Читать книгу Das garstige Dorf - Ines Thorn - Страница 6

Erstes Kapitel

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Die Schmierereien an den Hauswänden überraschten Frau Blau und ihre Freundin Edith zuerst nicht besonders. Hier, in Sonnfriedenau, lebte ein verrückter Haufen von Leuten, die allesamt davon überzeugt waren, das einzig vernünftige und richtige Leben zu führen.

„Ein wirklich merkwürdiges Dorf, selbst wenn man bedenkt, dass du einige Jahre in England als Frau eines Lords gelebt hast und Eigenartigkeiten zur Genüge gesehen haben musst“, erklärte Edith und rümpfte ein wenig die Nase.

Frau Blau rückte die Prinzessin-Diana-Tasse, die Edith hütete wie Aladin seine Wunderlampe, gerade und erwiderte: „Das Leben ist überall eigenartig, aber hier auf dem Land gedeiht es nun mal wie in einem Gewächshaus.“ Sie lächelte und sprach weiter: „Erinnerst du dich, wie mich damals die Schornsteinfegergattin Ursula Schmattke gefragt hatte, ob ich auch pastellfarbene Hüte und Handtaschen so groß wie Postkästen tragen würde, denn schließlich hätte ich doch gewisse Ähnlichkeit mit der Queen Elisabeth von England?“ Sie machte eine Pause, um ein empörtes Gesicht zu ziehen. „Und dabei ist die Queen mehr als zwanzig Jahre älter als ich.“

Ein dröhnendes Lachen war zu hören, und dann sagte Graf Eppo vom Busche: „Ich wusste schon immer, dass die Schmattke eine der Blitzbirnen hier im Dorfe ist.“ Aber jedes weitere Wort wurde von Frau Blaus scharfen Blicken zurückgehalten.

Von den Schmierereien hatten Frau Blau und Edith von Graf Eppo vom Busche erfahren, der wieder einmal zur Frühstückszeit in das gemütliche Fachwerkhaus der beiden älteren Lehrerinnen gedrungen war und, die Beine einen Meter weit auseinandergestellt und die Arme in die Hüften gestemmt, nach einem Kaffee verlangt hatte. „Mache ihn richtig schön stark, meine Liebe!“, hatte er Frau Blau hinterhergerufen. „Ich bringe brandheiße Neuigkeiten.“ Er sah sich um, ob sich in der Zeit seit seinem letzten Besuch etwas verändert hatte. Sein Blick glitt über die Glasfront, die einen hübschen Ausblick auf ein kleines Wäldchen bot, dann ließ er sich in einem der bequemen Korbstühle nieder, rückte das geblümte Kissen im Rücken zurecht und schob die langen Beine von sich. „Ah, so kann man leben“, sagte er genießerisch und hob den Deckel von der Orangenmarmelade, um daran zu schnuppern. „Whisky?“, fragte er. Edith nickte stolz.

„Was hast du für Neuigkeiten, Eppo?“, wollte Frau Blau wissen, aber der Graf lächelte nur. „Du platzt bald vor Wissbegier, nicht wahr? Erst möchte ich meinen Kaffee, dann erfährst du, was es Neues gibt.“

Frau Blau zuckte nur die Schultern. Was sollte der Graf schon für Neuigkeiten haben? Ihn sah man doch nie im Hofladen seines Gutes ein Schwätzchen halten, und auch im Gasthof „Zur alten Linde“ tauchte er für gewöhnlich nicht öfter als einmal im Monat auf. Frau Blau begab sich in die Küche, füllte Kaffeepulver in eine Filtertüte, goss Wasser in die Maschine und stellte sich mit verschränkten Armen daneben. Aus dem Wintergarten hörte sie ihre Freundin Edith in höherer Tonlage als gewöhnlich gurren, und sie nahm an, dass Edith wieder einmal vergeblich versuchte, den Grafen zu bezirzen. Der Kaffee tropfte langsam in die Kanne, und Frau Blau griff einen weißen Keramikbecher vom Bord, der mit dunkelblauen Veilchen bemalt war. In Wirklichkeit, dachte sie, ist er nur hier, weil er mir wieder einmal mein Autokennzeichen abluchsen will. Sie kicherte. Seit acht Jahren schon tobte zwischen Frau Blau und dem Grafen vom Busche ein Streit, der in diesem Leben wohl nicht mehr beigelegt werden würde. Als sie vor acht Jahren nämlich aus England nach Sonnfriedenau zurückgekehrt war, hatte sie neben dem Border-Collie-Welpen Bommel auch den Land Rover ihres verstorbenen Mannes mitgebracht. Selbstverständlich mit Rechtssteuerung. Durch einen Irrtum vom Amt erhielt sie das Autokennzeichen SOF für Sonnfriedenau und Umgebung und dahinter EB 1111, EB wie Eppo vom Busche und für ihn reserviert. Doch jetzt fuhr Frau Blau damit herum, und der Graf wurde nicht müde, ihr das Kennzeichen entreißen zu wollen. Er hatte es mit Blumen und guten Reden versucht, hatte dann auf die Tradition gepocht, die der Grafenfamilie schon immer die Ziffernfolge 1111 beschert hatte, zum Schluss hatte er gar den Zaun repariert und Edith einen englischen Teerosenstrauch versprochen, wenn er denn nur endlich sein Kennzeichen bekäme. Doch Frau Blau blieb stur. Nicht, weil sie unbedingt diese Autonummer haben wollte - solche Dinge waren ihr vollkommen gleichgültig -, sondern einfach nur, weil sich niemand so herzerfrischend ärgern konnte wie Graf Eppo vom Busche. Außerdem hatte sie ihn gern und genoss die wöchentlichen Besuche, die natürlich nur unter dem Vorwand SOF-EB 1111 angetreten wurden.

Der Kaffee war durchgelaufen. Frau Blau füllte ihn in den Becher, gab zwei Stück braunen Rohrzuckers hinein und begab sich zurück in den Wintergarten. Eppo vom Busche hatte unterdessen die eine Hälfte des frisch gebackenen Scones gegessen, der auf Frau Blaus Teller lag.

„Köstlich“, rief er mit vollem Mund, „einfach köstlich, diese englischen Dinger!“

Edith fuhr sich geschmeichelt über ihr Haar. „Ich backe sie jeden Morgen frisch“, erklärte sie mit bescheidenem Blick. „Das ist ganz einfach. Ich nehme fünfundsiebzig Gramm zimmerwarme Butter, mische sie mit einem Viertel Mehl, gebe reichlich Rohrzucker dazu, ein Achtelchen Milch und ein frisches Ei. Vorsichtig durchkneten und dann für eine Viertelstunde ab in den Ofen.“

„Du musst meiner Haushälterin unbedingt das Rezept geben. Und das für die Orangen-Whisky-Marmelade noch dazu. Ach, da kommt ja endlich mein Kaffee“, dröhnte er und wischte sich ungeniert einen Krümel vom Mund. Frau Blau entriss ihm blitzschnell den letzten Bissen und aß ihn selbst auf. Edith kniff die Lippen ein wenig zusammen, aber dann fragte sie heiter: „Und, was gibt es denn nun Neues?“ Zugleich stand sie auf, suchte nach einem Zettel und einem Stift, um das Marmeladenrezept aufzuschreiben.

„Hier fährt jemand mit einem Autokennzeichen herum, das ihm nicht zusteht“, knurrte der Graf und schielte halb belustigt, halb wütend über den Becherrand zu Frau Blau. Die aber tat, als hätte sie seine Worte nicht gehört. Also seufzte der Graf resigniert und lehnte sich zurück, sodass sein dunkelblaues Hemd ein klein wenig über dem Bauch spannte, und zupfte an den ledernen Ärmelflecken des vornehm abgetragenen Tweedjackets. Eigentlich war der Graf ein überaus schlanker Mann. Alles an ihm war lang und dünn, selbst seine Nase. Die grauen Augen standen recht eng beieinander, das graue Haar war etwas länger, als es bei einem älteren Herrn üblich war, selbst seine Finger waren lang und schmal. Einzig das Bäuchlein trübte den Eindruck von Askese.

Er trommelte mit seinen Fingern einen kleinen Wirbel auf dem Tisch und holte tief Luft. Doch bevor er den ersten Satz aussprechen konnte, wurde er schon von Frau Blau unterbrochen. „Es wird wohl nichts Aufregendes passiert sein“, erklärte sie. „Als ich heute Morgen gegen sieben Uhr nach den Vögeln gesehen habe, lag das Dorf in aller Stille da.“

Der Graf richtete sich ein wenig auf und schob seine Brille etwas höher. „Du meinst, als du so getan hast, als würdest du durch die Riesenferngläser in deinem Wohnzimmer die Vögel beobachten, während du in Wahrheit nur wissen wolltest, was die Nachbarn so treiben.“

Frau Blau verzog halb beleidigt, halb belustigt den Mund. „Und du“, gab sie die Stichelei zurück, „kannst nicht einmal eine Amsel von einer Drossel unterscheiden.“

„Was gibt es denn nun Neues?“, fragte Edith, der diese Kabbelei ein wenig zu intim vorkam.

„Der alte Kleinschmidt ist mit seinem Traktor vor mir hergefahren. Den Fuß wie Blei auf dem Gas, Gülle und Dreck verspritzend und alle Verkehrsschilder ignorierend ...“

„Das tut der doch immer“, unterbrach Frau Blau schon wieder. „Das ist wahrhaft nichts Neues.“

Der Graf blickte ärgerlich zu ihr und fuhr fort: „Wenn du mich nicht ausreden lässt, erfährst du nichts. Dann erzähle ich es Edith unter dem Schwur, dir nichts zu verraten.“ Er stellte seinen Becher mit einem Knall auf den Tisch. „Immer diese Zwischenrufe!“ Und dann, als wäre Frau Blau gar nicht da: „Sie meint bestimmt, wir wären hier im englischen Oberhaus.“

„Aber bitte, mein lieber Eppo, nun rede endlich!“ Edith war die Stichelei endgültig leid, insbesondere, da sie davon ausgeschlossen war. Sie schob den Zettel mit dem halben Rezept zur Seite und lehnte sich in ihrem Sessel zurück.

„Also schön. Kleinschmidt fuhr vor mir her, als würde nicht er, sondern eines seiner Rindviecher am Steuer sitzen. Er bretterte durch das Dorf, dass alle Katzen, Hühner, Hunde und Kleinkinder auseinanderspritzten. Ich hielt an der Post an, um meine Zeitung zu kaufen. Kaum war ich im Laden, da kriegte Frau Seidel vor Aufregung rote Flecke im Gesicht. ‚Was ist passiert, Anita von der Post?‘, fragte ich, und sogleich plapperte sie los: ‚Herr Graf, haben Sie schon gesehen? Etliche Hauswände im Dorf sind mit Graffiti beschmiert. Auf einigen Wänden hat gestanden Frühlings Erwachen, am Gasthaus und an Frühlings Villa dazu noch Die Sonne bringt es an den Tag.‘ Sie war so aufgeregt, dass sie gleich einen Schluck aus einer blickdichten Flasche mit dem Postlogo hinterherstürzen musste. Dann wurde sie so bleich, dass ich schon befürchtete, ich müsste den Arzt rufen. Sie wankte ein wenig, hielt sich an ihrem Verkaufstresen fest und flüsterte mehr, als sie sprach: ‚Und an meiner Hauswand stand auch etwas geschrieben!‘“

Frau Blau rutschte auf ihrem Stuhl ein wenig nach vorn. „Was stand denn da?“, wollte sie wissen.

Graf Eppo zuckte mit den Schultern. „Ich habe sie nicht gefragt, ich wollte keinen Herzinfarkt riskieren. Also nahm ich sie beim Arm, setzte sie auf einen Stuhl und fragte nur, ob ich etwas für sie tun könnte. Ich weiß nicht, ob sie mich gehört hat, jedenfalls antwortete sie nicht, sondern murmelte nur vor sich hin: Frühlings Erwachen und Die Sonne bringt es an den Tag.“

„Und weiter?“ Frau Blau war vor Spannung so weit an die Stuhlkante gerutscht, wie es gerade noch ging. „Hast du einen Arzt gerufen?“

„Musste ich nicht“, winkte Graf Eppo ab. „Die Schmattke kam in den Laden. Sie hat sich um Anita gekümmert. Sie sagte, sie hätte Notfalltropfen dabei, die würden helfen. Also verließ ich die Post und schaute mir mal die Wand an. Davor stand schon ein Eimer mit Wasser, in dem eine Wurzelbürste schwamm. Und jemand hatte damit begonnen, die rote Schrift abzuwaschen. Aber ich konnte sie trotzdem noch lesen.“

„Und dann?“

„Dann habe ich mich geärgert, dass ich meine Zeitung vergessen hatte. Aber zurück in den Laden wollte ich auch nicht, da die Schmattke dort wirkte, als versorge sie das Opfer einer Katastrophe. Am Ende hätte ich der Seidel Anita noch beim Erbrechen den Kopf halten müssen oder so.“ Eppo verzog entrüstet den Mund.

Frühlings Erwachen? Die Sonne bringt es an den Tag? Was soll das bedeuten?“, fragte Frau Blau nachdenklich.

Edith, die ihr Leben lang Deutschlehrerin gewesen war und es auch ewig bleiben würde, hob den Finger. „Die Sonne bringt es an den Tag. Das ist ein Gedicht von Adelbert von Chamisso. Es geht darum ...“

„Es scheint mir nicht, dass in Sonnfriedenau jemand an den Hauswänden seine literarischen Ambitionen ausleben wollte“, unterbrach Eppo vom Busche Edith rüde.

Edith hätte gern den Inhalt des Gedichtes erklärt und woher sie Frühlings Erwachen kannte, doch die Worte des Grafen ließen sie beleidigt verstummen.

„Anita Seidel ist der festen Ansicht, dass die Anschläge von jugendlichen Vandalen verübt wurden“, fuhr Eppo fort. „Oder von der Burschenschaft des Nachbardorfes. Oder dass damit am Ende Mischa Frühling gemeint sein könnte. Na? Was sagt ihr nun?“

„Mischa Frühling hatte in Deutsch meist eine Fünf!“, erinnerte sich Edith, wurde aber erneut nicht gehört.

Frau Blau schüttelte den Kopf. „So etwas kenne ich bisher nur aus der Stadt“, wiederholte sie.

„Na ja, einmal hatten die Tierschützer aus der Kreisstadt Kleinschmidts Kuhstall beschmiert, aber das ist schon Jahre her“, warf Edith ein.

Graf vom Busche grummelte vor sich hin: „Kann gut sein, dass ich eines Tages auch noch zum Sprayer werde, wenn ich an Kleinschmidt denke.“

Graf vom Busche war nämlich nicht nur der größte Landbesitzer in der ganzen Gegend, er hatte seine Landwirtschaft auch schon vor etlichen Jahren auf Bio umgestellt. In seinen Ställen und auf den Weiden hielt er über sechshundert Rinder, dazu ein knappes hundert Schafe und baute Biomais und Lupinen für sein Viehfutter an. Bauer Kleinschmidt aber, der zweitgrößte Landwirt nach ihm, fütterte seine dreihundert Rinder mit allem, was es günstig zu erwerben gab, und verkaufte seinen Mais an ein Unternehmen, das daraus Benzin herstellte. Bio und der Tierschutz interessierten ihn einen Dreck, ja, er tankte sogar zum größten Ärger des Grafen Biodiesel. Eppo vom Busche konnte sich gar nicht genug darüber aufregen, dass es üblich war, Lebensmittel anzubauen und anschließend daraus Kraftstoff zu machen. Eppo würde jedenfalls eher mit dem Fahrrad fahren, als Biotreibstoff aus Mais in seinen Tank zu füllen.

Seit Ewigkeiten schon schwelte zwischen den beiden älteren Herren ein erbitterter Wettstreit um die richtige Rindviehhaltung, doch war dieser Streit nicht etwa von einem Lächeln begleitet wie der, den der Graf mit Frau Blau focht. Graf vom Busche fühlte sich vom alten Kleinschmidt in seinen Grundsätzen diskreditiert, etwas, das er ganz und gar nicht ausstehen konnte. Wenn es um die Achtung vor der Natur, die richtige Tierhaltung und den nachhaltigsten Ackerbau ging, kannte Eppo kein Pardon. Chemische Dünger auf den Feldern, Antibiotika in der Tierhaltung, nein, dafür hatte er kein Verständnis.

„An wessen Häusern waren denn noch Schmierereien?“, wollte Frau Blau jetzt wissen.

Der Graf zuckte mit den Schultern. „An Mischa Frühlings Haus, an der Schenke und eben an der Post. Von den anderen weiß ich nichts. Aber ich bin sicher, dass du es bis spätestens heute Abend herausgefunden haben wirst.“ Er trank seinen Kaffee aus, stellte den Becher zurück auf den Tisch. „Ich muss weiter. Meine Arbeit macht sich nämlich nicht von selbst“, erklärte er. „Gerade heute muss der Tierarzt kommen. Zwei meiner Kühe werden kalben, und ich bin sicher, bei der einen kommt es zu Komplikationen.“ Er sprach von seinen Tieren beinahe zärtlich, sodass sich Frau Blau ein Lächeln nicht verkneifen konnte. „Wir sehen uns doch morgen Abend, meine Lieben?“, fragte er. Und fügte hinzu, falls die Damen sich nicht zu erinnern vermochten: „Morgen Abend wird die Fotoausstellung des Dorfschäfers eröffnet. Die letzten dreißig Jahre in Sonnfriedenau. Ich bin sehr gespannt.“

„Wir werden natürlich da sein“, entgegnete Edith leicht entrüstet, weil Eppo glaubte, sie an ein Ereignis erinnern zu müssen, dem das ganze Dorf entgegenfieberte. Ihr Blick huschte zum Kaminsims, auf dem die handgeschriebene Einladung lag.

„Dann bis morgen.“ Noch einmal schob der Graf seine Brille zurecht, dann verließ er das Haus.

Frau Blau ließ sich in ihren nun wieder freien Korbstuhl sinken. Sie griff nach dem Sonnfriedenauer Anzeiger, der einmal wöchentlich erschien. Stumm reichte sie Edith den Anzeigenteil hinüber und setzte sich selbst mit dem Lokalteil zurecht. Konzentriert lasen die beiden Frauen, nur ab und zu unterbrach Edith die stumme Lektüre, um Frau Blau etwas vorzulesen. „Morgen Abend gibt es eine Übung der Freiwilligen Feuerwehr“, erzählte sie. „Also erschrick bitte nicht, wenn die Alarmsirene losgeht.“

Und dann las Frau Blau etwas vor: „Die neuen Mülltüten sind da und können im Gemeindehaus abgeholt werden. Die gelben Säcke, weißt du? Haben wir noch einige davon oder soll ich nachher welche mitbringen?“

Edith nickte als Bestätigung, dann las sie weiter vor: „Die Schmattke Ursula hat eine Dankesanzeige in die Zeitung gesetzt. Sie bedankt sich für die Aufmerksamkeiten zu ihrem sechzigsten Geburtstag.“

Frau Blau lächelte: „Nun, dann braucht sie keine Bedanke-mich-Karten zu schreiben. Und außerdem werden alle die, die den Schmattke-Geburtstag vergessen haben, noch einmal an das Großereignis erinnert.“

„Ach, gerade fällt mir ein“, Edith ließ die Zeitung sinken: „Die Beerdigung von Gabriel Krebs findet heute Nachmittag statt. Du hast das doch nicht vergessen?“

Frau Blau äugte über ihre Lesebrille. „Natürlich nicht. Das wurde auch Zeit, dass er endlich unter die Erde kommt. Gestorben ist er schließlich schon letzte Woche. Haben wir eigentlich noch Trauerkarten?“

Edith erhob sich und kramte in einer Schublade. „Nein, haben wir nicht. Die gehen schneller weg als die Hefebrötchen vom Hofladen. Du könntest welche besorgen. Willst du überhaupt zur Beerdigung gehen?“

Frau Blau spitzte die Lippen. „Ich glaube schon“, erklärte sie. „Erstens gebietet es die Höflichkeit, bei einem so bedeutenden Ereignis dabei zu sein ...“ Sie senkte die Stimme. „Und außerdem gedenke ich herauszufinden, was diese grässlichen Schmierereien bedeuten sollen. Immerhin wohnt die Familie Krebs in direkter Nachbarschaft der Frühlings.“

„Ich werde dich natürlich begleiten.“ Edith sprach die Worte, als müsste sie eine lästige Pflicht erfüllen, doch Frau Blau strahlte sie über den Zeitungsrand hinweg an. „Natürlich wirst du das, meine Liebe, du könntest ja sonst etwas verpassen.“ Die beiden Damen lächelten sich an und wären womöglich noch in ein unziemliches Kichern ausgebrochen, wenn der Hund Bommel in diesem Augenblick nicht kundgetan hätte, dass er noch kein Frühstück bekommen hatte.

Das garstige Dorf

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