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Kapitel 3

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Diesmal bleibt den beiden Freunden der Mund vor Staunen offen, da 'Bei Resi' nahezu die gleiche Inneneinrichtung gewählt wurde. Die Theke gleicht der Theke, die sie kennen, wie ein Ei dem anderen. Und auch die urigen Holzmöbel scheinen verwandt zu sein. Lediglich die Aufteilung der Tische sieht mehr nach Restaurant aus. Doch das Interieur, der ganze Charme ihrer Kneipe bleibt trotzdem erhalten. Sogar die Ecke mit den Dartscheiben ist zu finden. Fynn und Yassin spüren eine unglaubliche Erleichterung. Das hier scheint wirklich ein Stück 'Heimat' zu sein. Sie blicken sich strahlend an.

Doch trotz ihrer freudigen Überraschung entgeht Fynn nicht die Reaktion der Gäste auf ihr Erscheinen – nein, auf Maliks Erscheinen. Als würden alle für einen Sekundenbruchteil die Luft anhalten. Danach scheint alles normal weiterzugehen. Die Leute unterhalten sich angeregt, Besteck klimpert und Gläser klirren leise. Jetzt – am frühen Abend – ist der Laden gut besucht.

„Alle Tische sind besetzt“, stellt Yassin schnell fest. „Kommt, wir gehen an die Theke, bis einer frei ist.“

Valerie hält sich mit leicht gesenktem Kopf im Hintergrund, als würde sie sich schämen. Sie weiß, was jetzt folgt.

„Quatsch!“ Malik tätschelt nebenbei Yassins Oberarm. „Sucht euch einen Tisch aus. Vielleicht der da?“

Und kaum hat er mit dem Zeigefinger auch nur leicht in die Richtung des vorgeschlagenen Tisches gedeutet, erheben sich die vier Gäste, ergreifen ihre halb leer gegessenen Teller und gehen ganz selbstverständlich an den Tresen. Dort schieben sie sich auf die Barhocker und setzen ihre Mahlzeit fort. Ein herbei eilender Kellner wischt den Tisch ab und nickt eifrig in Maliks Richtung.

„Hast du sie etwa manipuliert?“, zischt Fynn ihm empört zu. „Ich will das nicht, hörst du?“

Erstaunt sieht ihn Malik an. „Wie kommst du denn darauf? Sie geben uns den Tisch aus Respekt. Das ist doch nett von ihnen, findest du nicht?“ Er lächelt unbefangen.

Fynn schüttelt ungläubig den Kopf. „Du hältst das für Respekt?“, fragt er vorwurfsvoll, während er Malik widerstrebend folgt. „Ich würde sagen, sie haben aus Angst gehandelt.“

„Ja, vielleicht aus Angst vor Yassin“, kichert Malik und lässt sich auf einen der gemütlichen Stühle fallen. „Ein Typ seiner Statur taucht hier eher selten auf. Da gibt es zwar einen … doch den werdet ihr noch früh genug kennenlernen. Worauf habt ihr Lust?“, beendet er abrupt das Thema. „Die Küche hier ist wirklich gut!“

Und schon eilt ein zweiter Kellner mit einem Stapel Speisekarten im Arm auf sie zu.

„Hallo, Malik!“, begrüßt er den Mantikor unbefangen. Anscheinend hat er keinerlei Angst vor ihm. „Wie schön, dass du endlich mal wieder reinschaust. Und gleich noch mit neuen 'Freunden'.“ Er spricht das Wort 'Freunden' ein wenig ironisch aus, jedoch tut er dies so gekonnt, dass man sofort daran zweifelt, ob man richtig gehört hat.

Malik grinst süffisant. „Heeyy, Fuxx, mein Bester. Alles klar bei dir? - Ja, du liegst richtig. Hier sitzen vier Leute mit mächtig großem Appetit.“

Fuxx runzelt die Stirn als er die Speisekarten verteilt.

„Valerie?“, fragt er überrascht. „Bist du endlich wieder zurück? Meine Güte, wie lange warst du weg? Doch bestimmt hundertdreißig Jahre, oder? Da wird sich deine Familie aber freuen.“

Valerie lächelt und errötet ein wenig. Sie freut sich, dass Fuxx sie erkannt hat.

„Eigentlich sind es so um die hundertfünfzig Jahre“, erwidert sie leise.

„Ja, die flippen bestimmt aus, wenn sie von deinen Heldentaten in der anderen Dimension hören“, wirft Malik sarkastisch ein, während er die Karte studiert.

Valeries Augen weiten sich vor Schreck. Mit einem Schlag hat ihr der Mantikor wieder ins Gedächtnis gerufen, dass sie eine mehr als harte Strafe zu erwarten hat. Hoffentlich darf sie trotzdem ihre Familie kurz sehen.

Fuxx übergeht Maliks Einwurf und hält Yassin die nächste Karte vor die Nase.

„Meine Güte, du bist ja ein Riese. Egal was du zu essen wählst, ich werde in der Küche Bescheid geben, dass sie dir eine doppelte Portion zubereiten. Wie ist dein Name?“ Mit Zurückhaltung hat es Fuxx wohl nicht so.

Yassin verschlingt ihn mit seinen Blicken. Für seinen Geschmack würde es durchaus reichen, wenn sich der schmale Jüngling nackt auf dem Tisch räkeln würde. Seine sanften braunen Augen werden geradezu obszön von langen Wimpern umrahmt. Der ist doch höchstens siebzehn oder achtzehn Jahre alt, vermutet er hingerissen.

„Mein Name ist Yassin Jabir und ich habe IMMER Hunger“, erwidert Yassin zweideutig. Dabei hält er provokant den Blick des jungen Kellners.

„Ich verstehe“, erwidert dieser grinsend.

„Und du bist ...“ Fuxx blickt Fynn fragend an. Als dieser den Blick hebt, trifft ihn fast der Schlag.

„Ich heiße Fynn ...“, setzt dieser arglos an. Natürlich hat er die Besonderheit seiner blauen Augen bereits wieder vergessen. „Fynn ...“

„... Lichtermeer“, beendet Fuxx wie unter Hypnose. Die letzte Speisekarte gleitet ihm aus der Hand und fällt mit einem leisen 'Plopp' auf die Tischplatte. Er zieht einen freien Stuhl heran und lässt sich darauf sinken … wie in Zeitlupe. Dabei löst er keine Sekunde den Blick von Fynns blauen Augen.

„Ja ...“, erwidert dieser mit brüchiger Stimme „Woher ...“ Doch Fuxx winkt ab. Er unterbricht Fynn mit einer Stimme als stünde er unter Hypnose.

„Malik hat dich aus einer anderen Dimension geholt.“ Wie eine Puppe wendet er den Kopf und starrt Malik an. „Du hast ihn tatsächlich hierher gebracht? Einen Lichtermeer? Was wird nur der Hohe Rat dazu sagen?“ Er schüttelt immer wieder ungläubig den Kopf. „Was hast du dir dabei gedacht? Ein Lichtermeer!!! Du bist wirklich ein Teufelskerl, weißt du das? Sie werden dich hassen, wenn sie erfahren, dass du die Hoffnung des Volkes ...“

Malik blickt endlich seufzend von seiner Karte auf. Er legt den Kopf schräg als würde er ein niedliches Hündchen betrachten.

„Kannst du endlich mal die Klappe halten, Fuxx?“ Sein Blick wird eisig. „Außerdem rate ich dir, den gequirlten Quatsch für dich zu behalten. Du weißt was dir blüht, wenn du dein vorlautes Maul nicht hältst!“

„Du stopfst es mir?“, antwortet Fuxx kokett. Er scheint den Überraschungsmoment überwunden zu haben. Seine braunen Augen blitzen herausfordernd, während er sich in Maliks Richtung lehnt. „So wie du es sonst auch immer machst?“

„Ich reiß' dir die Zunge raus und fresse sie zum Frühstück!“ Das ist der Mantikor, der mit tiefer dröhnender Stimme seine Drohung knurrt. Und wieder verändert sich Maliks Gesicht für Sekunden. Seine Augen werden schwarz und die gebleckten Zähne erscheinen länger und spitzer.

Fuxx springt erschrocken auf. „Mantikor-Ma-Kor-Té“, bittet er mit einer leichten Verbeugung. „Verzeih' mir, Malik. Ich habe mich vergessen. Natürlich werde ich nichts sagen. Doch ich befürchte, dass die Leute es früher oder später sowieso mitbekommen.“

„Ja, ja“ Malik winkt genervt ab. Nach einem letzten Blick in die Karte, klappt er sie zu. „Können wir jetzt endlich bestellen?“

„Natürlich!“ Fuxx zieht einen kleinen Block mit Kuli hervor. „Was darf's denn sein?“

Schnell nimmt er die Bestellung auf, doch bevor er den Tisch verlässt, wendet er sich erneut an Fynn.

„Egal, was du jemals benötigst, wende dich einfach an mich. Du kannst hier in einem der Fremdenzimmer wohnen und bist herzlich eingeladen auf unbefristete Zeit unser Gast zu sein. Du natürlich auch, Yassin!“, nickt er Fynns großem Freund zu. „Egal was ihr benötigt, sagt bitte einfach Bescheid!“

Fynn und Yassin fehlen erst einmal die Worte bei so viel Gastfreundschaft.

„Das kann ich … eigentlich ... nicht annehmen ...“, stottert Fynn verlegen.

Fuxx lächelt ihn an. „Doch, das kannst du.“ Er beugt sich ein wenig vor. „Ein Lichtermeer wird leuchten!“, haucht er inbrünstig. Wie in der Kirche murmelt Valerie den gleichen Satz vor sich hin. Yassin schießen Tränen der Rührung in die Augen, doch Fynn starrt dem Jungen nur fassungslos hinterher als er sich abwendet und Richtung Küche eilt.


„Ich bin doch nicht Jesus!!“, regt sich Fynn auf, während sie auf das Essen warten. „Ehrlich, Valerie!“ Er wendet sich an seine Freundin. „Was murmelst du diesen bekloppten Spruch nach?!“

Valerie lächelt. „Ach, Fynn, mein Junge! Reg' dich nicht auf. Wenn sich deine Anwesenheit herumspricht, wirst du noch einige Reaktionen dieser Art erleben. Lass' die Leute! Sie halten dich für etwas Besonderes!“ Sie beugt sich zu ihm und streichelt seine Wange. „Und das bist du ja auch!“

„Also, ich fänd's super, wenn mich alle so bewundern würden!“, wirft Yassin ein.

„Yassin, der Große … der wirst du sein!“, knurrt Malik. Als er den Blick hebt, wird den anderen bewusst, dass sich soeben der Mantikor zu Wort gemeldet hat.

„Ich HASSE das!“, erklärt Malik nun mit normaler Stimme. Gequält sucht er Fynns Blick. „Der Mantikor in mir drängelt sich immer öfter in den Vordergrund. Ich bin doch kein beschissenes Medium, verdammt nochmal!“

„War das eine Prophezeiung?“, hakt Fynn neugierig nach. Malik zuckt mit den Achseln.

„Ich weiß es nicht. Könnte sein!“

„Coool“, stimmt Yassin begeistert zu.


Als die Speisen aufgetischt werden, traut Fynn seinen Augen nicht. Als sie ihre Bestellungen aufgegeben hatten, wurde er durch Fuxx' Verhalten abgelenkt. Daher staunt er jetzt um so mehr, als er sieht, was Malik vorgesetzt bekommt.

„Hamburger??“, fragt er ungläubig. Vorwurfsvoll deutet er auf den zusätzlichen Teller. „Und gebratener Speck?? Was ist denn mit dir los, du Heuchler? Was ist mit den schrecklichen Schlachthäusern und satanistischen Schlachtmethoden?“ Fast überschlägt sich seine Stimme vor Empörung.

Malik grinst breit über's ganze Gesicht. Provokant langsam nimmt er einen knusprigen Speckstreifen und beißt genüsslich ein Stück davon ab.

„Mhmm“. Wie eine zufriedene Katze schließt er kauend die Augen. „Das ist vielleicht lecker! Willst du mal probieren?“

Fynn verkneift sich eine Antwort. Ihm ist selbst nicht klar, warum er sich so über Maliks Sinneswandel aufregt. Es ist doch seine Sache, ob er nun auf einmal Fleisch essen will oder nicht. Schließlich isst er ja selbst Fleisch und hat bisher noch nie einen Gedanken auf unmenschliches Schlachten verschwendet. Vielleicht fand' ich seine Einstellung einfach nur toll, gesteht er sich ein. So ehrenhaft und edel. Und auf einmal ist er nicht besser als wir anderen.

Finster starrt er auf seinen Gemüseauflauf. Eigentlich hätte er auch lieber einen Hamburger gegessen, doch er wollte neben Malik nicht wie ein Neandertaler wirken. Deshalb hatte er sich umentschieden. Und jetzt das!!

Merkwürdigerweise beginnen Valerie und Malik gleichzeitig zu kichern. Als hätten sie sich einen geheimen Witz erzählt, zucken ihre Oberkörper und ihre Augen blitzen. Schließlich lachen sie laut und befreit auf.

„Hab' ich was verpasst?“, fragt Fynn beleidigt. „Ist das Gemüsespeck, den du da verspeist?“

Yassin greift sich einen Streifen und steckt ihn in den Mund.

„Nein, Alter!“, erklärt er mampfend. „Das ist Eins-A-Schweinespeck. Suuuper lecker!“

Malik haut ihm auf die Pfote als er sich erneut ein Stück klauen will. Doch ein Wink Richtung Fuxx und ein zusätzlicher Teller ist bald auf dem Weg.

„Mensch, Fynn“, erklärt Malik beschwichtigend und reibt sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln. „Sei doch nicht immer gleich so stinkig!“

„Ich bin überhaupt nicht stinkig“, keift Fynn zurück. „Du hast einen riesigen Aufriss gemacht und mir Vorträge über die schrecklichen Fleischfresser gehalten und jetzt sitzt du hier und verdrückst zehn Kilo Speck, ohne mit der Wimper zu zucken.“

Malik lehnt sich zurück und äfft die Körperhaltung seines Geliebten nach, indem er ebenfalls abwehrend die Arme vor der Brust verschränkt.

„Frag' mich doch einfach, statt direkt sauer zu sein“, schlägt er vor.

„Was soll ich dich denn fragen?“

„Na, warum ich auf einmal Fleisch esse?“

Fynn setzt sich gerade hin und fragt gekünstelt: „Warum isst du auf einmal Fleisch, mein lieber Malik?“

„Stammzellen, mein lieber Fynn!“

„Häh??“ Fynn verzieht fragend das Gesicht.

Malik amüsiert sich köstlich. „Unsere Wissenschaftler haben die Stammzellenforschung fast schon zu einer Kunst entwickelt. Das gibt’s hier schon seit Ewigkeiten. Soweit seid ihr noch lange nicht in eurer Dimension! Vereinfacht gesagt, entnehmen wir den Tieren einige Zellen – völlig schmerzlos – und verwenden das Material im Labor, um daraus diese köstlichen Fleischprodukte herzustellen. Nebenbei sind sie auch noch gesünder!“ Er beugt sich vor und hält Fynn lockend einen Speckstreifen vor die Nase. „Hier! Probier' mal! Mhmmm!“

Jetzt muss er doch über Maliks Übermut lachen und schnappt mit dem Mund nach dem herrlich duftenden Happen. Oh, Mann! Er kann Yassins Begeisterung nachempfinden. Das schmeckt wirklich köstlich. Ohne Worte zieht er seinem Freund den Teller vor der Nase weg und knuspert den Speck zu seinem Gemüseauflauf.

„Du hättest mir ja auch mal was sagen können!“, grummelt er gespielt sauer in Valeries Richtung.

„Ich hatte es völlig vergessen“, gibt sie fröhlich zu. „Aber es ist wirklich eine tolle Sache.“


Eine Stunde später leert Valerie ihr Glas und wendet sich an Malik.

„Ich würde gerne noch meine Familie besuchen, bevor ich mit dir gehe und mich vor dem Hohen Rat verantworte. Erlaubst du es mir?“

Fynn fällt fast die Kinnlade herunter.

„Erlauben??“, quiekt er empört. „Warum soll er dir dafür eine Erlaubnis erteilen? Natürlich besuchst du deine Familie. Und was hat das mit deinem Erscheinen vor dem Rat zu tun? Wofür sollst du dich verantworten?“ Misstrauisch kneift er die Augen zu. „Ma-lik?“, fragt er warnend sein Gegenüber. „Du lässt Valerie gefälligst nach Hause gehen. Sie hat nichts getan, um meine Reise zu verhindern!“

„Hat sie wohl!“, erwidert Malik stur. „Sie hätte durch ihre Dummheit beinahe meinen ganzen Auftrag zunichte gemacht. Dafür muss sie sich verantworten.“

Fynn starrt ihn wütend an. „Du lässt sie gehen, ist das klar?! Sie ist meine beste Freundin und sie geht jetzt nach Hause zu ihrer Familie. Und morgen wirst du den Teufel tun, irgend ein negatives Wort über sie zu verlieren!“ Seine blauen Augen blitzen quer über den Tisch, so dass Malik nicht anders kann, als seinen Geliebten fasziniert anzuglotzen.

Nach einer Weile seufzt er und gibt sich geschlagen. Ohne seinen Blick von Fynn zu nehmen, erklärt er ernst. „Also gut, Valerie! Du kannst gehen, wohin du willst. Ich werde dich morgen für deine besonders gute Arbeit loben. Du hast Fynn sein ganzes Leben lang beschützt. Dafür sollst du belohnt werden.“

Valerie atmet erleichtert auf.

„Danke, Malik! Das werde ich dir nie vergessen! Bitte gib gut acht auf ihn, wenn ihr zur Hohen Rätin geht!“

„Es reicht, Valerie!“, befiehlt Malik emotionslos. „Ihm wird nichts geschehen.“

Malik Mantikor: Die andere Welt

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