Читать книгу Funkelsee – Flucht auf die Pferdeinsel (Band 1) - Ina Krabbe - Страница 8

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5. Kapitel

Ein lautes DINGDONGBONG riss Malu aus ihren Träu­men. Verschlafen streckte sie einen Arm aus dem Bett und tastete den Boden nach ihrem Handy ab. Buch. Buch. CD-Player. DINGDONGBONG. Moment, das war gar nicht ihr Klingelton, das kam von der Tür. Welcher Idiot schellte denn hier Sturm am frühen Morgen? Malu schälte sich aus der Bettdecke und lief zur Haustür. Sie drückte auf die Gegensprechanlage. »Ja?«, nörgelte sie verschlafen.

»Ich bin sogar schon hier oben«, flötete eine Stimme, die ihr ziemlich bekannt vorkam, aus dem Treppenhaus vor der Wohnungstür. Lea!

Malu riss die Tür auf. »Was ist denn mit dir los? Bist du aus dem Bett gefallen? Es sind Ferien! Schon vergessen?«

»Guckst du eigentlich auch mal irgendwann auf dein Handy?«, fragte Lea genervt. »Ich hab dir bestimmt hundert Nachrichten geschickt und von dir kam – nichts!« Sie rang theatralisch die Hände.

Ihr Handy, richtig, wo war das überhaupt? Sie hatte gestern gar nicht mehr daran gedacht, es auf Laut zu stellen. Bestimmt hatte ihre Mutter es in die Schublade im Flur gelegt. Rebekka Baumgarten bestand darauf, dass Malu abends ihr Handy abgab. Völlig unnötig! Niemand sonst aus ihrer Klasse musste sein Handy abgeben!

Sie holte es heraus und schaltete es an. »Es sind nur 53 Nachrichten, nicht hundert«, stellte sie grinsend fest.

»Ist doch egal.« Lea warf ihre Zöpfe nach hinten. Sie trug neuerdings ihre langen blonden Haare zu zwei Zöpfen geflochten, die ihr rechts und links über die Schultern baumelten. Und wenn sie besonders hip aussehen wollte, dann stülpte sie noch eine graue Mütze drüber – laut Lea ein total angesagtes Outfit! Malu hatte da so ihre Zweifel, sie hatte jedenfalls keine Lust, sich mit modischen Frisur­fragen herumzuschlagen und band sich ihre langen braunen Locken höchstens zu einem Pferdeschwanz zusammen.

»Hast du schon gefrühstückt?«, fragte Malu ihre Freundin, ihr eigener Magen knurrte jedenfalls lautstark.

»Na klar. Weißt du eigentlich, wie spät es ist?«

»Fühlt sich wie sieben an«, sagte Malu und ging in die Küche. Bevor sie noch einen Blick auf die Küchenuhr werfen konnte, rief Lea: »Zehn Uhr!«

»Zehn Uhr ist für eine durchschnittliche Jugendliche in den Ferien doch völlig normal«, erklärte Malu achselzu­ckend und griff nach dem Zettel, den ihre Mutter für sie auf den Küchentisch gelegt hatte.

Guten Morgen Schatz, ich habe Frühschicht, bin um vier wieder zuhause. Frag Frau von Funkelfeld, ob ich ihr was einkaufen soll. Viel Glück! Mama

Daneben hatte sie ein Hufeisen gemalt. Und in diesem Moment fiel Malu alles wieder ein. Sie musste zum Schloss! Wann dieser Arno wohl da auftauchte? Heute würde sie Papi­lopulus bekommen. Hoffentlich. Vielleicht. Bestimmt!

»Alles in Ordnung, Malu?«, fragte Lea vorsichtig und stupste ihre Freundin an, die wie gebannt auf den Zettel starrte. Doch die warf ihre Arme hoch und umarmte Lea wie wahnsinnig. »Alles bestens. Du musst heute mit mir zum Schloss kommen!« Und dann erzählte sie die ganze Erbschaftsgeschichte und von ihrer einzigartigen Chance heute ein Pferd zu bekommen.

Lea starrte ihre Freundin an, als käme sie von einem anderen Stern. »Also noch mal langsam für mich: Du willst diesen Arno fragen, ob der dir das Pferd schenkt? Und du glaubst, das tut der einfach so?«

Malu zuckte mit den Schultern. »Gesine meint ja.« Sie lachte. »Wahrscheinlich mag der Pferde ungefähr genauso gern wie du.«

»Dann hast du echt gute Chancen. Ich würde dir auf jeden Fall alle meine Pferde überlassen.« Lea grinste sie an. »Aber leider kann ich heute nicht mit dir zu deinem Popeltossi fahren ...«

»Papilopulus«, verbesserte Malu streng.

»Von mir aus. Ich muss jedenfalls gleich mit meiner Mutter zu Tante Gerda.« Lea verzog das Gesicht. »Dort werde ich einen megalangweiligen Nachmittag zwischen Rosen und Goldfischen verbringen und dir wieder hundert Nachrichten schreiben. Und du antwortest gefälligst!«

»Ich bemühe mich«, versprach Malu. Sie schüttete sich eine Riesenportion Schokomüsli in eine Schüssel. »Willst du wirklich nichts?«

Lea schüttelte den Kopf. »Ich habe mir gestern eine super Hose gekauft, leider gab es die nur noch eine Nummer kleiner. Da muss ich jetzt erst reinwachsen.«

»Du bist echt bescheuert!«, lachte Malu und kippte sich einen ordentlichen Schuss Milch über die Flocken.

»Ich weiß wirklich nicht, warum du meine beste Freundin bist«, jammerte Lea.

»Lass mal überlegen. Ich bin wahnsinnig witzig, un­glaublich klug und vor allem höre ich mir ständig dein ganzes Gejammer an ...«

»Du bist ein Pferdenerd. Nie hätte ich gedacht, dass meine beste Freundin ein Pferdenerd wird!«

»Ich krieg dich da auch noch hin«, lachte Malu. »Wart’s nur ab.«

»Eher sterbe ich«, seufzte Lea und warf ihre Zöpfe nach hinten. »Ich muss los. Morgen gehen wir aber zum See schwimmen. Keine Widerrede!«

»Ich bin dabei«, versprach Malu.

»Und ohne Pferd!«

»Mal sehn.« Malu lachte und brachte ihre Freundin zur Tür. »Was war eigentlich gestern so dringend, dass du mir 53 Nachrichten geschickt hast?«

Lea überlegte kurz und zuckte dann mit den Schultern. »Keine Ahnung. Aber es war bestimmt wichtig, sonst hätte ich dir ja nicht geschrieben.«

»Ja klar. Viel Spaß bei Tante Gerda.«

Lea verzog das Gesicht. »Na ja, immer noch besser, als zwischen Pferdekötteln herumzulaufen.« Auf der Treppe drehte sie sich noch mal um. »Ich drück dir ganz fest die Daumen«, sagte sie und winkte zum Abschied.

Als sie die Tür hinter ihrer Freundin geschlossen hatte, spürte Malu ein heftiges Kribbeln im Bauch. Hoffentlich ging alles gut!

Sie lief zurück in die Küche und löffelte hastig ihr Müsli auf. Dabei zappte sie sich durch ihre Nachrichten, die meis-ten waren natürlich von Lea. Marvin kaute plötzlich Fingernägel und Emma hatte mit ihm Schluss gemacht – bestimmt deswegen, irgendwer aus der Zehnten war aus dem Muffins geflogen, Rike hatte jetzt schon Angst vor dem neuen Mathelehrer, den sie nach den Ferien bekommen würden und so weiter. Wahnsinnig wichtig! Halt, Jaron hatte nach ihr gefragt. Warum hatte er nach ihr gefragt? Malu switchte weiter, aber Lea hatte sonst nichts dazu ge­schrieben. Jaron, der Buchnerd, wie Lea ihn nannte! (Für Lea waren alle Nerds, die sich mit etwas beschäftigten, was sie selbst nicht interessierte.) War ja auch egal, sie hatte jetzt echt Wichtigeres zu tun.

Schnell räumte sie ihre Müslischale in die Spülmaschine und schlüpfte in Jeans und T-Shirt. Sie schnappte sich Handy und Haustürschlüssel, stürmte aus der Wohnungs­tür und dann die Treppe herunter.

Malu und ihre Mutter bewohnten eine kleine Drei­zim­merwohnung ganz oben unterm Dach eines Mehr­fa­mi­lien­hauses. Das war eigentlich ganz gemütlich, weil es in jedem Raum Dachschrägen gab, nur wenn Malu ihrer Mutter helfen musste, die Einkäufe hochzuschleppen, hätte sie lieber ebenerdig gewohnt.

»Hallo Herr Hahnwald«, grüßte sie den ewig mürrischen Mann aus dem Erdgeschoss, der ihr ein Immer langsam junge Frau hinterhergrummelte. Aber für langsam hatte sie heute keine Zeit. Sie zerrte ihr grünes Mountain­bike aus dem Keller, schleppte es die Treppe hoch und schwang sich in den Sattel. Dann gab sie Gas.

Bald hatte sie die Wohnstraßen des Vorortes hinter sich gelassen und fuhr über die Feldwege, vorbei an goldgelben Weizenfeldern und mannshohen Maispflanzen. Schon kam der Wald in Sicht, der die Grenze zum Anwesen der Funkelfelds markierte. Sie radelte die Allee aus uralten Kastanienbäumen entlang und dann durch das große guss­eiserne Tor, das immer offen stand, seit die Scharniere durchgerostet waren.

Links von ihr lag Papilopulus’ Weide mit seinem Offen­stall. Den hatte Gesine von Funkelfeld damals gebaut, als ihre Schwester nicht mehr reiten konnte. So hatte das Pferd immer genug Auslauf und konnte auf der Weide grasen, wann es wollte. Das war allerdings schon etliche Jahre her und auch hier müsste das Dach an manchen Stellen geflickt werden. Aber das konnte Malu bestimmt reparieren. So schwer konnte das ja nicht sein. Wofür gab es schließlich das Internet?!

Sie lehnte ihr Fahrrad an den Zaun und ging zum Stall hinüber. »Papilopulus«, rief sie. »He, Papi, wo bist du?«

Malu runzelte die Stirn. Irgendetwas stimmte hier nicht. Normalerweise kam Papilopulus sofort, wenn Malu ihn rief. Er konnte ja nur noch hinter dem Offenstall sein, denn die Weide konnte sie von hier aus überblicken. Schnell schlüpfte sie durch die Zaunbretter, um nachzusehen. Nichts! Papilopulus war verschwunden! Ihr Magen krampfte sich zusammen. Das konnte doch nicht sein. Das durfte nicht sein! Gesine! Gesine wusste bestimmt, was los war. Malu drehte sich um und wollte gerade über den Zaun klettern und zu ihrer Wohnung rennen, da hörte sie Huf­ge­klapper aus der Stallgasse. Und diesmal bildete sie sich das nicht ein. Kurz darauf folgte ein leises Wiehern. Papi­lo­pu­lus!

Malu schwang sich über den Zaun und rannte zum Stall. Sie war noch nicht ganz an der Tür, da konnte sie schon Stimmen hören.

»Du hast mir gesagt, wir fahren auf ein Gestüt. Und alles, was es hier gibt, ist das da.«

»Ein Pferd ist ein Pferd«, antwortete eine etwas genervte Män­nerstimme. »Lenka, ich hab jetzt wirklich anderes zu tun.«

Gerade wollte Malu in die Stallgasse stürmen, als sie in einen großen, braungebrannten Mann mit ordentlich gestutztem Vollbart hineinlief.

»Hoppla, wer bist du denn?«, rief der Mann überrascht.

Messerscharf kombinierte Malu, dass dies vermutlich Arno von Funkelfeld war. Bevor sie etwas sagen konnte, redete der Mann gleich weiter. »Du musst Malu sein. Tante Gesine hat erzählt, dass du dich um das Pferd meiner Mut­ter kümmerst. Meine Tochter Lenka reitet auch. Ihr werdet euch bestimmt prima verstehen.« Mit diesen Worten schob der Mann sie in die Stallgasse und eilte über den Schlosshof davon. So hatte Malu sich das Gespräch mit Arno von Funkelfeld aber nicht vorgestellt, ganz und gar nicht. Auch eine Tochter war in ihrem Plan nicht vorgekommen und erst recht keine Tochter, die ritt!

Ein Blick auf Lenka genügte und Malu war klar, dass sie sich auf keinen Fall verstehen würden! Papilopulus stand im Sattelraum, in dem die Pferde früher geputzt und ge­zäumt worden waren. Er drehte den Kopf ein wenig, jedenfalls so weit es der kurze Strick zuließ, mit dem er angebunden war, und schnaubte freudig, als er Malu erkannte.

Ein großes, schlankes Mädchen stand mit verschränkten Armen neben ihm und musterte Malu abschätzend. Sie hatte die gleichen langen blonden Haare wie Lea, eine spitze Nase und steckte in nagelneuen weißen Reithosen. Auf ihren glänzenden Reitstiefeln war nicht ein einziges Staub­körnchen zu sehen. (Rein physikalisch eigentlich unmöglich!)

Auch Lenka schien sich jetzt ein Bild von ihrem Gegen­über gemacht zu haben. Sie zog leicht die Augen­brauen hoch. »Du reitest auch?«, fragte sie, wobei sie das Du so ko­misch betonte, als wäre das die abwegigste Vorstellung überhaupt.

»Ja, klar«, sagte Malu. Obwohl das ein bisschen hoch gegriffen war, denn genau genommen bestand ihr Reiten darin, auf Papilopulus ein paar Runden über die Wiese oder den Schlossplatz zu drehen, ganz ohne Sattel und Trense und das auch noch im Schritt.

»Ich reite schon seit Jahren«, erwiderte Lenka. »Aller­dings auf richtigen Pferden.« Sie bedachte Papilopulus mit einem abfälligen Blick. Malu wünschte sich, dass der Wallach mal kurz und kräftig mit den Hinterbeinen ausschlug – aber dafür war er natürlich viel zu lieb.

»Hier gibt es ja nicht mal einen richtigen Sattel«, stellte Lenka pikiert fest und deutete auf die niedrige Tür am Ende des Raums, durch die es in die Sattelkammer ging. »Hast du da mal reingeguckt?« Sie verzog angewidert das Gesicht. »Der da drin ist völlig verdreckt!«

Malu ging jetzt schnell zu Papilopulus hinüber und strich ihm über die weichen Nüstern. »Na, mein Kleiner«, flüsterte sie, sodass Lenka es nicht hören konnte. Der große Pferdekopf beugte sich zu ihr herunter und schnüffelte an ihrer Hosentasche. Unauffällig kramte Malu ein Lecker­chen raus und hielt es dem Wallach hin.

»Den Sattel benutzt auch seit Jahren keiner mehr und die Trense auch nicht. Ist wahrscheinlich alles ziemlich eingestaubt.« Zum Glück, dachte Malu. So ein Sattel war viel zu schwer für Papilopulus’ alten Rücken. Der Wallach wurde langsam nervös und scharrte mit den Hufen. Er war es nicht gewohnt, so lange angebunden zu sein. Malu streichelte dem Pferd beruhigend über den Hals.

»Tja«, machte Lenka schnippisch und strich sich die Haare aus dem Gesicht. »Und das ist leider nicht das einzige, was hier eingestaubt ist.« Sie seufzte. »So kann ich jeden­falls nicht reiten.«

Malu fiel ein ganzer Felsbrocken vom Herzen. »Soll ich Papilopulus dann wieder auf die Weide bringen?«, fragte sie so beiläufig wie möglich.

»Was für ein bescheuerter Name. Plapimonuwas? Wer hat sich den denn ausgedacht?«

Malu hatte schon den Knoten gelöst und nahm den Strick in die Hand.

»Lass das«, fuhr das blonde Mädchen sie an. »Das ist nicht dein Pferd. Ich bestimme, wann er wieder auf die Weide darf! Und wenn ich will, dass der hier stehen bleibt, dann bleibt er hier stehen!« Damit drehte sie sich um und stapfte die Stallgasse entlang. »Irgendwo in dieser Ruine wird es ja wohl noch einen benutzbaren Sattel geben. Ich werde nicht sechs Wochen in dieser Einöde ohne Reiten zubringen!«

»Du darfst ihm sowieso keinen Sattel auflegen. Papi­lopulus ist doch schon alt«, zischte Malu durch zusammengebissene Zähne. Was für eine eingebildete Ziege! Hof­fent­lich sprach Gesine mit ihrem Neffen, bevor diese Lenka dazwischenfunken konnte.

»Das werden wir ja sehen.« Lenka gab einer der alten Holztüren, die von der Stallgasse abgingen, einen Schubs. Quietschend schwang sie auf und eine Staubwolke rieselte auf das Mädchen herab. Das machte Lenka nur noch wütender und sie stieß eine Tür nach der anderen auf. Aber Malu wusste, was sie finden würde. Nichts außer Dreck, Staub und alten Kisten. Vielleicht noch ein paar Mäuseköttel – und wenn Malu ganz viel Glück hatte sogar ein paar lebende Mäuse, die über ihre geleckten Reitstiefel liefen.

Lenka war fast am Ende der Stallgasse angekommen und stand jetzt gefährlich nahe an der morschen Bodenplatte, unter der sich die alte Jauchegrube befand. Malu hätte sie vielleicht sogar gewarnt, wenn sie sich nicht in diesem Moment umgedreht und gerufen hätte: »Hier gibt es ja sicher eine Putzfrau, dann wird die eben den Sattel saubermachen.« Malu schnaubte, so weit kam das noch, dass ihre Mutter dieser blöden ... KRACH! Die Holzbretter unter Lenka hatten nachgegeben, das Mädchen ruderte wild mit den Armen und rutschte dann rücklings in die Grube. »Iiiiihhh!!! Papaaaaaaa!« Die Schreie hallten durch die Stallgasse.

Malu konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Ge­schieht ihr ganz recht, was Papi?«, flüsterte sie dem Pferd zu. Dann ließ sie ihre Hand langsam über den Pferderücken wandern und schlenderte die Stallgasse hinunter.

»Hol mich hier raus!! Sofort!«, kreischte Lenka, während sie den Kopf zwischen den morschen Holzbrettern herausstreckte und Malu wütend anstarrte, als hätte sie sie persönlich da runtergeschubst.

Malu stoppte ein ganzes Stück vor den Brettern der Bo­­denluke. Sie hatte nicht vor, Lenka da unten Gesellschaft zu leisten. »Du hast Glück, dass die Grube nicht mehr be­nutzt wird. Früher haben sie die Pferdekacke darin ge­sam­melt«, sagte sie grinsend und streckte dem blonden Mäd­chen die Hand entgegen. »Komm schon, ich zieh dich raus.«

Angeekelt sah Lenka an sich herunter. Ihre durchgestylten Reitsachen waren völlig verdreckt. Sie griff mürrisch nach Malus Hand und stützte sich mit dem anderen Arm am Grubenrand ab. Ein Ruck und das Mädchen war oben.

»Du hast extra nichts gesagt, oder? Du wusstest doch genau, dass der Boden hier morsch ist«, zischte sie wütend. Tränen standen ihr in den Augen, als sie ihre teuren Reitsachen inspizierte. »Das zahl ich dir heim!«

Malu beschlich der Verdacht, dass es vielleicht doch nicht so schlau gewesen war, Lenka nicht zu warnen. Jetzt hatte sie eine Feindin auf Schloss Funkelfeld und noch dazu eine, die ihr Papilopulus streitig machen konnte!

In diesem Moment kam der vollbärtige blonde Mann in die Stallgasse gelaufen. »Was ist denn hier los? Lenka, hast du so geschrien? Wie siehst du denn aus?«

Von einem Moment zum anderen veränderte sich Lenkas Gesichtsausdruck zu einer weinerlichen Maske. »Papa, die hat mich hier runtergeschubst«, schniefte sie.

Malu sah sie ungläubig an. Das war ja wohl das Aller­letzte! »Das stimmt doch überhaupt nicht ...«

Lenkas Vater drängte sich an ihr vorbei, um seine Toch­ter zu begutachten. Als er feststellte, dass die nicht ernst­haft verletzt war, sagte er beschwichtigend: »Das hat Malu bestimmt nicht extra gemacht. Ihr müsst wirklich besser aufpassen, Mädchen. Hier gibt es überall Gefahren­quel­len.« Er warf einen kritischen Blick in das Dachgebälk, aber das sah eigentlich noch ganz stabil aus.

Dann wandte er sich Malu zu. »Ich habe eben mit Gesine gesprochen und die hat mir gesagt, dass du Sybills Pferd ... nun ja, übernehmen würdest ...«

Malu bekam plötzlich ganz schwitzige Hände. Nachdem der Tag so mies angefangen hatte, sollte jetzt doch noch alles gut werden?

Arno von Funkelfeld räusperte sich. »Ich meine, für Lenka ist das Pferd ja nichts.« Er hob entschuldigend die Arme. »Nicht, dass etwas mit dem Pferd nicht in Ordnung wäre, aber ich wüsste es ja schon gern in guten Händen und da wäre es ...«

Malu hing an seinen Lippen. Gleich würde er es sagen. Gleich! Aber Lenka hatte genauso schnell geschaltet. Wie bei einem Tennismatch schnellte ihr Blick zwischen ihrem Vater und Malu hin und her und plötzlich hing sie an seinem Arm. »Oooch, Papa, das stimmt nicht. Plopimotus bedeutet mir viel. Ich freu mich so, dass er jetzt mir gehört. Er gehört doch mir, oder?«, säuselte sie.

Verwirrt betrachtete Arno von Funkelfeld seine Tochter. »Aber du hast doch gesagt ...«

»Er ist doch das einzige, was uns von Oma geblieben ist.« Jetzt drückte sich diese Ziege doch tatsächlich noch ein paar Tränen aus den Augen! Wenn Blicke hätten töten können, wäre Lenka augenblicklich tot umgefallen.

»Ja, wenn das so ist ...«, sagte Arno von Funkelfeld und tätschelte seiner Tochter den Rücken, »dann musst du dich aber um das Pferd kümmern. Ich wäre die Verantwortung gerne los gewesen. Ich habe jetzt so viel anderes zu tun.«

»Danke, Papa, du bist der Beste.« Lenka fiel ihrem Vater um den Hals und warf Malu ein gehässiges Grinsen über seine Schulter hinweg zu.

Funkelsee – Flucht auf die Pferdeinsel (Band 1)

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