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Streitigkeiten zwischen den Konzessionären

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Das Konzessionärssystem hatte tiefe Wurzeln, die sich so schnell nicht ausreißen ließen. Schon seit den allerersten Jahren des Unternehmens war die Organisation nach diesem System aufgebaut. Damit erreichte The Coca-Cola Company über Jahrzehnte hinweg sein Ziel: schnell viele Menschen auf der ganzen Welt zu erreichen und tatsächlich so gut mit Coca-Cola zu versorgen, dass die braune Brause nie mehr als eine Armeslänge von ihnen entfernt zu kaufen war. Roberto Goizueta, CEO der The Coca-Cola Company von 1980 bis 1997, interpretierte dieses Ziel des Konzerns vielleicht am weitreichendsten von allen CEOs. Unter seiner Führung entwickelte The Coca-Cola Company beispielsweise umfassende technische Innovationen (wie etwa spezielle Füllgeräte und Automaten), die immer mehr und schnellere Produktion beziehungsweise Distribution der braunen Brause erlaubten. Goizueta entschied auch, Kaffee- und Orangenplantagen aufzukaufen, um jederzeit unabhängigen Zugriff auf die Rohstoffe für die diversen Getränke zu haben. So sollte der Coca-Cola-Nachschub für die Konsumenten stets gesichert sein.

Auch in anderen Branchen sind Organisationen nach einem Konzessionärssystem aufgestellt, beispielsweise in der Automobilbranche. Die vielen kleinen Autohäuser, die den Kunden die Autos der großen Marken verkaufen, haben damit unter anderem das Kundenbeziehungsmanagement für die Automobilkonzerne übernommen – mit allen Vor- und Nachteilen. Auch Tchibo folgte eine Zeit lang diesem Prinzip. Dort herrschte ebenfalls das Motto »At arm’s length«. Dies wollte das Unternehmen über Vending erreichen, also den Kaffeeverkauf über Selbstbedienungsautomaten, zu denen Kunden unkomplizierten Zugang haben – beispielsweise in Betrieben oder auf Messen. Diese Automaten sollten von kleinen Operatern bestückt und betreut werden, die den Bestand an Kaffee und Verpackungsmaterial sowie das für die Automatenwartung nötige Werkzeug quasi in ihrer Garage vorhalten konnten und dann mit Servicefahrzeugen zu den Aufstellorten der Automaten fuhren und diese befüllten beziehungsweise warteten. Da das Vending aber sehr hohe Investitionen erfordert – die dafür nötigen Automaten sind teuer –, entschied sich das Unternehmen für eine Kombination aus Vending (in den großen Städten) und dem Vertrieb über Handelsvertretungen im Umland der Städte.

Schwierig am Konzessionärssystem bei The Coca-Cola Company war die Tatsache, dass sich die vielen Konzessionäre untereinander nicht einig waren, welche Preise sie für ihre Produkte nehmen wollten. Das wiederum führte zu einer heiklen Verhandlungsposition – denn die großen Partner, beispielsweise aus dem Lebensmittelhandel, wollten einheitliche Preise für ihre Coca-Cola-Lieferungen bezahlen, egal, ob sie nun bei einem Konzessionär in Südbayern oder in Hamburg die Ware für ihre jeweiligen Filialen kauften. 1998 reagierte zumindest Coca-Cola Deutschland GmbH auf dieses Problem und gründete gemeinsam mit den Konzessionären die Coca-Cola Deutschland Verkauf. Dieses Unternehmen betreute dann nationale Kunden auf nationaler Ebene. Es vereinbarte einheitliche Preise, die alle Kunden bezahlen mussten, egal, mit welchem Konzessionär sie nun Geschäfte machten. Alle Konzessionäre mussten sich nach den festgesetzten Preisen richten. Es setzte ein Hauen und Stechen um den letzten Cent ein – denn die Konzessionäre hatten oft andere Vorstellungen von den festzusetzenden Preisen als die Coca-Cola Deutschland Verkauf. Zudem taten sich die Konzessionäre schwer, ihr konkurrenzorientiertes Denken aufzugeben: »Wie jetzt, wir waren doch immer günstiger als der Konzessionär im Nachbarbezirk, und jetzt laufen wir Gefahr, dass unser Kunde dort kauft, weil die Preise identisch sind und der Konkurrenzbetrieb einfach nur näher am Kunden liegt?« Diese Uneinigkeiten der meist inhabergeführten Konzessionärsunternehmen und die spezielle Marktsituation in Deutschland – wie beispielsweise der zentral organisierte Einkauf von großen Handelsketten – waren dann schlussendlich auch die Ursache dafür, dass Atlanta später entschied, zumindest in Deutschland das Konzessionärssystem zu beenden. In Deutschland gibt es heute nur noch ein einziges Unternehmen, das die Rechte zu Produktion und Vertrieb von Coca-Cola-Produkten hat: die Coca-Cola European Partners Deutschland GmbH. In den USA gibt es dagegen noch 58 Prozent mittelständische Konzessionäre.

Die Frage, ob eine Organisation besser zentral oder dezentral aufgestellt sein soll, konnte auch die Coca-Cola-Organisation in Deutschland lange nicht für sich beantworten. Heute lautet die Antwort auf diese Frage: Es kommt darauf an. In dem Moment, in dem die eigene Konzessionärsstruktur nicht mehr zur Struktur der eigenen Kunden passte, wurde es schwierig. Das heißt konkret: Wenn die eigenen Kunden ihre Organisation zentralisieren, muss der Lieferant dies auch tun, sofern er Lieferant bleiben möchte. Hier ein Diener zweier Herren zu sein, ist schwierig bis unmöglich. Ein Unternehmen kann schlecht nach innen dezentral organisiert sein und nach außen zentral auftreten. Deshalb hat die Konzernmutter auch entschieden, dass Deutschland zentralisiert und das Konzessionärssystem auf einen Konzessionär konzentriert wird. Der deutsche Markt mit den sich konsolidierenden Großabnehmern machte dies nötig. In den USA sind die Marktstrukturen anders, deshalb gibt es dort noch das Konzessionärssystem nach dem alten Muster. The Coca-Cola Company reagiert hier also auf die Marktanforderungen – langsam zwar, aber immerhin.

Merken Sie was? Hier lässt sich bereits ein Muster erkennen, dem Unternehmen im Zeitalter der Digitalisierung beziehungsweise der Plattform-Ökonomie ebenfalls begegnen und das sie in Probleme stürzt: Wenn Anbieter nicht verstehen, dass ihre Kunden den Service und den Komfort der Plattform dem direkten Einkauf beim Anbieter (und damit dem Pipeline-Modell) vorziehen, dann schauen sie in die Röhre. Denn Plattformen wie Airbnb, Google oder Amazon haben sich heute zu wesentlichen Geschäftsmodellen der digitalen Wirtschaft entwickelt. Sie bringen sich als Vermittler ins Spiel, führen beispielsweise Reisende und Wohnungsanbieter zusammen (wie Airbnb) oder Anbieter und Nachfrager von Informationen (wie Google). Eigentlich ganz einfach. Die Konsequenzen für den Markt könnten jedoch drastischer nicht sein:

Die Plattform-Ökonomie verschiebt den Gewinn weg von den Produzenten hin zu den Konsumenten beziehungsweise zu den Plattformbetreibern.

Und das schnell und dauerhaft, denn die Kunden lieben die Plattformen, weil sie sie entlasten, ihnen umfassende Übersicht über bestehende Angebote bieten, ihnen weitere Produkte vorschlagen, die sie gern konsumieren, oder ihnen Zugang zu Angeboten schaffen, den sie sonst nicht gehabt hätten. Der Erfolg der Plattformen spricht Bände: Der Wert der vier großen Plattformen Alphabet (Google), Alibaba, Facebook und Amazon übersteigt den aller Dax30-Unternehmen zusammen – die größtenteils noch nach dem Pipeline-Modell wirtschaften. Die deutschen Unternehmen sind auch hier aktuell noch recht behäbig unterwegs: Eine repräsentative Umfrage des Digitalverbands Bitkom ergab 2017, dass 62 Prozent der deutschen Geschäftsführer und Vorstände noch nie etwas von den Begriffen Plattform-Ökonomie, Plattform-Märkte oder digitale Plattformen gehört haben. Nur jeder Dritte kennt einen der Begriffe.

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