Читать книгу Episoden aus der neuen Welt - Ilka Berger - Страница 7
Episode 5
ОглавлениеEik:
Hey, pennst du? Keine Lust heute wie …? Schweigen ist auch keine Lösung. Also, hast du dich endlich entschieden, Humpelkumpel? Zusammenarbeit oder nicht? Also, was …?
Mark:
Ich dachte mir, wir können’s ja mal versuchen.
Eik:
Ganz schön lange gedacht.
Mark:
Was meckerst du denn noch?
Eik:
Ich meckere nicht.
Mark:
Aber penetrant bist du.
Eik:
Ach komm, lass uns losziehen! Es sind schon eine Menge Privilegierte unterwegs. Ich will heute unbedingt noch was aus der Freßbox abgreifen. Mein Magen führt schon Selbstgespräche.
Mark:
Ganz wie meiner. Alte Gluckermaschine!
Eik:
Na, dann mal nichts wie los!
Mark:
Hast du schon irgendwen konkret ins Auge gefasst?
Eik:
Die beiden dahinten vielleicht?
Mark:
Mhh, … lieber die rechts daneben.
Eik:
Ja, welche denn?
Mark:
Die mit dem breiten Tierfahrgestell im Schlepptau.
Eik:
Unglaublich …! Was hat die sich denn da aufs Brett genagelt? Sieht aus wie 'n Affe beim Kacken eingefroren.
Mark:
Volltreffer …! Ein fahrender Affe im Krampf.
Eik:
Dann ran an die Missgeburt! Den haschen wir uns samt Lady.
Mark:
1,2,3 und alles ist vorbei. Halte dich kurz hinter mir! Ich mach den Start!
…
Mark:
Hey Lady, ein schönes Tier haben sie da! Echt süß. Darf ich mal streicheln?
Frau:
Nur zu, aber der merkt nichts mehr.
Mark:
Ist schon klar. Macht aber nichts. Der kann wenigstens nicht beißen.
Eik:
Da kann man wohl getrost sagen: tot ist tot und somit pflegeleicht.
Frau:
Ganz meine Meinung.
Mark:
Mensch, das ist doch nicht etwa … ein Gibbon?
Frau:
Das ist einer. Hundertprozentig. Sie kennen sich da aus? Ich meine, sie kennen sich aus mit Affen?
Mark:
Ach, nicht der Rede wert. Nur so ein bisschen. Ich habe als Kind noch einen lebendigen Gibbon gesehen. Im Zoo.
Frau:
Aber der hier ist nicht aus dem Zoo, sondern von den malaiischen Inseln. Ich habe ihn dort speziell für mich jagen lassen. War nicht ganz billig.
Eik:
Sagen sie bloß, da gibt es noch welche? Ich dachte, die wären mittlerweile alle ausgestorben.
Frau:
Ich weiß nicht. Vielleicht ist der Schöne hier sogar der Letzte seiner Art. Bei den Scheinen, die ich da hinblättern musste sogar ziemlich wahrscheinlich. Ich bin auch verdammt stolz auf den Kerl. Ich putze sogar dreimal täglich sein Fell. Das soll schon was heißen bei mir. Und sehen sie mal, die Arme! Sind die nicht prachtvoll? Lang, kuschelig und extrem biegsam. Ich habe extra viele Drähte einarbeiten lassen, damit ich die Arme in alle Richtungen verbiegen kann. Es hat sich gelohnt. Und wisst ihr auch warum? Abends, nachdem ich den Kerl abmontiert habe, lege ich seine Arme um meinen Hals oder auch zweimal. Einfach nur so; weil’s so schön ist.
Mark:
Das kann man verstehen, schließlich sind die langen Arme sein Markenzeichnen. Hey, hey, so hat er sich früher hangelnd durch den Regenwald geschwungen. Jipijey, … hu, hu …!
Frau:
Sehr witzig! Aber damit ist es endgültig vorbei. Der kann sich jetzt nur noch um meinen Hals schwingen.
Mark:
Na, ist doch auch schön.
Eik:
Sieh doch mal, Mark! Hat der nicht wunderschöne Augen? Tief schwarz; sogar mit Lichtpunkten.
Mark:
Ja, ich sehe …! Fantastisch! Fast wie lebendig.
Frau:
Ich habe eben an nichts gespart. Die besten Augen, die ich kriegen konnte. Handbemalt.
Eik:
Das sieht man auch. Sauber bemalt! Man kann sogar feine Äderchen erkennen. Sehr schön! Echte Handarbeit!
Mark:
Tja, so hält man’s wohl aus mit dem Kerl. Lebendige Augen, weiches glänzendes Fell. Was will man mehr?
Eik:
Mensch, sind sie denn da überhaupt sicher, mit so einem Prachtexemplar?
Frau:
Sicher …? Wie meinen sie das? Ach so …! Natürlich, Neider gibt’s hier draußen überall, die mir am liebsten sofort den Kerl vom Wagen reißen würden. Dagegen habe ich entsprechende Vorsichtsmassnahmen getroffen. Sehen sie mal hier!
Mark:
Der ist ja dreifach verschraubt!
Frau:
So sieht’s aus! Rütteln sie ruhig mal dran.
Eik:
Tatsächlich, der sitzt bombenfest!
Mark:
Lass mich mal ran!
Eik:
Mensch, reiß dem doch nicht gleich das Bein ab!
Frau:
Nur ruhig! Das schafft der nicht.
Mark:
Nichts zu machen. Die Schrauben sitzen fest. Den reißt keiner so schnell vom Sockel. Nur abends, da haben sie dann doch ganz schön zu tun, kann ich mir vorstellen. Bis der mal abgeschraubt ist!
Frau:
Reine Gewöhnungssache.
Mark:
Mensch, ich bewundere sie wirklich; wie sie das alles so machen! Und dieses Tier …! Ein so herrliches Tier! Sie haben einen außerordentlichen Geschmack, Madam! Das ist hier nur selten anzutreffen. Und glauben sie mir, ich habe hier schon einiges vorbeiziehen sehen. Viel billiges, schlecht Montiertes, unglaublich abgewetztes und ziemlich übelriechendes Zeug. Eben Pfusch auf ganzer Linie. Die Meisten haben doch keine Ahnung. Machen es auch noch selbst, anstatt nach einem Präparator oder wenigstens nach einem der’s kann Ausschau zu halten. Immer schnell, schnell, schnell; und möglichst ohne Aufwand. Das scheint die Regel zu sein. Ich bin schockiert, was hier so manchmal unter meiner Nase vorbeizieht. Zum Beispiel: letztens fuhr hier 'ne Ratte vorbei. Einfach nur schlecht präpariert. Sie können sich nicht vorstellen wie das, ja …
Eik:
Nein, … wie unangenehm!
Mark:
Ein Gestank wie eine handvoll käsiger Furze.Das war kaum auszuhalten, glauben sie mir. Aber das muss sie ja auch alles nichts angehen. Damit haben sie nichts zu tun. Kein Gestank, kein Ärgernis! Sie können wirklich stolz sein auf ihr Tier. Eine rundum gepflegte Erscheinung.
Eik:
Da hast du vollkommen recht. Eine bemerkenswerte Erscheinung.
Mark:
Eine Augenweide, der fellige Kerl.
Frau:
Das haben sie jetzt aber wirklich schön gesagt. Ich bin auch mächtig stolz auf meinen kleinen Joschi; zeige ihn auch immer gern herum. Besonders aber freue mich über Leute, die es zu schätzen wissen. Die wissen wie viel Arbeit in diesem Kerl steckt, wenn’s auch nicht meine war. Er ist einfach vollkommen so wie er ist und vor allen Dingen pflegeleicht. Das liebe ich am meisten.
Mark:
Nur einmal durchbürsten; fertig und los!
Eik:
Und einen Namen hat der auch noch. Joschi …! Ja, das passt zu dem Kerl!
Frau:
Das war auch keine Frage der Überlegung. Gleich bei unserer ersten Begegnung wusste ich sofort: der muss Joschi heißen. Kein anderer Name passt so gut wie dieser, nicht wahr mein Lieber!
Eik:
Eine bessere Wahl hätten sie nicht treffen können.
Frau:
Das denke ich auch immer. Mein Joschi …! Aber jetzt muss ich wirklich gehen. Sie verstehen; ich habe noch einiges zu erledigen.
Eik:
Wie schade!
Mark:
Können sie nicht doch noch ein paar Minuten bleiben?
Frau:
Nein, tut mir leid! Das Tier muss gebürstet werden und zwar zu Hause. Sonst blafft’s mich an.
Eik:
Was macht der?
Mark:
Ach Eik, du weißt doch, manche Exemplare mögen’s einfach nicht, wenn man sie auf offener Straße bürstet! Fellpflege ist eben Privatsache. Darauf bestehen sie. Die haben wenigstens noch Schamgefühl.
Eik:
Ja, wenn man das so sieht. Sogar ein feiner Charakter.
Frau:
Danke für ihr Verständnis.
Mark:
Man muss eben behutsam mit so zarten Wesen umgehen. Die haben schließlich auch noch ein paar Rechte. Also Madam, wenn sie uns nun verständlicherweise verlassen müssen. Hätten sie da vielleicht für uns …? Hätten sie vielleicht für uns eine kleine Spende?
Frau:
Sicher Jungs, so nette Kerle wie euch, trifft man nur selten. Einen Augenblick, ich muss nur kurz in meiner Tasche wühlen. Da findet sich gleich was.
Eik:
Immer langsam! Das eilt doch nicht.
Frau:
Also hier, da haben wir doch was! Das ist für euch.
Mark:
Herzlichen … äh, vielen, vielen, Dank, Madam! Das ist …
Eik:
Verdammt großzügig.
…
Eik:
Nicht schlecht, Kumpel. Ich bin ehrlich überrascht. Soviel Geschmeidigkeit hätte ich dir gar nicht zugetraut. Du bist ein echtes Kommunikationstalent.
Mark:
Wenn es um Brötchen geht und ich nicht gerade in einer tiefen Depression hänge, dann kriege ich schon mal was Ordentliches hin.
Eik:
Ja, du warst wirklich gut! Bei deinem Monolog aufs herrliche Tier, wären mir beinahe die Tränen gekommen. „Mensch, ich bewundere sie wirklich; wie sie das alles so machen! Und dieses Tier …!“ Die hast du gut eingeschmiert.
Mark:
Reine Übungssache. Und glaube mir: ich habe lange geübt. Denn wenn das Schmalz nicht fließt, hast du nichts in der Tasche.
Eik:
Ich sehe, mit uns, das wird was.
Mark:
Ja, kaum zu glauben, es geht! Womöglich amüsieren wir uns noch!
Eik:
Das haben wir.
Mark:
Aber nicht zu viel!
Eik:
Sie würden uns vergiften.
Mark:
Würden sie? Egal! Ich verschwinde jetzt jedenfalls zum Freßautomaten.
Eik:
Stichwort Freßautomat! Da komm ich doch gleich mit!
Mark:
Dann halt dich ran!
Eik:
Ach Mist, wie blöd …! Das hätte ich doch beinahe vergessen. Ich muss noch meine Pillen holen. Also geh schon mal vor. Aber bevor du abhaust, gib mir noch einen Tipp: Wo ist hier die nächsten Station?
Mark:
Geh hinten raus durchs Tor! Dann halt dich etwas rechts! Nach 500 Metern siehst du’s schon.
Eik:
Na, wunderbar! Also dann …! Unsere tägliche Dosis gib uns heute …