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Kapitel 1

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Wie auf einem ganz normalen Sonntagsspaziergang schlendern sie zu viert den Hügel vor der Stadt hinab. Fynns Herzschlag normalisiert sich erst langsam. Die Tatsache, dass Cool auf einmal verschwunden war, haut ihn total um. Wie ein Verrückter hatte er zunächst nach ihm gerufen. Erst laut und panisch, später dann verzweifelt und unter Tränen. Immer eindringlicher versucht Valerie ihn zu trösten. Sie streichelt liebevoll seinen Arm, während sie nebeneinander hergehen.

„Wirklich, Fynn! Glaub' es mir! Ihm wird in diesem Wäldchen nichts passieren. Ich weiß … also, früher war das so … da haben sich die frei lebenden Tiere in Rudeln zusammen geschlossen. Das wird auch Kuno so gehen! Er wird in einen Verband aufgenommen.“

Sie blickt Fynn von unten herauf an und drückt seinen Arm, damit er sie ansieht. Sein trauriger Blick zerreißt ihr fast das Herz. Obwohl sie nun im selben Alter sein dürfte wie ihr junger Freund, empfindet sie natürlich die gleichen mütterlichen Gefühle für ihn wie eh und je.

„Ich werde dafür sorgen, dass sich jemand nach ihm umsieht. Hier gab es schon immer Leute, die fast ihre ganze Zeit in der Natur bei den Tieren verbringen. Die kriegen das sofort mit, wenn da ein Neuling auftaucht.“

Ein Lächeln erhellt Fynns Gesicht. „Wirklich? Das wäre echt toll, Valerie. Ich weiß ja nicht, ob ich mich so schnell um ihn kümmern kann.“

Sie nickt verständnisvoll. Damit hat der Junge den Nagel auf den Kopf getroffen. Ein mulmiges Gefühl breitet sich in Valeries Magen aus. Wenn die Hohe Rätin auch nur einen Bruchteil so launisch ist wie früher … Valerie wird bei dem Gedanken Angst und Bange um Fynn. Doch sie lässt sich nichts anmerken. Was bringt es ihm, sich jetzt deswegen verrückt zu machen? Keiner von ihnen weiß, warum Fynn überhaupt hier ist … warum er gezeugt wurde … auch nicht der Mantikor … da ist sie sich sicher. Sie seufzt innerlich. Eigentlich sollte sie sich mehr um ihr eigenes Wohlergehen sorgen. Wenn Malik tatsächlich von dem Vorfall … dem Verrat wie er es nennt … berichtet, dann hat vermutlich ihr letztes Stündlein geschlagen. Offiziell gibt es natürlich keine Todesstrafe in ihrer Welt. Es gibt noch nicht einmal Gefängnisse, geschweige denn eine Polizei, da beides nicht erforderlich ist. Doch – wie bei so vielen Dingen – gibt es Gerüchte. Und die Gerüchte um Karess triefen vor Blut und Grausamkeit. Wenn es um die Hohe Rätin geht, scheint die Fantasie der Leute eine eigene Dynamik zu entwickeln.

Sie beschließt, sich von ihren trüben Gedanken abzulenken und wendet sich nun Yassin zu, um auch ihm durch ein wenig Plauderei die Nervosität zu nehmen.

Malik nutzt die Gelegenheit, sich an Fynns Seite zu drängeln. Er strahlt eine unglaubliche Energie aus; weitaus intensiver als zu Hause. Wenn es überhaupt möglich ist, scheint seine Haut noch glatter, die Augen sprühen vor Lebensenergie und er schreitet geradezu federnd neben Fynn her.

„Dir geht’s ja richtig gut“, bemerkt Fynn, nicht ganz ohne Neid.

Malik lächelt. „Ja, du hast Recht. Mein Körper saugt die hier herrschende Energie auf wie ein Schwamm. Im Gegensatz zu euch „normalen“ Menschen, trifft mich in deiner Welt der körperliche Verfall kaum, doch ich spüre trotzdem die dort herrschende Negativität ...“ Er zuckt mit den Achseln und wirft den Kopf in den Nacken. „Aaah, ist das nicht einfach herrlich hier? Diese reine Luft und diese Farben? Ist dir das noch nie aufgefallen? Bei euch stinkt's!“

Fynn verzieht den Mund. „Vielen Dank auch!“, murrt er zurück. Eigenartigerweise fühlt er sich persönlich angegriffen.

Schelmisch blickt Malik ihn von der Seite an. „Ich mein' doch nicht dich!“ Er stupst Fynn mit dem Ellbogen an. „Du bist knackig wie ein frischer Salat!“

Fynn grinst breit; er kann nicht anders. Malik ist so … Sein Blick wandert zu dem strahlenden Kerl neben sich. Oh, verdammt, ist der sexy. Vor allem, weil er sich so unglaublich locker macht. Er wirkt fast normal … wie ein super süßer, heißer Kerl. Fynns Schritt beginnt sich zu spannen. Oh, Mist. Jetzt sollte er besser an irgendwas Abtörnendes denken; was Ekliges.

„Gibt's hier eigentlich auch … Kakerlaken?“, stößt er schnell hervor.

„Was?“, lacht Malik überrascht. „Wieso? Hast du Hunger, du Fleischfresser?“ Er kichert vor sich hin. „Na klar gibt’s die. Es gibt hier so ziemlich alle Tiere wie in deiner Welt … denke ich zumindest. Vielleicht gibt’s noch ein paar andere oder sie heißen anders. Überhaupt sind hier einige Begriffe anders.“ Er zieht nachdenklich die Stirn kraus. „Hmm, also 'Schwanz' heißt hier zum Beispiel 'Schwert'. “

Fynn reißt überrascht die Augen auf. „Wenn ein Hund also mit dem Schwanz wedelt, dann heißt das: Der Hund wedelt mit dem Schwert??“

Er blickt Malik ungläubig an. Der grinst breit und nickt langsam. „Geeenau!!“

„Fynn??“ Yassin spricht ihn an. Er geht mit Valerie ungefähr zwei Meter hinter ihnen. Fynn dreht sich um und hebt erwartungsvoll die Augenbrauen.

„Der verarscht dich, Alter. Merkst du das denn nicht?“

Blitzschnell dreht er seinen Kopf und starrt den übermütig kichernden Kerl neben sich an. Dessen Gesicht rötet sich ein wenig, da er versucht, sein Lachen zu unterdrücken. Doch jetzt ist es vorbei mit Maliks Selbstbeherrschung. Er beugt sich vor und verschränkt dabei die Arme vor dem Magen. Lautes Gelächter schallt über die bunten Wiesen. Als er Fynns drohenden Gesichtsausdruck bemerkt, versucht er im Laufschritt zu entkommen. Doch das gelingt ihm natürlich nicht. Fynn springt den gackernden Kerl an und taumelt mit ihm in die wilde Blumenwiese. Gemeinsam stürzen sie zu Boden und rollen ein Stück den Abhang hinunter. Schließlich bleiben sie lachend liegen. Fynn drückt Maliks Handgelenke zu Boden und ergötzt sich an dem schönen Gesicht direkt vor seiner Nase. Einige vorwitzige Haarsträhnen kitzeln seine Nase, worauf Malik versucht, sie weg zu pusten. Als es ihm nicht gelingt, streicht Fynn sie zärtlich zur Seite. Nach einer Weile verstummt ihr Lachen und sie versenken ihre Blicke ineinander.

„Ich wünschte, du wärst immer so“, haucht Fynn inbrünstig. „So gefällst du mir am besten. Fröhlich, albern, sorglos. Wenn ich es nicht schon wäre, würde ich mich spätestens jetzt in dich verlieben.“

Verlegen beißt er sich auf die Unterlippe. Er hat schon wieder zu viel gesagt.

„Küss' mich einfach!“, fordert ihn Malik leise auf.

Nichts lieber als das. Ihr Kuss ist so innig und voller Leidenschaft, dass keine Kakerlake der Welt Fynn ablenken könnte. Atemlos lösen sie sich schließlich voneinander.

„Ich spüre dein Schwert“, zieht Malik ihn auf. „Und ich muss sagen, es ist aus hartem Stahl geschmiedet.“

Wieder lachen sie befreit. Ein letzter liebevoller Schmatzer beendet ihr kleines Intermezzo.

Währenddessen haben es sich Valerie und Yassin auf einer Bank am Wegesrand bequem gemacht.

„Die könnten sich ja auch mal zusammenreißen“, mault Yassin gespielt ernst, denn schließlich gönnt er seinem Freund das Glück.

„Einem Mantikor schreibt man nicht vor, wann er Pause zu machen oder weiterzugehen hat“, erklärt Valerie, ohne Verurteilung oder Ärger in ihrer Stimme.

„Das solltest du dir auf jeden Fall merken, Yassin. Sicherlich läuft dir auch mal einer der anderen Mantikore über den Weg und dann wäre es gut, wenn du dich dementsprechend höflich verhältst. Du musst verstehen, dass es sich bei ihnen nicht um normale Menschen handelt. Sie haben Mächte, die deine Vorstellungskraft übersteigen. Was Malik bisher gezeigt hat … das 'Ausschalten' oder wenn er dir das Wort verbietet.“ Sie lacht leise auf. „Das ist nur ein Hauch von dem, was er hätte tun können.“

„Echt?“ Yassins Neugierde ist geweckt. „Es gibt noch mehr Dschinns? Cooool!“ Er grübelt kurz. „Was hätte Malik denn noch machen können? Hätte er … was weiß ich … ein Auto explodieren lassen können? Oder ...“ Yassins Vorliebe für Actionfilme wird nur noch von seiner Liebe zu Fantasy-Sagen übertroffen. „... fliegen … besser noch fliegen. Hätten wir mit ihm in einem Auto über die Stadt fliegen können?“

Valerie lacht amüsiert. „Natürlich, du dummer Junge. Das ist doch keine Herausforderung für ihn.“

„Wie geil ist das denn?!“, flippt Yassin aus. „Er muss unbedingt mit uns fliegen. Ich will das wenigstens einmal erleben.“

Valerie beobachtet den jungen unbedarften Mann neben sich. Hoffentlich lebt er sich gut in ihrer Welt ein. Immerhin scheint er recht bodenständig zu sein; wenn auch ein wenig verspielt. Außerdem hat er ein liebevolles Wesen und ein gutes Herz. Die Menschen hier werden es sofort erkennen und ihn in ihrer Mitte willkommen heißen. Eine Sorge weniger.

Jetzt stapfen die beiden jungen Männer aus der Wiese wieder auf den Weg zurück. Für Yassin gibt es kein Halten.

„Malik! Malik!“, ruft er aufgeregt und eilt zu den beiden hinüber. „Kannst du fliegen? Einfach so? Und kannst du uns auch fliegen lassen? Schweben, meine ich. Kannst du das? Ja?“ Aufgeregt zappeln Yassins Hände und fuchteln in der Luft herum.

Statt eine Antwort von Malik zu erhalten, erhebt sich Yassins riesiger Körper wie eine leichte Feder in die Luft.

„Aaaalter!!!“, ruft er begeistert. „Wooouuwwww!“ Er breitet die Arme aus und scheint ohne Probleme seinen Flug steuern zu können. Schnell merkt Yassin, dass die Baumwipfel eine natürliche Grenze seiner Fähigkeit zu bilden scheinen, aber ansonsten ... Er dreht sich wie eine Schraube, er vollführt einen Salto nach dem anderen, nur um wieder die Arme auszubreiten und spielerisch wie ein Vogel um die marschierenden Freunde herumzukreisen.

„Danke!“, flüstert Fynn liebevoll. „Du hast ja keine Ahnung, welch' heißen Wunsch du ihm gerade erfüllt hast. Davon träumt er, seit ich ihn kenne!“

Malik grinst und schüttelt leicht den Kopf. „Wie leicht es doch ist, die meisten Menschen zufrieden zu stellen.“

Fynn nickt zustimmend. „Ja, eigentlich wollen wir nicht viel. Den meisten von uns würde ein bisschen mehr Frieden und Liebe völlig ausreichen.“

Malik beugt sich nah zu ihm. „Dann bist du hier genau richtig!“

Malik Mantikor: Die andere Welt

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