern« in der Wiener Hofburg bevorstand, äußerte angeblich ein General, vom Kaiser dazu befragt, die Befürchtung, sie würden wohl den Einmarsch der Burgmusik nicht überstehen. Aber bereits nach einigen Jahren wurden Auers »Glühstrümpfe« ein enormer geschäftlicher Erfolg, wie einige Zahlen belegen. Bis Ende 1893 kamen allein in Deutschland über 500.000 solcher Brenner zum Einsatz, und in mehreren Ländern wurden Produktionsgesellschaften gegründet. Die österreichische und deutsche Auer-Gesellschaft erzeugten ca. 1500 Tonnen Thornitrat für 1,5 Milliarden Glühkörper. Weltweit wurden rund fünf Milliarden Glühkörper hergestellt, an denen mindestens 200 Milliarden Kubikmeter Gas verbrannt wurden. Insgesamt blieb das Gasglühlicht rund 40 Jahre lang konkurrenzfähig. Auer selbst befasste sich aber auch mit der Erzeugung elektrischer Glühlampen. Während Thomas Alva Edison die Kohlenfadenlampe entwickelt hatte, setzte er ab 1902 auf das hochschmelzende Metall Osmium für die Leuchtfäden. Für die Nutzung dieses Elements wie auch des Wolframs für Glühlampen erfand Auer den Markennamen »Osram«.
Zu den Substanzen, die in Atzgersdorf aus den Mineralien gewonnen wurden, zählte das Cer, das funkensprühende Eigenschaften aufweist. Für seine Anwendung in der Technik gab es kaum Vorbilder, am ehesten im Gebrauch der überkommenen Schlagfeuerzeuge aus Stahl und Feuerstein. Auer fand schließlich zu einer Legierung aus sieben Teilen Cer und drei Teilen Eisen, die er 1903 zum Patent anmeldete. Er wollte das Cereisen zur Zündung von Feuerzeugen, Gaszündern, Fahrrad-, Auto- und Grubenlampen sowie für Geschosse und Minen einsetzen. Zur Herstellung dieses »Auermetalls« gründete er 1907 die Chemischen Werke in Treibach (Kärnten). Einige Jahre zuvor hatte er in dieser von Wirtschaftskrisen heimgesuchten Gegend die stillgelegten Eisenwerke der Grafen Egger erworben und dort ein Forschungslabor errichtet. Bereits im Jahr nach der Gründung gelangten 800 Kilogramm Cereisen auf den Markt. Dieser Werkstoff kam letztendlich nur für Feuerzeuge zum Einsatz. Allein in Auers Todesjahr 1929 wurden ca. 100 Tonnen erzeugt, eine Menge für 500 Millionen Zündsteine, die wiederum für 500 Milliarden Zündungen ausreichten. Dies entsprach ca. sechs Milliarden Schachteln Zündhölzern. Damit wurde das Cereisen zu einem starken Konkurrenten für die Zündholzindustrie. Die Treibacher Fabrik lieferte bald auch andere Sonderlegierungen wie Ferrowolfram und radioaktive Präparate.
Auer war somit gleichermaßen Erfinder wie auch Industrieller und Naturwissenschaftler. Um die Jahrhundertwende, nachdem er sich bereits als erfolgreicher Fabrikant etabliert hatte, kehrte er wieder zur Forschung zurück und befasste sich mit der Analyse des Seltenerdmetalls Ytterbium. Erneut fand er darin zwei Elemente, doch kam ihm diesmal in der Publikation seiner Ergebnisse der französische Forscher Georges Urbain zuvor, was Auer sehr verstimmte. Die neuen Elemente erhielten die Bezeichnung Ytterbium und Lutetium. Zeit seines Lebens führte Auer chemische Analysen mit Vorliebe selbst durch, er baute sich die Apparaturen und blies auch viele Glasgefäße für chemische Untersuchungen. Das Studium der vorhandenen Forschungsliteratur war ihm weniger wichtig, aber immerhin erwarb er die reichhaltige Bibliothek seines akademischen Lehrers Bunsen und verwahrte sie in Treibach. Privat lebte er sehr zurückgezogen, für kulturelle Veranstaltungen oder öffentliche Gesellschaften brachte er kein Interesse auf. In späteren Jahren wurde Auer zunehmend schwerhörig und zog sich daraufhin noch mehr von den Menschen zurück. 1894 erwarb er von der Schauspielerin und Operettensängerin Marie Geistinger eine Villa beim alten Schloss Rastenfeld unweit von Treibach. Dort ließ er 1899 ein Schloss mit einem großen Labor errichten. Im gleichen Jahr heiratete er Marie Nimpfer, mit der er drei Söhne und eine Tochter hatte. Auer war ein begeisterter Jäger und Hundefreund, mit zunehmendem Alter beschränkte er sich auf den Fischfang und den Obstanbau. Außerdem zählte er zu den ersten Automobilbesitzern und Farbfotografen der Region.
Für seine Verdienste wurde Auer 1901 in den erblichen Freiherrenstand erhoben, als Wappenspruch wählte er »Plus lucis!« (mehr Licht). 1920 erhielt er den renommierten Werner-von-Siemens-Ring. Die Universitäten Graz und Freiburg im Breisgau sowie die Technischen Hochschulen Wien, Graz und Karlsruhe verliehen ihm Ehrendoktorate. Die Akademien der Wissenschaften in Wien, Berlin und Stockholm ernannten ihn zum Mitglied, die Deutsche Chemische Gesellschaft zum Ehrenmitglied, mehrere Gemeinden zum Ehrenbürger. Er starb in seinem Schloss Welsbach und wurde auf dem Friedhof in Wien-Hietzing begraben.